T 0736/22 () of 6.12.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T073622.20231206
Datum der Entscheidung: 06 Dezember 2023
Aktenzeichen: T 0736/22
Anmeldenummer: 14793866.6
IPC-Klasse: B29C 64/153
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum schichtweisen Herstellen eines dreidimensionalen Objekts
Name des Anmelders: EOS GmbH Electro Optical Systems
Name des Einsprechenden: Concept Laser GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(5)
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 0447/22
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende haben eine Beschwerde eingelegt gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung in der das europäische Patent Nr. 3 068 605 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) aufrechterhalten werden kann.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. 56 EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegensteht. Der Gegenstand des verspätet eingereichten Hilfsantrags 0 wurde als prima facie nicht erfinderisch angesehen, weshalb dieser Hilfsantrag nicht ins Verfahren zugelassen wurde. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung genügte der Hilfsantrag 1 jedoch den Erfordernissen des EPÜ.

III. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Druckschriften sind vor allem die Druckschriften D1

(US 7,777,155 B2) und D4 (US 2013/0193620 A1) für die Beschwerde relevant.

IV. Die mündliche Verhandlung hat am 6. Dezember 2023 in Form einer Videokonferenz stattgefunden.

V. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 0 oder 0a aufrechtzuerhalten, oder die Beschwerde der Einspre­chenden als unbe­grün­det zurückzuweisen (entspricht Hilfsantrag 1), oder weiter hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzu­heben und das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsan­träge 2, 2a, 2b, 2c, 3, 4, 5, 6, 7 aufrecht­zu­er­halten.

VI. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet wie folgt (die von der Kammer verwen­de­te Merkmals­gliede­rung wurde in eckigen Klammern eingefügt):

"1. [1] Modulares System (1) zum Herstellen eines dreidimensionalen Objekts (2) durch schichtweises Aufbringen und selektives Verfestigen eines pulverförmigen Aufbaumaterials (13) mit

[2] einem ersten Modul (30, 34-36) zum Durchführen eines ersten zum Herstellen des dreidimensionalen Objekts (2) dienenden Vorgangs und

[3] zumindest einem zweiten und einem dritten Modul (30, 34-36) zum Durchführen je eines weiteren zum Herstellen des dreidimensionalen Objekts (2) dienenden Vorgangs,

wobei [4] das erste bis dritte Modul (30, 34-36) so ausgebildet sind, dass wahlweise und austauschbar das zweite oder das dritte Modul oder beide so mit dem ersten Modul verbindbar sind, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt sind,

[5] das erste Modul eine Fertigungsstation (30) zum schichtweisen Aufbringen und selektiven Verfestigen des pulverförmigen Aufbaumaterials (13) auf einer Bauplatt­form (8, 9) und/oder in einem Wechselbehälter (5) enthält,

[6] eine Modulschnittstelle (33) zwischen dem ersten Modul (30) und dem zweiten und/oder dritten Modul (34-36) und/oder eine Modulschnittstelle (33) zwischen dem zweiten und dritten Modul (34-36) eine Öffnung enthält, durch die die Bauplattform (8, 9) und/oder der Wechselbehälter (5) hindurchgeführt werden kann, und

[7] das erste bis dritte Modul (30, 34-36) eine interne Fördereinrichtung enthält, die so ausgebildet ist, dass sie die Bauplattform (8, 9) und/oder den Wechselbehälter (5) zwischen dem ersten Modul (30) und dem zweiten oder dritten Modul (34-36) transportieren kann."

Der unabhängige Anspruch 3 wie erteilt unterscheidet sich von Anspruch 1 wie erteilt dadurch, dass das Merkmal 5 durch das Merkmal 5' ersetzt wurde, dem zufolge das zweite und das dritte Modul je eine Fertigungsstation zum schichtweisen Aufbringen und selektiven Verfestigen des pulverförmigen Aufbaumaterials auf einer Bauplattform und/oder in einem Wechselbehälter enthalten, und dass das Merkmal 6 durch das Merkmal 6' ersetzt wurde, dem zufolge eine Modulschnittstelle zwischen dem ersten Modul und dem zweiten oder dritten Modul eine Öffnung enthält, durch die die Bauplattform und/oder der Wechselbehälter hindurchgeführt werden kann.

VIII. Der Vortrag der Parteien zu den entscheidungsrelevanten Fragen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Auslegung der Ansprüche des Patents wie erteilt

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Bei der "wahlweisen und austauschbaren Koppel­bar­keit" der Module gemäß Merkmal 4 gehe es nicht um die Frage, ob man eines der Module ausbauen und weglassen könne, sondern darum, ob alle Anordnungsmöglichkeiten der Module realisierbar seien. Der Begriff "direkt" sei so zu verstehen, dass bei direkter Kopp­lung zweier Module kein drittes Modul dazwischen angeordnet sei. Es werde nicht eine bestimmte Anordnung von Modulen beansprucht, sondern die Möglich­keit, die Anordnung nach Belieben zu ändern. Das Merkmal 7 verlange, dass jedes Modul eine Förder­einrichtung aufweise. Im Übrigen zeigten die Figuren 2 a) und 2 b) keine anspruchsgemäßen Ausgestaltungen.

ii) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Es werde beantragt, die Beschreibung soweit anzupassen, dass der Vortrag der Beschwerdeführerin I, wonach die Ausführungsformen der Figuren 2 a) und 2 b) nicht von den erteilten Ansprüchen umfasst seien, im Streitpatent Niederschlag finde.

b) Neuheit gegenüber der Druckschrift D1

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Erstes Ausführungsbeispiel (Fig. 1 und 2)

Merkmal 4 unterscheide den Gegenstand von Anspruch 1

und 3 von der Druckschrift D1. Weder Anspruch 2 noch Spalte 4, Zeilen 26 bis 39, der Beschreibung der Druck­schrift D1 offenbarten dieses Merkmal. Es sei nicht richtig, dass der Ofen 107 ein optionales Merk­mal der beschriebenen Vor­richtung sei. Die Verwendung des Modal­verbs "may" in Spalte 4, Zeile 11, der Beschrei­bung lasse diesen Schluss­ nicht zu. Im selben Absatz werde auch das Vor­handen­sein der common cell mit "may" eingeführt. Diese Aussage diene nur der Einführung der Begriffe und habe auf die konkrete Be­schrei­bung des Ausführungsbeispiels keinen Einfluss. Dasselbe gelte für den Ausdruck "if necessary" in Spalte 4, Zeilen 11 und 12, der Beschreibung. Andernfalls könne auch der Wagen 207 nur dann vorhanden sein, wenn ein Ofen vorgesehen sei (siehe Spalte 4, Zeilen 13 und 14). Selbst wenn man die Druckschrift D1 so verstünde, dass der Ofen optional sei, wären nur zwei Ausführungs­bei­spie­le offenbart (mit bzw. ohne Ofen) und kein belie­biger Ein- und Ausbau des Ofens. In Anspruch 1, dem einzigen unab­hängigen Anspruch der Druckschrift D1, sei ein Ofen zwingend vorgesehen ("... via an oven."). Die abhän­gi­gen Ansprüche 11 und 12 könnten daher nicht bedeuten, dass der Ofen 107 im Grunde optional sei. Anspruch 2 bezie­he sich nur auf die access ports der externen Module. Bezüglich der Kopp­lung zwischen der AMC 103 und dem Ofen 107 der Fig. 1 lasse sich daraus nichts ableiten. Zudem betref­fe auch die Offenbarung von Spalte 4, Zei­len 26 bis 39, nur die externen Module. Das ergebe sich eindeutig aus dem vorangehenden und dem nachfolgenden Absatz. Auch hier werde die Kopplung von Ofen 107 und AMC nicht ange­spro­­chen. Die anschließend beschriebenen Schnell­kupp­lun­gen bezögen sich nur auf die access ports und nicht auf die Kopplung zwischen Ofen 107 und AMC. Die Möglichkeit zum Austausch betreffe nur die vielen möglichen Werkzeuge, vgl. Spalte 5, Zeilen 12 bis 16. Eine Kombination der Ausfüh­rungs­bei­spiele sei im Rahmen der Neuheitsprüfung nicht zulässig. Im ersten Beispiel werde ein Werkstück durch verschiedene Stationen ge­führt und dort bearbei­tet, während im zweiten und drit­ten Beispiel das Werk­stück in der zentralen Zelle gebaut und dort auch bearbeitet werde. Aufgrund der völlig verschiedenen technischen Ansätze dieser Bei­spiele könne man nicht Merkmale von einem der Beispiele auf ein anderes zurücklesen. Im ersten Ausführungsbeispiel sei es zweckmäßig, den Ofen 107 und die Zelle 104 als zweites und drittes Modul anzusehen, denn nur die AMC stelle eine Ferti­gungs­station dar. Die sekundären Module 109 bis 115 würden keine Fördereinrichtung gemäß Merkmal 7 auf­wei­sen (siehe Spalte 5, Zeilen 28 bis 38, und Anspruch 3 der Druck­schrift D1). In den Fig. 1 und 2 weise nichts darauf hin, dass die Schnittstelle zwischen der AMC 103 und dem Ofen 107 dieselbe sei wie jene zwischen dem Ofen und der Zelle 104. Die Druck­schrift D1 lehre vielmehr eine fixe Anordnung der ein­zelnen Zellen. Der Ofen 107 könne also nicht einfach ausgebaut werden. Man könne den ausgebauten Ofen auch nicht an die AMC 103 andocken, wie das von Merkmal 4 ("beide") verlangt werde. Das erste Modul müsse mindes­tens zwei Schnittstellen zum Andocken von Modulen auf­weisen. Die Fig. 1 zeige aber, dass das Modul 103 keine zweite Schnitt­stel­le aufweise. Auch eine schematische Abbildung lasse diesen Schluss zu­. Die Zielsetzung des vereinfachten Austauschs (Spalte 4, Zeilen 35 bis 39) könne nur die explizit vorgesehenen Schnitt­stel­len 105 betreffen. Auch aus dem Ablauf der Vorgänge, wie er in Spalte 5, Zeilen 18 bis 30, beschrieben sei, ergebe sich, dass man die Anordnung nicht so einfach abändern könne. Auch die Merkmale 6 und 7 seien in der ersten Ausfüh­rungsform der Druckschrift D1 nicht offenbart. Das Werkstück werde nicht in die Module 109 bis 115 trans­portiert, sondern in der Zelle 104 bearbeitet, wobei die Werkzeuge aus den Modulen 109 bis 115 heraus in die Zelle 104 eingreifen würden. Auch eine Sensor­einheit könne auf einem ausfahrbaren Arm vorgesehen sein. Daher besäßen die Module 109 bis 115 keine Förderein­richtung im Sinn des Merkmals 7, und auch keine Modul­­schnitt­stellen im Sinn des Merkmals 6. Selbst wenn man den Ofen 107 und die Zelle 104 mit dem zweiten und dritten Modul assoziiere, komme man zu keinem anderen Schluss: Das Merkmal 7 beziehe sich nicht nur auf ein sich zwi­schen den Modulen bewegendes Element wie einen Robo­terwagen, sondern auf die Förder­vorrichtung insge­samt. Wenn diese anspruchsgemäß die Bauplattform und/oder den Wechselbehälter fördern solle, reiche es nicht aus, dass das sich bewegende Element grund­sätz­lich dazu in der Lage sei, eine Bau­plattform und/oder einen Wechsel­behälter zu trans­por­tieren. Vielmehr müsse die Förder­einrichtung letzte­re aus der Verankerung im ersten Modul lösen und andocken kön­nen. Dafür seien Mechanismen erforderlich, die der Roboterwagen 207 nicht aufweise, da er nur das Werk­stück transportiere, vgl. Spalte 4, Zeilen 12 bis 14. Ähnli­ches gelte für die Schnittstellen gemäß Merk­mal 6. Die Übergänge zwischen der AMC 103 bzw. der Zelle 104 und dem Ofen 107 seien nicht für den Trans­port einer Bau­platt­form bzw. eines Wechselbehälters ausgelegt.

Zweites Ausführungsbeispiel

Auch das zweite Ausführungsbeispiel weise das Merkmal 4 nicht auf. Das erste Modul sei hier mit dem AMC 303 zu assoziieren, da es die einzige Fertigungsstation dar­stel­le. Die wahlweise und austauschbare Koppelbar­keit sei für keines der anderen Module gegeben, da keines der Module abgekoppelt und an das dritte hinten ange­koppelt werden könne. Auch Merk­mal 7 sei nicht offen­bart. Es sei fraglich, ob der Ofen 107 eine För­der­ein­richtung umfasse. Die Module 109 bis 115 hätten keine solche Fördereinrichtung. Es handle sich klar um Modu­le, die ein Werkzeug umfassen, das in die Zelle 303 ein­greife und das Werkstück bearbeite (siehe Fig. 4 sowie Spalte 5, Zeilen 28 bis 36, in Zusammenschau mit Spalte 6, Zeilen 42 bis 46).

Drittes Ausführungsbeispiel

Die Module 3031 und 3032 seien mit dem zweiten und

dritten Modul gleichzusetzen. Falls man eines der Sekundärmodule als erstes Modul verstehe, sei nicht offenbart, es zwischen dem zweiten und dritten Modul anzuordnen. Dies wäre auch nicht sinnvoll, zumal diese Module keine Förder­ein­richtung umfassen. Der Wagen 207 solle zwischen den AMCs hin- und herfahren und könne somit nicht an beide angekoppelt sein. Darüber hinaus werde im Wagen kein zur Herstel­lung eines 3D-Objekts dienender Vorgang ausgeführt. Auch sei nicht vorge­se­hen, ihn an einer anderen Stelle der AMCs anzudocken. Der in Spalte 7, Zeilen 25 bis 36, beschrie­bene Tunnel stelle kein Modul dar, da auch in ihm kein zur Herstel­lung eines 3D-Objekts dienender Vorgang ausgeführt werde. Außerdem sei dieser Tunnel immer fix zwischen der ersten und der zweiten AMC angeordnet und mit beiden direkt gekoppelt. Es sei nicht vorgesehen, ihn anderswo anzukoppeln. Auch eine direkte Kopplung der beiden AMCs sei nicht offenbart.

ii) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Erstes Ausführungsbeispiel

Spalte 4, Zeilen 10 bis 12 ("... if necessary ..."), der Beschreibung der Druckschrift D1 offenbare, dass der Ofen 107 optional sei. Es handle sich dabei um konkrete Ausführungen zum ersten Ausführungsbeispiel. In Abwesenheit des Ofens seien die Zellen 103 und 104 direkt aneinander gekoppelt. Der Ofen 107 und die Zelle 104 könnten somit wahlweise und austauschbar an die Zelle 103 angekoppelt werden. Der vereinfachte Austausch und das Platzieren von Modulen mittels Schnellverbindungen sei offenbart (siehe Spalte 4, Zeilen 34 bis 39). Der Wagen 207 erlaube den Transport des Werkstücks vom Ofen in die Zellen 103 und 104. Der Ofen müsse somit auch entsprechende Zugänge 105 haben. Es sei ein zeichneri­scher Fehler, dass die mit 105 gekennzeichnete Linie in Fig. 2 nur auf einer Seite des Ofens 107 gezeichnet sei.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Ausschnitt aus der Fig. 2 der Druckschrift D1

In der Fig. 1 seien links und rechts vom Ofen 107 iden­tische Schnittstellen gezeigt. Aus der Fig. 2 sei er­kenntlich, dass zwischen dem Ofen 107 und der Zelle 104 ein Zugang 105 vorgesehen sei. Auch die vertikalen Lei­sten zwischen dem Ofen 107 und der Zelle 104 einer­seits und der AMC 103 andererseits seien identisch. Somit sei von einer identischen Schnittstelle auszu­ge­hen. Es sei nicht entscheidend, dass Fig. 1 und Fig. 2 keine zweite Schnittstelle der AMC 103 zeigen, denn das sei auch für die Fig. 2 c) bis 2 e) des Patents der Fall. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu im Hinblick auf das erste Ausführungsbeispiel des Dokuments D1.

Zweites Ausführungsbeispiel

Das Modul 109 sei ein Sensor (Spalte 6, Zeile 51). Es sei plausibel, dass der Wagen dorthin gefahren werden müsse, um eine Messung vorzunehmen. Die Fig. 4 zeige eine Schiene, die die Einheit 113 mit der Zelle 303 und dem Ofen 107 verbinde und die Bewegung des Wagens 207 ermögliche. Merkmal 7 verlange nicht den Transport zwischen dem zweiten und dem dritten Modul. Dank der Schnittstellen könne z.B. das Modul 109 mit einem der Module 111 oder 113 ver­tauscht werden. Die Offenbarung in Spalte 6, Zeilen 47 und 48, der Druck­schrift D1, lasse sich zwar so lesen, dass das Werkstück nicht zwangsläufig bewegt werden müsse, aber der Fachmann, der diese Konfiguration ins Auge fasse, hätte es ange­sichts der durchgehenden Schiene als unwahrscheinlich angesehen, dass der Ofen 107 genügend Wärme für eine Wärmebehandlung des Werk­stücks in die Zelle 303 einbringe. Die Fest­stel­lung, dass das Werkstück nicht transportiert werde, gelte somit nicht für alle Module. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu im Hinblick auf das zweite Ausführungsbeispiel des Dokuments D1.

Drittes Ausführungsbeispiel

Hier seien alle Module austauschbar. Deshalb sei das Merkmal 4 analog offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 3 sei somit nicht neu gegenüber der Druck­schrift D1.

c) Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von der Druckschrift D1

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Ausgehend vom ersten Ausführungsbeispiel

Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, eine flexible Anpassung der Module zu gewährleisten. Iden­ti­sche bzw. kompatible Schnittstellen seien eine der Voraussetzungen für die wahlweise Austauschbarkeit der Module. Die Einspruchsabteilung habe ihre Schlüsse auf die Offenbarung von Spalte 1, Zeilen 61 bis 67, und Spalte 4, Zeilen 26 bis 39, gestützt. Diese Stellen wiesen jedoch nicht auf identische Schnittstellen hin. Es sei zudem wichtig zu beachten, dass der Ofen kein optionales Bauteil sei; die Druckschrift D1 offenbare nicht, dass man den Ofen aus einem laufenden System abkoppeln bzw. irgendwo wieder ankoppeln könne. Die genannten Stellen beträfen nur die Kopplungen an der Zelle 104 und nicht jene zwischen Ofen und AMC. Das erste Ausführungsbeispiel zeige eine fixe Anordnung der Module und lehre somit von der Erfindung weg. Es sei nicht sinnvoll, den Ofen links von der AMC 103 vorzu­sehen. In Spalte 5, ab Zeile 17, sei beschrieben, dass das Ein­führen in den Ofen nach Herstellung des Werk­­stücks erfolge. Eine Wärmebehandlung des Werkstücks sei erst nach dessen Herstellung mög­lich, vgl. auch Spalte 5, Zeile 28ff. Der Fachmann könnte den Ofen vor der AMC anordnen, aber er würde es nicht tun. Die Druck­schrift D1 gebe keinen Hinweis auf eine geeignete Anzahl von Schnittstellen. Sie führe von der Er­fin­dung weg.

Ausgehend vom zweiten Ausführungsbeispiel

Die fehlenden Merkmale 6 und 7 beträfen die Möglich­keit, das Werkstück zwischen den einzelnen Modulen zu transportieren. Auch hier sei nicht entscheidend, ob der Fachmann eine Fördereinrichtung in den Modulen 109

bis 115 vorsehen könne, sondern ob er das tun würde. Dazu gebe es aber keine Veranlassung. Es bestehe zumin­dest das Hindernis der vertikalen Säule (siehe Fig. 4). Der Fachmann müsste die Sekundärmodule massiv umbauen, um einen Transport dorthin zu ermöglichen. Auch die AMC 303 müsste beträchtlich umgebaut werden, denn die Transporteinrichtung in der AMC diene nur dem Transport des Werkstücks in den Ofen. Im zweiten Ausführungs­bei­spiel gehe es darum, den Transport des Werkstücks zu vermeiden, siehe Spalte 6, Zeilen 47ff. Somit würde der Fachmann nie zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. Die Frage der Ver­schmut­­zung der AMC 303 durch Abfälle oder Staub werde in der Druckschrift D1 explizit ange­sprochen (vgl. Spalte 6, Zeilen 31 bis 35, wo die gleichzeitige Her­stellung und Bearbei­tung des Werk­stücks als vorteilhaft beschrieben wird). Die Trans­port­vor­rich­tung ermög­liche nicht notwen­di­gerweise den Transport in den Ofen. Der Anspruch 11 der Druck­schrift D1, dem zufolge der Ofen ein Sekundärmodul darstellt, hänge unter anderem vom Anspruch 3 ab, der verlangt, dass die Sekundär­module auf das Werkstück in der zentralen Zelle ein­wir­ken. Der offenbarte Mikrowellen­ofen könnte z.B. in die zentra­le Kammer hineinstrahlen.

Ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel

Zum einen gebe es keine Veranlassung, eine Transport­vorrichtung vorzusehen, die in die Sekundärmodule hineinreiche, zum anderen sei es mit den anderen Anspruchs­merkmalen nicht vereinbar, den Wagen 207 oder den Tunnel mit dem ersten Modul zu identifizieren. Die Druckschrift D1 ziehe die Anordnung eines der Sekundär­module zwischen den beiden AMCs nicht in Betracht.

ii) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Ausgehend vom ersten Ausführungsbeispiel

Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, eine flexible Anpassung der Module zu gewährleisten. Es sei für den Fachmann ohne weiteres machbar, das erste Aus­füh­rungsbeispiel so zu modifizieren, dass das Modul 103 eine weitere Schnitt­stelle erhalte. Dies sei im zweiten Ausfüh­rungs­beispiel auch gezeigt. Somit würde er ohne erfinderisches Zutun zum Merkmal 4 gelangen. Dass eine Kombination der verschiedenen Ausführungsbeispiele in Betracht zu ziehen sei, das sei in Spalte 8, Zeile 7 bis 11, der Druck­schrift D1 offenbart. Deshalb sei der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend vom ersten Ausführungs­beispiel des Dokuments D1 nahegelegt.

Ausgehend vom zweiten Ausführungsbeispiel

In der Fig. 4 der Druckschrift D1 sei erkennbar, dass die Schiene für den Wagen 207 durchgehend ausgeführt sei. Vom Vorhandensein einer Wand sei nicht auszugehen, da eine solche Wand auch für das Werkzeug 113 ein Problem darstellen würde. Auch gegenüber dem Ofen 107 sei keine Wand vorhanden. Eine Modifikation der Anordnung, die es erlaube, den Wagen in alle Zellen zu fahren, könne keine erfinderische Tätigkeit begrün­den. Das erste Ausführungsbeispiel zeige auch eine solche Lösung. Die Kombination dieser Ansätze würde für den Fachmann kein Problem darstellen. Bei Berück­sich­ti­gung dessen, welche Arbeiten von den Werkzeugen durch­geführt werden sollen, sei es für den Fachmann nahe­lie­gend, diese Arbeiten nicht in der zentralen Kammer, in der das Werkstück aufgebaut wird, durchzuführen. Zum Bei­spiel würde das Sandstrahlen des Werkstücks zu einer Verschmutzung der Druckdüsen führen. Das Auslagern gewisser Arbeiten würde es aber erforderlich machen, Schienen für den Transport in die entsprechenden Module vorzusehen. Die Aussage in Spalte 6, Zeilen 47 und 48, sei im Lichte der Offenbarung von Spalte 5, Zeilen 3 bis 5, so zu verstehen, dass das Werkstück nicht an andere Bereiche der Halle oder andere Standorte trans­portiert werden müsse. Es gehe hier nicht um den Trans­port zwischen Modulen desselben Systems. Darum sei der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend vom zweiten Ausführungs­beispiel des Dokuments D1 nahegelegt.

Ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel

Angesichts des Umstands, dass das dritte Ausführungs­bei­spiel der Druckschrift D1 vom zweiten Ausfüh­rungs­beispiel ausgehe, sei klar, dass auch dort ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf die Anordnung der Module gegeben sei, und dass die Druckschrift D1 zur Erfindung gemäß Anspruch 3 führe.

d) Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von der Druckschrift D4

i) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Der Fachmann wisse, dass pulverbettbasierte additive

Fertigungsprozesse wie in der Druckschrift D4 in der Regel mit Wechselbehältern implementiert würden. Die Druckschrift D4 beschreibe z. B. in Absatz [0053] eine durch Wandungen 42, 92 sowie eine Boden­platte 22 defi­nier­te Kavität 94, in welcher der additive Aufbau des Bauteils 100 erfolge. In der Kavität erkenne der Fachmann die Konfiguration eines Wechsel­behälters, welcher im Patent gemäß Absatz [0014] in struktureller Hinsicht auch nur durch eine Grundplatte 8 definiert sei, die aus der Prozesskammer genommen werden könne. Das Argument, dass der von der Druck­schrift D4 ausge­hen­de Fachmann die Druckschrift D1 nicht berück­sich­ti­ge, da dort kein Pulverbettverfahren angesprochen sei, überzeuge nicht, denn die Druck­schrift D1 lehre, dass mit dem dort beschriebenen System jeder additive Fertigungsprozess (und damit auch pulverbettbasierte additive Fertigungsprozesse, in welchen Wechselbehälter verwendet werden) implementiert werden könne. Dem von der Druckschrift D4 ausgehenden Fachmann stelle sich die objektive technische Aufgabe, die Konfiguration gemäß der Druckschrift D4 flexibler zu gestalten. Er würde die Druckschrift D1 heran­ziehen, da sie sich auch einem modularen Ferti­gungs­system befasse, mit dem jeder additive Fertigungsprozess implementiert werden könne. Er entnehme der Spalte 4, Zeilen 35ff, die Feststel­lung, dass der Austausch und die Anordnungsmöglich­kei­ten von Modulen mit Schnell­kupplungen realisiert werden kann. Insbesondere könnten periphere Module in einfa­cher und schneller Weise wahlweise und austauschbar an ein zentrales Modul (wie z. B. die Zelle 104) angekop­pelt und von diesem abgekoppelt werden. Der Fachmann hätte sofort erkannt, dass er die objektive techni­sche Aufgabe durch ent­sprechende Schnellkupplungen lösen könne. Die Kammern 10, 12, 14 der Druckschrift D4 seien so ausgebildet, dass die erste und dritte Kammer 10, 14 jedenfalls so mit der zweiten Kammer 12 (dem "ersten Modul", in dem das Objekt 100 hergestellt werde), ver­bindbar seien, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt seien. Ein Austausch der Kammern 10 und 14 sei technisch möglich und werde von der Druckschrift D4 nicht ausgeschlossen. Die erste und dritte Kammer 10, 14 seien somit wahlweise und austauschbar an die zweite Kammer 12 ankoppelbar. Die Kombination der Dokumente D4 und D1 führe den Fachmann daher zum Gegenstand von Anspruch 1.

ii) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Die Druckschrift D4 stelle keinen geeigneten Ausgangspunkt zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit dar. Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung in Punkt 4.5.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung der Ansprüche: Merkmal 4

Die Erfindung betrifft ein System zur Her­stel­lung eines Objekts durch schichtweises Aufbringen und Verfestigen eines Pulvers. Das System besteht aus mindestens drei Modulen. Die Erfindung betrifft die Ausgestaltung und das Zusammenwirken der verschiedenen Module. Sie zielt darauf ab, das System flexibler zu machen.

Merkmal 4 verlangt, dass das erste, zweite und dritte Modul so ausgebildet sind, dass wahlweise und aus­tausch­bar das zweite oder das dritte Modul oder beide so mit dem ersten Modul verbindbar sind, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt sind.

Unter der "direkten" Kopp­lung der Gehäuse ist hier zu verstehen, dass die Gehäuse nicht durch ein anderes Gehäuse getrennt sind (siehe dazu auch Absatz [0032] des Patents).

Das Merkmal 4 umfasst drei mögliche Konfigurationen:

- das zweite Modul kann so mit dem ersten verbunden werden, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt sind, oder

- das dritte Modul kann so mit dem ersten verbunden werden, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt sind, oder

- das zweite und das dritte Modul können so mit dem ersten verbunden werden, dass ihre Gehäuse direkt aneinander gekoppelt sind.

Das Vorhandensein der dritten Variante macht klar, dass die beiden ersten Varianten so zu verstehen sind, dass nur das zweite (bzw. nur das dritte) Modul mit dem ersten direkt verbunden ist, nicht aber das jeweils andere. Andernfalls wäre die dritte Variante redundant.

Es stellt sich die Frage, welche Gehäuse in der dritten Variante direkt aneinander gekoppelt sind: Ist es ausreichend, wenn das zweite und das dritte Gehäuse jeweils direkt an das erste gekoppelt sein oder muss auch zwischen dem zweiten und dritten eine direkte Ankopplung bestehen? Die Syntax von Merkmal 4 sowie die gezeigten Ausführungsbeispiele sprechen für ersteres, weshalb die Kammer das Merkmal entsprechend deutet.

Das Gesagte lässt sich anhand der Figur 2 des Patents veranschaulichen. Wenn man die Module 30, 34 und 35 als erstes, zweites und drittes Modul versteht, dann ent­spricht die erste Variante von Merkmal 4 der Fig. 2 c)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

und die zweite Variante der Figur 2 d)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wohingegen die dritte Variante der Fig. 2 f) entspricht

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Begriffe "wahl­weise" und "austauschbar" werden im Patent nicht definiert, weshalb bei ihrer Auslegung auf den allgemeinen Wort­sinn zurückzugreifen ist.

Der Online-Duden definiert den Begriff "wahl­wei­se" als "nach eigener Wahl, eigenem Wunsch". In den Absätzen [0032] und [0048] des Patents wird der Ausdruck "frei wählbar" als Synonym zu "wahlweise" verwendet. Die Kammer versteht diesen Begriff im Kontext von Merkmal 4 so, dass der Benutzer die Wahl hat, welche der genannten drei Alternativen realisiert wird.

In Punkt 2.3.2 der Gründe für die angefochtene Ent­schei­dung findet sich folgende Feststellung:

"Der Patentinhaber verweist auf Absätze [0018] und [0023] des Streitpatents und bringt vor, dass der Begriff "Wahlweise" so zu interpretieren ist, dass alle mögliche Permutationen der Figur 2 des Streit­patents durch das Merkmal M4 des Anspruchs 1 ge­deckt werden. Die Einspruchsabteilung kann aber den Argumenten des Patentinhabers nicht zustimmen und ist der Ansicht, dass Merkmal M4 so aufzufassen ist, dass es notwendigerweise die Ausführungsformen der Figuren 2a) bis 2c) umfasst, und zusätzlich die Ausführungsform der Figuren 2d) bis 2f) umfassen kann."

Es erscheint der Kammer frag­würdig, die Auslegung eines Anspruchsmerkmals auf Spekula­ti­onen zu stützen, welche gezeigten Ausführungsformen vom Anspruch erfasst werden sollen. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerde­führerin I, dass die Systeme der Fig. 2 a) und b) nicht von den Ansprüchen des Patents erfasst werden, da sie jeweils nur zwei Module mit Förderein­richtung umfassen. Der Schaltschrank 31 kann nicht als eine Vor­rich­tung "zum Durchführen ... eines weiteren zum Her­stellen des dreidimensionalen Objekts ... dienenden Vorgangs" (und somit als Modul im Sinne von Merkmal 3) gelten. Selbst wenn man den Schalt­­schrank 31 als Modul verstünde, ist festzustel­len, dass er keine För­der­einrichtung bein­haltet, wie dies von Merkmal 7 ver­langt wird.

Absatz [0029] der Beschrei­bung bezeichnet zwar alle gezeig­ten Varianten als Ausfüh­rungs­formen der Erfin­dung, aber es scheint sich dabei um ein Relikt aus der ursprünglichen Anmel­dung zu handeln, deren Anspruch 1 das Merkmal 7 nicht aufwies. Der Fachmann hätte trotz dieser Aussage verstan­den, dass die Figuren 2 a) und b) nicht vom Anspruch 1 erfasst werden.

Der Begriff "aus­tauschbar" bedeutet seinem Wortsinn nach "zum Austauschen geeignet" oder "ersetzbar" (siehe Online-Duden). Im Kontext des Merkmals 4 bedeutet der Begriff, dass der Benutzer die Möglichkeit hat, seine Wahl bei Bedarf zu ändern.

Im Lichte der obigen Ausführungen deutet die Kammer das Merkmal 4 somit dahingehend, dass das modulare System so ausgestaltet ist, dass sein Benut­zer die Wahl hat, das erste Modul (nur) mit dem zweiten Modul, oder (nur) mit dem drit­ten, oder aber mit beiden direkt zu verbinden, und dass er diese Wahl bei Bedarf ändern kann.

2. Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) EPÜ)

Da nur der Neuheitsangriff basierend auf der Druck­schrift D1 im Beschwerdeverfahren substantiiert wurde, beschränkt sich die Kammer auf diesen Angriff. Im Zusammenhang mit den Neuheitsangriffen basierend auf den Druckschriften D2, D3 und D4 hat sich die Beschwerde­­führerin II nur pauschal auf erstinstanzliche Schrift­sätze berufen, die aber als solche nicht automatisch Teil des Beschwerdeverfahrens sind (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt V.4.2.2.b)), weshalb die Neuheitsangriffe basierend auf den Druckschriften D2, D3 und D4 von der Kammer in Anwendung von Artikel 12 (3) und (5) VOBK nicht berücksichtigt werden.

2.1 Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1

2.1.1 Neuheit gegenüber dem ersten Ausführungsbeispiel

Das erste Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1 ist in den Figuren 1 und 2 dargestellt. Sie umfasst eine additive Fertigungszelle (AMC) 103, einen Ofen 107 sowie eine Zelle 104, an die verschiedene Sekundär­module 109 bis 115 zur Bearbeitung des Werkstücks angekoppelt werden können. Das Werkstück selbst wird mittels eines Wagens 207 von der AMC 103 durch den Ofen 107 bis zur Zelle 104 transportiert.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Das erste Modul wird hier von der AMC 103 gebildet, da nur sie eine Fertigungsstation im Sinne von Merkmal 5 darstellt. Es wurde nicht bestritten, dass der Ofen 107 und die Zelle 104 als zweites und drittes Modul im Sinne von Anspruch 1 gelten können. Strittig war hingegen die Offenbarung der Merkmale 4, 6 und 7.

a) Merkmal 4

Der Benut­zer der Vorrichtung hat die Wahl, die AMC 103 nur mit dem Ofen 107 oder nur mit der Zelle 104 zu verbinden. Letztere Möglichkeit geht aus Spalte 4, Zeilen 10 bis 12, hervor, wo offenbart ist, dass ein Ofen 107 vorgesehen werden kann; falls kein Ofen 107 vorhanden ist, wird die AMC 103 direkt an die Zelle 104 angeschlossen. Allerdings ist nicht vorgesehen, die AMC sowohl an den Ofen 107 als auch an die Zelle 104 direkt zu koppeln. Daher sind nicht alle vom Merkmal 4 geforderten Möglichkeiten offenbart.

b) Merkmale 6 und 7

Merkmal 6 verlangt, dass die Module so ausgebildet sein müssen, dass die Modulschnittstelle eine Öffnung ent­hält, durch die die Bau­plattform bzw. der Wechsel­be­häl­ter hindurch­ge­führt werden kann. Merkmal 7 ver­langt darüber hinaus das Vorhandensein einer internen Fördereinrichtung, die die Plattform bzw. den Behälter zwischen den Modulen trans­portieren kann.

Die in der Druckschrift D1 genannten target plates stellen Bauplattformen im Sinne von Merkmal 5 dar. Das Objekt wird auf einer solchen Platte her­gestellt (Spalte 1, Zeilen 44ff). Letztere kann aus demselben Material bestehen (Spalte 7, Zeilen 20ff) und wird gemeinsam mit ihr transportiert (Spalte 7, Zei­len 48 und 49). Erst nach Beendigung der verschie­de­nen Ver­fah­rensschritte wird das Objekt von der Platte getrennt (Spalte 6, Zeilen 34 bis 36). Auch die Abbil­dungen zeigen eine solche Platte zwischen dem Wagen 207 und dem Werkstück 102. Somit offenbart die Druckschrift D1 die Merkmale 6 und 7.

c) Ergebnis

Das erste Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1 nimmt den Gegenstand von Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich vorweg, da es das Merkmal 4 nicht offenbart.

2.1.2 Neuheit gegenüber dem zweiten Ausführungsbeispiel

Das zweite Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1 ist in den Figuren 3 und 4 dargestellt. Hier befindet sich die AMC im Zentrum und ist von Sekundärmodulen umgeben, die Werkzeuge zur Bearbeitung des zentral angeordneten Werkstücks bereitstellen. Auch ein Ofen 107 ist vorge­sehen, in den das Werkstück gefahren werden kann (siehe Fig. 4). Diese Ausführungsform ermöglicht, das Werk­stück wenig zu bewegen (Spalte 6, Zeilen 47 und 48).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die AMC 303 kann als erstes, und je eines der Sekundär­module 109 bis 115 kann als zweites bzw. drittes Modul angesehen werden. Strittig war die Offenbarung der Merkmale 4, 6 und 7.

a) Merkmal 4

Es ist nicht entscheidend, dass keines der Sekundär­module abgekoppelt und an das dritte hinten angekoppelt werden kann. Da jedes der Module über einen Zugang 105 angekoppelt wird und kein Grund besteht, anzunehmen, dass diese Zugänge verschieden gestaltet sind, lassen sich die Module nach Belieben entfernen bzw. unter­einan­der austauschen. Mehr wird vom Merkmal 4, wie es von der Kammer ausgelegt wird (siehe Punkt 1. oben), auch nicht verlangt. Somit offenbart das zweite Ausführungsbeispiel das Merkmal 4.

b) Merkmale 6 und 7

Die Merkmale 6 und 7 hingegen sind in diesem Ausfüh­rungs­beispiel nicht offenbart, da nur ein Transport des Werkstücks in bzw. aus dem Ofen vorgesehen ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ein Transport in eines der Module 109 bis 115 stattfinden kann, und dies würde auch dem Zweck dieser besonderen Ausführungsform, das Werkstücks möglichst wenig zu bewegen (vgl. Spalte 6, Zeilen 47 und 48), zuwiderlaufen. Auch die nicht näher bestimmte Messeinheit (measurement sensor suite) 109 ist nicht notwendigerweise so gestaltet, dass das Werkstück in sie verlagert werden muss. Eine unmittel­bare und eindeutige Offenbarung der Merkmale 6 und 7 ist daher nicht erkennbar.

c) Ergebnis

Das zweite Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1

nimmt den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorweg, da es die Merkmale 6 und 7 nicht offenbart.

2.2 Neuheit des Gegenstands von Anspruch 3 gegenüber dem dritten Ausführungsbeispiel

In diesem Ausführungsbeispiel kommen zwei AMCs 3031

und 3032 zum Einsatz, die mittels eines Wagens 207 ver­bun­den werden. Letzterer kann sich insbesondere in einem mit Schutzgas gefüllten Tunnel bewegen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Um den Gegenstand von Anspruch 3 auf diese Ausführungs­form zu lesen, sind die AMCs als zweites und drittes Modul aufzufassen. Weder der sie verbindende Tunnel noch der Wagen 207 stellt aber ein Modul zum Durch­führen eines zum Herstellen des 3D-Objekts dienenden Vorgangs dar. Auch die Möglichkeit, nur eine der AMCs mit dem Tunnel oder dem Wagen 207 zu verbinden, ist in der Druck­schrift D1 nicht offenbart. Somit unter­schei­det sich der Gegenstand von Anspruch 3 zumindest durch die Merkmale 2 und 4 vom dritten Ausführungsbeispiel.

2.3 Ergebnis betreffend den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Ver­bin­dung mit Artikel 54 (1) EPÜ steht der Aufrecht­erhaltung des Patents nicht entgegen.

2.4 Erfinderische Tätigkeit

2.4.1 Anspruch 1, ausgehend vom ersten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1

a) Unterschiede

Wie in Punkt 2.1.1 dargelegt, unterscheidet sich der

Gegenstand von Anspruch 1 nur durch Merkmal 4 von der ersten Ausführungs­form der Druckschrift D1.

b) Objektive technische Aufgabe

Die Einspruchsabteilung hat die vom Merkmal 4 gelöste

Aufgabe darin gesehen, eine flexible Anpassung der Module zu gewährleisten (siehe Punkt 2.4 der Gründe für die angefochtene Entscheidung). Die Parteien haben dem nicht widersprochen, und die Kammer sieht auch keine Notwendigkeit, von dieser Formulierung abzuweichen.

c) Naheliegen

Es ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann, der vom ersten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1 ausging und eine Lösung der objektiven technischen Aufgabe suchte, die Möglichkeit der gleichzeitigen direkten Ankopplung des Ofens 107 und der Zelle 104 an die AMC 103 vorgesehen hätte. Es gibt insbesondere keinen ersichtlichen Grund, warum der Fachmann den Ofen 107, der dem Spannungsabbau des Materials nach der Herstellung des Werkstücks dient (siehe Spalte 4, Zeilen 10 bis 12), vor der AMC vorgesehen hätte. Die Frage, ob der Ofen optional ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da das in den Figuren 1 und 2 gezeigte Ausfüh­rungs­beispiel unzweifelhaft einen Ofen aufweist.

Es wurde noch geltend gemacht, dass der Fachmann, der vom ersten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1 ausging und eine Lösung der objektiven technischen Aufgabe suchte, sich vom zweiten Ausführungsbeispiel inspirieren hätte lassen und die Vorrichtung des ersten Ausführungsbeispiel durch das Hinzufügen einer weiteren Schnittstelle am Modul 103 verändert hätte. Dieser Vortrag überzeugt nicht, da der Fach­mann, falls er der Vorrichtung des zweiten Ausführungs­beispiels eine größere Flexibilität zugeschrieben hätte, diese Vorrichtung als Lösung der objektiven technischen Aufgabe angesehen hätte. Es ist nicht plausibel, dass der Fachmann in diesem Zusammenhang nur gewisse Merkmale des zweiten Ausführungsbeispiels aus ihrem Kontext herausgelöst und auf das erste Ausfüh­rungs­beispiel übertragen hätte.

Die allgemeine Aussage am Ende der Beschreibung der Druckschrift D1, der zufolge verschiedene Änderungen vorgenommen werden können, ohne vom Geist und Umfang der Erfindung abzuweichen (siehe Spalte 8, Zeilen 8

bis 10) kann eine spezifische Kombination von gewissen Merkmalen des ersten und des zweiten Ausfüh­rungs­bei­spiels auch nicht nahelegen.

Ein Naheliegen der Erfindung ausgehend vom ersten Ausführungsbeispiel wurde nicht überzeugend dargelegt.

2.4.2 Anspruch 1, ausgehend vom zweiten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1

a) Unterschiede

Wie in Punkt 2.1.2 beschrieben, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch die Merkmale 6 und 7 von der zweiten Ausführungs­form der Druckschrift D1.

b) Objektive technische Aufgabe

Die Unterscheidungs­merk­male lösen gemeinsam die Aufgabe, eine Ver­schmut­zung der Zelle 303 aufgrund der Bearbeitung des Werkstücks mit den Werkzeugen der Sekundärmodule 109 bis 115 zu verhindern.

c) Naheliegen

Die Druckschrift D1 beschäftigt sich in Spalte 6, Zeilen 24 bis 33, der Beschreibung mit der Frage der Trennung von Herstellung und Bearbeitung des Werkstücks und stellt dazu fest, dass die Kontamination durch eine bewegliche Trennwand verhindert werden kann. Der Fach­mann hätte verstanden, dass die beschriebene Vorgehens­weise den Vorteil hat, dass keine Zeit mit dem Trans­port des Werkstücks in die verschiedenen Zellen ver­lo­ren geht. Falls diese Vorgehensweise dennoch eine zu starke Kontamination zur Folge gehabt hätte, hätte der Fachmann auf eine sequentielle Anordnung im Sinne des ersten Ausführungs­bei­spiels zurückgegriffen, da dies eine komplette Trennung der verschiedenen Verfahrens­schritte ermöglicht. Es wurde nicht überzeugend dargelegt, dass der Fachmann den mit den Merkmalen 6 und 7 verbundenen massiven Umbau der Vorrichtung gemäß den Figuren 3 und 4 der Druckschrift D1 vorgenommen hätte, um die objektive technische Aufgabe zu lösen.

Die Beschwerdeführerin II hat dargelegt, wie der Fachmann ausgehend von der zweiten Ausführungsform einen Gegenstand gemäß Anspruch 1 erreichen hätte können. Entscheidend ist jedoch, ob der Fachmann es in der Erwartung einer Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe bzw. in der Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt I.D.5, "could-would approach"). Dieser Nachweis wurde vorliegend nicht erbracht.

Ein Naheliegen der Erfindung ausgehend vom zweiten Ausführungsbeispiel wurde nicht überzeugend dargelegt.

2.4.3 Anspruch 1, ausgehend von der Druckschrift D4

a) Offenbarung

Die Druckschrift D4 offenbart ein mehrdimensionales Komponentenbausystem 8, die eine erste Kammer 10 mit einer Basis 22, eine zweite Kammer 12, die an die erste Kammer 10 angrenzt und mit dieser über eine Tür 20 ver­bunden ist, und eine dritte Kammer 14, die an die zwei­te Kammer 12 angrenzt und mit dieser über eine Tür 38 verbunden ist, umfasst. In der ersten Kammer wird die Basis 22 beladen. Die zweite Kammer 12 beinhaltet eine gerichtete Wärme­quelle und Aufbau­material 48. In ihr wird ein Werkstück 100 durch Schmelzen oder Sintern auf der Basis 22 gebildet. Dieses Werkstück wird anschlie­ßend in der dritten Kammer bearbeitet.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

b) Unterschiede

Die Kammer teilt die in Punkt 4.5.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung dargelegte Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die Druckschrift D4 ein festes System offenbart. Zumindest das Merkmal 4 ist somit in der Druckschrift D4 nicht offenbart.

c) Objektive technische Aufgabe

Die vom Merkmal 4 gelöste Aufgabe kann darin gesehen, eine flexible Anpassung der Module zu gewährleisten.

d) Naheliegen

Die Druckschrift D4 enthält keinen Hinweis, der den Fachmann dazu geführt hätte, wahlweise austauschbare Module vorzusehen.

Es erschließt sich der Kammer nicht, dass der Fachmann auf der Suche nach einer Lösung der objektiven techni­schen Aufgabe die Druckschrift D1 zu Rate gezogen hät­te. Die Druck­schrift D1 beschreibt einen additiven Fertigungs­prozess, der die Produktqualität verbessert und Prozes­se umfasst, die aufgrund der endkonturnahen Form des Werkstücks einen minimalen Materialabtrag erfordern. Der Fertigungsprozess soll den Bedarf an sekundärer Bearbeitung reduzieren und eine Architektur beinhalten, die Rüst- und Transferzeiten aufgrund gleich­zeitiger sekundärer Bearbeitungsvorgänge elimi­niert (siehe Spalte 1, Zeilen 24 bis 30, vgl. auch Spalte 3, Zeile 34 bis Spalte 4, Zeile 3). Der Fachmann auf der Suche nach einer Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe hätte daher die Druck­schrift D1 nicht zu Rate gezogen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin II beruht nach Auffassung der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Im Zusammenhang mit der Argumentation der Beschwerde­führerin II, dass der Austausch der Kammern 10 und 14 technisch möglich sei, ist festzustellen, dass das Vorhandensein einer technischen Möglichkeit noch nicht bedeutet, dass die Möglichkeit für den Fachmann nahelag (vgl. dazu den in Punkt 2.4.2 erwähnten "could-would-approach" der Rechtsprechung).

Ein Naheliegen der Erfindung ausgehend von der Lehre der Druckschrift D4 wurde nicht überzeugend dargelegt.

2.4.4 Anspruch 3, ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D1

a) Unterschiede

Wie in Punkt 2.2 dargelegt, unterscheidet sich der

Gegenstand von Anspruch 3 mindestens durch die

Merkmale 2 und 4 von der dritten Ausführungs­form der Druckschrift D1.

Der Vortrag der Beschwerdeführerin II hat die Kammer nicht überzeugt, dass der Fachmann ausgehend vom genannten Ausführungsbeispiel in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 3 gelangt wäre. Es wurde nicht glaubhaft dargelegt, dass der Fachmann das zweite und dritte Modul, also die AMCs 3031und 3032, direkt mit einem ersten Modul, das der Durchführung eines zum Herstellen des 3D-Objekts dienenden Vorgangs dient, gekoppelt hätte. Die beiden Module sind über einen Wagen 207 verbunden, aber dieser Wagen wird an keines der Module fest gekoppelt, da er ja den Transport des Werkstücks zwischen den Modulen gewährleisten soll. Der offenbarte Tunnel seinerseits trägt nicht zur Herstel­lung des Werkstücks bei. Die Sekundärmodule, die diese Aufgabe ausführen, erlauben keine Kopplung der AMCs, und eine solche technische Kopplung hätte auch keinen erkennbaren Sinn, zumal die Sekundärmodule in der Regel keine Transportvorrichtung beinhalten. Eine Verbindung der beiden AMCs über einen Ofen wäre im Prinzip denk­bar, ist aber in der Druckschrift D1 weder offenbart noch angedeutet.

Ein Naheliegen der Erfindung ausgehend vom dritten Ausführungsbeispiel wurde nicht überzeugend dargelegt.

2.5 Ergebnis betreffend den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Ver­bin­dung mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrecht­erhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen.

3. Antrag der Beschwerdeführerin II auf Anpassung der Beschreibung

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Ausführungsformen gemäß den Figuren 2 a) und 2 b) des Streitpatents nicht unter die erteilten Ansprüche fallen und daher nicht erfindungsgemäß sind (siehe Punkt 1. oben). Die Beschwerdeführerin II hat beantragt, die Beschreibung zu ändern, um diese Inkonsistenz auszuräumen.

Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin II insoweit zu, als dass aufgrund der Unstimmigkeit zwischen dem Anspruchsgegenstand und der Darstellung der Ausführungsformen der Figuren 2 a) und 2 b) in der Beschreibung die erteilten Ansprüche nicht von der Beschreibung gestützt werden, wie von Artikel 84 EPÜ gefordert. Ein solcher Verstoß fällt jedoch nicht unter die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe. Er ist deshalb als solcher im Einspruchs(beschwerde)­verfahren nicht zu beanstanden, und eine nur darauf abzielende Änderung des erteilten Patents wäre nach Regel 80 EPÜ unzulässig. Vor diesem Hintergrund hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 3/14 geklärt, dass nur Änderungen des erteilten Patents auf die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ zu prüfen sind (siehe Punkt 81. der Gründe). Weil die festgestellte Inkonsistenz zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung aber bereits im erteilten Patent vorlag und nicht auf eine spätere Änderung zurückzuführen ist, kann dem Antrag der Beschwerdeführerin II, dies durch eine entsprechende Änderung der Beschreibung des Streitpatents auszuräumen, mangels Rechtsgrundlage nicht stattgegeben werden (siehe auch T 447/22, Gründe 81 bis 86).

4. Gesamtergebnis

Da keiner der geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegen­steht, ist der Einspruch zurückzuweisen. Das Patent kann wie erteilt aufrecht erhalten werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird wie erteilt aufrechterhalten.

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