European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T061222.20241011 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 October 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0612/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 17167241.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/35 A61K 8/37 A61K 8/49 A61Q 17/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | OCTOCRYLENFREIES SONNENSCHUTZMITTEL MIT DIETHYLHEXYLBUTAMIDOTRIAZON | ||||||||
Name des Anmelders: | Beiersdorf AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Dalli-Werke GmbH & Co. KG Emil Kiessling GmbH DSM Nutritional Products AG Schiweck Weinzierl Koch Patentanwälte Partnerschaft mbB L'OREAL Mibelle AG |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative Spät eingereichte Tatsachen - wären bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja) Änderung des Vorbringens - Eignung der Änderung zur Behandlung der Fragestellungen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 3 225 230 (nachfolgend: das Patent) wurde mit dreizehn Ansprüchen erteilt.
Der erteilte Anspruch 1 bezog sich auf eine kosmetische Zubereitung enthaltend eine UV-Filterkombination aus 4-(tert.-Butyl)-4'-methoxydibenzoylmethan (Merkmal (a)), Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)), Ethylhexyl-oxyphenol methoxyphenyl Triazine (Merkmal (c)) und ein oder mehrere ausgewählte Salicylate (Merkmal (d)), wobei die Zubereitung einen oder mehrere ausgewählten Parfümstoffe enthält (Merkmal (e)) und bestimmte Verbindungen als Inhaltsstoffe ausgeschlossen sind.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurden sechs Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit, unzureichende Offenbarung sowie Erweiterung des Gegenstands über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung angeführt.
Die Beschwerde der Patentinhaberin richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Entscheidung bezog sich auf das Patent in der erteilten Fassung als Hauptantrag und auf die geänderten Anspruchssätze, die als Hilfsantrag 1 am 18. Februar 2021, Hilfsantrag 2 am 7. Dezember 2021 und Hilfsanträge 3 und 4 am 2.Dezember 2021 eingereicht wurden.
Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem das folgende Dokument eingereicht:
D5 : US 2006/100114 A1
In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu folgendem Ergebnis:
a) Das Patent ging nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und enthielt eine hinreichende Offenbarung der beanspruchten Erfindung. Der Anspruchsgegenstand war neu hinsichtlich des angeführten Stands der Technik.
Nächstliegender Stand der Technik war das Dokument D5, das sich wie das Patent mit der Problemstellung der Sandanhaftung befasste und in Beispiel 2 eine Zubereitung beschrieb, von der sich der Anspruchsgegenstand des Patents nur durch den Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und die Auswahl der Parfümstoffe (Merkmal (e)) unterschied.
Es lagen keine Vergleichsversuche mit dem Beispiel 2 aus Dokument D5 vor. Die objektive technische Aufgabe war in der Bereitstellung einer Alternative zu sehen. Die beanspruchte Lösung war für den Fachmann naheliegend, weil Dokument D5 bereits auf den möglichen Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone gemäß Merkmal (b) und die betreffenden Parfümstoffe gemäß Merkmal (e) hinwies.
b) Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definierte zusätzlich, dass die Zubereitung ein oder mehrere ausgewählten Alkandiole (1,2-Pentandiol, 1,2-Hexandiol, 1,2-Octandiol, 1,2-Decandiol, 2-Methyl-1,3-propandiol) enthält (Merkmal (f)).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte darüber hinaus, dass die UV-Filterkombination zusätzlich 2-Phenylbenzimidazol-5-sulfonsäuresalze umfasst.
Weil Dokument D5 bereits auf den möglichen Zusatz entsprechender Alkandiole und Sulfonsäuresalze hinwies, genügten die Hilfsanträge 1 und 2 ebenfalls nicht dem Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.
Entsprechendes galt auch für den Hilfsantrag 3, der gegenüber Hilfsantrag 1 lediglich den Parfümstoff Adipinsäurediester ausließ, sowie den Hilfsantrag 4, der zusätzlich die Zubereitung als O/W-Emulsion spezifizierte.
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Patentinhaberin einen neuen Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1-5 ein. Der Hauptantrag und Hilfsantrag 1 entsprechen den Hilfsanträgen 1 und 3, auf die sich die angefochtene Entscheidung bezieht.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Kosmetische Zubereitung enthaltend eine UV-Filterkombination aus
a) 4-(tert.-Butyl)-4'-methoxydibenzoylmethan,
b) 4,4'-[[6-[[4-[[(1,1-dimethylethyl)amino] carbonyl]phenyl]amino]-1,3,5-triazine-2,4-diyl] diimino]bis-, bis(2-ethylhexyl)benzoat (INCI: Diethylhexyl Butamido Triazone),
c) 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin (INCI: Bis-Ethylhexyloxyphenol methoxyphenyl Triazine) und
d) ein oder mehreren Salicylaten gewählt aus der Gruppe der Verbindungen 2-Ethylhexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Ethylhexyl Salicylate) und 3,3,5-Trimethylcyclohexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Homosalate),
wobei die Zubereitung einen oder mehrere Parfümstoffe gewählt aus der Gruppe der Verbindungen Limonen, Citral, Linalool, alpha-Isomethylionon, Geraniol, Citronellol, 2-Isobutyl-4-hydroxy-4-methyltetrahydropyran, 2-tert-Pentylcyclohexylacetat, 3-Methyl-5-phenyl-1-pentanol, 7-Acetyl-1,1,3,4,4,6-hexamethyltetralin, Adipinsäurediester, alpha-Amylcinnamaldehyd, Alpha-Methylionon, Amyl C Butylphenylmethylpropionalcinnamal, Amylsalicylat, Amylcinnamylalkohol, Anisalkohol, Benzoin, Benzylalkohol, Benzylbenzoat, Benzylcinnamat, Benzylsalicylat, Bergamotöl, bitteres Orangenöl, Butylphenylmethylpropioal, Cardamomöl, Cedrol, Cinnamal, Cinnamylalkohol, Citronellylmethylcrotonat, Citronenöl, Coumarin, Diethylsuccinat, Ethyllinalool, Eugenol, Evernia Furfuracea Extract, Evernia Prunastri Extract, Farnesol, Guajakholzöl, Hexylcinnamal, Hexylsalicylat, Hydroxycitronellal, Lavendelöl, Lemonenöl, Linaylacetat, Mandarinenöl, Menthyl PCA, Methylheptenon, Muskatnussöl, Rosmarinöl, süßes Orangenöl, Terpineol, Tonkabohnenöl, Triethylcitrat und/oder Vanillin enthält,
wobei die Zubereitung kein Titandioxid, Zinkoxid, 3-(4-Methylbenzyliden)-campher, 2-Hydroxy-4-methoxybenzophenon (INCI: Oxybenzon) und Ethylhexyl-2-cyano-3,3-diphenylacrylat (INCI: Octocrylen) enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zubereitung ein oder mehrere Alkandiole aus der Gruppe der Verbindungen 1,2-Pentandiol, 1,2-Hexandiol, 1,2-Octandiol, 1,2-Decandiol, 2-Methyl-1,3-propandiol enthält."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags, in dem "Adipinsäurediester" als Parfümstoffe gestrichen wurden.
Hilfsanträge 2 und 3 entsprechen dem Hauptantrag und Hilfsantrag 1, in denen die Diole 1,2-Pentandiol und 1,2-Hexandiol gestrichen wurden. In den Hilfsanträgen 4 und 5 wurde zusätzlich 1,2-Octandiol gestrichen.
Die Patentinhaberin reichte mit der Beschwerdebegründung zudem das folgende Dokument ein:
D63: Vergleichsversuche ausgehend von D5, Seite 8/9 Rezeptur 2.
IV. Die Einsprechende 1 hat mit der Beschwerdeerwiderung das folgende Dokument eingereicht:
D64A: Produktdatenblatt "PARSOL® SLX", abgerufen über web.archive.org, spätestes Veröffentlichungsdatum: 7. Dezember 2008
Die Einsprechende 2 hat mit der Beschwerdeerwiderung das folgende Dokument eingereicht:
D64: Datenblatt der Firma DSM betreffend das Produkt ,,PARSOL ® SLX"
V. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Stellungnahme mit, dass Dokument D63 nicht im Beschwerdeverfahren zuzulassen sei und dass der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrages sowie der Hilfsanträge 1-5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Oktober 2024 statt.
VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Dokuments D63
Die Eingabe des Dokuments D63 mit der Beschwerdebegründung stelle eine berechtigte Reaktion auf die angefochtene Entscheidung dar, in der die Einspruchsabteilung von ihrer vorläufigen Stellungnahme, dass der betreffende Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit beinhalte, abgewichen war.
Dokument D63 zeige anhand von Versuchsergebnissen, dass die anspruchsgemäße Zubereitung eine im Vergleich zum Stand der Technik des Dokuments D5 bedeutend geringere Sandanhaftung aufweise und somit eine erfinderische Tätigkeit beinhalte.
Für die Pateninhaberin habe es im erstinstanzlichen Verfahren keine Veranlassung zur Durchführung der betreffenden Vergleichsversuche gegeben, nachdem die Einspruchsabteilung in ihrer vorläufigen Stellungnahme angedeutet hatte, dass der durch das Merkmal der Alkandiole (Merkmal (f)) zusätzlich gekennzeichnete Anspruchsgegenstand als erfinderisch anzusehen sei. Entsprechend den Überlegungen aus T 291/21 stelle die zunächst positive vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung eine Rechtfertigung für die Einreichung des Dokuments D63 in das Beschwerdeverfahren dar.
b) Erfinderische Tätigkeit
Beispiel 2 des Dokuments D5 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, von dem der beanspruchte Gegenstand sich durch das Vorhandensein von Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und Alkandiolen (Merkmal (f)) sowie der definierten Parfümstoffe (Merkmal (e)) unterscheide.
Insofern die objektive technische Aufgabe wegen der Nichtzulassung der Versuchsergebnisse des Dokuments D63 nur in der Bereitstellung eines alternativen Sonnenschutzmittels für die aus D5 bekannten Zubereitungen gesehen werde, sei dennoch eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen. Keines der Beispiele aus Dokument D5 enthalte Diethylhexyl Butamido Triazone, ein Alkandiol oder einen der der definierten Parfümstoffe. Aus dem Stand der Technik gehe für den Fachmann somit kein Anlass hervor, die Zubereitung des Beispiels 2 aus Dokument D5 mit dem kombinierten Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und einem Alkandiol (Merkmal (f)) sowie den definierten Parfümstoffen (Merkmal (e)) zu versetzen.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Dokuments D63
Der Einwand, dass die beanspruchte Erfindung eine naheliegende Alternative gegenüber Beispiel 2 aus Dokument D5 darstelle, sei bereits mit der Eingabe der Einsprüche der Einsprechenden erhoben und auch nach der vorläufigen Stellungnahme der Einspruchsabteilung in Bezug auf Merkmal (f) aufrechterhalten worden. Ungeachtet der vorläufigen Stellungnahme hätte die Patentinhaberin deswegen einen Beleg für einen besonderen Vorteil des Anspruchsgegenstandes gegenüber dem Stand der Technik bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorlegen müssen.
Die Ergebnisse der Vergleichsversuche in Dokument D63 seien zudem offensichtlich nicht geeignet, für den Anspruchsgegenstand einen besonderen Vorteil gegenüber Beispiel 2 aus Dokument D5 aufzuweisen, weil sich die verwendeten anspruchsgemäßen Zubereitungen nicht nur durch den Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone, einem Alkandiol und die definierten Parfümstoffe, sondern auch durch das Auslassen von Polysilicone-15 von der Zubereitung nach Beispiel 2 aus Dokument D5 unterscheide.
Dokument D63 sei deswegen nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
b) Erfinderische Tätigkeit
Dokument D5 beschreibe bereits Sonnenschutzmittel mit reduzierter Neigung zur Sandanhaftung. Der Unterschied des Gegenstands des Hauptanspruches zum nächstliegenden Beispiel in Dokument D5 betreffe nur den Einsatz von Diethylhexyl Butamido Triazone und einem Alkandiol. Die anspruchsgemäß definierten Parfümstoffe entsprächen hingegen den in Dokument D5 bereits als vorteilhaft bezeichneten Parfümstoffen.
Die objektive technische Aufgabe betreffe lediglich die Bereitstellung einer Alternative.
Der Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone und entsprechenden Diolen sowie entsprechenden Parfümstoffen stelle für den Fachmann eine naheliegende Lösung dieser Aufgabe dar, weil Dokument D5 ausdrücklich auf den möglichen Zusatz dieser Inhaltsstoffe hinweise.
Die Hilfsanträge 1-5 würden keine zusätzlichen Unterschiede zum Stand der Technik aufweisen, die zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen könnten.
IX. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den geänderten Ansprüchen gemäß dem mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hauptantrag oder den Hilfsanträgen 1-5 aufrechtzuerhalten.
X. Die Einsprechenden 1-3 und 5-6 (Beschwerdegegnerinnen) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Sie beantragten zudem, das Dokument D63 und die Hilfsanträge 2-5 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Die Einsprechende E4 hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.
Entscheidungsgründe
1. Nichtzulassung des Dokuments D63
1.1 Dokument D63 zeigt Versuchsergebnisse bezüglich der Sandanhaftung bei Verwendung der Zubereitung des Beispiels 2 aus Dokument D5 (siehe D5, Seiten 8-9) im Vergleich zur Verwendung von Zubereitungen, die gemäß dem Anspruchsgegenstand des Hauptantrages Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und Alkandiole (Merkmal (f)) sowie entsprechende Parfümstoffe (Merkmal (e)) enthalten. Dem Vorbringen der Patentinhaberin zufolge geht aus den Ergebnissen in Dokument D63 hervor, dass die anspruchsgemäßen Zubereitungen B/C/D im Vergleich zu der Zubereitung A gemäß Beispiel 2 des Dokuments D5 eine bedeutend geringere Sandanhaftung aufweisen und damit eine erfinderische Tätigkeit für den Anspruchsgegenstand belegen.
Die Patentinhaberin rechtfertigte die Eingabe von Dokument D63 während des Beschwerdeverfahrens als frühestmögliche Reaktion auf die angefochtene Entscheidung, in der die Einspruchsabteilung von ihrer vorläufigen Stellungnahme abgewichen war. Die betreffende Passage der vorläufigen Stellungnahme (siehe Seite 16, Abschnitte 21.3-21.5) lautet:
"Unterschied
Der Unterschied von Beispiel 2 der D5 zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 vom 15.10.2020 ist der Zusatz von (b) und (f) und die Selektion von (e) aus [0025].
Ausgehend von der D5 ist es für die Einspruchsabteilung fraglich, ob die Merkmalskombination wie im Hilfsantrag 2 vom 15.10.2020 beansprucht für den Fachmann nahegelegt ist.
Die Einspruchsabteilung tendiert daher dazu, die Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags 2 vom 15.10.2020 im Sinne des Artikels 56 EPÜ als erfinderisch zu betrachten."
1.2 Der ständigen Rechtsprechung zufolge ist jeder Verfahrensbeteiligte jeweils für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage 2022, III.G.5.1.1 und III.G.5.1.2.b). Dementsprechend liegt die Beweislast dafür, dass der beanspruchte Gegenstand zu den im Hinblick auf einschlägigen Stand der Technik geltend gemachten vorteilhaften Wirkungen führt, beim Patentinhaber (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, supra, I.D.4.3.1 und III.G.5.1.2.b).
Der Einwand, dass die beanspruchte Erfindung auch unter Berücksichtigung des Merkmals (f) eine naheliegende Alternative gegenüber Beispiel 2 aus Dokument D5 darstelle, wurde bereits mit der Einreichung der Einsprüche ausdrücklich erhoben (Siehe Einspruchsschrift E1, Seite 9, Abschnitt VI.8; Einspruchsschrift E2, Seiten 24-25, Abschnitt 3.9; Einspruchsschrift E4, Seite 11, Abschnitt 4; Einspruchsschrift E5, Seiten 26-27, Abschnitt ix). Dieser Einwand wurde nach der vorläufigen Stellungnahme der Einspruchsabteilung vom 2. Februar 2021 in Bezug auf den im Einspruchsverfahren vorliegenden Hilfsantrag 1 aufrechterhalten (siehe Eingabe E1 vom 27. Juli 2021 Abschnitte 2.2/3.2; Eingabe E2 vom 6. Oktober 2021, Abschnitte 2.2/2.3; Eingabe E3 vom 16. September 2021, Seite 2; Eingabe E6 vom 4. Oktober 2021, Abschnitte 4.2b/4.2c).
Ungeachtet der nur vorläufigen und recht zurückhaltend formulierten Stellungnahme der Einspruchsabteilung oblag es deswegen der Patentinhaberin, die für die Begründung einer erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstands relevanten Tatsachen, insbesondere eventuelle Vergleichsversuche zum Beispiel 2 aus Dokument D5, bereits während des Einspruchsverfahrens zu belegen.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin geht aus den Überlegungen in T 291/21 nicht hervor, dass eine zunächst positive vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung im Allgemeinem eine Rechtfertigung für die Einreichung von zutreffenden Versuchsberichten mit der Beschwerdebegründung darstellt. Im Falle von T 291/21 wurden erstmalig kurz vor dem Termin der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Einwände gegen die Beispiele des Patents vorgebracht nachdem die Einspruchsabteilung eine positive Stellungnahme zur erfinderischen Tätigkeit abgegeben hatte. In der Entscheidung der Kammer, den Versuchsbericht in das Beschwerdeverfahren T 291/21 zuzulassen, berücksichtigte die Kammer zudem, dass es in Anbetracht der zeitlichen Nähe des Vorbringens dieser Einwände der Patentinhaberin realistisch nicht mehr möglich war, weitere Vergleichsversuche auszuführen und einzureichen (siehe T 291/21, Entscheidungsgründe 3.1). Dahingegen lag im Einspruchsverfahren bezüglich des vorliegenden Patents der betreffende Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit bereits seit Beginn des Einspruchsverfahrens vor. Zudem wurde nach der vorläufigen Stellungnahme der Einspruchsabteilung vom 2. Februar 2021 die Aufrechterhaltung dieses Einwands bereits am 27. Juli 2021 und somit etwa vier Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 7. Dezember 2021 mitgeteilt. Die Überlegungen aus T 291/21 treffen deswegen auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Die Kammer betrachtet somit die Eingabe des Dokuments D63 in das Beschwerdeverfahren als verspätet. Die betreffenden Ergebnisse der Vergleichsversuche hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt werden müssen (Artikel 12(6) Satz 2 VOBK). Die geänderte Auffassung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung stellt in diesem Zusammenhang keine Rechtfertigung für die verspätete Eingabe dar.
1.3 Zudem ist von den Einsprechenden zurecht darauf hingewiesen worden, dass die laut Dokument D63 untersuchten Zubereitungen B/C/D sich nicht nur durch die den Anspruchsgegenstand kennzeichnenden Merkmale (b), (e) und (f) von der untersuchten Zubereitung A gemäß Beispiel 2 aus Dokument D5 unterscheiden, sondern zusätzlich durch das Auslassen einer Komponente der Zubereitung A, nämlich Polysilicone-15.
Laut der gefestigten Rechtsprechung müssen Vergleichsversuche zum Nachweis einer verbesserten Wirkung im gesamten beanspruchten Bereich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik so angelegt sein, dass die angeblichen Vorteile oder günstigen Wirkungen überzeugend auf das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zurückgeführt werden können (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, supra, I.D.4.3.2).
Anspruch 1 des Hauptantrages umfasst auch Zubereitungen, die wie die gemäß Dokument D63 untersuchte Zubereitung A gemäß Beispiel 2 aus Dokument D5 Polysilicone-15 enthalten. Dieser Bestandteil ist jedoch nicht in den laut Dokument D63 untersuchten Zubereitungen B/C/D gemäß dem Anspruchsgegenstand enthalten. Die Ergebnisse der Vergleichsversuche in Dokument D63 sind deswegen nicht geeignet, um die Wirkung der kennzeichnenden Merkmale aufzuzeigen, weil die in Dokument D63 im Vergleich zur Zubereitung A festgestellte geringere Sandanhaftung der Zubereitungen B/C/D auch dem Ausgelassen von Polysilicone-15 statt der kennzeichnenden Merkmale zugeschrieben werden könnte.
Das Argument der Patentinhaberin, dass wegen des erfindungsgemäßen Zusatzes von Inhaltsstoffen eine entsprechende Menge eines anderen Inhaltsstoffes, zu reduzieren war und somit das Auslassen von Polysilicone-15 in den Zubereitungen B/C/D vertretbare war, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, gerade weil der Anspruchsgegenstand auch Zubereitungen umfasst, die Polysilicone-15 enthalten. Zudem handelt es sich laut den Dokumenten D64 und D64A bei Polysilicone-15 um einen UV-B Filter mit einer Viskosität von 600-1000 mPa*S. Im Hinblick auf die durch UV-Filter bedingte Klebrigkeit von Sonnenschutzmittel, die im Patent ausdrücklich erwähnt wird (siehe das Patent, Absatz [0005]) sowie die hohe Viskosität von Polysilicone-15, ist die Annahme, dass die geringere Sandanhaftung der Zubereitungen B/C/D in Dokument D63 möglicherweise dem Auslassen von Polysilicone-15 und nicht den den Anspruchsgegenstand kennzeichnenden Merkmalen (b), (e) und (f) zuzuschreiben ist, aus technischer Sicht nicht haltlos.
1.4 Die Kammer hat deswegen entschieden, das Dokument D63 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 12(4) und 12(6) VOBK).
2. Hauptantrag - fehlende erfinderische Tätigkeit
2.1 Nächstliegender Stand der Technik
Das Patent befasst sich mit der Aufgabe, ein Sonnenschutzmittel mit reduzierter Sandanhaftung bereitzustellen (siehe das Patent, Absatz [0006]).
Dokument D5 beschreibt ebenfalls Sonnenschutzmittel, die eine reduzierte Neigung zu Anhaftung von Sand aufweisen (siehe D5, Absätze [0006]-[0010]).
Im Beschwerdeverfahren war unstrittig, dass Beispiel 2 aus Dokument D5 einen geeigneten Ausgangspunkt im Stand der Technik darstellt. Der Anspruchsgegenstand des Hauptantrags unterscheidet sich von diesem Stand der Technik durch das Vorhandensein von Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und Alkandiolen (Merkmal (f)) sowie der definierten Parfümstoffen (Merkmal (e)).
2.2 Objektive technische Aufgabe
Für einen Vorteil oder sonstige besondere Wirkung des Anspruchsgegenstandes gegenüber dem Stand der Technik liegt im Beschwerdeverfahren kein Nachweis vor.
Die objektive technische Aufgabe ist somit lediglich in der Bereitstellung einer Alternative zu der Zubereitung des Beispiels 2 in Dokument D5 zusehen.
2.3 Beurteilung der Lösung
Entsprechend der Feststellung in der angefochtenen Entscheidung beinhaltet der Anspruchsgegenstand als Alternative zu der Zubereitung des Beispiels 2 in Dokument D5 keine erfinderische Tätigkeit, weil Dokument D5 in Absatz [0027] und Anspruch 11 auf den möglichen Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone, in Absatz [0036] und Anspruch 10 auf den Zusatz entsprechender Diole und in Absatz [0025] und Anspruch 8 auf den Zusatz entsprechender Parfümstoffe hinweist und zwar im Rahmen von bevorzugten Ausführungsformen.
Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass keines der Beispiele aus Dokument D5 Diethylhexyl Butamido Triazone, ein Alkandiol oder einen der definierten Parfümstoffe enthält und dass sich somit aus dem Stand der Technik kein Anlass ergibt, die Zubereitung des Beispiels 2 aus Dokument D5 mit dem kombinierten Zusatz von Diethylhexyl Butamido Triazone (Merkmal (b)) und einem Alkandiol (Merkmal (f)) sowie den definierten Parfümstoffen (Merkmal (e)) zu versetzen.
Der ständigen Rechtsprechung zufolge zieht der Fachmann zur Bereitstellung einer Alternative jedoch jede Lösung in Betracht, die sich aufgrund des Standes der Technik als Alternative anbietet, wobei es nicht erforderlich ist, die Auswahl einer bestimmten Lösung zu rechtfertigen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, supra, I.D.4.5 und I.D.9.21.9). Die Argumentation der Patentinhaberin ist deswegen nicht überzeugend.
Demzufolge kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Anspruchsgegenstand des Hauptantrags keine erfinderische Tätigkeit beinhaltet.
3. Hilfsanträge 1-5 - fehlende erfinderische Tätigkeit
Die Änderungen gemäß den Hilfsanträgen 1-5 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages betreffen lediglich die Streichung von "Adipinsäurediester" aus der Liste der Parfümstoffe und die Streichung von 1,2-Pentandiol und 1,2-Hexandiol oder 1,2-Pentandiol, 1,2-Hexandiol und zusätzlich 1,2-Octandiol aus der Liste der Diole.
Während der mündlichen Verhandlung erklärte die Patentinhaberin, dass die Hilfsanträge im Hinblick auf eine Zulassung des Dokuments D63 eingereicht worden seien.
Die Hilfsanträge 1-5 weisen jedoch keine zusätzlichen Unterschiede zum Stand der Technik auf, die zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen könnten, weil Dokument D5 in Absatz [0036] und Anspruch 10 auf den Zusatz der verbleibenden Diole 1,2-Decandiol und 2-Methyl-1,3-propandiol und in Absatz [0025] und Anspruch 8 auf den Zusatz der verbleibenden Parfümstoffe hinweist.
Die Überlegungen zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den Hauptantrag treffen somit auch auf den Hilfsanträge 1-5 zu.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.