T 1340/22 () of 6.6.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T134022.20240606
Datum der Entscheidung: 06 Juni 2024
Aktenzeichen: T 1340/22
Anmeldenummer: 12189493.5
IPC-Klasse: B44F 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flächiges Element und Verfahren zum Herstellen desselben
Name des Anmelders: Thomas Schneider
Name des Einsprechenden: MB Digitalprint GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 7 (nein)
Neuheit des Gegenstands der Hilfsanträge 8 bis 14 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0004/93
T 2610/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl der Patentinhaber als auch die Einsprechende haben Beschwerde eingelegt gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 2 562 004 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) aufrechterhalten werden kann.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstands des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 bzw. der Hilfsanträge 3 bis 7 nicht erfinderisch sei, dass der Gegenstand des Hilfsantrags 2 dem Erfordernis der Klarheit nicht genüge, dass aber der Gegenstand des Hilfsantrags 8 den Erfordernissen des EPÜ genüge.

III. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Druckschriften sind die Druckschriften D10 (EP 0 864 444 A1), D27 (DE 38 38 930 A1) und D31 (WO 01/12736 Al) für das Beschwerdever­fah­ren relevant.

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 6. Juni 2024 statt.

V. Am Ende der mündlichen Verhandlung nahm der Patent­inhaber seine Beschwerde zurück.

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VII. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt. Hilfsweise beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 14, wie sie am 11. Januar 2021 (Hilfsanträge 1 und 2) bzw. am 17. Februar 2022 (Hilfsanträge 3 bis 14) eingereicht worden waren.

VIII. Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 7, die von der Einspruchsabteilung für nicht gewährbar erachtet wurden, weisen unabhängige Produkt-, Verfahrens- und Verwendungsansprüche auf. Die Hilfsanträge 8 bis 14 hingegen sind auf Verwendungsansprüche beschränkt.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 lautet wie folgt :

"1. [U1] Verwendung mindestens eines flächigen Elements (100) als Duschwand, insbesondere in Feucht- oder Nassräumen, zum Beispiel für Duschkabinen oder für Schwimmbäder, welches flächige Element (100) aufweist:

[U2] mindestens ein aus Echtglas gebildetes Träger­substrat (10), insbesondere mindestens eine Träger­platte, und [U3] mindestens eine auf mindestens einer Fläche oder Seite des Trägersubstrats (10) angeordnete Beschichtung (30), wobei [U4] die vom Trägersubstrat (10) abgewandte Fläche oder Seite der Beschichtung (30) mehrmals versiegelt (50) ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 durch das zusätzliche Merkmal "[E5] wobei die der Beschichtung (30) zugewandte Fläche oder Seite des Trägersubstrats (10) mit mindestens einer Grundierung (20) versehen ist".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 im Wesentlichen dadurch, dass das Wort "aufweist" im Merkmal U1 durch die Worte "besteht aus" ersetzt ist (Merkmal U1').

Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 durch das zusätzliche Merkmal "[E6] wobei als Teil der Beschichtung (30) mindestens ein Aufdruck und/oder mindestens eine Aufschrift (40), zum Beispiel in Form von Werbung, aufgebracht ist".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 im Wesentlichen dadurch, dass das Merkmal U1 durch das Merkmal U1' ersetzt ist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 durch das zusätzliche Merkmal E6.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 durch das zusätzliche Merkmal E5.

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Merkmale von Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge ("HA") 8 bis 14. "X" bedeutet, dass das Merkmal vorhanden ist, "-" dass der Anspruch das Merkmal nicht aufweist.

Merkmal|HA8|HA9|HA10|HA11|HA12|HA13|HA14|

U1 |X |X |- |X |- |X |- |

U1' |- |- |X |- |X |- |X |

U2 |X |X |X |X |X |X |X |

U3 |X |X |X |X |X |X |X |

U4 |X |X |X |X |X |X |X |

E5 |- |X |X |- |- |X |X |

E6 |- |- |- |X |X |X |X |

IX. Der entscheidungsrelevante Vortrag der Parteien lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit des Gegenstands von Hilfsantrag 8

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Die Einspruchsabteilung habe Anspruch 1 in einer unzu­lässig beschrän­ken­den Weise ausgelegt. Sie habe die Auffassung vertreten, dass das Kernmaterial 6 und die Klebeschicht 5 gemäß der Druckschrift D10 nur bei einer bestimmten Material­wahl eine Versiege­lungs­­schicht bilden. Eine Versiegelung sei jedoch bereits gegeben, wenn eine Schicht vor uner­wünschten äußeren Einflüssen geschützt werde (vgl. Absatz [0030] des Patents bzw. Punkt 1.1.3 der Ent­schei­dung T 2610/19 zur Stamm­an­mel­dung). Ein solcher Schutz sei unabhängig von der Mate­ri­al­wahl gege­ben. Auch eine Klebeschicht schütze vor mechanischen Einwir­kungen. Zudem habe die Einspruchs­ab­teilung die tatsäch­li­che Lehre der Druckschrift D10 für die Materialwahl miss­achtet. Spalte 5, Zeilen 43 bis 56, der Druck­schrift D10 lehre, dass durch die Wahl des Kern­mate­ri­als Feuer­schutz ermöglicht werde. Jedes der Beispiele für das Kernmaterial 6 in Spal­te 5, Zeilen 45 bis 47, der Druckschrift D10 (Holz, Metall, Kunststoff, Gips oder synthetische Verbundmaterialien) erfülle das von der Einspruchsabteilung aufgestellte Schutzkri­te­rium. Es handle sich auch nicht um eine Auswahl aus mehreren Listen. Die mehrfache Versiegelung werde in der Druck­schrift D10 unab­hän­gig von der Materialwahl abstrakt vorweggenommen. Selbst wenn der Ein­spruchs­abteilung bei ihren Überlegungen zur Schutz­funktion der Versiegelung zu folgen wäre, sei für die Umsetzung der Lehre der Druckschrift D10 nur die Auswahl eines einzi­gen Materi­als für das Kern­material 6 notwendig, um den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vorwegzu­neh­men. Zudem habe die Einspruchs­abteilung igno­riert, dass das Kern­mate­rial zum Feuch­tig­keits­schutz beidseitig lami­niert sein könne (D10, Spalte 5, Zeile 57, bis Spalte 6, Zeile 4). Auch damit sei eine mehrfache Versiegelung zum Schutz vor Nässe offenbart. Anhand der Fig. 4 der Druckschrift D10 lasse sich veranschaulichen, dass letztere alle strukturellen Merkmale des gemäß Hilfsantrag 8 aufrechterhalten Anspruchs 1 vorwegnehme:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Somit sei der Gegenstand von Hilfsantrag 8 nicht patent­­fähig gegenüber der Druckschrift D10.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners stelle eine Duschabtrennung eine Duschwand dar, also eine Fläche, die den Duschbereich begrenzt. Die Feststellung in Punkt 38.5 der Gründe für die angefochtene Ent­schei­dung sei falsch; dies sei so nicht vorgetragen worden.

ii) Beschwerdegegner (Patentinhaber)

Das Substrat 1 der Fig. 4 könne aus Glas bestehen. Betreffend die Harzschicht 2 stelle sich die Frage, ob man sie als Beschichtung im Sinne des Patents verstehen könne. Dies sei vermutlich zu bejahen, da die Harz­schicht Effektpigmente enthalten könne. Hingegen sei das Vorhandensein mehrerer Versiegelungsschichten nicht offenbart. Der Auffassung, dass das Faserverbund­mate­rial 3, die Klebeschicht 5 und/oder das Kernmaterial 6, das auch laminiert sein könne, Versiegelungsschichten bilden, könne nicht gefolgt werden. In Spalte 5, ab Zeile 33, sei offenbart, dass das Faserverbundmaterial dazu diene, die Stabilität des Dekormaterials zu vergrößern. Eine Versiegelungsfunktion sei nicht zu erkennen. Bei der Versiegelung gemäß dem Streitpatent gehe es um den Schutz vor äußeren, mechanischen Ein­wir­kungen, nicht um die Stabilität als solche. Letztere werde im Patent durch das Trägersubstrat gewährleistet. Die Klebeschicht 5 diene in der Druckschrift D10 nur der Befesti­gung des Kern­materials (D10, Spalte 5, Zeilen 36 bis 42). Auch das Kern­material 6 habe keine Versiegelungseigen­schaften, zumal es aus Holz oder Gips bestehen könne (D10, Spalte 5, Zeilen 45 und 46). Es sei so beschaf­fen, dass man es durch Laminierungsschichten vor dem Einfluss von Flüs­sig­keiten etc. schützen müsse (D10, Spalte 5, Zeile 57, bis Spalte 6, Zeile 4). Wenn über­haupt, dann könne man nur in diesen Laminierungs­schich­ten eine Versiegelung sehen. Es sei nicht ganz klar, wie diese Schichten aufgebracht seien. Vermutlich be­ziehe sich das Wort "beidseitig" auf das zu schüt­zende Kernmate­rial. Es gehe darum, das Kernmaterial z.B. vor Feuchtigkeit zu schützen. Dies habe nichts mit dem Schutz der Harz­schich­ten 2 zu tun. Die Erfindung unterscheide sich dadurch vom Dekormaterial der Druck­schrift D10, dass die Versiegelung mit sehr wenigen (Lack-)Schichten erreicht werde. Das Dekor­material der Druckschrift D10 weise wesentlich mehr Schichten auf. Ergänzend sei noch festzustellen, dass die "Duschabtrennung" (d.h. der Übergangsbereich zwischen zwei Duschen) der Druck­schrift D10 nicht wirklich eine "Duschwand" (d.h. die bauliche Begrenzung einer Duschkabine) im Sinne von Anspruch 1 sei. Dies habe die Einsprechende selbst vor der Einspruchsabteilung eingeräumt (siehe Punkt 38.5 der Gründe für die angefochtene Entscheidung).

b) Neuheit des Gegenstands von Hilfsantrag 9

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Es sei nicht relevant, dass das Faserverbundmaterial

keinen dekorativen Effekt habe, da dies auch nicht beansprucht sei. Anspruch 1 lasse sich am besten auf die Druckschrift D10 lesen, wenn man die unterste der Harzschichten 2 als Grundierung und die darüber­lie­gen­den Schichten als Beschichtungen auffasse. Dafür spreche auch die Offenbarung von Spalte 3, Zeilen 4 und 5, der zufolge die einzelnen Schichten zwischen­ge­härtet werden können. Darüber hinaus werde in Spalte 3, Zeilen 5ff., gelehrt, dass nicht alle Harzschichten Pigmente enthalten müssen. Auch die Druckschrift D27 bestätige das Verständnis des Fachmanns, dass die Grundschicht aus demselben Harz wie die Beschichtung bestehen könne (vgl. Fig. 1). Es sei darüber hinaus nicht richtig, dass es zum Prio­ritätsdatum unüblich war, Glassubstrate zu grundieren (siehe dazu auch Dokument D31). Ohne Grundierung habe auch damals das Risiko bestanden, dass der Lack vom Glas abblättere.

ii) Beschwerdegegner(Patentinhaber)

Die Kammer lege den Begriff der Grundierung zu breit aus. Die Absätze [0011] und [0029] des Patents seien zur Auslegung heranzuziehen. Diese Stellen des Patents würden die haftverstärkende Wirkung der Grundierung hervorheben. Sie sollten in die Auslegung des Merkmals einfließen, zumal die Kammer auch bei der Auslegung des Begriffs der "Ver­siegelung" auf die Beschreibung des Patents zurück­ge­griffen habe. Jedenfalls lasse sich die Harzschicht 2 nicht als Grundierung im Sinne von Anspruch 1 lesen, da sie in der Druckschrift D10 eine ganz andere Aufgabe habe, nämlich die Erzeugung eines dekorativen Effekts. Diese Lesart würde die Offenbarung der Druck­schrift D10 überstrapazieren. Es sei gewagt, das Faser­verbundmaterial 3 als Beschichtung verstehen zu wollen. Es sei richtig, dass sich die erste Harz­schicht als Grundierung verstehen ließe, wenn "Grundie­rung" so wie in der Mitteilung der Kammer dargelegt verstan­den werde, aber diese Auslegung stütze sich zu wenig auf die Offenbarung der Beschreibung des Patents. In den Jahren 2007/2008 sei es unüb­lich gewe­sen, Glas zu grundieren. Heutzutage sei dies gebräuchlicher.

c) Neuheit des Gegenstands von Hilfsantrag 10

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Das neue Merkmal sei nicht beschränkend. Darüber ließen sich alle Schichten oberhalb der Harzschichten 2 und insbesondere das Kernmaterial 6 dem Merkmal der mehrmaligen Versiegelung zuordnen.

ii) Beschwerdegegner (Patentinhaber)

Die Besonderheit des Gegenstands des Hilfsantrags 10 bestehe darin, dass das flächige Element lediglich die genannten Schichten in der genannten Reihenfolge umfas­se, d.h. ein oder mehrere Trägersub­strate aus Glas, darauf eine oder mehrere Grundierungen, darauf eine oder mehrere Beschichtungen und hierauf zwei oder mehr Versiegelungsschichten. Dies sei so der Druckschrift D10 nicht zu entnehmen, weil jedenfalls die Frage der Mehrfachversiegelung durch die beiden Laminierungs­schichten realisiert sei, sich dazwischen aber ein Kernmaterial befinde, das keine Entsprechung im An­spruch 1 habe. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Druckschrift D10.

d) Neuheit des Gegenstands der Hilfsanträge 11 bis 14

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsan­trags 11 sei in der Druckschrift D10 in Spalte 3, Zeilen 11 bis 18, offenbart. Es könne daher die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht begründen. Auch das Merkmal E6 (Hilfsantrag 13) sei dort offenbart. Bezüg­lich der Hilfsanträge 12 und 14 werde auf das zum Hilfsantrag 10 Gesagte verwiesen.

ii) Beschwerdegegner (Patentinhaber)

Wenn man die Harzschichten 2 der Druckschrift D10 als Beschichtung deute, sei man nicht weit entfernt vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 11. Der Einwand der Beschwerdeführerin gegen den Hilfsantrag 13 setze voraus, dass die erste Harzschicht eine Grundie­rung darstelle. Dies treffe nicht zu. Bezüglich der Hilfs­anträge 12 und 14 gelte das zum Hilfsantrag 10 Gesagte.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 7

Infolge der Zurücknahme der Beschwerde des Patent­in­ha­bers am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ist die Einsprechende die alleinige Beschwerdeführerin. Wie in den Entscheidungen G 9/92 und G 4/93 der Großen Beschwerde­kammer dargelegt wurde, ist der Patentinhaber als Beschwerdegegner unter diesen Umständen primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu vertei­digen, die die Einspruchs­abteilung ihrer Zwischenent­scheidung zugrunde gelegt hat ("Verschlechterungs­ver­bot" oder "Verbot der reformatio in peius"). Vorliegend ist diese Bedingung für den Hauptantrag und die Hilfs­anträge 1 bis 7 des nunmehrigen Beschwerdegegners nicht erfüllt, da diese Anträge unabhängige Produkt-, Verfah­rens- und Verwendungsansprüche aufweisen, während der Hilfsantrag 8, der von der Einspruchs­abteilung als gewährbar erachtet wurde, auf Verwendungsansprüche beschränkt ist. Daraus folgt, dass der Hauptantrag des Beschwerdegegners sowie die Hilfsanträge 1 bis 7, die alle dem Verschlechterungsverbot zuwiderlaufen, unzu­lässig sind. Nachfolgend werden daher nur die Hilfs­anträge 8 bis 14 in der Sache erörtert.

2. Auslegung der Ansprüche

2.1 "flächig"

Das Patent enthält keine Definition des Begriffs "flächig". Daher ist das Wort gemäß seinem allgemeinen Wortsinn zu deuten. Der Online-Duden definiert "flächig" wie folgt: "eine breitere Fläche bildend; abgeflacht" bzw. "sich auf einer Fläche ausdehnend".

2.2 "Grundierung"

Der Begriff "Grundierung" wird im Patent nicht defi­niert; auch die Absätze [0011] und [0029] stellen keine eigentliche Definition dar, weshalb wiederum auf den allgemeinen Wortsinn abzustellen ist.

Der Online-Duden versteht das Verb "grundieren" als "auf etwas den ersten Anstrich, die erste Farb- oder Lackschicht als Untergrund auftragen". Dementsprechend definiert er eine "Grundierung" als "erste[n] Anstrich; unterste Farb- oder Lackschicht, mit der etwas versehen wird". Die Kammer deutet den Begriff "Grundierung" daher im Sinne einer Grund­schicht, die auf das Trägersubstrat aufgebracht ist und dazu bestimmt ist, andere Schichten zu tragen.

Eine Grundierung kann einen Haftvermittlungseffekt aufweisen (vgl. Absatz [0011], [0029]), aber dies ist nicht unabdingbar. So ist zum Beispiel vorstellbar, dass eine Grundierung nur dazu dient, dem flächigen Element eine gewisse Farbe zu verleihen.

2.3 "versiegelt"

Der Begriff "versiegelt" wird im Patent nicht defi­niert. Dem allgemeinen Wortsinn nach bedeutet "versie­geln" "durch Auftragen einer Schutzschicht widerstands­fähiger, haltbarer machen" (siehe Online-Duden). Dieses Verständnis steht auch im Einklang zur Offenbarung des Patents, wo in Absatz [0030] festge­stellt wird, dass

"bei einem Einsatz des flächigen Elements 100 als Dekorelement, als Duschwand, als Trennwand oder dergleichen, zum Beispiel in Feucht- oder Nass­räumen, wie etwa in Duschkabinen oder in Schwimm­bädern, ... eine Versiegelung 50 von Nutzen [ist], die das flächige Element 100 gegen jegliche Ein­wirkung, so zum Beispiel von Flüssigkeiten, schützt".

3. Hilfsantrag 8 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Die Druckschrift D10 beschreibt Verfahren zur Herstel­lung von gefärbten flächigen Dekormaterialien, wie sie z.B. zur Verkleidung von Fassaden von Gebäuden, Fuß­böden, Decken, Wänden, Türen, Treppen, Möbeln, Tisch­­platten etc. verwendet werden. Die Einspruchs­abteilung war der Auffassung, dass diese Druckschrift dem Gegen­stand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 am nächsten kommt (siehe Punkt 38.9 der Gründe für die angefochtene Entscheidung). In der Tat wird dort die Verwendung eines flächigen Elements mit einem Glas­sub­strat (siehe Spalte 4, Zeile 25) als Duschab­trennung (Spalte 4, Zeile 40) beschrieben. Hierbei ist anzumerken, dass die Begriffe "Duschwand" und "Duschabtrennung" nicht syno­nym sind, dass aber eine Duschabtrennung notwendi­ger­weise eine Duschwand darstellt.

Es stellt sich also die Frage, ob das in der Druck­schrift D10 offenbarte Element den beanspruchten Schicht­aufbau hat. In diesem Zusammenhang ist das Element gemäß Fig. 4 besonders relevant.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Dieses Element umfasst ein Substrat 1, mehrere Harz­schichten 2 mit Effektpigmenten, ein Faserverbund­mate­rial 3, eine Hinter­grund­schicht 4, eine Klebeschicht 5 und ein sogenanntes Kernmaterial 6, das je nach gewün­schten Eigenschaften gewählt werden kann (Spalte 5, Zeilen 43 bis 56). Im Absatz, der die Spalten 5 und 6 der Druckschrift D10 überbrückt, wird zudem offenbart, dass das Kernmaterial durch nicht dargestellte Laminie­rungs­schichten gegen äußere Einflüsse wie z.B. Feuch­tigkeit geschützt werden kann.

Das Substrat 1 stellt ein Trägersubstrat im Sinne von Anspruch 1 dar. Die Harz­schichten 2 entsprechen der Beschichtung gemäß Anspruch 1. Es stellt sich nun die Frage, ob die Schichten 3, 5 und/oder 6 bzw. die Lami­nierungsschichten als Versiegelung der Beschichtung gelten können.

Die Einspruchsabteilung hat diese Frage in Punkt 13 der Gründe für die angefochtene Entscheidung verneint und dies insbesondere damit begründet, dass mehrere Aus­wahlschritte nötig seien, um zum beanspruchten Element zu gelangen.

Entscheidend ist, ob von mehr als einer der Schich­ten 3, 5 oder 6 bzw. von den Laminierungsschichten zu Recht gesagt werden kann, dass sie die Harzschichten 2 schützen bzw. das flächige Element widerstandsfähiger oder haltbarer machen (siehe dazu Punkt 2.3). Die Kam­mer ist zum Schluss gelangt, dass dies der Fall ist. Insbesondere wenn die genannten Laminie­rungs­schichten vorgesehen sind, kann von einer mehrmaligen Versie­ge­lung der Beschichtung gesprochen werden. Dem Beschwer­de­gegner ist zuzustimmen, dass die Laminie­rungs­schichten in erster Linie das Kernmaterial schützen sollen, aber daraus ergibt sich notwendiger­weise auch eine schützende Wirkung für die darunter­liegenden Harzschichten 2.

Das Argument, dass die Erfindung es erlaubt, die Ver­sie­ge­lung mit einer viel kleineren Anzahl von Schichten zu erreichen als das Dekormaterial der Druckschrift D10, kann die Neuheit der beanspruchten Ver­wen­dung nicht begründen, da die Zahl der Schichten des beanspruchten Gegenstands nicht begrenzt ist.

Die Kammer ist daher zur Auffassung gelangt, dass die Druckschrift D10 den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neu­heits­schädlich vorwegnimmt. Dem Hilfsantrag 8 kann somit nicht stattgegeben werden.

4. Hilfsantrag 9 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von

Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 durch das zusätzliche Merkmal, dem zufolge die der Beschichtung zugewandte Fläche oder Seite des Trägersubstrats mit mindestens einer Grundierung versehen ist.

Zur Auslegung des Begriffs "Grundierung" durch die Kammer, siehe Punkt 2.2.

Die Kammer stellt fest, dass die mit der Referenz 2 bezeichnete Lage in den Abbildungen der Druckschrift D10, und somit auch in Fig. 4, mehrere Harzschichten beinhalten kann (vgl. D10, Spalte 2, Zeilen 12 und 13 und Spalte 5, Zeilen 23 bis 25 ("... zumindest eine ... Harzschicht ...") bzw. Spalte 5, Zeilen 28 bis 30 ("... mehrere ... Harz­schich­ten ...")).

Beim Vorliegen mehrerer solcher Schichten lässt sich Anspruch 1 derart auf das Dekormaterial der Fig. 4 lesen, dass die unterste Harzschicht die Grundierung darstellt, die die darüberliegenden Harzschichten, welche die Beschichtung im Sinne von Anspruch 1 bilden, trägt. Dies wurde vom Beschwerdegegner auch nicht bestritten.

So verstanden, nimmt die Ausführungsform der Fig. 4 den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheitsschädlich vorweg. Dem Hilfsantrag 9 kann somit nicht stattgegeben werden.

5. Hilfsantrag 10 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 im Wesentlichen dadurch, dass das Wort "aufweist" durch die Worte "besteht aus" ersetzt wurde.

Es wurde geltend gemacht, dass der Gegenstand dieses Anspruchs neu gegenüber der Druckschrift D10 sei, weil der Anspruch 1 das flächige Element abschließend defi­niere und insbesondere das Kernmaterial 6 keine Ent­sprechung im Anspruch habe.

Die Kammer kann sich diesem Vortrag nicht anschließen. Auch das Kernmaterial 6 hat eine gewisse schützende Wirkung gegenüber den darunter vorgesehenen Harz­schich­ten und kann damit als Versiegelung gemäß Anspruch 1 gedeutet werden (zur Auslegung dieses Begriffs, siehe Punkt 2.3).

Dies bedeutet, dass die Ausführungsform der Fig. 4 den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheitsschädlich vorweg­nimmt. Folglich kann dem Hilfsantrag 10 nicht stattge­geben werden.

6. Hilfsantrag 11 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfs­antrags 8 durch das zusätzliche Merkmal, dem zufol­ge als Teil der Beschichtung mindestens ein Auf­druck und/oder mindestens eine Aufschrift aufgebracht ist.

Die Druckschrift D10 offenbart in Spalte 3, Zeilen 11 bis 18:

"Gemäß einem weiteren vorteilhaften Vorschlag der Erfindung wird in zumindest eine der pigment- und/oder farbstoffhaltigen Harzschichten ein flächiges Muster eingelegt. Dadurch lassen sich besonders dekorative Effekte erzielen, die neben gestalte­ri­schen Aspekten darüber hinaus eine weitestgehende Individualisierung der Dekormaterialien ermöglicht, beispielsweise durch individuelle Namen oder Logos." (Unterstreichung durch die Kammer)

Dies bedeutet, dass als Teil der Beschichtung mindes­tens eine Aufschrift aufgebracht ist. Somit ist auch das neu hinzugefügte Merkmal von Anspruch 1 in der Druck­schrift D10 unmittelbar und eindeutig offenbart. Daraus folgt, dass die Ausführungsform der Fig. 4 den Gegen­stand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheitsschädlich vorweg­nimmt. Folglich kann dem Hilfsantrag 11 nicht stattge­geben werden.

7. Hilfsantrag 12 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 im Wesentlichen dadurch, dass das Wort "aufweist" durch die Worte "besteht aus" ersetzt wurde.

Wie schon im Zusammenhang von Hilfsantrag 10 dargelegt, ist diese Änderung nicht geeignet, den An­spruchs­gegen­stand von der Offenbarung der Druckschrift D10 zu unter­scheiden. Dies bedeutet, dass die Ausfüh­rungsform der Fig. 4 den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheits­schäd­lich vorweg­nimmt. Folglich kann auch dem Hilfsantrag 12 nicht stattge­geben werden.

8. Hilfsantrag 13 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich von

Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 durch das zusätzliche Merkmal, dem zufolge als Teil der Beschichtung mindestens ein Aufdruck und/oder mindestens eine Aufschrift aufgebracht ist.

Wie bei der Prüfung des Hilfsantrags 11 festgestellt wurde, ist dieses Merkmal bereits in der Druckschrift D10 offenbart und somit nicht geeignet, den Anspruchs­gegenstand von der Offenbarung der Druckschrift D10 zu unterscheiden. Daraus folgt, dass die Ausführungsform der Fig. 4 den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheits­schäd­lich vorweg­nimmt. Folglich kann auch dem Hilfsantrag 13 nicht stattge­geben werden.

9. Hilfsantrag 14 : Neuheit gegenüber der Druckschrift D10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 durch das zusätzliche Merkmal, dem zufolge die der Beschichtung zugewandte Fläche oder Seite des Trägersubstrats mit mindestens einer Grundierung versehen ist.

Wie bei der Prüfung des Hilfsantrags 9 festgestellt wurde, ist dieses Merkmal bereits in der Druckschrift D10 offenbart und somit nicht geeignet, den Anspruchs­gegenstand von der Offenbarung der Druckschrift D10 zu unterscheiden. Die Ausführungsform der Fig. 4 nimmt daher den Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ neuheits­schäd­lich vorweg­. Auch dem Hilfsantrag 14 kann somit nicht statt­ge­geben werden.

10. Ergebnis

Da keiner der Anträge des Beschwerdegegners den Erfor­der­nissen des EPÜ genügt, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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