European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T210921.20241204 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Dezember 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2109/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16703927.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16L 19/028 B21D 19/04 B23K 26/362 B60T 17/04 F02M 55/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Herstellen einer Rohrleitung, insbesondere einer Bremsrohrleitung oder Kraftstoffrohrleitung für ein Kraftfahrzeug, sowie eine solche Rohrleitung | ||||||||
Name des Anmelders: | Cooper-Standard Automotive (Deutschland) GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TI Automotive (Heidelberg) GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Entscheidung im schriftlichen Verfahren Unzulässige Erweiterung (nein) Ausreichende Offenbarung (ja) Zulassung von Dokumenten (ja) Priorität - dieselbe Erfindung (ja) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 3 129 691 (das Patent) zurückzuweisen.
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ gestützt worden.
III. Am 2. November 2022 wurden die Beteiligten zu einer für den 11. Dezember 2023 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen.
IV. In der am 21. November 2023 erlassenen Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck, dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), nach Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegenstehen. Die Beteiligten wurden informiert, dass die Beschwerde somit voraussichtlich zurückzuweisen wäre.
V. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Schreiben vom 24. November 2023 den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
VI. Mit Schreiben vom 28. November 2023 und unter Berücksichtigung der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer in ihrer Mitteilung vom 21. November 2023 hat die Beschwerdegegnerin einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
VII. In einer Mitteilung der Kammer vom 30. November 2023 wurden die Beteiligten informiert, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei.
VIII. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze der Hilfsanträge I bis IV eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
IX. In dieser Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: JPH11-218269 A (mit englischem "Abstract" und
englischer Maschinenübersetzung);
D5: EP 2 860 433 A1;
D6: DE 698 30 983 T2;
A1a: WO 2016/116558 A1 (dem Patent zugrunde liegende
Anmeldung);
A1b: EP 15 152 400.6 (erste Prioritätsanmeldung);
A1c: DE 10 2015 105 798.0 (zweite
Prioritätsanmeldung);
A2: "Gleitreibwerte von verschiedenen Materialien":
Screenshot vom 18. März 2022 von der Website
https://www.schweizerfn.de/stoff/reibwerte/
reibwerte_gleitreibung.php#gleitreibung
A3: "Der Reibungskoeffizient": Screenshot vom
21. März 2022 von der Website
https://www.maschinenbau-wissen.de/skript3/
mechanik/kinetik/289-reibungskoeffizient
A4: Auszug aus Taschenbuch der Physik,
Seiten 618 und 619, 20. Auflage, August 2010,
Carl Hanser Verlag; korrespondiert zu A2
X. Der Wortlaut der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 8 lautet wie folgt (die von den Beteiligten verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"[1.1] Verfahren zum Herstellen einer mit einem Bördel (40, 40a) versehenen Rohrleitung (10, 70), [1.2] insbesondere einer Bremsrohrleitung oder Kraftstoffrohrleitung für ein Kraftfahrzeug, umfassend die folgenden Verfahrensschritte:
[1.3] Bereitstellen einer Rohrleitung (10, 70), [1.4] die ein sich in einer axialen Richtung (x) erstreckendes Innenrohr (20), [1.5] eine das Innenrohr (20) ummantelnde Beschichtung (30) [1.6] und einen an einer Stirnfläche (11) der Rohrleitung (10, 70) endenden Endabschnitt (12) umfasst;
[1.7] Entschichten des Endabschnitts (12) entlang eines ersten Entschichtungsabschnitts (13) auf eine erste Schichtdicke (Delta1) derart, dass die Oberfläche des Endabschnitts (12) im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts (13) einen ersten Reibwert (my1) hervorruft;
[1.8] Entschichten des Endabschnitts (12) entlang wenigstens eines zweiten Entschichtungsabschnitts (16) auf eine konstante zweite Schichtdicke (Delta2), [1.9] die größer als die erste Schichtdicke (Delta1) ist, [1.10] derart, dass die Oberfläche des Endabschnitts (12) im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts (16) einen zweiten Reibwert (my2), der geringer als der erste Reibwert (my1) ist, hervorruft;
[1.11] Umformen des Endabschnitts (12) zum Bilden eines Bördels (40, 40a), [1.12] der eine stirnseitige Dichtfläche (41, 41a) [1.13] und eine der Dichtfläche (41, 41a) abgewandte Anlagefläche (42, 42a) aufweist, [1 14] derart, dass der erste Entschichtungsabschnitt (13) die Dichtfläche (41, 41a) und der zweite Entschichtungsabschnitt (16) die Anlagefläche (42, 42a) bildet, [1 15] wobei der Übergang von dem ersten Entschichtungsabschnitt (13) auf den zweiten Entschichtungsabschnitt (16) sich im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels (40, 40a) befindet."
"[8.1] Rohrleitung, [8.2] insbesondere Bremsrohrleitung oder Kraftstoffrohrleitung für ein Kraftfahrzeug, umfassend:
[8.3] ein sich in einer axialen Richtung (x) erstreckendes Innenrohr (20);
[8.4] eine das Innenrohr (20) ummantelnde Beschichtung (30) [8.5] und einen an einer Stirnfläche (11) der Rohrleitung endenden Endabschnitt (12);
[8.6] wobei der Endabschnitt (12) einen Bördel (40, 40a) umfasst, [8.7] der eine stirnseitige Dichtfläche (41, 41a) [8.8] und eine der Dichtfläche (41, 41a) abgewandte Anlagefläche (42, 42a) aufweist;
[8.9] wobei die Beschichtung (30) im Bereich des Endabschnitts (12) selektiv derart abgetragen ist, dass die Oberfläche des Endabschnitts (12) an der Dichtfläche (41, 41a), die von einem ersten Entschichtungsabschnitt (13) des Endabschnitts (12) gebildet ist, einen ersten Reibwert (my1) und an der Anlagefläche (42, 42a), die von einem zweiten Entschichtungsabschnitt (16) des Endabschnitts (12) gebildet ist, einen zweiten Reibwert (my2), [8.10] der geringer als der erste Reibwert (my1) ist, hervorruft;
[8.11] wobei die Beschichtung (30) im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts (13) auf eine erste Schichtdicke (Delta1) und im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts (16) auf eine konstante zweite Schichtdicke (Delta2), [8.12] die größer als die erste Schichtdicke (Delta1) ist, reduziert ist [8.13] und wobei der Übergang von dem ersten Entschichtungsabschnitt (13) auf den zweiten Entschichtungsabschnitt (16) sich im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels (40, 40a) befindet."
XI. Die Beteiligten haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Patent wie erteilt: Unzulässige Erweiterung - Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Die erteilten Ansprüche 1 und 8 seien auf Grund der Merkmale 1.8 und 8.11, insbesondere der darin erwähnten "konstanten zweiten Schichtdicke", unzulässig erweitert. Das Wort "konstant" in den Merkmalen 1.8 und 8.11 der erteilten Ansprüche 1 und 8 sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung unstreitig nicht enthalten (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 18.2). Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung offenbare der die Seiten 12 und 13 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Dokument A1a) überspannende Satz in Verbindung mit Figur 3 den Begriff "konstant" auch nicht sinngemäß. Die Figuren seien schematisch, was auch die Einspruchsabteilung anerkannt habe und was ausdrücklich in Zeile 3 von Seite 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Dokument A1a) erwähnt sei. Daher zeigten die Figuren nicht unmittelbar und eindeutig eine konstante Schichtdicke. Der Satz der ursprünglich eingereichten Anmeldung, auf den sich die Einspruchsabteilung beziehe, sei ebenfalls nicht ausreichend, um dem Kriterium der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung hinsichtlich des Teilmerkmals "konstant" gerecht zu werden. Dieser Satz laute (siehe Dokument A1a, Seite 12, die drittletzte Zeile bis Seite 13, Zeile 3): "Um die unterschiedlichen Reibwerte my1 und my2 hervorzurufen, wird die Beschichtung 30 im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts 13 auf eine erste Schichtdicke Delta1 und im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts 16 auf eine zweite Schichtdicke Delta2, die größer als die erste Schichtdicke Delta1 ist, reduziert, wie Figur 3 zu erkennen gibt." Hierunter sei auch ein zweiter Entschichtungsabschnitt subsumierbar, welcher eine konische Oberfläche aufweise, so dass die Schichtdicke des zweiten Entschichtungsabschnitts linear kontinuierlich ansteige. Der zweite Entschichtungsabschnitt hätte dann eine variierende Schichtdicke zwischen 0 und DeltaB, in der axialen Mitte dieses zweiten Entschichtungsabschnitts betrage die Schichtdicke Delta2, was der durchschnittlichen Schichtdicke dieses zweiten Entschichtungsabschnitts entspreche. Aus obigem Satz könne nur dann eine konstante Schichtdicke abgeleitet werden, wenn mitgelesen werde, dass die Beschichtung 30 im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts 16 auf lediglich eine zweite Schichtdicke Delta2, die größer als die erste Schichtdicke Delta1 sei, reduziert werde. Für das Teilmerkmal "konstant" gebe es keine unmittelbare und eindeutige Offenbarungsgrundlage in dem besagten Satz.
Des Weiteren sei der zweiten Schichtdicke keine weitere technische Wirkung zugeordnet als die im Merkmal 1.10 genannte Wirkung eines geringeren Reibwertes. Diese Wirkung könne sowohl von einer konstanten als auch einer variablen Schichtdicke erreicht werden, da der Reibwert nur vom Material abhänge. Insbesondere sei aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Dokument A1a) nicht ableitbar, welche andere technische Wirkung den konstanten zweiten Schichtdicken zuzuordnen sei, die die konstanten zweiten Schichtdicken von variierenden zweiten Schichtdicken abhebe. Dies stelle ein weiteres Indiz dar, dass eine variable zweite Schichtdicke von der ursprünglich eingereichten Anmeldung mitumfasst sei und somit durch die Beschränkung auf eine nicht offenbarte konstante Schichtdicke eine unzulässige Erweiterung vorliege.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Die in den Merkmalen 1.8 und 8.11 zu findende konstante zweite Schichtdicke sei implizit und damit unmittelbar und eindeutig den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen zu entnehmen. Für den Fall, dass die Schichtdicke nicht konstant wäre, müsste eine mittlere oder minimale/maximale Schichtdicke bzw. eine Schichtdicke in Abhängigkeit von der Längsrichtung des Rohres angegeben sein. Im Patent finde sich aber lediglich der Verweis auf eine einzige Schichtdicke. Bei einer sich ändernden Schichtdicke mache die Definition einer zweiten Schichtdicke, welche kleiner als die erste Schichtdicke sei, keinen Sinn, da nicht definiert werde, an welcher Stelle diese zweite Schichtdicke gemessen werden sollte. Es sei vielmehr unzweifelhaft, dass die erteilten Ansprüche 1 und 8 die Schichtdicke unabhängig von der Position in der Längsrichtung der Rohrleitung definierten. Dies bedeute, dass die Schichtdicke konstant sein müsse. Darüber hinaus ergebe sich das Merkmal der konstanten zweiten Schichtdicke auch aus der Beschreibung und den Figuren der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, wie in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 18.2 der Gründe von der Einspruchsabteilung festgestellt worden sei.
Eine variierende Schichtdicke - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - zöge der sich mit dem gezielten Einstellen von Reibwerten befassende Fachmann nicht in Betracht. Die seitens der Beschwerdeführerin getroffenen Annahmen widersprächen dem Verständnis des Fachmanns.
b) Zulassung der Dokumente A2, A4 und A3 - Artikel 12 und Artikel 13 (1) und (2) VOBK
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Die Dokumente A2 bis A4 sollten zugelassen werden, da sie das allgemeine Fachwissen wiedergäben und einen Sachverhalt aufzeigten, der unabhängig vom Zeitrang sei. Die Dokumente A2 bis A4 zeigten auf, dass die Kenntnis des Reibepartners essenziell sei, um die Reibwerte zu bestimmen. Das Dokument A4 sei als Reaktion auf die Feststellung der Beschwerdegegnerin, dass die Literaturangabe im Dokument A2 nicht zweifelsfrei nachvollziehbar sei, eingereicht worden.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente A2 und A3 sollten als verspätetes Vorbringen und als nachveröffentlichter Stand der Technik nicht zum Verfahren zugelassen werden.
c) Patent wie erteilt: Ausführbarkeit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Die mangelnde Ausführbarkeit beruhe auf den folgenden Aspekten: Erste Schichtdicke ungleich Null, Gleit- und Haftreibung, Reibepartner, Reibwert von Polyamid.
Gemäß Anspruch 7 des Patents sei die vollständige Entfernung der Beschichtung im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts nur eine vorteilhafte Ausgestaltung. Folglich umfasse der Gegenstand nach Anspruch 1 des Patents auch Ausführungsformen, wonach die Beschichtung nicht vollständig von dem ersten Entschichtungsabschnitt entfernt sei. In diesem Fall läge dieselbe Beschichtung, beispielsweise Polyamid, in einer etwas dünneren Form im ersten Entschichtungsabschnitt und in einer etwas dickeren Form im zweiten Entschichtungsabschnitt vor. Demnach müssten auch die Reibwerte my1 und my2 dieselben sein. Es sei im Patent nicht offenbart, wie der Fachmann in diesem Fall unterschiedliche Reibwerte in den beiden Entschichtungsabschnitten herstellen solle, so dass die Erfindung nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei.
In der Tribologie werde unterschieden zwischen der Haftreibung einerseits und der Gleitreibung andererseits. Der Reibwert der Haftreibung sei regelmäßig größer als der entsprechende Reibwert der Gleitreibung. Da das Patent nicht offenbare, ob sich die beanspruchten Reibwerte auf die Haftreibung oder auf die Gleitreibung bezögen, stelle dies ein weiteres Hindernis für die Ausführbarkeit dar.
Ferner seien im Patent weder die Reibepartner noch Reibwerte offenbart, was ebenfalls zu einer fehlenden Ausführbarkeit beitrage, da Reibwerte nur dadurch bestimmt würden, dass ein definierter Reibepartner vorliege. Das Merkmal 1.10 definiere lediglich, dass der zweite Reibwert my2 geringer sein solle als der erste Reibwert my1. Aus diesem Grunde habe die Einspruchsabteilung zurecht im Punkt 19.4.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Reibepartner bzw. die Gegenfläche dieselbe sein müsse, um die Werte vergleichen zu können. Dies bedeute aber noch lange nicht, dass die im Merkmal 1.10 beanspruchte Ungleichung stets erfüllt sei, da hier komplexe chemische und mikroskopische Wechselwirkungen eine Rolle spielten. Beispiele hierfür fänden sich im beigefügten Dokument A2 mit verschiedenen Gleitreibwerten.
Des Weiteren sei der Reibwert von Polyamid auf Stahl groß und liege oberhalb der meisten Metall-Metall Materialpaarungen (siehe Dokumente A2 und A3). Es habe daher den Anschein, dass die beanspruchte Ungleichung im Merkmal 1.10 im Falle von einer Polyamidbeschichtung den Fachmann vor Schwierigkeiten stelle, so dass auch deswegen eine mangelnde Ausführbarkeit vorliegt.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Ein Anspruch sei mit dem technischen Verstand des Fachmanns zu lesen, und eventuelle Schwierigkeiten bei der Ausführung der Erfindung, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, zumutbar seien, machten die Erfindung nicht unausführbar. Die Argumente der Beschwerdeführerin könnten daher die Auffassung der Einspruchsabteilung nicht entkräften. Die Lehre der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Patents sei über den gesamten Bereich ausführbar, auch für den Fall, dass die Beschichtung im ersten Entschichtungsabschnitt nur teilweise entfernt werde. In den Absätzen [0019] und [0031] des Patents werde offenbart, dass die Entschichtung mittels Laserbearbeitung, durch mechanische Bearbeitung, beispielsweise durch ein Schälwerkzeug, oder durch eine Kombination dieser beiden Bearbeitungsmethoden erfolgen könne. Es sei dem Fachmann bekannt, dass die Oberflächenrauigkeit und damit der Reibwert von der Intensität des Laserstrahls, dem fokalen Durchmesser des Laserstrahls und der Dichte der Laserpunkte zum Abtragen des Materials abhänge. Somit könne die Oberflächenrauigkeit allein durch unterschiedliche Wahl der oben beispielhaft genannten Parameter eingestellt werden. Auch bei der mechanischen Bearbeitung mittels eines Schälwerkzeugs hänge die resultierende Oberflächenrauigkeit von der Schärfe und Kontur des Schälwerkzeugs ab. Beispielsweise führe eine glatte Klinge zu einem geringeren Reibwert als eine Klinge mit einer Mikrokontur. Somit könne auch durch die Verwendung unterschiedlicher Schälwerkzeuge ein unterschiedlicher Reibwert für die verschiedenen Entschichtungsabschnitte erzeugt werden. Folglich sei die Erfindung über den gesamten Bereich unter Zuhilfenahme des Fachwissens nacharbeitbar.
Hinsichtlich der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Patent keine Angaben mache, gegen welche Fläche die Reibwerte bestimmt würden, werde darauf hingewiesen, dass die in den Ansprüchen 1 und 8 des Patents definierten Reibwerte keine absoluten Werte darstellten, sondern dass die Merkmale 1.10 und 8.10 relative Reibwerte definierten. Ein solcher Vergleich der Reibwerte mache aus Sicht des Fachmanns nur dann Sinn, wenn die jeweiligen Reibwerte gegenüber der gleichen Fläche bestimmt würden. Dies stelle das übliche Vorgehen dar, das dem Fachmann geläufig sei, wie auch die zwischen den Beteiligten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ergangene Entscheidung T 290/13 belege.
Somit sei die technische Lehre der erteilten Ansprüche 1 und 8 aus der Offenbarung des Patents unter Berücksichtigung des Fachwissens ohne Weiteres nacharbeitbar.
d) Neuheit des Gegenstands der erteilten Ansprüche 1 und 8 - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 sei nicht neu gegenüber dem Dokument D1. Insbesondere im Hinblick auf die streitigen Merkmale 8.9 bis 8.13 sei in den Textabschnitten [0022] bis [0024] des Dokuments D1 ausgeführt, dass beim Einschrauben der Rohrschraube 10, die der Rohrleitung 20 zugeordnet sei, eine Torsion bzw. Torsionsspannung der Rohrleitung 20 verhindert bzw. vermindert werden solle. Um dies zu erreichen, gehe man zunächst von einer Rohrleitung 20 aus, die zumindest im Bereich des Bördels 22 mit einer Zinkbeschichtung und zusätzlich mit einer fluorhaltigen Beschichtung versehen sei. Im Bereich der Dichtfläche 23 werde anschließend die fluorhaltige Beschichtung entfernt, wohingegen diese fluorhaltige Beschichtung auf der Anlagefläche 24 verbleibe. Dies sei im Abschnitt [0028] des Dokuments D1 beschrieben. Auf diese Weise werde der Reibwert der Dichtfläche 23 größer eingestellt als der Reibwert der Anlagefläche 24. Insbesondere ließen sich mit fluorhaltigen Kunststoffbeschichtungen generell sehr geringe Reibwerte erzeugen. Dass im Bereich der Anlagefläche 24 keine Entschichtung vorgenommen werde, sei unerheblich, da der erteilte Anspruch 8 ein Vorrichtungsanspruch sei. Somit seien die Merkmale 8.9 und 8.10 in räumlich-körperlicher Hinsicht vom Dokument D1 vorweggenommen. Das gleiche gelte für die Merkmale 8.11 und 8.12, da durch die Entfernung der fluorhaltigen Beschichtung im Bereich der Dichtfläche 23 dort die Schichtdicke zwangsläufig geringer sei als die Schichtdicke der Anlagefläche 24. Das Merkmal 8.13 sei im Absatz [0019] des Dokuments D1 offenbart.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 sei auch nicht neu gegenüber dem Dokument D5. Im Dokument D5 sei die Anlagefläche 3 des Bördels 2 beschichtet, während die Dichtfläche 4 unbeschichtet bleibe (siehe Dokument D5, Absatz [0020], Figuren 1 bis 3). In diesem Zusammenhang beschreibe der Abschnitt [0018], dass die beschichtete Anlagefläche 3 einen geringeren Reibwert besitze als die unbeschichtete Dichtfläche 4. Dem Dokument D5 sei zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, dass die Beschichtung der Rohrleitung dazu selektiv abgetragen sei, was aber unerheblich sei, da es sich bei dem erteilten Anspruch 8 um einen Vorrichtungsanspruch handle. Die Entschichtung stelle ein Verfahrensmerkmal dar, weshalb es unerheblich sei, ob von einem ersten Abschnitt einer Rohrleitung eine Beschichtung vollständig entfernt und von einem zweiten Abschnitt der Rohrleitung eine Beschichtung nur teilweise entfernt werde oder ob auf den zweiten Abschnitt einer Rohrleitung eine Beschichtung aufgetragen werde. Der resultierende Gegenstand sei der gleiche, auch bezüglich der Schichtdicken. Daher seien die Merkmale 8.9 bis 8.12 vom Dokument D5 vorweggenommen. Auch das Merkmal 8.13 sei im Dokument D5 aus den Figuren 1 bis 3 ersichtlich. Ferner beschreibe der Absatz [0020] des Dokuments D5, dass die Beschichtung lediglich auf der Anlagefläche 3 des Bördels 2 aufgetragen werden solle, so dass der Übergang zwangsläufig im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels erfolgen müsse.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 des Patents sei neu gegenüber dem Dokument D1.
Wie in Punkt 20.4.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung festgestellt, offenbare das Dokument D1 nicht die Merkmale 8.9 und 8.11. Zusätzlich seien die Merkmale 8.10, 8.12 und 8.13 nicht vom Dokument D1 vorweggenommen. Im Gegensatz zu den Merkmalen 8.9 und 8.10 offenbare das Dokument D1 nur eine einzige Entschichtung, nämlich an der schrägen Fläche 23, das heißt an der Dichtfläche. Die Anlagefläche, also der Bördelbereich 22, hingegen werde doppelt beschichtet, nicht jedoch entschichtet. Entsprechendes gelte für die Merkmale 8.11 bis 8.13, die die Reduzierung der Beschichtung auf eine erste Schichtdicke im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts und auf eine zweite Schichtdicke im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts forderten.
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin handle es sich bei dem Entschichten nicht um ein für die Ausgestaltung der Rohrleitung gemäß dem erteilten Anspruch 8 unerhebliches Verfahrensmerkmal. Aus Sicht des Fachmanns unterschieden sich die räumlich-körperlichen Eigenschaften von Oberflächen, die durch Beschichten erzeugt und nicht durch Abtragen nachbearbeitet worden seien, von solchen Oberflächen, die durch das Abtragen einer Beschichtung entstanden seien.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 sei auch neu gegenüber dem Dokument D5, das nicht die Merkmale 8.9, 8.10, 8.11, 8.12 und 8.13 offenbare. Das Dokument D5 offenbare kein Entschichten, sondern eine teilweise Beschichtung, weshalb die Merkmale 8.9 und 8.10 nicht vom Dokument D5 vorweggenommen seien. Da keine Entschichtung stattfinde, liege auch kein Entschichtungsabschnitt vor. Somit seien die Merkmale 8.11, 8.12 und 8.13 auch nicht offenbart. Ferner erkenne man aus den Figuren 1 bis 3 des Dokuments D5, dass sich die Beschichtung zwar auf der Anlagefläche des Bördels erstrecke, aber nicht bis in den Bereich des größten Außendurchmessers gelange.
e) Priorität
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Das Streitpatent nehme zwei Prioritäten in Anspruch. Die Merkmale 1.14 und 1.15 seien lediglich in der jüngeren Prioritätsanmeldung A1c enthalten. Folglich sei dem beanspruchten Gegenstand des Streitpatents nur der 16. April 2015 als Prioritätstag zugeordnet. Daher sei das Dokument D5 ein Dokument des Stands der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Das Patent nehme zu Recht die Priorität vom 23. Januar 2015 in Anspruch. Figur 2d der Prioritätsanmeldung A1b zeige die von der Beschwerdeführerin in Abrede gestellten Merkmale 1.14 und 1.15. Somit stelle das Dokument D5 einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ dar, der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sei.
f) Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der erteilten Ansprüche 1 und 8 - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 8 beruhe ausgehend vom Dokument D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, in Verbindung mit dem Dokument D5 oder in Verbindung mit dem Dokument D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Im Dokument D6 sei das Innenrohr 28 von einer mehrschichtigen Beschichtung, beispielsweise aus einer korrosionsbeständigen Beschichtungsschicht 30 und einer Polymerschicht 24 ummantelt (siehe Dokument D6, Figuren 6, 7A und 7B, Absatz [0028]). Figur 7A des Dokuments D6 zeige einen an einer Stirnfläche 60 endenden Endabschnitt 36. Die Polymerbeschichtung 24 werde entlang der Länge 80 eines ersten Entschichtungsabschnitts 36 entschichtet, und im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts 36 rufe die Oberfläche dann einen ersten Reibwert my1 hervor. Entlang einer Länge 78 des Endabschnitts 36 werde ein zweiter Entschichtungsabschnitt entschichtet. Die Oberfläche des Endabschnitts 36 rufe im Bereich dieses zweiten Entschichtungsabschnitts 74 dann einen zweiten Reibwert my2 hervor. Daher entnehme der Fachmann dem Dokument D6 das Merkmal 1.10 bzw. 8.10, wonach der zweite Reibwert my2 des zweiten Entschichtungsabschnitts 74 geringer sei als der erste Reibwert my1 des ersten Entschichtungsabschnitts 36. Das Dokument D6 verwende den Ausdruck Reibwert zwar nicht explizit, dennoch seien die Verfahrensschritte des Patents identisch mit den im Dokument D6 beschriebenen Verfahrensschritten. Beide Male werde als Korrosionsschutzschicht eine Aluminium-Zink-Legierung empfohlen (siehe Patent, Absatz [0024]; Dokument D6, Absatz [0008]) und als Beschichtung Polyamid verwendet (siehe Patent, Absatz [0024]; Dokument D6, Absätze [0005] bis [0007]). Somit sei das hervorgerufene Reibwertverhältnis implizit offenbart, insbesondere da die Patentansprüche 1 und 8 ganz allgemein auf eine beliebige Rohrleitung mit einer beliebigen Beschichtung, die entschichtet werde, gerichtet sind. Absatz [0003] des Dokuments D6, in dem auf das Problem, dass das relativ weiche Polymermaterial, beispielsweise Nylon, nach der Montage aus der Dichtfläche und der Passsitzfläche heraus extrudiert würde, unterstreiche, dass das beanspruchte Verhältnis der Reibwerte auch im Dokument D6 erfüllt sei.
Die Schichtdicke Delta2 im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts 74 sei zweifellos größer als die Schichtdicke des ersten Entschichtungsabschnitts 36, wo die Polymerbeschichtung 24 vollständig entfernt werde und somit die erste Schichtdicke null sei. An jedem Punkt des konischen, zweiten Entschichtungsabschnitts 74 sei die Schichtdicke Delta2 größer als die Schichtdicke Delta1 des ersten Entschichtungsabschnitts 36 (Merkmal 1.9 bzw. 8.12).
Der Übergang von dem ersten Entschichtungsabschnitt 36 auf den zweiten Entschichtungsabschnitt 74 befinde sich ferner im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels 90, 92 (siehe Dokument D6, Figuren 8 und 9). Insbesondere aus den Figuren 8 und 9 des Dokuments D6 erkenne man, wie weit die Stirnfläche der jeweiligen Überwurfschraube in Richtung des Bereichs des größten Außendurchmessers des Bördels reiche. Da die Lehre des Dokuments D6 darin bestehe, auf der Bördelrückseite eine Beschichtung bereitzustellen, die zwischen dem bloßen Metall des Rohres 28 und der entsprechenden Kontaktfläche der Überwurfschraube liegen solle, hätte der Fachmann den zweiten Entschichtungsabschnitt 74 wenigstens bis dorthin und mit einem gewissen Sicherheitsüberstand darüber hinaus laufen lassen.
Folglich unterscheide sich der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 8 vom Dokument D6 nur in dem Teilmerkmal "konstant" des Merkmals 1.8 bzw. 8.11. Eine technische Wirkung dieses Merkmals könne - entgegen der Wirkung des Merkmals "konisch" im Dokument D6 - nicht erkannt werden, weshalb die objektive technische Aufgabe nur darin bestehe, ein alternatives Verfahren bzw. eine alternative Rohrleitung anzugeben.
Auf der Suche nach Lösungen für die Aufgabe sei der Fachmann bereits durch sein allgemeines Fachwissen ausgehend vom Dokument D6 zum Gegenstand des Patentanspruches 1 geführt worden. Der Fachmann hätte ohne Weiteres die Schichtdicke im zweiten Entschichtungsabschnitt 74 konstant gehalten, wie dies auch im ersten Entschichtungsabschnitt 36 mit Schichtdicke gleich Null der Fall sei. Beschichtungen mit konstanter Schichtdicke seien dem Fachmann mehr als bekannt gewesen. Der Fachmann hätte den im Dokument D6 gezeigten konischen Übergangsabschnitt problemlos um einen zylindrischen Zwischenabschnitt in axialer Richtung nach axial einwärts verlängern können. Somit liege kein Widerspruch zwischen "konisch oder zylindrisch" vor, wie ihn die Beschwerdegegnerin konstruiert habe, sondern es sei ohne Weiteres eine Variante "konisch und zylindrisch" denkbar. Eine Anregung hierfür hätte der Fachmann auch aus dem Absatz [0003] des Dokuments D6 erhalten.
Andernfalls hätte der Fachmann das Dokument D1 berücksichtigt, da es sich ebenfalls mit gebördelten Rohrleitungen und der Einstellung unterschiedlicher Reibwerte an den Bördelflächen befasse (siehe Dokument D1, Absatz [0028]). Die Anlagefläche des Bördels sei mit einer Beschichtung versehen, die eine konstante Schichtdicke aufweise, weil sie durch Plattierung aufgebracht werde. Das Dokument D1 beschreibe explizit, dass durch die Beschichtung auf der Anlagefläche 24 des Bördels 22 die Torsionsspannung der Rohrleitung 22 beim Einschrauben einer Rohrschraube vermindert werden solle, und dass der Reibwert der Dichtfläche 23 größer eingestellt werden solle als der Reibwert der Anlagefläche 24 (Dokument D1, Absätze [0022] bis [0024] und [0028]). Aus dem Dokument D1 hätte der Fachmann somit erfahren, dass er problemlos eine konstante Schichtdicke hätte verwenden können.
Auch eine Zusammenschau der Dokumente D6 und D5 hätte den Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 nahegelegt.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bzw. des erteilten Anspruchs 8 unterscheide sich vom Dokument D6 in den Merkmalen 1.8, 1.9, 1.10, 1.15 bzw. den korrespondierenden Merkmalen 8.11, 8.12, 8.10 und 8.13. Ausgehend vom Dokument D6 wäre der Fachmann weder unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissen noch unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D1 zu dem Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 8 gelangt.
Im Dokument D6 werde bei einem metallischen Rohr die damit verbundene Kunststoffschicht an der äußeren Umfangsfläche entlang einer Länge 80 einer Laserentfernung unterzogen, so dass keine Polymerschicht mehr vorliege. Über eine Länge 78 werde der Polymerabschnitt 36 derart bearbeitet, dass ein glatter konischer Übergangsabschnitt 74 entstehe. Daher seien - wie dies auch die Einspruchsabteilung festgestellt habe - die Merkmale 1.8 und 1.9 bzw. die korrespondierenden Merkmale 8.11 bzw. 8.12 im Dokument D6 nicht offenbart (siehe angefochtene Entscheidung, Seite 15, dritter Absatz). Bezüglich der Merkmale 1.8 und 1.9 bzw. 8.11 und 8.12 werde der Auffassung der Einspruchsabteilung zugestimmt, dass der Fachmann ohne eine Ex-post-facto-Betrachtung bei dem konischen Übergangsabschnitt keine konstante Schichtdicke vorgesehen hätte.
Des Weiteren seien die unterschiedlichen Reibwerte gemäß dem Merkmal 1.10 bzw. 8.10 im Dokument D6 nicht offenbart. Selbst wenn unterstellt werde, dass der von der Polymerschicht 24 befreite Abschnitt 80 als erster Entschichtungsabschnitt einen ersten Reibwert (my1) aufweise, und der Übergangsabschnitt 74 als zweiter Entschichtungsabschnitt einen zweiten Reibwert (my2) aufweise, enthalte das Dokument D6 weder explizit noch implizit eine Offenbarung des Verhältnisses der Reibwerte. Auch wenn der Übergangsabschnitt eine glatte Oberfläche aufweisen solle (siehe Dokument D6, Absätze [0010] und [0028]), so enthalte das Dokument D6 keinen Hinweis darauf, dass der Übergangsabschnitt 74 tatsächlich einen Reibwert my2 aufweise, der geringer sei als der Reibwert my1 des Abschnitts 80. Dies zeige sich auch daran, dass es für die Lehre des Dokuments D6 auf das Verhältnis der Reibwerte nicht ankomme. Vielmehr entnehme der Fachmann dem Absatz [0003] des Dokuments D6, dass in Bezug auf das Montagedrehmoment, das direkt abhängig von den Reibwerten sei, kein Unterschied zwischen dem Abschnitt 74 (Passsitzfläche) und dem Abschnitt 80 (Dichtfläche) gemacht werde. Der Abschnitt 74 sei vielmehr glatt und konisch ausgebildet, um keine stumpfen oder rauen Kanten zu belassen, an denen sich Buchsen, Werkzeuge und/oder Anschlüsse oder dergleichen verfangen könnten, wenn das Rohr in oder durch diese eingeführt werde. Der Reibwert my2 des Abschnitts 74 spiele im Hinblick auf den Reibwert my1 des Abschnitts 80 demnach keine Rolle und werde deshalb auch nicht im Dokument D6 thematisiert. Ferner habe die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung unter Punkt 3.3 selbst vorgetragen, dass sich aufgrund der Komplexität der Tribologie keine konkreten Rückschlüsse auf den Reibwert anhand des Materials der Reibpartner ziehen ließen. Der Fachmann hätte aus dem Dokument D6 keine Anregung erhalten, die ihn eine Ausgestaltung entsprechend den Merkmalen 1.10 bzw. 8.10 vornehmen hätte lassen, insbesondere da die Merkmale 1.10 bzw. 8.10 nicht ein beliebiges Entschichten, sondern ein gezieltes Entschichten, das zu dem zweiten Reibwert führe, forderten.
Die Merkmale 1.15 und 8.13 seien entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht den Figuren 8 und 9 des Dokuments D6 zu entnehmen. Daraus und aus Absatz [0047] des Dokuments D6 gehe lediglich hervor, dass der Abschnitt 74 ein Stück weit die Rückenflächen der Aufweitungen 90, 92 bedecke. Im Hinblick auf die in Absatz [0010] von Dokument D6 beschriebene Aufgabe, nämlich einen glatten Übergangsabschnitt zu hinterlassen, um nachfolgende Verbindungen zu unterstützen, sei es aus Sicht des Fachmanns nicht notwendig, einen besonders weit ausgedehnten Abschnitt des Rohres glatt konisch auszubilden. Damit sei die den Merkmalen 1.15 und 8.13 innewohnende technische Lehre, die Dichtfläche und die Anlagefläche mit unterschiedlichen Reibwerten zu versehen, aus Sicht des Fachmanns nicht realisiert. Der Fachmann hätte zudem weder explizit noch implizit aus dem Dokument D6 die Anregung erhalten, den ersten Entschichtungsabschnitt gerade im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels in den zweiten Entschichtungsabschnitt übergehen zu lassen (Merkmale 1.15 bzw. 8.13). Ohne rückschauende Betrachtungsweise hätte der Fachmann dazu auch keine Veranlassung gehabt.
Da das Dokument D6 zwingend lehre, einen konischen Übergangsabschnitt vorzusehen, wäre der Fachmann, selbst wenn er aus dem Dokument D1 die Anregung einer konstanten Schichtdicke erhalten hätte, nicht davon abgewichen, da die Funktion des Übergangsabschnitts beeinträchtigt worden wäre.
Das Dokument D5 stelle einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ dar, der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sei.
Entscheidungsgründe
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Die Beschwerdeführerin hat ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt (siehe Punkt V. oben). Die Beschwerdegegnerin hat einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt (siehe Punkt VI. oben).
Die Beschwerdesache ist auch auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des vorliegenden schriftlichen Vorbringens der Beteiligten unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif (Artikel 15 (3) VOBK). Daher konnte im vorliegenden Fall die mündliche Verhandlung abberaumt werden und die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK ergehen.
2. Patent wie erteilt: Unzulässige Erweiterung - Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das Merkmal "konstant" zwar in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (nachfolgend Anmeldung) nicht wörtlich offenbart sei, die für den Fachmann eindeutige und unmittelbare Offenbarung dieses Merkmals jedoch daraus hervorgehe. Sie stützte sich dabei auf Seite 12, letzter Absatz bis Seite 13, erster Absatz in Zusammenhang mit der Figur 3 der Anmeldung.
2.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung. Die Argumente der Beschwerdeführerin, dass es sich bei der Figur 3 nur um eine schematische Zeichnung handle (siehe Anmeldung, Figur 3, Seite 8, Zeile 3) und dass auch eine linear ansteigende zweite Schichtdicke unter diese Offenbarung falle, überzeugen die Kammer nicht. Aus der Figur 3 erkennt man eindeutig, dass der erste Abschnitt 13 eine Schichtdicke Delta1 und der zweite Abschnitt 16 eine Schichtdicke Delta2 hat. Dies stimmt überein mit der zugehörigen Beschreibung auf Seite 12, letzter Satz und Seite 13, erster Satz der Anmeldung, wonach die Beschichtung 30 im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts 13 auf eine erste Schichtdicke Delta1 und im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts 16 auf eine zweite Schichtdicke Delta2 reduziert ist. Eine Andeutung einer variablen oder kontinuierlich ansteigenden und damit nicht konstanten Schichtdicke kann daraus nicht abgeleitet werden. Selbst mit der von der Beschwerdeführerin aufgestellten Hypothese vor Augen würde der Fachmann der Anmeldung keinerlei Hinweise in diese Richtung entnehmen können. Für den Fall, dass die Schichtdicke nicht konstant wäre, müsste - wie die Beschwerdegegnerin ausführt- eine mittlere oder minimale/maximale Schichtdicke bzw. eine Schichtdicke in Abhängigkeit von der Längsrichtung des Rohres angegeben sein. Ein laut der Beschwerdeführerin von der Einspruchsabteilung angeblich in den obigen Satz hineingelesenes Wort "lediglich" ändert nichts an der impliziten, aber unmittelbaren und eindeutigen Aussage des obigen, von der Einspruchsabteilung zitierten Absatzes.
2.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert des Weiteren, dass der zweiten Schichtdicke keine weitere technische Wirkung zugeordnet sei als die im Merkmal 1.10 genannte Wirkung eines geringeren Reibwertes. Diese Wirkung könne sowohl von einer konstanten als auch einer variablen Schichtdicke erreicht werden, da der Reibwert nur vom Material abhänge. Darin sieht die Beschwerdeführerin ein weiteres Indiz für ihre Annahme, dass eine variable zweite Schichtdicke von der Anmeldung mitumfasst sei und somit durch die Beschränkung auf eine nicht offenbarte konstante Schichtdicke eine unzulässige Erweiterung vorläge.
In dieser Hinsicht verweist die Kammer auf den in der Rechtsprechung entwickelten "Goldstandard" (siehe G 2/10, ABl. EPA 2012, 376 sowie Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, "Rechtsprechung", II.E.1.1.), wonach jede Änderung an den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) dem in Artikel 123 (2) EPÜ statuierten zwingenden Erweiterungsverbot unterliegt und daher unabhängig vom Kontext der vorgenommenen Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen darf, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe G 3/89; G 11/91). Die Änderung darf nicht dazu führen, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält (siehe G 2/10). Folglich kommt es bei dem Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ darauf an, was unmittelbar und eindeutig in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart ist, nicht was von der Anmeldung möglicherweise mitgemeint war, wie beispielsweise eine variable zweite Schichtdicke. Auch die Behauptung, dass die technische Wirkung des fraglichen Anspruchsmerkmals der konstanten zweiten Schichtdicke vorliegend ebenso mit einer alternativen Ausführung erreicht werden könnte, ändert nichts an der Notwendigkeit seiner unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung in der ursprünglichen eingereichten Fassung der Anmeldung.
Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents daher nicht entgegen.
3. Zulassung der Dokumente A2, A4 und A3 - Artikel 12 und Artikel 13 (1) und (2) VOBK
3.1 Bei den Dokumenten A2, A4 und A3 handelt es sich um Verweise auf Webseiten (Dokumente A2 und A3) bzw. um einen Auszug aus einem Fachbuch (Dokument A4), das im Dokument A2 zitiert wird. Darin werden Tabellen für Gleitwerte verschiedener Materialpaarungen genannt und allgemeines Fachwissen auf dem Gebiet der Reibung belegt.
3.2 Die Beschwerdeführerin hat die Dokumente A2 und A3 mit ihrer Beschwerdebegründung und das Dokument A4 am 31. März 2023 eingereicht. Die Frage der Zulassung dieser Dokumente ist auf Grundlage von Artikel 12 bzw. 13 VOBK zu beurteilen. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Nicht-Zulassung der Dokumente A2 und A3 und moniert, dass diese Dokumente nach dem Zeitrang des Patents veröffentlicht worden seien und nicht zum Stand der Technik gehörten.
3.3 Die Kammer ist der Ansicht, dass das in den Dokumenten A2, A4 und A3 aufgeführte Wissen so grundlegend ist, dass es zu dem von der Kammer zu berücksichtigenden Wissen des Fachmannes gehört. Nach der Rechtsprechung bleibt ein Beleg für das allgemeine Fachwissen vor dem Prioritätstag zudem nicht schon deshalb unberücksichtigt, weil er nachveröffentlicht ist (siehe Rechtsprechung, I.C.2.8.1, I.C.2.8.5 und V.A.5.13.1.c)).
3.4 Daher lässt die Kammer in Ausübung ihres Ermessens die Dokumente A2 und A3 gemäß Artikel 12 (4) VOBK und das Dokument A4 gemäß Artikel 13 (1) VOBK zum Verfahren zu.
4. Patent wie erteilt: Ausführbarkeit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ
4.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegenstehe (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 19). Im Einspruchsverfahren bezog sich der Einwand insbesondere auf die Herstellung einer konstanten Dicke, die Einstellung der Reibwerte und die Reibepartner.
4.2 Die Beschwerdeführerin thematisiert im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der fehlenden Ausführbarkeit die folgenden vier Aspekte: Erste Schichtdicke ungleich Null, Gleit- und Haftreibung, Reibepartner, Reibwert von Polyamid.
Die Kammer weist auf die gefestigte Rechtsprechung hin, wonach ein gegen ein Patent erhobener Einwand mangelnder Offenbarung voraussetzt, dass ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel an der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung bestehen (siehe Rechtsprechung, II.C.9).
4.3 Erste Schichtdicke ungleich Null
4.3.1 Die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 8 wird von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die folgenden Merkmale bestritten: "[1.8] Entschichten des Endabschnitts (12) entlang wenigstens eines zweiten Entschichtungsabschnitts (16) auf eine konstante zweite Schichtdicke (Delta2), [1.9] die größer als die erste Schichtdicke (Delta1) ist, [1.10] derart, dass die Oberfläche des Endabschnitts (12) im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts (16) einen zweiten Reibwert (my2), der geringer als der erste Reibwert (my1) ist, hervorruft;"
4.3.2 Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass im Falle einer nicht vollständigen Entfernung im ersten Entschichtungsabschnitt, welche gemäß Absatz [0020] des Patents nur eine vorteilhafte Ausführung darstelle, im ersten und zweiten Entschichtungsabschnitt die gleiche Beschichtung vorläge, insbesondere eine Beschichtung aus Polyamid (siehe Patent, Absatz [0024]), so dass der Fachmann nicht wisse, wie unterschiedliche Reibwerte zu erzielen seien.
4.3.3 In den Punkten 19.2 und 19.3.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung hat sich die Einspruchsabteilung folgendermaßen geäußert:
"Es wird auf die Absätze [0019] und [0031] des Streitpatents hingewiesen, die zumindest zwei Entschichtungsbearbeitungen (mittels Laserstrahls und mittels mechanischer Bearbeitung wie z.B. durch ein Schälwerkzeug) beschreiben. Der Fachmann erhält daher hier die explizite Lehre, wie er 'auf die konstante zweite Schichtdicke (Delta2)' innerhalb der üblichen Fertigungstoleranzen gelangen kann."
"Die Einspruchsabteilung weist wieder auf die vorherigen Erklärungen und Absätze der Patentbeschreibung. Der Fachmann kennt die genannten Entschichtungsbearbeitungen und weiß, wie er vorgehen soll, damit die definierten Reibwerte resultieren. Eventuelle Schwierigkeiten bei der Ausführung der Erfindung, wenn sie zumutbar sind, wie es der Fall im vorliegenden Patent ist, machen die Erfindung nicht unausführbar (vgl. auch Richtlinien F-III, 5.3)."
4.3.4 Die Beschwerdegegnerin betont in ihrer Beschwerdeerwiderung, dass unterschiedliche Oberflächenrauigkeiten, die durch eine unterschiedliche Bearbeitung bei der Entschichtung entstehen, zu unterschiedlichen Reibwerten führten. Sie verweist in ihrer Beschwerdeerwiderung unter Punkt II 4. bb) auf das allgemeine Fachwissen: "Darüber hinaus ist dem Fachmann bekannt, dass die Oberflächenrauigkeit und damit der Reibwert von der Intensität des Laserstrahls, dem fokalen Durchmesser des Laserstrahls als auch der Dichte der Laserpunkte zum Abtragen des Materials abhängen. Somit kann die Oberflächenrauigkeit allein durch unterschiedliche Wahl der oben beispielhaft genannten Parameter eingestellt werden. Auch bei der mechanischen Bearbeitung mittels eines Schälwerkzeugs hängt die resultierende Oberflächenrauigkeit von der Schärfe und Kontur des Schälwerkzeugs ab. Beispielsweise führt eine glatte Klinge zu einem geringeren Reibwert als eine Klinge mit einer Mikrokontur. Somit kann auch durch die Verwendung unterschiedlicher Schälwerkzeuge ein unterschiedlicher Reibwert für die verschiedenen Entschichtungsabschnitte erzeugt werden.".
4.3.5 Die Kammer stimmt diesen Ausführungen der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin zu. Ergänzend führt die Kammer an, dass der Fachmann weiß, dass der Reibwert einer Werkstoffpaarung von verschiedenen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel Materialpaarung, Oberfläche, Schmierung, Temperatur und Feuchte. Dies ist beispielsweise dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokument A2 zu entnehmen. Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Fachmann die im Patent in den Absätzen [0019] und [0031] beschriebene Entschichtung so durchführen kann, dass die Bedingungen der oben genannten Merkmale erfüllt sind.
4.3.6 In ihrem am 31. März 2023 eingegangenen Schreiben bestreitet die Beschwerdeführerin dieses Fachwissen (siehe Schreiben eingegangen am 31. März 2023, Punkt 2.3). Sie wirft beispielsweise Fragen auf, welche Bearbeitungsmethode einzusetzen sei, welche Parameter der Bearbeitungsmethode ausgewählt werden müssten und welche Reibwertunterschiede dadurch erzielt werden könnten. Dazu würde das Patent keine Aussage machen. Auch habe die Beschwerdegegnerin kein Dokument hierzu vorgelegt.
Auch wenn sich zu diesen Punkten keine detaillierten Angaben im Patent finden, reicht das Aufwerfen dieser Fragen nicht aus, um nachzuweisen, dass ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel an der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung bestehen. Angesichts der Angaben in den Absätzen [0019] und [0031] des Patents ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass es für den Fachmann eines unzumutbaren Aufwands bedarf, die Entschichtung so durchzuführen, dass die anspruchsgemäßen Bedingungen erfüllt sind.
4.3.7 Ein weiteres Argument der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang beruht darauf, dass Kunststoff gegenüber Metall sehr viel weicher sei und dem Metall im Fall von großen auftretenden Kräften - wie im vorliegenden Fall - nichts entgegenzusetzen hätte, da der Kunststoff plastisch verformbar sei und bei den auftretenden Kräften von Überwurfschrauben von Bremsrohrleitungen zerfließen würde (siehe Schreiben der Beschwerdeführerin eingegangen am 31. März 2023, Punkt 2.4).
Die Kammer weist darauf hin, dass sich nach der gängigen Rechtsprechung das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung auf die in den Ansprüchen definierte Erfindung und insbesondere auf die Kombination der strukturellen und funktionellen Merkmale der beanspruchten Erfindung bezieht (siehe Rechtsprechung, II.C.3.2.). Bei dem obigen Argument der Beschwerdeführerin handelt es sich um andere technische Aspekte, nämlich die Fragestellung, ob es das Patent dem Fachmann ermöglicht, die beanspruchte technische Wirkung zu erzielen. Dies ist jedoch keine Frage der Ausführbarkeit, sondern allenfalls der erfinderischen Tätigkeit, insbesondere der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe.
4.4 Gleit- und Haftreibung
Die Beschwerdeführerin macht allgemeine Ausführungen zu Gleitreibung und Haftreibung. Die Tatsache, dass in den Ansprüchen nicht zwischen Gleit- und Haftreibung unterschieden wird, mag nach Auffassung der Kammer allenfalls einen Klarheitseinwand rechtfertigen. Die Kammer kann darin jedoch keine mangelnde Ausführbarkeit erkennen.
4.5 Reibepartner
4.5.1 Unter Punkt 19.4.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Folgendes ausgeführt: "Die Einspruchsabteilung betont, dass die zwei in Rede stehenden Reibwerte relativ zueinander definiert sind (vgl. 'der geringer als der erste Reibwert ist'). Bei einer solchen Definition ist es für den Fachmann eindeutig, wie er sie ausführen soll. Die Gegenfläche muss dieselbe sein, um die Werte vergleichen zu können."
Dem schließt sich die Kammer an.
4.5.2 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass dieselbe Gegenfläche eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung sei, da dieselbe Gegenfläche bzw. derselbe Reibepartner noch lange nicht bedeuteten, dass die beanspruchte Ungleichung aus Merkmal 1.10 stets erfüllt sei, gehört nach Auffassung der Kammer zum allgemeinen Fachwissen, siehe Punkt 4.3 oben und Tabellenwerte des Dokuments A2: Der Fachmann weiß, dass der Reibwert einer Werkstoffpaarung von verschiedenen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel Materialpaarung, Oberfläche, Schmierung, Temperatur und Feuchte. Die einzige Aussage, die sich aus den von der Beschwerdeführerin angeführten Gegenbeispielen (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 3.3, Seite 11) ableiten lässt, ist, dass diese besagten Beispiele nicht unter den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bzw. 8 fallen, da das Merkmal 1.10 bzw. 8.10 nicht erfüllt ist. Da der Fachmann die Einflussgrößen auf die Reibwerte kennt, kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht darin folgen, dass die im Merkmal 1.10 bzw. 8.10 beanspruchte Ungleichung zu unbestimmt sei.
4.5.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert des Weiteren, dass die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 290/13 nicht auf die vorliegende Sache übertragbar sei, da in dem der besagten Entscheidung zugrundeliegenden Patent ausdrücklich die Rede von einem Gleitmittel sei, welches stets zu einer Verringerung des Reibwerts in der entsprechenden Schicht führe, was auf den im vorliegenden Patent verwendeten Kunststoff, beispielsweise Polyamid, nicht zutreffe. Ferner würden im Gegensatz zum Streitpatent in dem der besagten Entscheidung zu Grunde liegenden Patent auch Drehmomente und Axialkräfte angegeben.
Die Kammer verweist auf das allgemeine Fachwissen, dass der Reibwert my, ein dimensionsloses Maß für die Reibungskraft im Verhältnis zur Anpresskraft, vom Material und der Oberfläche abhängig ist (siehe Dokument A2, siehe Patent, Absatz [0012]). In Abhängigkeit von der Oberfläche ist die Bandbreite der Reibwerte für gleiche Materialpaarungen sehr groß (siehe Dokument A2). Daraus folgt, dass sowohl in der Entscheidung T 290/13 als auch in der vorliegenden Sache unabhängig von der Art des Reibpartners ein relativer Vergleich von Reibwerten möglich ist, da keine absoluten Reibwerte beansprucht werden.
4.6 Reibwert von Polyamid
Im Absatz [0024] des Patents wird Polyamid als bevorzugte Beschichtung eingesetzt. Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass die Ausführung der Erfindung den Fachmann in diesem Fall vor Schwierigkeiten stellen würde, da die Reibwerte Stahl-Polyamid sehr hoch seien, insbesondere oberhalb der meisten Metall-Metall-Materialpaarungen lägen (siehe Dokument A2), so dass im zweiten Entschichtungsabschnitt ein höherer Reibwert vorläge und somit das Merkmal 1.10 bzw. 8.10 nicht erfüllt werden könnte.
Die Kammer verweist auf ihre Ausführungen in den Punkten 4.3 bis 4.5. Insbesondere wird nochmals darauf hingewiesen, dass in Abhängigkeit von der Oberfläche die Bandbreite der Reibwerte für gleiche Materialpaarungen sehr groß ist (siehe Dokument A2), sodass auch der Reibwert von Polyamid auf Stahl für sich genommen der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung nicht im Wege steht.
4.7 Schlussfolgerung der Kammer
Die beanspruchte Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
5. Priorität des Patents
5.1 Gemäß Artikel 87 EPÜ genießt eine europäische Patentanmeldung die Priorität einer früheren Anmeldung nur dann, wenn sie sich auf "dieselbe Erfindung" bezieht. Das Erfordernis "derselben Erfindung" bedeutet, dass die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann ("Goldstandard-Offenbarungstest", siehe Rechtsprechung, II.D.3., 3.1.1; Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 2/98).
5.2 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass die Merkmale 1.14 und 1.15 des erteilten Anspruchs 1 lediglich in der zweiten Prioritätsanmeldung (Dokument A1c) enthalten seien, und somit für den beanspruchten Gegenstand der 16. April 2015 das wirksame Datum sei. Dies habe zur Folge, dass das Dokument D5 einen Stand der Technik unter Artikel 54 (2) EPÜ darstelle.
5.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Merkmale 1.14 und 1.15, insbesondere dass sich der Übergang von dem ersten Entschichtungsabschnitt (13) auf den zweiten Entschichtungsabschnitt (16) im Bereich des größten Außendurchmessers des Bördels (40, 40a) befindet, unmittelbar und eindeutig aus der Figur 2d der ersten Prioritätsanmeldung (Dokument A1b) hervorgehen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 2d der ersten Prioritätsanmeldung
5.4 Somit kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass die beanspruchte früheste Priorität gültig ist und der beanspruchte Gegenstand den 23. Januar 2015 als wirksames Datum besitzt. Das Dokument D5, eine am 14. Oktober 2013 angemeldete und am 15. April 2015 veröffentlichte europäische Patentanmeldung, stellt somit keinen Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ dar, sondern gilt als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ.
6. Neuheit des Gegenstands der erteilten Ansprüche 1 und 8 - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ
6.1 Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 8 gegenüber dem Dokument D1
Die Kammer stimmt mit der Auffassung der Einspruchsabteilung überein, dass es sich bei den Merkmalen 8.9 und 8.11 zwar um Verfahrensmerkmale handelt, die aber im Endprodukt zwangsläufig zu einer dreistufigen Beschichtung führen (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 20.3.1). Das Innenrohr umfasst eine das Innenrohr 20 ummantelnde Beschichtung (Merkmal 8.4). Diese Beschichtung wird im Bereich des Endabschnitts selektiv derart abgetragen, dass die Oberfläche des Endabschnitts 12 an der Dichtfläche 41, 41a, die von einem ersten Entschichtungsabschnitt 13 des Endabschnitts 12 gebildet ist, einen ersten Reibwert (my1) und an der Anlagefläche 42, 42a, die von einem zweiten Entschichtungsabschnitt 16 des Endabschnitts 12 gebildet ist, einen zweiten Reibwert (my2), der geringer als der erste Reibwert (my1) ist, hervorruft (Merkmale 8.9 und 8.10). Ferner wird diese Beschichtung im Bereich des ersten Entschichtungsabschnitts 13 auf eine erste Schichtdicke (Delta1) und im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts 16 auf eine konstante zweite Schichtdicke (Delta2) reduziert, die größer als die erste Schichtdicke (Delta1) ist (Merkmale 8.11 und 8.12). Dies resultiert notwendigerweise darin, dass das restliche Innenrohr eine Beschichtung mit einer dritten Schichtdicke größer als die zweite Schichtdicke aufweist, da dort keine Entschichtungsmaßnahmen vorgenommen wurden.
Diese dreistufige Beschichtung ist im Dokument D1 nicht offenbart. Die Beschwerdeführerin führt dazu das Folgende aus: "In den Textabschnitten [0022] bis [0024] der Druckschrift D1 ist ausgeführt, dass beim Einschrauben der Rohrschraube 10, die der Rohrleitung 20 zugeordnet ist eine Torsion bzw. Torsionsspannung der Rohrleitung 20 verhindert bzw. vermindert werden soll. Um dies zu erreichen, geht man zunächst von einer Rohrleitung 20 aus, die zumindest im Bereich des Bördels 22 mit einer Zinkbeschichtung und zusätzlich mit einer fluorhaltigen Beschichtung versehen ist. Im Bereich der Dichtfläche 23 wird anschließend die fluorhaltige Beschichtung entfernt, wohingegen diese fluorhaltige Beschichtung auf der Anlagefläche 24 verbleibt. Dies ist im Abschnitt [0028] von D1 beschrieben. Auf diese Weise wird der Reibwert der Dichtfläche 23 größer eingestellt, als der Reibwert der Anlagefläche 24." (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 6.1, letzter Absatz auf Seite 14 und erster Absatz auf Seite 15).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 1 des Dokuments D1
Die Kammer ist aus den oben genannten Gründen nicht von der Ansicht der Beschwerdeführerin überzeugt, dass die im Dokument D1 offenbarte Rohrleitung der beanspruchten Rohrleitung mit "den Merkmalen 8.9 und 8.10 in räumlich-körperlicher Hinsicht entspricht" (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 6.1, Seite 15, erster Absatz). Zwar werden die funktional definierten Merkmale 8.10, my2 < my1, und 8.12, Delta2 > Delta1, im Dokument D1 realisiert, aber auf eine andere Weise als in den Merkmalen 8.9 und 8.11 beansprucht. Da im Dokument D1 kein zweiter Entschichtungsabschnitt offenbart ist, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - zusätzlich im Merkmal 8.13.
Hinsichtlich der drei verschiedenen Schichtdicken trägt die Beschwerdeführerin vor, dass diese nicht beansprucht seien. Die Kammer stimmt zu, dass eine dritte Schichtdicke nicht explizit beansprucht wird, aber wie oben dargelegt die logische Konsequenz ist, wenn das beschichtete Innenrohr (Merkmal 8.4) abschnittsweise auf eine Schichtdicke Delta1 im ersten Entschichtungsabschnitt und auf eine Schichtdicke Delta2 im zweiten Entschichtungsabschnitt reduziert wird.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert hinsichtlich der drei Schichtdicken, dass durch Entschichten oder Beschichten jeweils andere Oberflächenstrukturen erzeugt würden. Auch würde eine Entschichtung mittels Laser eine andere Oberflächenstruktur erzielen als eine mechanische Entschichtung. Die Kammer verweist darauf, dass hierzu im Patent nichts offenbart ist. Zwar werden im Absatz [0019] diese beiden Entschichtungsmaßnahmen erwähnt. Eine Auswirkung auf den Reibwert oder die Oberflächenstruktur ist allerdings nicht offenbart. Eventuelle Nachbearbeitungen sind nicht ausgeschlossen. Daher kann dieses Argument nicht überzeugen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 unterscheidet sich nach Auffassung der Kammer vom Dokument D1 in den Merkmalen 8.9, 8.11 und 8.13.
6.2 Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 8 gegenüber dem Dokument D5
Ähnliche Erwägungen wie für das Dokument D1 gelten auch für das Dokument D5. Im Dokument D5 ist die Anlagefläche 3 des Bördels 2 beschichtet, während die Dichtfläche 4 unbeschichtet bleibt (siehe Dokument D5, Absatz [0020], Figuren 1 bis 3).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 1 des Dokuments D5
Aus den unter Punkt 6.1 aufgeführten Gründen ist die Kammer von dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, dass der selektive Abtrag der Beschichtung gemäß Merkmal 8.9 und die Reduzierung der Beschichtung in den Entschichtungsabschnitten gemäß Merkmal 8.11 unerheblich seien, da es in der Rohrleitung selbst keinen Unterschied mache, ob dazu eine Schicht durch Entschichtung abgetragen oder eben eine Beschichtung aufgetragen werde. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung stellt die Kammer fest, dass eine unterschiedliche Oberfläche erzielt durch Beschichten im Dokument D5 oder Entschichten im Patent für die Frage der Neuheit nicht entscheidungswesentlich ist, da durch das Beschichten des Innenrohres und das anschließende Entschichten im ersten und zweiten Endabschnitt die (dritte) Schichtdicke des Rohres größer sein muss als die zweite Schichtdicke. Letzteres ist im Dokument D5 nicht offenbart.
Da das Dokument D5 keinen ersten und zweiten Entschichtungsabschnitt offenbart, ist auch das Merkmal 8.13 vom Dokument D5 nicht vorweggenommen. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob der Übergang im Dokument D5 von der ersten auf die zweiten Schichtdicke "im Bereich des größten Außendurchmessers" liegt oder nicht.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 unterscheidet sich somit vom Dokument D5 in den Merkmalen 8.9, 8.11 und 8.13.
6.3 Schlussfolgerung der Kammer
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 ist neu gegenüber den Dokumenten D1 und D5.
7. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der erteilten Ansprüche 1 und 8 - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ
7.1 Die Beschwerdeführerin hat die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 8 ausgehend vom Dokument D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, in Verbindung mit dem Dokument D5 oder in Verbindung mit dem Dokument D1 angegriffen. Diese Einwände waren von der Einspruchsabteilung als nicht überzeugend erachtet worden.
7.2 Es ist unstreitig, dass das Dokument D6 als nächstliegender Stand der Technik für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 bzw. des erteilten Anspruchs 8 angesehen werden kann. Es offenbart unstreitig ein Verfahren zur Herstellung einer Rohrleitung 22 für eine Bremsleitung oder Kraftstoffleitung, die mit einem Bördel 90, 92 versehen ist. Die Rohrleitung 22 besteht aus einem Innenrohr 28 mit einer mehrschichtigen Beschichtung, beispielsweise einer korrosionsbeständigen Beschichtungsschicht 30 und einer Polymerschicht 24. Die Polymerbeschichtung 24 wird entlang der Länge 80 eines ersten Entschichtungsabschnitts 36 und eines zweiten Entschichtungsabschnitts 74 entschichtet.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 7A des Dokuments D6
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Figuren 8 und 9 des Dokuments D6
7.3 Unterscheidungsmerkmale und deren technische Wirkung
7.3.1 Für die Beschwerdeführerin ist das einzige Unterscheidungsmerkmal die konstante Schichtdicke im Merkmal 1.8 bzw. im korrespondierenden Merkmal 8.11.
7.3.2 Die unterschiedlichen Reibwerte (Merkmal 1.10 bzw. 8.10) seien - wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt - implizit offenbart. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird hierzu Folgendes festgestellt (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 21.2.1): "Das beschriebene Verfahren ist jedoch ähnlich wie in der vorliegenden Anmeldung [sic] (Entschichten mittels Laserstrahls: vgl. Ende des Absatzes [0028] der D6 und z.B. Anspruch 7 des Streitpatents). Daher gelten die damit hervorgerufenen Reibwerte als implizit offenbart. Insbesondere wird auf Spalte 4, Zeilen 26-31 des Patents hingewiesen, wo folgendes beschrieben wird: 'Vielmehr hat es sich nicht nur als praktikabel, sondern als besonders vorteilhaft erwiesen, durch ein selektives Abtragen der Beschichtung zumindest im Bereich des zweiten Entschichtungsabschnitts einen Rest verbleiben zu lassen, durch den sich ein vergleichsweise geringer Reibwert erzielen lässt.' Dies stimmt auch mit dem Inhalt der D6 überein (vgl. Absatz [0003]). Reibwerte und Torsionsverhalten beschreiben in dieser Hinsicht dieselbe Eigenschaft. Dies ist auch unumstritten. Da eine (konisch) sich verjüngende Schicht von Polymermaterial 24 bzw. 36 in der D6 an der Anlagefläche verbleibt, wobei die Dichtfläche bis zum metallischen Substrat entschichtet wurde, müssen die entsprechenden Reibwerte so sein, wie sie im Merkmal 1.10 definiert sind."
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Es ist unstreitig, dass das Dokument D6 explizit keine Aussage zu den Reibwerten macht, weder zu absoluten noch zu relativen Reibwerten. Die Kammer schließt sich der Argumentation der Beschwerdegegnerin an, die darauf hinweist, dass der Übergangsabschnitt im Dokument D6 eine glatte Oberfläche aufweisen solle, um keine Kanten zu belassen, an denen sich Buchsen, Werkzeuge und/oder Anschlüsse verfangen könnten, wenn das Rohr in oder durch diese Abschnitte eingeführt werde (siehe Dokument D6, Absätze [0010], [0028] und [0047]). Der Reibwert des Abschnitts 74 spiele im Hinblick auf den Reibwert des Abschnitts 80 keine Rolle. Dies geht auch aus Absatz [0039] des Dokuments D6 hervor, demzufolge "die Schichten 27, 29 (oder jede beliebige Anzahl von Schichten und/oder Unterschichten) innerhalb des Übergangsabschnitts 74 eine versiegelte, glatte äußere Oberfläche, wobei keine zackigen, rauen Kanten an der Oberfläche freiliegend verbleiben (was bei Laserentfernungssystemen auftreten kann, die den einzigartigen Übergangsabschnitt 74 gemäß vorliegender Erfindung nicht haben)", aufweisen.
Auch wenn - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - die Verfahren und Materialpaarungen im Patent und im Dokument D6 vergleichbar sind, so findet nach Auffassung der Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin im Patent ein gezieltes Entschichten statt, das zu dem beanspruchten Verhältnis der Reibwerte führt. Hierzu findet sich keine Offenbarung im Dokument D6.
Der Fachmann kann dem Dokument D6 also nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass der zweite Reibwert (my2) geringer als der erste Reibwert (my1) sein soll (Merkmal 1.10 bzw. 8.10).
7.3.3 Des Weiteren ist streitig, ob die Merkmale 1.8 und 1.9 bzw. 8.11 und 8.12 vom Dokument D6 vorweggenommen werden. Die Einspruchsabteilung sah keine Vorwegnahme dieser Merkmale durch das Dokument D6 und begründete dies wie folgt (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 21.2.1): "Die Einspruchsabteilung weist darauf hin, dass die D6 unter dem Wortlaut der Merkmale 1.8 und 1.9 des Anspruchs 1 - bis auf das Merkmal 'konstant' - durch eine konstruierte und semantische Auslegung dieser Merkmale ... fallen würde. Eine solche Auslegung wäre bezüglich einer reinen Neuheitsprüfung wahrscheinlich rechtfertigt [sic] und in diesem Fall wäre daher der Gegenstand des Anspruchs gegenüber D6 neu, weil D6 das Merkmal 'konstant' nicht zeigt (D6 würde zeigen: 'Entschichten des Endabschnitts (78+80) entlang wenigstens eines zweiten Entschichtungsabschnitts (78) auf eine konstante zweite Schichtdicke, die größer als die erste Schichtdicke ist', weil die zweite Schichtdichte in der D8 [sic] sich konisch verjüngt und deshalb größer als null wäre). Da es nun jedoch um die Prüfung der Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit geht, muss der nächstliegende Stand der Technik aus der Sicht des Fachmanns bestimmt werden. Daher darf keine künstliche Auslegung des nächstliegenden Stands der Technik aufgrund der vorherigen Kenntnis des Patents vorgenommen werden (Richtlinien G-VII, 4.1)."
Die Kammer kann dieser Auffassung nicht folgen. Das Dokument D6 offenbart objektiv - wie die Beschwerdeführerin vorträgt ohne sich dabei auf eine konstruierte und semantische Auslegung der Merkmale 1.8 und 1.9 bzw. 8.11 und 8.12. zu stützen - eine Entschichtung im Bereich 80 auf eine bestimmte Schichtdicke. Im Bereich 74 erfolgt ebenfalls eine Entschichtung, allerdings derart, dass es einen konischen Übergang gibt (siehe Dokument D6, Absatz [0028]). Dokument D6 zeigt daher nicht das Merkmal 1.8 "Entschichten des Endabschnitts (12) entlang wenigstens eines zweiten Entschichtungsabschnitts (16) auf eine konstante zweite Schichtdicke (Delta2)" und das korrespondierende Merkmal 8.11.
7.3.4 Die Beschwerdegegnerin bestreitet des Weiteren die Offenbarung des Merkmals 1.15 bzw. 8.13. Sie verweist auf die Figuren 8 und 9 und den Absatz [0047] des Dokuments D6, wonach die Polymerschicht bis innerhalb dieses Bereichs (Bereich 89 in Figur 8 und Bereich 93 in Figur 9 des Dokuments D6) entfernt wird. Die Kammer teilt diesbezüglich die Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 21.2.1), wonach auf Grund der vagen Definition von "im Bereich" in den erteilten Ansprüchen 1 und 8 der Übergang im Dokument D6 auch in diesem "Bereich" liegt, selbst wenn er sich nicht genau am Punkt des größten Außendurchmessers des Bördels befindet.
7.3.5 Damit unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und 8 von der Offenbarung des Dokuments D6 in den Merkmalen 1.8 und 1.10 bzw. 8.11 und 8.10.
7.3.6 In Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin wird dem Merkmal (Merkmal 1.8 bzw. 8.11) der konstanten zweiten Schichtdicke im Patent keine technische Wirkung zugeschrieben (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 7.2). Zur technischen Wirkung des Merkmals 1.10 bzw. 8.10 hingegen macht das Patent folgende Ausführungen: Der geringere Reibwert im Bereich der Anlagefläche (zweiter Entschichtungsabschnitt) stellt sicher, dass dort eine Torsionsspannung beim Einschrauben der Rohrschraube vermieden wird, während der höhere Reibwert im Bereich der Dichtfläche (erster Entschichtungsabschnitt) ein reibschlüssiges Anliegen des Bördels an beispielsweise einem Aggregat des Bremssystems gewährleistet und somit zu einer fluiddichten Verbindung beiträgt (siehe Patent, Absätze [0008] und [0013]).
7.4 Objektive technische Aufgabe
Laut der Beschwerdeführerin besteht die objektive technische Aufgabe darin, ein alternatives Verfahren (Patentanspruch 1) bzw. eine alternative Rohrleitung (Patentanspruch 8) anzugeben.
Auf Grund der oben identifizierten Unterscheidungsmerkmale kann die Kammer dieser allgemeinen Formulierung der objektiven technischen Aufgabe insbesondere hinsichtlich des Merkmals 1.10 bzw. 8.10 nicht zustimmen. In ihrer Mitteilung wies die Kammer die Beteiligten bereits auf den Absatz [0008] des Patents hin, wonach die Erfindung die Aufgabe habe, ein Verfahren zum Herstellen einer Rohrleitung bzw. eine entsprechende Rohrleitung zu schaffen, durch das sich eine mit einem Bördel versehene Rohrleitung erzeugen lässt, die im eingebauten Zustand einem unbeabsichtigten Loslösen einer Rohrschraube entgegenwirkt.
7.5 Naheliegen der Lösung in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Die Kammer ist wie die Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass sich das Dokument D6 mit einer anderen Aufgabe beschäftigt, nämlich mit dem Schaffen eines Übergangsabschnitts, der die Anlagefläche bedeckt (siehe Dokument D6, Figuren 8 und 9; Absätze [0010], [0028], [0039]) und auf Grund seiner glatten und konischen Ausbildung sicherstellt, dass keine stumpfen oder rauen Kanten vorhanden sind, an denen sich Buchsen, Werkzeuge, Anschlüsse oder dergleichen verfangen können (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt II 6. c) aa), Seite 32). Der Fachmann wäre daher ohne eine Ex-post-facto-Analyse nicht von dem konischen Übergang im Dokument D6 abgewichen, da der konische Übergang ein wesentliches Merkmal zur Lösung der im Dokument D6 genannten Aufgabe darstellt.
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hätte der Fachmann aus dem Dokument D6 auch keinen Hinweis erhalten, den konischen Übergangsabschnitt um einen zylindrischen Zwischenabschnitt in axialer Richtung zu verlängern.
Die Kammer stimmt ferner mit der Beschwerdegegnerin überein, dass im erteilten Anspruch 1 bzw. 8 nicht ein beliebiges Entschichten beansprucht wird, sondern ein gezieltes Entschichten, das zu den Reibwerten gemäß Merkmal 1.10 bzw. 8.10 führt. Das Verhältnis der Reibwerte spielt - wie die Beschwerdegegnerin feststellt - bei der Lösung der im Dokument D6 genannten Aufgabe keine Rolle und wird daher dort nicht thematisiert.
Der von der Beschwerdeführerin zitierte Absatz [0003] des Dokuments D6 unterscheidet weder hinsichtlich des konischen Übergangsbereichs noch hinsichtlich unterschiedlicher Reibungswerte zwischen der Dichtfläche und der Passsitzfläche.
Der Fachmann hätte folglich ohne rückschauende Betrachtungsweise aus dem Dokument D6 keine Anregung erhalten, eine entsprechende gezielte Entschichtung durchzuführen, so dass der Fachmann nicht zu den Merkmalen 1.8 und 1.10 bzw. 8.11 und 8.10 gelangt wäre.
7.6 Naheliegen der Lösung in Verbindung mit dem Dokument D5
Da die beanspruchte Priorität gültig ist (siehe Punkt 5.), gehört das Dokument D5 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ. Das Dokument D5 ist daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
7.7 Naheliegen der Lösung in Verbindung mit dem Dokument D1
Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung dargelegt, dass das Dokument D6 einen konischen Übergangsabschnitt vorsehe, weshalb der Fachmann, selbst dann, wenn er aus dem Dokument D1 die Anregung erhalten hätte, eine konstante Schichtdicke vorzusehen, diese nicht beim Dokument D6 angewendet hätte, da eine konstante Schichtdicke die Funktion des Übergangsabschnitts beeinträchtigen würde.
Die Kammer sieht dies ebenso. Zwar stammt das Dokument D1 aus dem gleichen Fachgebiet wie das Dokument D6 und beschäftigt sich mit der oben genannten objektiven technischen Aufgabe. Der Fachmann hatte allerdings keine Veranlassung von dem aus dem Dokument D6 bekannten konischen Übergangsabschnitt abzuweichen, zumal dieser ein wesentliches Merkmal zur Lösung der im Dokument D6 genannten Aufgabe darstellt. Daher wäre der Fachmann ohne eine Ex-post-facto-Analyse nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 8 gelangt.
7.8 Schlussfolgerung der Kammer
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 8 ist nicht nahegelegt ausgehend vom Dokument D6. Er beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
8. Ergebnis
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.