European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T217621.20231127 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 November 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2176/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14821499.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C21B 5/06 C21B 7/00 C21B 5/00 C21C 5/28 F27D 17/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ANLAGENVERBUND ZUR STAHLERZEUGUNG UND VERFAHREN ZUM BETREIBEN DES ANLAGENVERBUNDES | ||||||||
Name des Anmelders: | thyssenkrupp AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ArcelorMittal | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 3 080 310 B1 zurückzuweisen.
II. Die folgenden, im Einspruchsverfahren zitierten Dokumente sind hier von Relevanz:
D1|Ghanbari et al., Optimal Design and Operation of a Steel Plant Integrated with a Polygeneration System, AIChE Journal, Vol. 59, No. 10, pages 3659-3670|
D2|US 5,454,853 |
III. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lauten:
"1. Anlagenverbund zur Stahlerzeugung mit einem Hochofen (1) zur Roheisenerzeugung, einem Konverterstahlwerk (2) zur Rohstahlerzeugung und einem Gasleitungsystem für Gase, die bei der Roheisenerzeugung und/oder der Rohstahlerzeugung anfallen, dadurch gekennzeichnet, dass der Anlagenverbund zusätzlich eine an das Gasleistungssystem angeschlossene Chemieanlage (12) oder Biotechnologieanlage sowie einen Energiespeicher (25) zur Deckung zumindest eines Teils des Strombedarfs des Anlagenverbundes aufweist, wobei der Anlagenverbund zusätzlich eine Elektrolyseanlage (21) zur Wasserelektrolyse aufweist, wobei die Elektrolyseanlage (21) durch eine Wasserstoffleitung (22) mit der Chemieanlage (12) verbunden ist und mittels einer Sauerstoffrückführeinrichtung (24) an den Hochofen (1) und/oder eine Anlage zur Rohstahlerzeugung oder Rohstahlbehandlung angeschlossen ist, und dass der Energiespeicher (25) zum Zwecke einer Stromversorgung der Elektrolyseanlage (21) elektrisch mit dieser verbunden ist."
"4. Verfahren zum Betreiben eines Anlagenverbundes zur Stahlerzeugung, der zumindest einen Hochofen (1) zur Roheisenerzeugung, ein Konverterstahlwerk (2), eine Chemieanlage (12) oder Biotechnologieanlage sowie einen Energiespeicher (25) zur Deckung zumindest eines Teils des Strombedarfes des Anlagenverbundes umfasst,
a) wobei zumindest eine Teilmenge eines bei der Roheisenerzeugung im Hochofen (1) anfallenden Hochofengichtgases und/oder eine Teilmenge eines bei der Rohstahlerzeugung anfallenden Konvertergases nach einer Gaskonditionierung als Nutzgas zur Herstellung chemischer Produkte verwendet wird oder nach einer Gaskonditionierung der Biotechnologieanlage zugeführt und für biochemische Prozesse genutzt wird,
b) wobei der Energiespeicher (25) mit Strom (26) gespeist wird, der zumindest teilweise aus erneuerbarer Energie erzeugt wurde und die gespeicherte Energie zeitversetzt an elektrische Verbraucher des Anlagenverbundes wieder abgibt,
wobei das Nutzgas mit Wasserstoff angereichert wird, welches vorzugsweise in einer Elektrolyseanlage (21) durch Wasserelektrolyse erzeugt wird, und dass zumindest ein Teil der für die Wasserelektrolyse notwendigen elektrischen Energie dem Energiespeicher (25) entnommen wird."
"10. Verwendung eines elektrochemischen oder chemischen Energiespeichers (25) zur Einbindung in einen Anlagenverbund zur Stahlerzeugung, gemäß Anspruch 1, der zumindest einen Hochofen (1) zur Roheisenerzeugung, ein Konverterstahlwerk (2) zur Rohstahlerzeugung und eine mit dem Hochofengichtgas und/oder Konvertergas gespeiste Chemieanlage (12) oder Biotechnologieanlage umfasst."
Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5-9 betreffen besondere Ausführungsarten der Erfindung.
IV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Artikel 100 b) EPÜ
Es gebe kein konkretes Ausführungsbeispiel, so dass von einer schwachen Vermutung im Sinne der T 63/06 auszugehen sei. Insbesondere sei unzureichend offenbart, wie die Sauerstoffrückführeinrichtung konkret ausgestaltet werden soll. Weder die Einspruchsabteilung noch die Beschwerdegegnerin hätten ausreichende Beweise für die gegenteilige Auffassung vorgelegt.
Es sei auch unzureichend offenbart, wie die Biotechnologieanlage im Anlagenverbund eingebunden sei.
Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 sei ausgehend von der D2 nahegelegt.
Die D2 sei auf die Reduktion der Kohlendioxidemissionen gerichtet. Die D2 offenbare bereits einen mit Wasserstoff betriebenen Hochofen, daher eine teilweise Optimierung. Allerdings emittiere ein solcher Hochofen immer noch 10% des Kohlendioxids einer konventionellen Anlage. Der Hochofentyp, die Zusammensetzung der Abgase sowie die Art der Chemieanlage sei in Anspruch 1 nicht enthalten. Die von der Beschwerdegegnerin angegebene technische Aufgabe, die CO2 Emissionen zu reduzieren, sei daher nicht notwendigerweise gelöst.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei daher die technische Aufgabe lediglich, eine alternative Verwendung der Abgase bereitzustellen.
Anspruch 4 sei ausgehend von der D1 nahegelegt.
Die D1 offenbare keinen Batteriespeicher. Die zu lösende technische Aufgabe sei die kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen.
Anspruch 10 sei ausgehend von der D2 nahegelegt.
Im Hinblick auf Anspruch 10 ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die Referenz zum Anlagenverbund gemäß den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Kapitel F-IV 4.14 nicht als einschränkend zu betrachten sei. Daher schütze Anspruch 10 lediglich das Verwenden eines elektrochemischen oder chemischen Energiespeichers.
V. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin (Inhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:
Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 löse die technische Aufgabe ausgehend von der D2. Die von der Beschwerdeführerin angegebene technische Aufgabe enthalte bereits einen Hinweis auf die Lösung, weil man Abgase, insbesondere CO2, auch sequestrieren könne und daher nicht verwenden müsse.
Die D2 offenbare, dass bei der Erzreduktion mit Wasserstoff als Reduktionsmittel im wesentlichen Wasserdampf und unverbrauchter Wasserstoff als Abgase anfallen. Eine zusätzliche Wasserstoffleitung zur Chemieanlage sei daher nicht nötig, weil der Wasserstoff für die Reaktion nach Gleichung (18) der D1 bereits in diesem Abgas enthalten sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 4 sei von der D1 nicht nahegelegt, denn die Anlage der D1 benötige zum Sicherstellen einer kontinuierlichen Stromversorgung keinen elektrischen Energiespeicher. Die kontinuierliche Stromversorgung stelle ein konventionelles Kraftwerk sicher.
Für den Verwendungsanspruch 10 sei die Bezugnahme auf den Anlagenverbund nach Anspruch 1 beschränkend.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder das Patent gemäß Hilfsantrag 1, erstmals mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht, oder gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4, erneut mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht, oder gemäß den Hilfsanträgen 5 oder 6, erstmals mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht, aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Ausführbarkeit, Artikel 100 b) EPÜ
1.1 Der Mangel an ausreichender Offenbarung ist grundsätzlich von der Beschwerdeführerin als Einsprechende nachzuweisen (siehe T 1076/21 Punkt 1.1).
Auch das Vorliegen einer schwachen Vermutung im Sinne der T 63/06 muss begründet und der Anknüpfungspunkt gegebenenfalls bewiesen werden. Es ist der T 63/06 nicht zu entnehmen, dass das Fehlen eines Beispiels automatisch eine schwache Vermutung bedingt und dass jede schwache Vermutung automatisch widerlegt wäre.
Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargelegt und ggfs. nachgewiesen, aufgrund welcher konkreten Umstände im vorliegenden Fall von einer schwachen Vermutung der ausreichenden Offenbarung auszugehen ist und wodurch diese in einem zweiten Schritt ggfs. widerlegt wäre, noch ist es ersichtlich.
Das Streitpatent ist auf die Konzeption des Anlagenverbunds gerichtet, wobei gewisse Verbindungen zwischen den Anlagen bestehen müssen. Die genaue Ausgestaltung der Anlagen im Verbund ist nicht Gegenstand des Patents. Der konzeptionelle Charakter des Streitpatents ist auch in den Figuren erkennbar.
Die Sauerstoffrückführeinrichtung enthält nicht weniger Details als die Wasserstoffleitung oder die elektrische Verbindung.
Es wurden von der Beschwerdeführerin keine überzeugenden Argumente oder gar Beweise vorgelegt, dass für die Sauerstoffrückführeinrichtung ein höherer Detailgrad notwendig wäre, um den Gegenstand des Patents ausreichend nacharbeitbar zu offenbaren, noch ist dies ersichtlich. Es wurde auch nicht nachgewiesen, dass der Fachperson die Ausgestaltung der beanspruchten Sauerstoffrückführeinrichtung nicht aus ihrem allgemeinen Fachwissen bekannt ist.
Das betrifft insbesondere auch die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwände bezüglich der genauen Ausführung des Sauerstoffanschlusses an den Hochofen sowie der Trennung der Elektrolyseprodukte in Wasserstoffgas und Sauerstoffgas.
Zur Annahme einer nur schwachen Vermutung ergeben sich daher keine Anhaltspunkte. Ebenso fehlt es an Darlegung und Beweis, dass eine schwache oder starke Vermutung der Ausführbarkeit im konkreten Fall widerlegt wäre. Die Sauerstoffrückführeinrichtung ist daher als ausreichend offenbart anzusehen.
1.2 Gleiches gilt hinsichtlich der Biotechnologieanlage.
In Anspruch 1 wird die Chemieanlage einerseits als Option zur Biotechnologieanlage dargestellt, andererseits nimmt Anspruch 1 danach teilweise nur auf die Chemieanlage Bezug. Letzteres ändert jedoch nichts daran, dass die Biotechnologieanlage eine Alternative zur Chemieanlage darstellt. Auch die Beschreibung, insbesondere Absatz [0015], offenbart nichts anderes. Anspruch 1 erfordert daher nicht zwingend das Vorhandensein einer Chemieanlage. Wenn eine Chemieanlage vorhanden ist, ist sie jedoch durch die Wasserstoffleitung mit der Elektrolyseanlage verbunden. Wenn keine Chemieanlage, sondern eine Biotechnologieanlage vorhanden ist, ist diese zwar Teil des Anlagenverbunds, aber es gibt keine gemäß Anspruch 1 notwendige Verbindung zur Elektrolyseanlage.
Die Funktion der Biotechnologieanlage ist zum Beispiel in Absatz [0015] offenbart, demzufolge in der Biotechnologieanlage Synthesegas fermentiert wird.
Es liegt kein Beweis vor, dass derartige Biotechnologieanlagen nicht existieren oder die Fachperson sie nicht erfolgreich in den Anlagenverbund integrieren kann.
1.3 Das Streitpatent ist daher ausreichend offenbart.
2. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ
Das Streitpatent ist auf einen Anlagenverbund zur Stahlerzeugung (Anspruch 1), sowie auf ein Verfahren zum Betrieb eines Anlagenverbunds zur Stahlerzeugung (Anspruch 4), als auch auf die Verwendung eines elektrochemischen oder chemischen Energiespeichers zur Einbindung in einen Anlagenverbund zur Stahlerzeugung gerichtet (Anspruch 10).
2.1 Die Dokumente D1 und D2 wurden als Ausgangspunkt für einen Einwand unter Artikel 56 EPÜ zitiert, wobei bei der Argumentation gegen die Ansprüche 1 und 10 von der D2 und bei derjenigen gegen Anspruch 4 von der D1 ausgegangen wurde:
D1 offenbart eine Modellrechnung zur Prozessintegration eines Anlagenverbunds zur Stahlerzeugung.
D2 offenbart einen Anlagenverbund zur Stahlerzeugung.
Die Beschwerdegegnerin bezweifelt die Eignung des Dokuments D2 und macht insoweit geltend, dass diese ein Direktreduktionsverfahren offenbare, während das Streitpatent auf ein klassisches Hüttenwerk mit Hochofen gerichtet sei.
Die Art der Anlage geht jedoch einerseits aus Anspruch 1 nicht hervor. Andererseits beschreibt die D2 auch die Möglichkeit, einen mit Wasserstoff betriebenen Hochofen zu verwenden (Spalte 4, Zeilen 41-49).
Beide Dokumente sind daher geeignete Ausgangspunkte für einen Einwand unter Artikel 56 EPÜ.
2.2 Anspruch 1
Der Einwand gegen den Anspruch 1 geht von der D2 aus.
2.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 umfasst zwei Alternativen:
1. Anlagenverbund mit einer Chemieanlage mit einer Wasserstoffleitung zur Elektrolyseanlage
2. Anlagenverbund mit einer Biotechnologieanlage
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezieht sich nur auf die Chemieanlage. Die zweite Alternative wird unter Artikel 56 EPÜ nicht angegriffen. Der beanspruchte Gegenstand der zweiten Alternative ist somit unstrittig.
2.2.2 Absatz [0007] des Streitpatents gibt zwei Aspekte als die technische Aufgabe an, nämlich einerseits die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprozesses zu verbessern und andererseits die CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Beschwerdegegnerin hob insbesondere den zweiten Aspekt hervor.
Das Streitpatent schlägt vor, diese Aufgabe durch den Anlagenverbund gemäß Anspruch 1 zu lösen. Dieser unterscheidet sich von der D2 durch eine Chemieanlage, die an das Gasleitungssystem und an eine Wasserstoffleitung angeschlossen ist.
2.2.3 In Anspruch 1 sind die Hochofentypen, die Art der Chemieanlage sowie die spezifische Verwendung der Gase offen. Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene, einschränkende Interpretation der in Anspruch 1 enthaltenen Merkmale im Lichte des Patents ist nicht sachgerecht.
Ein in der D2, Spalte 4, Zeilen 41-49 beschriebener Hochofen ist im Anspruchswortlaut umfasst. Die Chemieanlage ist lediglich dahingehend beschränkt, dass sie, wie der Hochofen und das Stahlwerk, an das Gasleitungssystem angeschlossen ist.
Der Zweck des Chemieanlage ist nicht definiert. Im Hinblick auf Absatz [0015] des Streitpatents, kann die Chemieanlage zum Synthetisieren von Ammoniak ausgelegt sein. Dabei wird allerdings kein Kohlenstoff im Syntheseprodukt gebunden. Eine Reduktion der CO2 Emissionen wird somit nicht mit jedem patentgemäßen Gegenstand erreicht. Darüber hinaus ist es nicht überzeugend, dass das Betreiben einer Wasserelektrolyse mit Strom aus einem Energiespeicher den Gesamtprozess wirtschaftlich verbessert.
Die technische Aufgabe muss daher in eine weniger ambitionierte Aufgabe umformuliert werden.
Die von der Beschwerdeführerin angegebene technische Aufgabe, eine alternative Verwendung der Gase bereitzustellen, enthält allerdings, wie von der Beschwerdegegnerin zurecht bemängelt, einen Hinweis auf die Lösung. Insbesondere würde sie die CO2 Sequestrierung nicht umfassen, wofür kein Anlass besteht.
Sie ist daher allgemeiner zu formulieren, d.h., das Bereitstellen eines alternativen Anlagenverbunds.
2.2.4 Ausgehend von der D2 ist jedoch im Lichte der D1 der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt.
Selbst wenn man von der für die Beschwerdeführerin günstigen Annahme ausgeht, dass die Fachperson den für den Wasserstoffbetrieb modifizierten Hochofen (D2, Spalte 4, Zeilen 41-49) in Betracht zieht und für eine weitere Reduktion der Kohlendioxidemissionen das Kohlendioxid in einer Chemieanlage gemäß D1, (Reaktionsgleichung (18) auf Seite 3664, mit Wasserstoff zu Methanol umsetzen wollte, würde sie nicht zwingend zu dem beanspruchten Gegenstand geleitet werden.
Wie die Beschwerdegegnerin zurecht anmerkt, offenbart die D2, dass bei der Erzreduktion mit Wasserstoff als Reduktionsmittel im wesentlichen Wasserdampf und unverbrauchter Wasserstoff als Abgase anfallen (D2, Spalte 3, Zeilen 59-61).
Weil auch im modifizierten Hochofen Wasserstoff als Reduktionsmittel verwendet wird, fällt gemäß der Lehre der D2 auch dort Wasserstoff im Abgas an.
Würde, wie von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen, die Fachperson das im Abgas enthaltene Kohlendioxid mit Wasserstoff gemäß der Reaktionsgleichung (18) der D1 zu Methanol umsetzen, ist eine Wasserstoffleitung von der Elektrolyseanlage zur Chemieanlage nicht zwingend nötig, denn Wasserstoff ist bereits im Abgas enthalten. Selbst bei einer im Vergleich zu CO2 unterstöchiometrischen Menge von Wasserstoff im Abgas kann eine weitere Reduktion der Kohlendioxidemissionen erreicht werden. Die Notwendigkeit, die Chemieanlage über eine Wasserstoffleitung mit der Elektrolyseanlage zu verbinden, ergibt sich daraus nicht.
Auf der Basis der vorliegenden Dokumente muss dem Anspruch 1 somit ein erfinderischer Schritt zuerkannt werden.
2.3 Anspruch 4
Der Einwand gegen den Anspruch 4 geht von der D1 aus.
2.3.1 Absatz [0007] des Streitpatents gibt zwei Aspekte als die technische Aufgabe an, nämlich einerseits die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprozesses zu verbessern und andererseits die CO2-Emissionen zu reduzieren, wobei die Beschwerdegegnerin wiederum insbesondere den zweiten Aspekt hervorhob.
2.3.2 Das Streitpatent schlägt vor, diese Aufgabe durch das Betreiben des Anlagenverbunds gemäß Anspruch 4 zu lösen.
2.3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 4 unterscheidet sich von der D1 durch folgende Merkmale:
" ... Energiespeicher(25) zur Deckung zumindest eines Teils des Strombedarfes des Anlagenverbundes ...
b) wobei der Energiespeicher (25) mit Strom (26) gespeist wird, der zumindest teilweise aus erneuerbarer Energie erzeugt wurde und die gespeicherte Energie zeitversetzt an elektrische Verbraucher des Anlagenverbundes wieder abgibt, ..."
Gemäß Anspruch 4 wird das Nutzgas mit Wasserstoff angereichert, wobei dieser nur optional aus der Wasserelektrolyse stammt. Es ist unstrittig, dass es für die Beurteilung der Patentierbarkeit des Anspruchs 4 unerheblich ist, woher die elektrische Energie zum Betreiben der Wasserelektrolyse stammt.
Es ist strittig, ob D1 auch die Konditionierung des Konvertergases oder Hochofengichtgases und die Wasserstoffanreicherung offenbart.
D1 offenbart jedenfalls, den Wasserstoffanteil im Synthesegas durch Zuführen von Wasserstoff von der Kokerei (Figur 1, "CP" über "C1" und "PSA/MEM"), oder von der Gasreformierungsanlage (Seite 3663, erster Absatz in Abschnitt "Gas reforming plant"; Figur 1, "SMR/POR/CDR"), oder aber auch über die Wassergas-Shift-Reaktion zu erhöhen (Seite 3667, linke Spalte, Zeilen 12-13; Fig. 1, "WGS").
Eine Konditionierung des Konvertergases oder des Hochofengichtgases und die Anreicherung mit Wasserstoff im Sinne des Anspruchs 4 ist daher in der D1 offenbart.
2.3.4 Die Beschwerdeführerin gibt sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung als die zu lösende technische Aufgabe an, die kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen.
2.3.5 Ausgehend von der von der Beschwerdeführerin formulierten technischen Aufgabe ist der Gegenstand des Anspruchs 4 nicht nahegelegt.
Zwar umfasst der Energiespeicher in Anspruch 4 jedenfalls auch den Zweck, eine kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen.
Die Stromversorgung für die von der Beschwerdeführerin genannten Anlagen (Kompressoren, Reaktoren, Kolonnen; Seite 3664, rechte Spalte, letzter Absatz) wird in der D1 mit einem klassischen Kraftwerk sichergestellt ("CHP" in Figur 1).
Das Zurückgreifen auf Strom aus erneuerbaren Energien in Kombination mit einem Energiespeicher würde die Anlage komplexer machen.
Ausgehend von der seitens der Beschwerdeführerin formulierten technischen Aufgabe, hat eine Fachperson daher keine Veranlassung, den in der D2 offenbarten Energiespeicher in der D1 zu verwenden.
Im Lichte der von der Beschwerdeführerin genannten Aufgabe ist die Verwendung eines Energiespeichers für Strom aus erneuerbaren Energien von den vorliegenden Dokumenten nicht nahe gelegt.
3. Anspruch 10
Es ist strittig, ob im Anspruch 10 die Verwendung eines Energiespeichers zur Einbindung in einen Anlagenverbund zur Stahlerzeugung, der Anlagenverbund die Verwendung des Energiespeichers beschränkt.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Referenz zum Anlagenverbund gemäß der Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Kapitel F-IV 4.14 nicht als einschränkend zu betrachten sei.
Allerdings bezieht sich die genannte Passage der Richtlinien auf die Auslegung eines Patentanspruchs in dem ein Gegenstand durch Bezugnahme auf einen anderen Gegenstand definiert wird.
Das ist vorliegend nicht der Fall.
Vorliegend geht es um die Verwendung eines Energiespeichers zur Einbindung in einen Anlagenverbund nach Anspruch 1.
Wird der Energiespeicher zur Einbindung in ein anderes System, z.B. ein Fahrzeug verwendet, so wird der Energiespeicher nicht anspruchsgemäß verwendet und ist somit durch den Gegenstand des Anspruchs 10 nicht umfasst.
Der Anlagenverbund beschränkt somit die Verwendung des Energiespeichers.
Weil der Anlagenverbund der Fachperson durch die vorliegenden Dokumente nicht nahegelegt ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 10 aus den gleichen Gründen nicht nahegelegt wie Anspruch 1.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.