T 1419/22 () of 30.6.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T141922.20250630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 2025
Aktenzeichen: T 1419/22
Anmeldenummer: 14725193.8
IPC-Klasse: H01R 13/74
H01R 12/70
H01R 13/52
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KONTAKTVORRICHTUNG ZUM HERSTELLEN EINES ELEKTRISCHEN KONTAKTES ZWISCHEN EINER LEITERPLATINE UND EINEM ELEKTROMOTOR
Name des Anmelders: Continental Automotive Technologies GmbH
Name des Einsprechenden: Valeo Systèmes de Contrôle Moteur
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 56
RPBA2020 Art 012(3)
RPBA2020 Art 012(5)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - allgemeines Fachwissen
Beschwerdeerwiderung - unzureichende Substantiierung der Hilfsanträge 1 bis 7
Ermessen, Vorbringen nicht zuzulassen - Voraussetzungen des Art. 12 (3) VOBK 2020 erfüllt (nein)
Ermessen, Vorbringen nicht zuzulassen - Hilfsanträge 1 bis 7 zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0437/20
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent EP 3 000 156 B1 zurückzuweisen.

II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents in vollem Umfang auf der Grundlage von Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt.

Die Einspruchsabteilung vertrat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents wie erteilt neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ferner stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

III. Es wird auf die folgenden, mit dem Einspruch eingereichten

Dokumente

verwiesen:

D1 = US 2005/090132 A1

D2 = DE 20 2009 008 182 U1

D4 = US 2007/059967 A1

D5 = US 3,504,099

IV. Anträge

a) Die

Beschwerdeführerin

(

Einsprechende

) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent in vollem Umfang zu widerrufen, weil Anspruch 1 des Patents nicht den Erfordernissen der Artikel 52 (1), 54(1) und (2), 56 in Verbindung mit Artikel 100 a) EPÜ entspreche. Insbesondere offenbare D5 alle Merkmale von Anspruch 1 und ausgehend von D1 sei die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 für den Fachmann naheliegend.

b) Die

Beschwerdegegnerin

(

Patentinhaberin

) beantragt

,

die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragt sie die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage einer der Hilfsanträge

1 bis 7, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurden.

V. Anspruch 1

des

Hauptantrags

(Patent wie erteilt, Merkmalsbezeichnungen (M1.1), (M1.2), ... durch die Kammer eingefügt analog zu der von der Einsprechenden eingefügten Merkmalsbezeichnung):

(M1.1) Vorrichtung (1) zum Herstellen eines elektrischen Kontaktes zwischen zwei elektrischen Einheiten, insbesondere zwischen einer Leiterplatine (2) und einem Elektromotor,

(M1.2) mit mindestens einem elektrischen Leiter (3)

(M1.3) und einem Steckkörper (4) zum aufnehmen [sic] des Leiters (3),

(M1.4) wobei der Steckkörper (4) mehrere Positionierungsglieder (5) zum Ausrichten des Steckkörpers (4) zu einer Ausnehmung (111) in einem Aufnahmekörper (110) aufweist,

(M1.5) wobei der Steckkörper (4) eine Kontaktfläche (52) aufweist, auf welcher der Leiter (3) angeordnet ist,

(M1.6) wobei die Positionierungsglieder (5) auf der Kontaktfläche (52) angeordnet sind,

(M1.7) dadurch gekennzeichnet, dass die Positionierungsglieder (5) rotationssymmetrisch um die senkrecht durch den Mittelpunkt (M) der Kontaktfläche (52) verlaufende Achse angeordnet sind,

(M1.8) wobei die Positionierungsglieder (5) rippenförmig ausgebildet sind

(M1.9) und eine zum Rand der Kontaktfläche (52) hin sich verjüngende Grundform aufweisen.

VI. Die Kammer lud die Parteien am 22. November 2025 zu einer mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2025. Die vorläufige Meinung der Kammer wurde den Parteien in einer ausführlichen Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK mitgeteilt. Die Kammer kam zum vorläufigen Ergebnis, dass der beanspruchte Gegenstand des Patents zwar neu gegenüber D5 sei, aber ausgehend von D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ferner war die Kammer der Meinung, dass die Hilfsanträge 1 bis 7 unter Artikel 12(3) und (5) VOBK wegen mangelnder Substantiierung nicht zuzulassen seien. Die Parteien sind aufgefordert worden, eventuelle weitere Eingaben ggf. bis 15. Juni 2025 einzureichen. Diese Mitteilung der Kammer erging am 20. Januar 2025.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat der Kammer am gleichen Tag, dem 20. Januar 2025 mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Sie hat auch keine spätere schriftliche Stellungnahme zur Sache abgegeben.

VIII. Die Kammer sagte die mündliche Verhandlung mit Mitteilung vom 24. Januar 2025 ab und verfasste direkt die vorliegende Entscheidung.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die Entscheidung relevant sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden:

a) D1 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags außer die Form der Rippen.

b) D2, D4 und D5 legten einen runden oder dreieckigen Querschnitt der Rippen nahe.

c) Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch.

X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie für die Entscheidung relevant sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden:

a) D1 offenbare keine Rippen und die Lehre der D1 könne nicht mit der Lehre der Dokumente D2, D4 oder D5 kombiniert werden, da diese Dokumente aus einem anderen technischen Gebiet seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung

1.1 Die Erfindung betrifft die Herstellung eines elektrischen Kontakts zwischen zwei elektrischen Einheiten, insbesondere zwischen einer Leiterplatine und einem Elektromotor. Dabei sollen folgende Herausforderungen bewältigt werden:

a) Präzise Positionierung: Leiterplatinen müssen mit hoher Genauigkeit positioniert werden, da sie mehrere Kontakte in exakten Positionen aufweisen. Eine falsche Ausrichtung kann den Kontakt zu Gegenkontakten beeinträchtigen.

b) Dichtigkeit: der Kontakt muss durch ein Gehäuse erfolgen, das gleichzeitig den Kontakt vor äußeren Einflüssen (z. B. Flüssigkeiten) schützen soll.

b) Überwindung von Montageproblemen: unpräzise Bohrungen oder Toleranzen bei der Verschraubung der Gehäuse können zusätzliche Schwierigkeiten verursachen.

1.2 Als Lösung schlägt die Erfindung eine Vorrichtung mit einem Steckkörper vor, der mit mehreren Positionierungsgliedern ("rippenförmig") ausgestattet ist. Diese gewährleisten:

i) Eine automatische Ausrichtung des Steckkörpers beim Einführen in eine entsprechende Ausnehmung im Aufnahmekörper.

ii) Eine präzise Positionierung sowohl in Bezug auf die Drehwinkelposition als auch auf die Lage der elektrischen Kontakte.

2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit bzgl. D1

2.1 Offenbarung der Druckschrift D1

2.1.1 Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass D1 Rippen auf einer Kontaktfläche offenbart, insbesondere hätten die Elemente 49 in D1 nicht die Anordnung und Form von Rippen.

2.1.2 Die Kammer ist jedoch der Meinung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin, dass in D1 die Rippen ("ribs 49", see [0059]), länglich und senkrecht stehend auf der Kontaktfläche F (siehe Pfeil in der Zeichnung unten) angeordnet sind:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIKD1

Der Pfeil F symbolisiert die Ebene der Kontaktfläche und wurde von der Kammer nachträglich eingefügt, Bezugszeichen 49 kennzeichnet die Rippen.

2.1.3 Gemäß allgemeiner Definition (siehe z.B. Wikipedia) in der Technik ist eine Rippe ein Stück (z.B. Platte), mit dem ein anderes, oft flächiges Bauteil stabiler gegen Verformen gemacht wird. Es wird in der Regel senkrecht auf einem solchen plattenförmigen Bauteil angebracht, wonach potentielles Biegen oder Wölben aus der Plattenebene heraus gemindert wird (vgl. Schiffsbau). Sehr oft wird eine Rippe auch zwischen zwei Teilen angebracht, damit sie sich weniger gegeneinander verbiegen können.

2.1.4 Da der Begriff "Rippe" im Streitpatent nicht diesem allgemeinen Verständnis von Rippen in der Technik folgt, muss er breit bzw. im Sinne des Verständnisses von Rippen im Streitpatent ausgelegt werden. In D1 werden Rippen wie im Streitpatent am Rande einer Kontaktfläche angeordnet. Im Streitpatent stehen die Rippen 5/55 senkrecht auf der Kontaktfläche 52, ähnlich wie im Schriftsatz der Beschwerdegegnerin auf Seite 5 gezeigt (unten links wiedergegeben):

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Streitpatent, Abbildung 2

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Abbildungen aus dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 12. Januar 2023 (eingegangen am 13. Januar 2023),

links (Seite 5): "Rippen" im Sinne des Patents,

rechts (Seite 4): "Riffelblech", konventionelle "Rippen"

2.1.5 Die Rippen sind sowohl in D1 als auch im Streitpatent nicht so angeordnet wie von der Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz als Teile des Riffelblechs dargestellt, sondern eher wie in der oberen linken schematischen Zeichnung, senkrecht auf einer Fläche stehend. Diese linke Zeichnung wird entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin als konform mit der Definition "Rippe" im Sinne des Streitpatents erachtet. Die Anordnung in D1 entspricht genau dieser Definition und in etwa auch der im Abschnitt [0030] des Streitpatents beschriebenen (Hervorhebung durch die Kammer):

[0030] Auf der Kontaktfläche 52 des zweiten Körpers 50 finden sich des Weiteren Stützwände 54, um die Stifte 30 des Leiters 3 abzustützen, wenn zwischen den Stiften 30 der Gegenkontakt eingeführt wird und damit die Stifte 30 auseinander spreizt. Die an den kürzeren Seiten angeordneten Positionierungsglieder 5 gehen dabei bündig in die jeweils benachbarten Stützwände 54 über.

2.1.6 Die Struktur der Stützwände 54 mit Rippen 5/55 entspricht strukturell den Wänden mit rippenartigen Ausbuchtungen (49) in D1, die wiederum auf der Fläche F senkrecht stehen. Die Funktion der Elemente 49 in D1 ist genau dieselbe wie diejenige der Rippen 5/55 im Streitpatent, nämlich die exakte Positionierung der mittels Steckkontakt zu verbindenden Elemente und ein Presssitz zwischen diesen Elementen. Ferner ist - im Gegensatz zu D5 - die Fläche F in D1 eine gerade und ebene Fläche ohne Stufen, auf der sowohl der Kontakt als auch die Steck- und Positionierungsmittel angeordnet sind. Ferner werden Elemente 49 in D1 ([0059]) ebenfalls als Rippen ("ribs") bezeichnet.

2.1.7 Folglich ist die Kammer der Meinung der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung, dass die Elemente 49 in D1 "Rippen" im Sinne des Anspruchs 1 sind und auf der Kontaktfläche F angeordnet sind (Merkmale (M1.6) bis (M1.8)).

2.2 Unterschied

2.2.1 D1 offenbart folglich (Anspruchswortlaut, Bezugszeichen gemäß D1):

(M1.1) Vorrichtung zum Herstellen eines elektrischen Kontaktes zwischen zwei elektrischen Einheiten, [deleted: i][deleted: nsbesondere zwischen einer Leiterplatine und einem Elektromotor,]

(M1.2) mit mindestens einem elektrischen Leiter (60A-60F)

(M1.3) und einem Steckkörper (12, "fitting portions" 45A-45C) zum Aufnehmen des Leiters (60A-60F),

(M1.4) wobei der Steckkörper mehrere Positionierungsglieder (49) zum Ausrichten des Steckkörpers zu einer Ausnehmung ("connector housings" 15A-15C) in einem Aufnahmekörper (14, "hood portions" 32A-32C) aufweist,

(M1.5) wobei der Steckkörper (12, 45A-45C) eine Kontaktfläche (Kontaktfläche F an der unteren Seite von 45A-45C; siehe oben, D1, Figur 5) aufweist, auf welcher der Leiter (60A-60F) angeordnet ist (der Kontaktteil des Leiters 60A-60F steht auf der Fläche F senkrecht),

(M1.6) wobei die Positionierungsglieder (49) auf der Kontaktfläche (F) angeordnet sind,

(M1.7) dadurch gekennzeichnet, dass die Positionierungsglieder (49) rotationssymmetrisch um die senkrecht durch den Mittelpunkt der Kontaktfläche (F) verlaufende Achse angeordnet sind (siehe D1, Figur 4, bei einer Rotation um 180° werden die Rippen aufeinander abgebildet),

(M1.8) wobei die Positionierungsglieder (49) rippenförmig (siehe oben; "ribs" in [0059]) ausgebildet sind

(M1.9)[deleted: und eine zum Rand der Kontaktfläche hin sich verjüngende Grundform aufweisen] (die genaue Form der Rippen kann nicht aus den Figuren abgelesen werden).

2.3 Unterschied

Die Kammer stimmt folglich mit der angefochtenen Entscheidung darin überein, dass D1 somit lediglich nicht offenbart, wie die Rippen ausgebildet sind, d.h. dass sie eine zum Rand der Kontaktfläche hin sich verjüngende Grundform aufweisen (das Teilmerkmal "insbesondere ... Elektromotor" in (M1.1) hat keine einschränkende Wirkung). Aus den Figuren und aus der Beschreibung der D1 werden zu wenige Details diesbezüglich offenbart (vgl. Figuren 1 und 5).

2.4 Technische Wirkung und objektive technische Aufgabe

2.4.1 Die Wirkung des Unterschiedsmerkmals ist es das Einführen der mittels Steckkontakt zu verbindenden Elemente zu erleichtern und die Passgenauigkeit der Steckanordnung zu verbessern und insbesondere auch einen Presssitz zwischen den Steckelementen zu erzeugen, damit die zusammengesteckten Teile zusammen bleiben.

2.4.2 Die technische Aufgabe besteht also darin, diese Wirkung zu erzielen.

2.5 Naheliegen

2.5.1 Der Fachmann kennt Rippen bei Steckkontakten, wie D1 und auch die anderen oben aufgeführten Dokumente D2, D4 und D5 belegen.

2.5.2 Für den Fachmann scheint es hauptsächlich folgende mögliche Formen für die Querschnitte der Rippen 49 in D1 zu geben (abgesehen von vieleckigen Formen, die sich gewöhnlich an eine runde Form annähern): im Wesentlichen rechteckig, dreieckig und rund. Der Fachmann scheint alle drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, da jede ihre Vorteile und Nachteile hat:

a) Viereckig: guter Presssitz, aber schwieriger beim Einführen;

b) Dreieckig: leichteres Einführen, relativ guter Presssitz;

c) Rund: leichteres Einführen, guter Presssitz.

2.5.3 Keine der Formen hat so große Nachteile, dass sie der Fachmann von vornherein ausschließen würde. Insofern ist die Kammer der vorläufigen Meinung, dass der Fachmann einen runden (oder dreieckigen Querschnitt) in naheliegender Weise in Betracht ziehen würde und diesen auch bei der in D1 offenbarten Vorrichtung verwenden würde. Intuitiv scheint der Fachmann vor allem eine runde Form bei einer Rippe in Betracht zu ziehen, alleine dadurch, dass sowohl anatomische Rippen als auch technische Rippen in der Regel eine zumindest teilweise runde Form haben und eine runde Form für die oben beschriebenen Anforderungen die beste Eigenschaften hat (vgl. die im Streitpatent, Absatz [0029] beschriebenen Vorteile, welche nach Ansicht der Kammer zum Fachwissen gehören). Eine Umsetzung bereitet keinerlei technische Schwierigkeiten. Folglich kommt der Fachmann durch Ausprobieren von zwei (Möglichkeiten b) und c)) der drei Hauptmöglichkeiten direkt zur beanspruchten Lösung.

2.5.4 Folglich würde der Fachmann ohne die Verwendung der spezifischen Lehre eines weiteren Dokuments einen runden (oder dreieckigen) Querschnitt der Rippen verwenden und somit direkt zum Gegenstand des einzigen Unterscheidungsmerkmals (M1.9) kommen.

2.6 Folglich ist Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents wie erteilt nicht erfinderisch gegenüber der Lehre von D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns (Artikel 52(1) und 56 in Verbindung mit Artikel 100 a) EPÜ).

3. Hilfsanträge 1 bis 7 - Zulassung

3.1.1 Weder die Patentinhaberin noch die Einsprechende haben in ihren Beschwerdeschriftsätzen die Hilfsanträge diskutiert. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung zumindest vorsorglich die abhängigen Ansprüche im Streitpatent diskutiert (Abschnitt III). Die Hilfsanträge wurden zwar nicht in der angefochtenen Entscheidung behandelt, hätten aber spätestens in der Antwort der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdebegründung, d.h. beim Einführen der Hilfsanträge ins Beschwerdeverfahren substantiiert werden müssen (Artikel 12(3) VOBK). Es werden hierzu die Leitsätze (catchword) der Entscheidung T 0437/20 dieser Kammer in Übersetzung zitiert.

1. Legt der Einsprechende gegen die Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form Beschwerde ein und werden vor der Einspruchsabteilung gestellte Hilfsanträge in der angefochtenen Entscheidung nicht behandelt, müssen diese Hilfsanträge bei ... Einreichung in der Beschwerde begründet werden, auch wenn in der Akte keine vorherigen Argumente gegen diese Anträge vorliegen.

2. Sollte der Hauptantrag scheitern, muss der Beschwerdegegner (die Patentinhaberin) normalerweise beantragen, dass die Entscheidung aufgehoben wird, und begründen, warum das Patent in geänderter Form aufrechterhalten werden sollte, d.h. warum die angefochtene Entscheidung im Sinne von Artikel 12(3) VOBK abgeändert werden sollte (Gründe 3.1.3).

3. Da es in der angefochtenen Entscheidung keine konkreten Argumente dafür gibt, warum diese Anträge gewährbar sein sollten oder nicht, kann die Kammer die angefochtene Entscheidung nicht auf die übliche Weise überprüfen. Andererseits kann die Kammer diese Anträge auch nicht zulassen, ohne sie auf ihre Begründetheit hin zu prüfen. Unter diesen Umständen ist es in erster Linie die Pflicht der Patentinhaberin, Gründe dafür anzugeben, wie die Hilfsanträge die Einwände gegen den Hauptantrag ausräumen würden (Gründe 3.1.4).

4. Da ein Hilfsantrag nur dann relevant wird, wenn ein höherrangiger Antrag nicht gewährbar ist, können die für den höherrangigen Antrag vorgebrachten Argumente nicht ausreichen, um den niedrigerrangigen Antrag zu gewähren. Es ist etwas Zusätzliches erforderlich (Gründe 3.1.6).

3.2 Die Kammer stellt fest, dass die Patentinhaberin weder zur Zulässigkeit der Hilfsanträge Stellung genommen hat, noch hat sie diese Hilfsanträge später in irgendeiner Weise substantiiert.

3.3 Folglich entscheidet die Kammer, dass die Hilfsanträge 1 bis 7 mangels Begründung gemäß Artikel 12 (3) und (5) VOBK nicht zuzulassen sind. Es wird ferner auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA (RdBK), 10. Auflage 2022, Abschnitt V.A.4.3.5, verwiesen.

4. Schlussfolgerungen

Da das Patent und die Erfindung, das es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ bezüglich erfinderischer Tätigkeit nicht genügt und die Hilfsanträge 1 bis 7 nicht in das Verfahren zugelassen werden, ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen (Artikel 101(2) EPÜ und Artikel 111(1) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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