T 0261/22 (Staubsaugerfilterbeutel/EUROFILTERS) of 20.2.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T026122.20240220
Datum der Entscheidung: 20 Februar 2024
Aktenzeichen: T 0261/22
Anmeldenummer: 16178839.3
IPC-Klasse: B01D 39/16
A47L 9/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: STAUBSAUGERFILTERBEUTEL MIT STAUB- UND/ODER FASERFÖRMIGEM RECYCLIERTEN MATERIAL
Name des Anmelders: Eurofilters N.V.
Name des Einsprechenden: Wolf PVG GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 6 (nein)
Ausführbarkeit (ja)
Spät eingereichter Einwand - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja)
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 7 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1596/16
T 1076/21
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 2) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin 1) betreffen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 219 375 B1 in geänderter Fassung auf der Basis von Hilfsantrag 7 aufrechtzuerhalten.

II. Unter anderem waren die folgenden Dokumente Gegenstand im Einspruchsverfahren:

D3 |EP 2 004 303 B1 |

D5 |US 2009/0223190 A1 |

D11|EP 0 960 645 A2 |

D13|EP 1 917 895 B1 |

D16|G. Geertz, "Wissenschaftliches Gutachtenüber die analytische Unterscheidbarkeit von Neuware und Rezyklat bei Kunststoff-Materialien aus Polypropylen und Polyethylenterephthalat", Gutachten Fraunhofer LBF für EUROFILTERS N.V., 2-10 |

D17|H.J. Endres, "Wissenschaftliche Stellungnahme zur Fragestellung: Kann anhand der mechanischen Eigenschaften oder identifizierter Molekülbestandteile nachgewiesen werden, dass es sich bei einem PP- oder PET-Material umein Rezyklat handelt?", Gutachten, 3. August 2021, 1-9|

D18|"Ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten über die analytische Unterscheidbarkeit von Neuware und Rezyklat bei Kunststoff-Materialien aus Polypropylen und Polyethylenterephthalat", Gutachten Fraunhofer LBF für EUROFILTERS N.V., 1-2|

D19|Y. Qin et al., "Studies on Recycled Polyester", 2020, 29-67 |

III. Die Einspruchsabteilung war unter anderem zum Schluss gekommen, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6 angesichts von D11 nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ erfüllen.

IV. Im Beschwerdeverfahren hielt die Patentinhaberin die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anträge aufrecht.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent in der erteilten Fassung) lautet wie folgt:

"1. Staubsaugerfilterbeutel, umfassend eine einen Innenraum umschließende Wandung aus einem luftdurchlässigen Material sowie eine in die Wandung eingebrachte Einlassöffnung,

wobei das luftdurchlässige Material mindestens eine Lage eines Vliesstoffes umfasst, der staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material aus der Herstellung von Textilien, insbesondere Baumwolltextilien, und/oder aus der Wollschur und/oder Samenfasern umfasst, und

wobei die mindestens eine staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material und/oder Samenfasern umfassende Lage des Vliesstoffes bis zu 95 Gew.-% des staub- und/oder faserförmigen recyclierten Materials und/oder Samenfasern und mindestens 5 Gew.-% an Bindefasern umfasst oder hieraus besteht."

VI. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 wurde am Ende das Merkmal ", wobei die Bindefasern das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material bzw. die Samenfasern binden" hinzugefügt.

VII. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags am Ende das Merkmal ", wobei die Bindefasern thermisch aktiviert wurden und das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material bzw. die Samenfasern binden" hinzugefügt.

VIII. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags am Ende das Merkmal ", wobei die Bindefasern thermisch aktivierte Schmelzfasern sind und das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material bzw. die Samenfasern binden" hinzugefügt.

IX. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 wurde im Vergleich zu Anspuch 1 des Hauptantrags am Ende das Merkmal ", wobei die Bindefasern thermisch aktivierte Schmelzfasern sind, die aus thermoplastischen, schmelzbaren Materialien gebildet sind und das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material bzw. die Samenfasern binden" hinzugefügt.

X. In Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 und 6 wurde im Vergleich zu den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 3 jeweils spezifiziert, dass es sich um "mindestens eine Lage eines trockengelegten Vlies­stoffes" (Hervorhebung durch die Kammer) handelt.

XI. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 (von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung) wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 am Ende das Merkmal ", wobei das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material Baumwollstaub bzw. die Samenfasern Baumwolllinters oder Kapokfasern sind" hinzugefügt.

Der unabhängige Verwendungsanspruch von Hilfsantrag 7 lautet wie folgt:

"16. Verwendung eines trockengelegten Vliesstoffs, der staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material aus der Herstellung von Textilien, insbesondere Baumwolltextilien, und/oder aus der Wollschur und/oder Samenfasern umfasst, für Staubsaugerfilterbeutel und

wobei der mindestens eine staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material und/oder Samenfasern umfassende Vliesstoff bis zu 95 Gew.-% des staub- und/oder faserförmigen recyclierten Materials und/oder Samenfasern und mindestens 5 Gew.-% an Bindefasern umfasst oder hieraus besteht,

wobei die Bindefasern das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material bzw. die Samenfasern binden,

wobei das staub- und/oder faserförmige recyclierte Material Baumwollstaub bzw. die Samenfasern Baumwolllinters oder Kapokfasern sind."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 betreffen weitere Ausführungsformen.

XII. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden:

Alle Anträge erfüllten die Erfordernisse des EPÜ.

Die Einwände gegen Hilfsantrag 7 unter Artikel 123(2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ seien nicht zu berücksichtigen.

Die Einwände unter Artikel 56 EPÜ ausgehend von D11 und D5 gegen Hilfsantrag 7 seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

XIII. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6 erfüllten angesichts von D11 die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ nicht.

Die Erfindung sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).

Hilfsantrag 7 verletze die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 84 EPÜ. Des weiteren sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht erfinderisch gegenüber:

- D3 in Kombination mit D11

- D11 in Kombination mit D3 oder D5

- D5 in Kombination mit D11

XIV. Die Einsprechende beantragt, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, das Patent auf der Basis der bereits erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 bis 16 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 6

1. Neuheit gegenüber D11

Aus den folgenden Gründen erfüllen der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6 nicht die Erfordernisse von Artikel 54(1) und (2) EPÜ:

1.1 Der Staubsaugerbeutel mit einem Filtermaterial aus mehreren Lagen aus D11 ist neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags.

Hierzu wird auf die Abschnitte [0033] bis [0051] mit der Überschrift "Dry-laid High Dust Capacity Paper" (trockengelegtes Papier mit hoher Staubkapazität) verwiesen. Die beanspruchte Zusammensetzung ist insbesondere in Abschnitt [0048] offenbart.

1.2 Die Patentinhaberin ist dagegen der Auffassung, dass D11 die folgenden Merkmale aus Anspruch 1 nicht offenbare:

(i) Vliesstoff: Das trockengelegte Papier aus D11 könne nicht als Vliesstoff im Sinne der Ansprüche des Streitpatents interpretiert werden.

(ii) Recycliertes Material aus der Herstellung von Textilien: Die in Abschnitt [0048] von D11 genannten Split-Film-Fasern seien weder recycliertes Material noch entstammten sie der Herstellung von Textilien.

1.3 Diese Argumente der Patentinhaberin sind nicht überzeugend:

1.3.1 Merkmal (i): Vliesstoff

Der Begriff Vliesstoff muss breit ausgelegt werden. Zudem bestätigt auch das Ende von Abschnitt [0086] von D13 (welche im Übrigen von der Patentinhaberin stammt), dass es sich bei dem Hochkapazitätspapier der D11 um einen Vliesstoff handelt.

1.3.2 Merkmal (ii): recycliertes Material

Dem Vortrag der Patentinhaberin, wonach staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material aus der Herstellung von Textilien in jedem Fall von der entsprechenden nicht recyclierten Neuware ("Virgin-Material") unterschieden werden kann, kann nicht gefolgt werden.

Die Einspruchsabteilung bereits vertrat die Auffassung, dass "recycliertes Material" analytisch nicht in jedem Fall von nicht-recycliertem Material unterschieden werden kann, da zwischen ihnen nicht notwendigerweise ein struktureller Unterschied besteht (siehe beispielsweise die Punkte II.12 und II.27.3 der angefochtenen Entscheidung).

Eine Unterscheidung zwischen recycliertem und nicht-recycliertem Material mag in der Tat in vielen Fällen möglich sein, wegen der Breite dieses "product-by-process"-Merkmals in Anspruch 1 jedoch nicht in jedem Fall.

Die Fachperson weiß, dass es sich bei dem recyclierten Material in Anspruch 1 auch um Produktionsabfälle handeln kann, die noch nicht verwendet bzw. länger gelagert worden sind und die sich daher weder in ihrer Form (Streuung von Eigenschaften wie Durchmesser und Länge) noch in ihrer Zusammensetzung (insb. der Anwesenheit von Verunreinigungen) in jedem Fall von Neuware ("Virgin-Material") unterscheiden lassen.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das Streitpatent diese Sicht ausdrücklich unterstützt, da das recyclierte Material folgende Abfallprodukte umfassen kann (Abschnitte [0017] bis [0020]):

- "pre-consumer waste", d.h. Produktionsabfälle wie beispielsweise Randstreifen

- "post-consumer waste", d.h. Abfall aus Altkleidern

- Schafschur

Außerdem ist auch das Verfahren zum Erzeugen des recyclierten Materials im Anspruch nicht spezifiziert. Es kann sich also beispielsweise um ein Einschmelzen mit anschließender Herstellung von neuem staub- und/oder faserförmigem Material handeln. Das wäre kompatibel mit dem Herstellungsverfahren aus D11 (Abschnitte [0043] bis [0047])und wird entgegen der Meinung der Patentinhaberin vom Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Anspruch 1 erfordert lediglich, dass der erzeugte Vliesstoff staub- und/oder faserförmiges recycliertes Material umfasst, bzw. ein Material, welches davon nicht unterschieden werden kann. Die Form des Ausgangsmaterials ist unerheblich, solange es sich zumindest potentiell um recycliertes Material aus der Herstellung von Textilien handelt. Vor oder während der Herstellung muss das Material also nicht unbedingt bereits als staub- und/oder faserförmiges Material vorliegen.

Daher weisen Länge und Durchmesser von recycliertem Material auch nicht notwendigerweise eine größere Streuung auf als das entsprechende "Virgin-Material".

Dies gilt insbesondere für die in D11 verwendeten "split film fibers" aus Polyolefinen wie Polypropylen (siehe dazu beispielsweise D17, insbesondere die Zusammenfassung ab Seite 7 sowie Figur 2 auf Seite 9). PET-Fasern werden auch in der Textilherstellung verwendet.

Die Patentinhaberin argumentiert des weiteren, dass eine Unterscheidung zwischen recycliertem und nicht-recycliertem Material insbesondere im Bereich von Staubsaugerbeuteln immer möglich sei.

Sie verkennt dabei jedoch, dass das Material, aus dem der beanspruchte Staubsaugerbeutel hergestellt wird, nach Anspruch 1 nicht unbedingt selbst schon für Staubsaugerbeutel verwendet worden sein muss, sondern auch aus einer ganz anderen Quelle stammen kann.

Auch die von den Parteien angeführten Dokumente D16, D18 und D19 belegen lediglich, dass eine Unter­scheidung zwischen recycliertem und nicht-recycliertem Material in bestimmten Fällen möglich ist. Sie belegen dagegen nicht, dass dies auch für Fasern aus höchstens kurz gelagerten Produktions­abfällen ("pre-consumer waste") gilt.

1.4 Des Weiteren offenbart D11 auch die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6:

- In den Abschnitten [0035] und [0036] offenbart D11 thermisch aktivierte Bindefasern, welche das staub- und/oder faserförmige Material binden.

- Bei diesen Bindefasern aus D11 handelt es sich um Schmelzfasern bzw. Fasern aus thermoplastisch schmelzbaren Materialien.

- Der Vliesstoff aus D11 ist außerdem trockengelegt (Abschnitt [0048] "dry laid high dust capacity paper").

Dies wurde nicht bestritten, und die Patentinhaberin hat auch nicht dargelegt, warum die Hilfsanträge 1 bis 6 die Neuheit gegenüber D11 herstellen sollen.

1.5 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 6 nicht neu gegenüber D11 (Artikel 54(1) und (2) EPÜ).

Hilfsantrag 7

Hierbei handelt es sich um die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung. Aus den folgenden Gründen ist Hilfsantrag 7 in der Tat gewährbar.

2. Zulassung und Berücksichtigung der Einwände unter Artikel 123(2) und 84 EPÜ

Laut Protokoll hatte die Einsprechende während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausdrücklich erklärt, dass sie keine Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ, Artikel 84 EPÜ und Artikel 54 EPÜ hatte, sowie keine weiteren Einwände unter Artikel 83 EPÜ (siehe Punkt II.47 der angefochtenen Entscheidung sowie den zweiten Absatz auf Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).

Nach Auffassung der Einsprechenden war damit lediglich gemeint, dass sie keine weiteren Einwände diesbezüglich gehabt habe, dass aber die Einwände gegen die höherrangigen Anspruchssätze aufrechtzuerhalten seien.

Dies ist nicht überzeugend. Die obengenannten Aussagen im Protokoll sind unmissverständlich. Die Einsprechende hatte diesbezüglich auch keine Korrektur beantragt.

Es ist daher nicht begründbar, warum die Einsprechende solche Einwände erstmals im Beschwerdeverfahren erhebt.

Auch die Tatsache, dass die Einsprechende solche Einwände erstinstanzlich gegenüber höherrangigen Anträge erhoben und diese nicht fallengelassen hatte, ist nicht ausreichend.

Daher werden diese Einwände nicht berücksichtigt (Artikel 12(6) VOBK 2020).

3. Ausführbarkeit

Nach Auffassung der Einsprechenden erfüllt das Streitpatent nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ, da zu wenig Informationen zum Ausgangsmaterial des Recyclings und zum Recycling-Verfahren angegeben worden seien.

Auch dieses Argument überzeugt nicht. Die Abschnitte [0016] bis [0021] des Streitpatents erklären anhand einiger Beispiele, welche Arten von recycliertem Material es gibt und wie sie erhalten werden können.

Der Einwand der Einsprechenden bezieht sich daher eher auf die Breite des Anspruchs.

Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es im Inter-partes-Verfahren der Einsprechenden zu beweisen, dass die in einem Patent offenbarte Anleitung zur Ausführung der Erfindung unzureichend ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Aufl., 2022, II.C.9, z.B. T 1076/21, Gründe 1.1.7; T 1596/16, Gründe 2.2 f). Diesen Beweis hat sie nicht angetreten.

Die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ sind daher erfüllt.

4. Erfinderische Tätigkeit

Die Einsprechende erhebt Einwände gegen den Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 ausgehend von:

- D3 in Kombination mit D11

- D11 in Kombination mit D3 oder D5

- D5 in Kombination mit D11

Aus den folgenden Gründen können diese Einwände jedoch nicht überzeugen, und die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ sind erfüllt.

4.1 Die Erfindung betrifft einen Staubsauger­filter­beutel.

4.2 D3 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D11

4.2.1 D3 offenbart einen Filterbeutel mit mindestens drei trockengelegten Lagen, davon mindestens zwei Vliesstofflagen und mindestens eine Faservlieslage (Anspruch 1, Abschnitte [0001], [0011] und [0018]).

Abschnitt [0015] nennt Kapok im Zusammenhang mit der Faservlieslage (siehe Abschnitt [0012]). Die nähere Beschreibung der Vliesstofflagen findet sich dagegen in Abschnitt [0017].

Aus analogen Gründen wie unter Punkt 1.3.2 stellt das product-by-process-Merkmal "recycliert" keinen Unterschied zu D3 dar.

Ein Faservlies ist im Gegensatz zu einem Vliesstoff nicht verfestigt (siehe Abschnitt [0011] von D3 bzw. die Abschnitte [0035] und [0036] des Streitpatents).

Da sich D3 ebenfalls mit Staubsauger­filter­beuteln befasst und mehrere Merkmale von Anspruch 1 des Streitpatents offenbart, ist es ein geeigneter Startpunkt für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit.

4.2.2 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Staubsaugerbeutels mit vergleichbarer Staubabscheideleistung und Standzeit, welcher ökonomisch und ökologisch vorteilhafter ist (Abschnitt [0013]).

4.2.3 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch den Staubsauger­filter­beutel von Anspruch 1 zu lösen, welcher charakterisiert ist durch:

(a) die Gewichtsanteile an staub- und/oder faserförmigem Material

(b) mindestens eine Lage eines Vliesstoffes, der bis zu 95 Gew.-% des staub- und/oder faserförmigen Materials in Form von Baumwollstaub, Baumwollinters oder Kapokfasern und mindestens 5 Gew.-% Bindefasern umfasst

Unterschied (a) wurde nicht bestritten.

Was Unterschied (b) betrifft, ist die Einsprechende der Auffassung, dass man die an mehreren Punkten an die Vliesstofflagen geschweißte mindestens eine Faservlieslage der D3 (Abschnitt [0018] bzw. Anspruch 1) durchaus ebenfalls als Vliesstofflage interpretieren könne, da das Verschweißen einen Verfestigungsschritt darstelle, wie auch Abschnitt [0092] des Streitpatents unter Hinweis auf die Ultraschallkalandrierung als möglichen Bindeschritt bestätigen würde.

Dieses Argument ist nicht überzeugend. Kapokfasern werden nur für die Faservlieslage von D3 genannt, nicht für die Vliesstofflagen.

Abschnitt [0092] des Streitpatents nennt zwar in der Tat die Ultraschallkalandrierung als mögliches Verfestigungsverfahren für einen Vliesstoff, aber die punktweise Verschweißung der Faservlieslage mit den Vliesstofflagen macht nach Abschnitt [0018] von D3 maximal 5% der Oberfläche aus. Die Fachperson würde daher die dermaßen an die Vliesstofflagen gebundene Faservlieslage nicht als "Vliesstofflage" im Sinne von Anspruch 1 ansehen. Folgerichtig wird die Faser­vlieslage im fertigen Filterbeutel von D3 immer noch als solche bezeichnet (siehe beispielsweise Abschnitt [0010] oder Anspruch 1), und nicht als Vliesstofflage.

Die Faservlieslage in D3 enthält außerdem keine Bindefasern. Dies wurde nicht bestritten und wäre auch widersinnig, da diese Lage laut Abschnitt [0011] von D3 ausdrücklich unverfestigt ist.

4.2.4 Es gibt keinen Beleg dafür, dass durch die unterscheidenden Merkmale (a) und (b) die im Streitpatent genannte Aufgabe gelöst wird.

4.2.5 Allerdings kann selbst dann ein erfinderischer Schritt anerkannt werden, wenn die Aufgabe lediglich als das Bereitstellen einer Alternative umformuliert wird.

4.2.6 In der Tat wäre es entgegen der Lehre aus Abschnitt [0011] von D3, in der ausdrücklich ungebundenen Faservlieslage Bindefasern und einen Verfestigungsschritt vorzusehen.

Bereits aus diesem Grund hätte die Fachperson keine Veranlassung, die verfestigte ("thermally bonded") Lage aus Abschnitt [0048] der D11 in Betracht zu ziehen, um beispielsweise die Gewichtsanteile in der nicht-verfestigten Faservlieslage der D3 anzupassen. Dies wäre außerdem entgegen der Lehre von D3, die in Abschnitt [0002] die auf D11 beruhende Patentschrift ausdrücklich als Ausgangspunkt der Erfindung nennt, zu dem die Fachperson unter den vorliegenden Umständen nicht zurückkehren würde.

4.3 D11 und D5 als nächstliegender Stand der Technik

Die Einwände ausgehend von D11 waren in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht erhobenen worden.

Dort hatte die Einsprechende ausdrücklich D3 als den nächstliegenden Stand der Technik angesehen (siehe Punkt II.48 der angefochtenen Entscheidung). Konsequenterweise wird in der angefochtenen Entscheidung auch nur D3 als nächstliegender Stand der Technik abgehandelt.

Schließlich hat die Einsprechende auch nicht dargelegt, warum sie diese Ansicht nun im Beschwerdeverfahren ändert.

D5 wird im Zusammenhang mit Hilfsantrag 7 weder im Verhandlungsprotokoll noch in der angefochtenen Entscheidung erwähnt. Außerdem wurden keine Gründe vorgebracht, warum dieser Einwand jetzt im Beschwerdeverfahren erhoben wird.

Aus diesen Gründen können diese Angriffe nicht berücksichtigt werden (Artikel 12(6) VOBK 2020).

4.4 Daher erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

Aus analogen Gründen gilt dies auch für die abhängigen Ansprüche 1 bis 15.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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