T 1106/22 () of 25.10.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T110622.20241025
Datum der Entscheidung: 25 October 2024
Aktenzeichen: T 1106/22
Anmeldenummer: 14799398.4
IPC-Klasse: B66B 1/40
B66B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 361 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM BETRIEB EINER AUFZUGSSTEUERUNGSEINRICHTUNG
Name des Anmelders: INVENTIO AG
Name des Einsprechenden: Otis Elevator Company
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
Erfinderische Tätigkeit - allgemeines Fachwissen
Hilfsanträge - reformatio in peius
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

In dieser hatte die Einspruchsabteilung unter anderem festgestellt, dass

- das Patent die im erteilten Anspruch 5 des damaligen Hauptantrags definierte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann;

- der Gegenstand des Anspruchs 6 des damaligen Hilfsantrags 1 (erteilter Anspruch 7) den Schutzbereich des Patents erweitert;

- das Verfahren des erteilten Anspruchs 1 gemäß damaligem Hilfsantrag 2 neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK vom 10. Juli 2024 hat die Kammer die vorläufige Auffassung geäußert, dass das Verfahren des erteilten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), der dem aufrechterhaltenen Hilfsantrag 2 entspricht, nicht neu ist und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die mit Beschwerdeerwiderung von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eingereichten Hilfsanträge 1 - 7 sah sie vorläufig aufgrund einer reformatio in peius als unzulässig an.

III. Mit Schreiben vom 25. Juli 2024 bzw. vom 16. Juli 2024 zogen sowohl die Beschwerdegegnerin, als auch die Beschwerdeführerin ihre hilfsweisen Anträge auf mündliche Verhandlung zurück, ohne sich weiter zur Sache zu äußern.

Der ursprünglich auf 5. August 2024 angesetzte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der erstmals mit Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 - 7.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (erteilte und aufrecht erhaltene Fassung) hat folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnung durch die Kammer hinzugefügt):

M1 Verfahren zum Betrieb einer zur Steuerung und Überwachung der Bewegungen zumindest einer Aufzugskabine (14) vorgesehenen Aufzugssteuerungseinrichtung (16),

M2 wobei die Aufzugskabine (14) unter Kontrolle der Aufzugssteuerungseinrichtung (16) einzelne Stockwerke (20) in einem Gebäude anfährt und

M3 dabei an einer vorgegebenen Halteposition jeweils einen Stockwerkhalt ausführt,

dadurch gekennzeichnet, dass

M4 im Zusammenhang mit dem Stockwerkhalt ein Gesamtfehler (G) in Form einer Abweichung einer tatsächlichen Position der Aufzugskabine (14) sowie einer als Istposition angenommenen Position der Aufzugskabine (14) ermittelt wird, und dass

M5 die Aufzugssteuerungseinrichtung (16) Servicesignale anhand einer statistischen Erfassung mehrerer Werte für einen Gesamtfehler (G) erzeugt.

Der jeweils gleichlautende Anspruch

5 der Hilfsanträge 1 und 4,

4 der Hilfsanträge 2, 3 und 5,

6 des Hilfsantrags 6 und

3 des Hilfsantrags 7 ist auf ein Steuerungsprogramm zur Durchführung aller Schritte der vorhergehenden Ansprüche gerichtet und entspricht Anspruch 6 des ehemaligen Hilfsantrags 1, in dessen Gegenstand die Einspruchsabteilung eine Erweiterung des Schutzumfanges sah (Artikel 123(3) EPÜ), und der im aufrecht erhaltenen ehemaligen Hilfsantrag 2 daher nicht mehr enthalten war.

VI. Nachfolgend wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D2: WO 01/70613 A1

D3: US 4 629 034.

VII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das beanspruchte Verfahren ist nicht neu gegenüber der Offenbarung von D2 und D3 oder beruht zumindest ausgehend von D2 und D3 unter Berücksichtigung von Fachwissen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Hilfsanträge 1 - 7 enthalten alle einen auf ein Steuerungsprogramm gerichteten Anspruch, den die Einspruchsabteilung nicht als gewährbar erachtet hat. Die nicht beschwerdeführende Patentinhaberin hat kein Recht auf Wiedereinführung dieses Anspruchs. Außerdem sollten die erstmals mit Beschwerdeerwiderung von der Patentinhaberin eingereichten Hilfsanträge nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträgen ist gegenüber dem angezogenen Stand der Technik neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Patent und sein technischer Hintergrund

2.1 Das Patent betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Aufzugssteuereinrichtung, die die Bewegung einer Aufzugskabine in einem Aufzugsschacht von Stockwerkshalt zu Stockwerkshalt über einen Antrieb der Augzugskabine steuert und überwacht. Bei einem Stockwerkshalt soll möglichst exakt eine vorgegebene Halteposition erreicht werden, in der der Kabinenboden mit dem Stockwerksboden stufenlos fluchtet. Um dies zu erreichen, muss eine aus (Motor-)Messdaten indirekt abgeleitete Position der Aufzugskabine, die "als Ist-Position angenommene Position", immer wieder beim Durchfahren bestimmter Referenzpositionen mit deren bekannten, vor Inbetriebnahme ermittelten Referenzwerten, der "tatsächlichen Position" verglichen und im Falle einer Abweichung, dem "Gesamtfehler", entsprechend korrigiert werden.

2.2 Mit dem beanspruchten Verfahren soll zum einen im Betrieb die sog. Landegenauigkeit der Aufzugskabine bei Stockwerkshalten verbessert (abhängige aufrecht erhaltene Ansprüche 2 - 5), zum anderen eine "nachträgliche Erkennung der Landegenauigkeit bereits erfolgter Stockwerkhalte" (Absatz [0008] der Patentschrift) ermöglicht werden. Dazu werden laut erteiltem und aufrecht erhaltenem Anspruch 1 von der Aufzugssteuereinrichtung "Servicesignale" anhand einer statistischen Erfassung mehrerer Werte für einen Gesamtfehler erzeugt, der eine Abweichung zwischen Ist- und Soll-Position wiedergibt.

3. Hauptantrag - Auslegung des unabhängigen Anspruchs

Bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit ist insbesondere das Verständnis des Merkmals "Servicesignale" aus M5 von Bedeutung. In Punkt 1 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK ist die Kammer hierbei zu folgender vorläufiger Auffassung gelangt:

"1.1 "Servicesignal" scheint kein Fachbegriff mit allgemein anerkannter Bedeutung zu sein. Umgangssprachlich wird darunter manchmal eine Anzeige verstanden, die darauf hinweist, dass eine Wartung durchgeführt werden soll ("Servicesignal zurücksetzen" nach erfolgter Überprüfung bzw. Reparatur). Das scheint vorliegend jedoch nicht gemeint zu sein. Vielmehr scheint es sich hier um einen spezifisch in der Patentschrift verwendeten Begriff zu handeln, der folglich anhand der Patentschrift auszulegen ist.

1.2 Servicesignale scheinen die nachträgliche Auswertung der Landegenauigkeit bereits erfolgter Stockwerkhalte zu unterstützen, Absatz [0008] der Patentschrift. Laut Absatz [0012] handelt es sich dabei um von der Aufzugssteuerungseinrichtung im Betrieb aufgenommene Daten hinsichtlich der Landegenauigkeit, auf die ein Servicetechniker zugreifen kann bzw. die er abrufen kann. Die Aufzugssteuereinrichtung erfasst dazu insbesondere Gesamtfehler G und erzeugt auf deren Basis die Servicesignale, Absatz [0044]. Ein Servicetechniker kann auf diese Servicesignale oder auf die Gesamtfehler G selbst oder auf eine dazu von der Aufzugssteuereinrichtung bereits veranlasste statistische Auswertung zugreifen. Aus diesen Alternativen könnte man schließen, dass mit Servicesignalen etwas anderes gemeint sein soll als erfasste und aufgezeichnete Daten (Gesamtfehler) und deren statistische Auswertung. Gemäß der konkreten Beispiele in Absatz [0051] scheinen Servicesignale aus einem Vergleich des/der ermittelten Gesamtfehler mit einem Schwellwert oder Toleranzbereich oder aus einer Berechnung eines Mittelwerts oder einer Standardabweichung der Gesamtfehler hervorgehen zu können.

1.3 Werden also anhand von erfassten Fehler-Rohdaten erzeugte, service-relevante Daten zur Verfügung gestellt, die ein Servicetechniker abrufen kann, um daraus beispielsweise Fehlerursachen zu ermitteln oder Wartungen zu planen, scheint es sich dabei bereits um "Servicesignale" im Sinne des Patents zu handeln. Eine einschränkendere Bedeutung scheint jedenfalls dem Patent mangels ausdrücklicher Definition dieses Begriffs nicht entnommen werden zu können. Insbesondere scheinen Servicesignale selbst keine Hinweis auf eine Fehlerursache oder Prognose von Wartungsmaßnahmen enthalten zu müssen."

4. Hauptantrag - Neuheit

4.1 In Punkt 2 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK hat die Kammer aus folgenden Gründen die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung der D2 vorläufig bejaht, gegenüber der der D3 aber verneint.

"2.2 Auch D2 offenbart ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 mit dem Ziel, einen Stockwerkshalt genau an vorgegebenen Haltepositionen durchzuführen ("in order to accurately stop at landing 117", Ende des ersten Absatzes auf Seite 9 und Fig. 2).

Wie in D1 scheint zum einen im Betrieb eine Korrektur einer (zweiten) angenommenen Position durchgeführt zu werden, hier, indem die (zweite) angenommene Position durch einen kalibrierten Referenzwert für eine erste angenommene Position zuzüglich der mittlerweile zwischen erster und zweiter angenommener Position zurückgelegten (angenommenen) Strecke ersetzt wird, Seite 9, erster Absatz. Hier scheint also zunächst kein Gesamtfehler im Sinne einer Abweichung der ersten angenommen Position vom Referenzwert als der tatsächlichen Position ermittelt zu werden.

Dies scheint jedoch zusätzlich zu dem obigen Betriebsverfahren zu erfolgen (Seite 9, Zeilen 21 - 23), und die erfassten Gesamtfehler ("signed difference value") statistisch dahingehend ausgewertet zu werden, ob sie einen zulässigen Schwellwert überschreiten (Seite 9, Zeile 21 - Seite 10, Zeile 12). Da dies ähnlich wie die Beispiele in Absatz [0051] des Patents für einen Service relevant ist, nämlich normalerweise die Durchführung einer (nur) halbautomatischen Rekalibrierung (also durch einen Servicetechniker) nötig macht, könnte das Ausgabesignal des zur statistischen Auswertung genutzten Tiefpassfilters, das eine längerfristige Abweichung über den Schwellwert hinaus anzeigt, ein erzeugtes Servicesignal darstellen. Maßgeblich ist ja nicht, ob ein Servicetechniker es tatsächlich abruft, oder es ausdrücklich für einen Servicetechniker bereitgestellt wird, sondern nur, dass ein für den Service relevantes Signal separat vom operativen Betrieb zur Verfügung gestellt wird. Fraglich ist hier jedoch wiederum, ob dieses Ausgangssignal des Tiefpassfilters bzw. die festgestellte Überschreitung des Schwellwerts irgendwo abgelegt und wieder auffindbar ist, oder lediglich zur Anpassung der kalibrierten Referenzwerte in der Tabelle verwendet wird, und der im Tiefpassfilter dokumentierte Verlauf der Gesamtfehler zurückgesetzt, also überschrieben wird, um die erneute Erzeugung eines Ausgangssignals vorzubereiten.

Somit scheint Merkmal M5 nicht unmittelbar und eindeutig in D2 offenbart zu sein.

2.3 In D3 scheint ein Gesamtfehler in Form einer Abweichung einer tatsächlichen Position von einer angenommenen Position der Aufzugskabine komplexer ermittelt zu werden, nämlich wie in Fig. 7 gezeigt und in Spalte 7, Zeilen 1 - 28 beschrieben. Ein Teilfehler scheint wie beansprucht aus einer Differenz zwischen einem aus Signalen eines Impulsgebers abgeleiteten, d.h. angenommenen Positionswert und einem in einer Tabelle (Fig. 4B) abgelegten, tatsächlichen Referenzwert errechnet zu werden (A), ein anderer Teilfehler aus einer analog-digital gewandelter, von einem Positionssensor ermittelten und mit einem Faktor umgerechneter Abweichung der tatsächlichen Ist-Position von der als erreicht angenommenen Zielposition der Aufzugskabine bei einem Stockwerkshalt (B). Beide werden dann mit Faktoren zu einem Gesamtfehler d gewichtet (C). Alternativ scheint ein Gesamtfehler auch nur mit der ersten Methode (A) errechnet werden zu können, so dass ein Positionssensor entfallen kann (Spalte 7, Zeilen 9 - 11). Der in Schritt 1100 der Fig. 6 errechnete Gesamtfehler scheint in Fig. 3 als "floor arrival error d" gezeigt zu sein, der durch die folgenden, in Fig. 6 gezeigten Schritte letztlich mithilfe einer durch einen Korrekturfaktor S (Schritt 1400) besser angepassten Geschwindigkeit v2 so weit wie möglich eliminiert werden soll (Spalte 4, Zeile 59 - Spalte 5, Zeile 25). Im nächsten Schritt 1200 der Fig. 6 wird dazu eine Vielzahl von Gesamtfehlern d kategorisiert in Tabellen abgelegt, Fig. 8, 9, und dann in Schritt 1300 statistisch ausgewertet, Fig. 10. Dazu werden Durchschnittswerte D und Standardabweichungen delta der erfassten Gesamtfehler d erzeugt, also für Service und Wartung relevante Daten, Spalte 8, Zeilen 4 - 55. Diese Daten scheinen nicht nur im weiteren zur Ermittlung der Korrekturfaktoren S (Fig. 12) für die Geschwindigkeit in Abhängigkeit eines hauptsächlichen Einflussfaktors auf den Fehler (d.h. einer "Ursache") und damit zur operativen Verbesserung der Landegenauigkeit verwendet zu werden, sondern auch als Servicesignale in einem in Fig. 4(C) gezeigten Verzeichnis abgespeichert zu werden, so dass die jeweils aktuellen Durchschnittsfehler, ihre Standardabweichungen und die hauptsächlichen Einflussfaktoren auf den Fehler SCFLAG, FLAG (wie Motortemperatur TE, Last L oder Stockwerk FN) grundsätzlich abrufbar zu sein scheinen, Spalte 5, Zeilen 50 - 65.

Somit scheint D3 ein Verfahren mit sämtlichen Schritten des Anspruchs 1 zu offenbaren."

5. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

5.1 Wie sich aus der obigen vorläufigen Auffassung zur Neuheit ergibt, unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 von dem nach D2 lediglich durch Merkmal M5. In Punkt 3 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK hat die Kammer ausgehend davon zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Verfahren nach D2 wie folgt vorläufig Stellung bezogen.

"3.2 In Einklang mit Absatz [0008] des Patents kann als zu lösende Aufgabe angesehen werden, ein Verfahren bereitzustellen, das eine nachträgliche Erkennung der Landegenauigkeit bereits erfolgter Stockwerkshalte erlaubt.

3.3 Um dies zu erreichen, müssen beim Verfahren nach D2 lediglich die hierfür kennzeichnenden, statistisch aus den Gesamtfehlern ermittelten Daten, nämlich die einzelnen Ausgangssignale des Tiefpassfilters und die verschiedenen Versionen der Tabelle mit den Referenzwerten, gesondert abrufbar in einem Speicher hinterlegt werden. Denn wie in Absatz [0044] des Patents beschrieben, muss nur sichergestellt sein, dass ein Servicetechniker auf die erzeugten Servicesignale zugreifen kann, ohne dass diese von der Steuerung selbsttätig nach Art von Warn- oder Alarmsignalen angezeigt werden.

Das Auslesen von solchen Speichern scheint im übrigen zur üblichen regelmäßigen Wartung einer automatisch gesteuerten Anlage durch einen Servicetechniker zu gehören."

5.2 In einer Hilfserwägung hat sie sich auch zur erfinderischen Tätigkeit im Licht von D3 geäußert.

"3.4 Selbst wenn man das gespeicherte Verzeichnis C aus Fig. 4 der D3 nur als temporären Arbeitsspeicher ansehen würde, der nicht extern auslesbar ist, scheint es ebenso eine naheliegende und fachübliche Maßnahme zu sein, mit Zeitstempel versehene Kopien davon in einem separaten, auslesbaren Speicher als Servicesignale zu hinterlegen."

5.3 Aus diesen Gründen kam die Kammer zu dem vorläufigen Ergebnis, dass das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D2 (und auch von D3) nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

6. Hilfsanträge

In Punkt 4 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK schloss die Kammer aus folgenden Gründen vorläufig, dass alle Hilfsanträge unbeachtlich ihrer Zulassung zum Beschwerdeverfahren unzulässige Änderungen aufweisen.

"4.2 Die Frage der Zulassung aller Hilfsanträge scheint aber darüber hinaus dahingestellt bleiben zu können, denn sie enthalten sämtlich einen auf ein Steuerungsprogramm gerichteten Anspruch (5 in den Hilfsanträgen 1 und 4, 4 in den Hilfsanträgen 2, 3 und 5, 6 im Hilfsantrag 6 und 3 im Hilfsantrag 7), den die Einspruchsabteilung in Abschnitt 5 ihrer Entscheidung zum gleichlautenden Anspruch 5 des ehemaligen Hilfsantrags 1 als den Schutzumfang des Patents erweiternd angesehen hat (Artikel 123(3) EPÜ), und der folglich in der aufrecht erhaltenen Fassung des ehemaligen Hilfsantrags 2 nicht mehr enthalten ist.

Da die Patentinhaberin nicht selbst Beschwerdeführerin ist, ist sie auf die Verteidigung der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Fassung des ehemaligen Hilfsantrags 2 beschränkt. Die Wiedereinführung des darin gestrichenen Anspruchs 5 des ehemaligen Hilfsantrags 1 führt somit zu einer unzulässigen reformatio in peius zu Ungunsten der allein beschwerdeführerenden Einsprechenden, RSdBK, 10. Auflage, V.A.3.1, V.A.3.1.5."

7. Keine der Parteien hat zu den obigen, in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK angesprochenen Punkten Stellung genommen. Nach Überprüfung der maßgeblichen Rechts- und Tatfragen des vorliegenden Falls sieht die Kammer keine Veranlassung, von ihrer in der Mitteilung geäußerten vorläufigen Meinung abzuweichen und bestätigt, dass das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (aufrecht erhaltene Fassung) nicht neu gegenüber der Offenbarung der D3 ist und zumindest ausgehend von D2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Desweiteren führt der in allen Hilfsanträgen enthaltene Anspruch 6 des ehemaligen Hilfsantrags 1 (erteilter Anspruch 7) zu einer unzulässigen reformatio in peius zuungunsten der allein beschwerdeführendnen Einsprechenden (G9/92).

8. Ergebnis

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Einsprechende letztlich erfolgreich gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung, das Verfahren nach dem erteilten und aufrechterhaltenen Anspruch 1 sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Folglich ist die entsprechende Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung auf Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des ehemaligen Hilfsantrags 2 und jetzigen Hauptantrags aufzuheben.

Dass keine zulässigen Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorliegen, führt schließlich zum Widerruf des Patents.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation