European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T210321.20240626 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Juni 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2103/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09768943.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01M 1/36 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | WUCHTEINRICHTUNG, AUSWUCHTSYSTEM UND AUSWUCHTVERFAHREN | ||||||||
Name des Anmelders: | Dittel Messtechnik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BALANCE SYSTEMS S.r.L. | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Zulassung von erst mit der Beschwerdebegründung vorgebrachtem bzw. in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend substantiiertem Vorbringen zur erfinderischen Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2297563 zurückzuweisen.
II. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang und gestützt auf die Einspruchsgründe unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.
III. Folgende Dokumente wurden u.a. im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:
A1: WO 96 17294 A1
A2: EP 1 870 198 A1
A3: EP 0 409 050 A2.
IV. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass weder der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ noch die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegenstünden. Insbesondere sei der Gegenstand der erteilten Ansprüche gegenüber jeder der Druckschriften A1, A2 und A3 neu (Artikel 54 (1) EPÜ) und gegenüber der Druckschrift A1 in Kombination mit dem Fachwissen oder mit der Druckschrift A2 erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgendes Dokument ein:
A8: Auszug aus en.wikipedia.org zum Stichwort "Hall effect sensor", datiert vom 8. Juli 2021 (5 Seiten).
VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK in Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung zu der Sache mit.
VII. Mit Schreiben vom 16. Februar 2024 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 ein.
VIII. Am 26. Juni 2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer von dem Vorsitzenden verkündet.
IX. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt, wobei die von den Beteiligten verwendete Merkmalsgliederung "a" bis "g" durch die Kammer in eckigen Klammern hinzugefügt wurde:
" 1. [a] Wuchteinrichtung, insbesondere Wuchtkopf oder Wuchtring, für ein elektromechanisches Auswuchtsystem für rotierende Einheiten (11), insbesondere für Spindeln von Werkzeugmaschinen, mit
[b] zumindest einer Wuchtmasse (13), die zur Kompensation einer Unwucht (U) der Einheit (11) verstellbar ist,
[c] einer Antriebseinheit (15), insbesondere einem Elektromotor, zum Verstellen der Wuchtmasse (13), und
[d] einer Positioniereinrichtung (17), durch die eine Mehrzahl von Drehstellungen vorgegeben ist, in welche die Wuchtmasse (13) verstellbar ist, [e] wobei die Positioniereinrichtung (17) eine im Betrieb mit der Einheit (11) rotierende Einrichtung (19, 37) zum Messen der Drehstellungen umfasst, [e1] durch welche jeweils die absolute Drehstellung der Wuchtmasse (13) in einem bezüglich der Wuchteinrichtung festen Koordinatensystem vorgegeben oder bestimmbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
[f] die rotierende Einrichtung (19, 37) zwei relativ zueinander verdrehbare Komponenten (19, 37) umfasst,
[f1] wobei einer Verstellbewegung der Wuchtmasse (13) eine Drehbewegung der einen Komponente (19) relativ zu der anderen Komponente (37) zugeordnet ist, und
[g] wobei durch die Relativstellung der beiden Komponenten (19, 37) die absolute Drehstellung der Wuchtmasse (13) vorgegeben oder bestimmbar ist."
Der erteilte unabhängige Anspruch 9 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass die Merkmale f bis g des kennzeichnenden Teils durch folgende Merkmale ("h" bis "j1") ersetzt werden:
"[h] die Einrichtung zum Messen der Drehstellungen einen Permanentmagneten und einen Sensor umfasst, [h1] wobei der Permanentmagnet relativ zu dem Sensor drehbar angeordnet ist, und [i] wobei der Sensor in der Lage ist, die Drehstellung des Permanentmagneten zu messen, insbesondere mit einer Auflösung von deutlich unter 1°,
[j] wobei einer Verstellbewegung der Wuchtmasse (13) eine Drehbewegung des Permanentmagneten relativ zum Sensor zugeordnet ist, und [j1] wobei durch die Relativstellung des Permanentmagneten gegenüber dem Sensor die absolute Drehstellung der Wuchtmasse (13) vorgegeben oder bestimmbar ist."
Der Anspruchssatz des Patents in der erteilten Fassung beinhaltet auch die Ansprüche 2 bis 8 und 9 bis 15, die sich direkt oder indirekt auf die Wuchteinrichtung gemäß dem Anspruch 1 bzw. dem unabhängigen Anspruch 9 beziehen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Neuheit - Druckschrift A1
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 9 - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht neu gegenüber der Druckschrift A1 sei.
2.1 Erteilter Anspruch 1
2.1.1 Der erteilte Anspruch 1 ist auf eine Wuchteinrichtung für ein Auswuchtsystem für rotierende Einheiten gerichtet. Die Wuchteinrichtung besteht u.a. aus einer Positioniereinrichtung, durch die eine Mehrzahl von Drehstellungen vorgegeben ist, in welche eine Wuchtmasse verstellbar ist. Außerdem weist die Positioniereinrichtung eine "im Betrieb mit der Einheit (1) rotierende Einrichtung (19, 37) zum Messen der Drehstellungen" (Merkmal e) auf, wobei "die rotierende Einrichtung (19, 37) zwei relativ zueinander verdrehbare Komponenten (19, 37) umfasst" (Merkmal f).
Die in der Druckschrift A1 offenbarte Wuchteinrichtung für eine rotierende Einheit (Fig. 1, 3, 5, 6, 9 bis 15 und 18 bis 21 und die entsprechende Beschreibung) weist ebenfalls eine Positioniereinrichtung auf, durch die eine Mehrzahl von Drehstellungen vorgegeben ist, in welche Wuchtmassen (510 und 511 in Fig. 5, 9 und 10, und 610 in Fig. 6) verstellbar sind. Die Wuchtmassen sind jeweils in zwei Rotoren (Rotoren 350 und 351 in Fig. 1, 3, 5, 6, 12 und 18 bis 21) angeordnet, die in einer zusammen mit der Einheit rotierenden Baugruppe (130 in Fig. 1, 3 und 15, siehe Seite 6, Zeilen 1 bis 3) montiert sind, wobei die Winkelpositionen der Rotoren in Bezug auf die rotierende Baugruppe zur Kompensation einer Unwucht der Einheit unabhängig voneinander verstellbar sind (Fig. 9 und 10, und Seite 8, Zeilen 1 bis 15, und Zeilen 31 bis 45). Zum Verstellen der Winkelposition der Rotoren wird ein elektromagnetischer Feldgenerator (120 in Fig. 1, und Seite 5, Zeilen 18 bis 32, und Seite 6, Zeilen 21 bis 34) eingesetzt, der mit in den Rotoren in gleichmäßiger Winkelverteilung angeordneten Permanentmagneten (Magneten 360 und 361 in Fig. 3, 6, 12 bis 15 und 18 bis 21, siehe Seite 7, Zeilen 29 bis 31) derart zusammenwirkt, dass der jeweilige Rotor und damit die entsprechenden Wuchtmassen in Bezug auf den anderen Rotor und auf die rotierende Baugruppe 130 verstellt werden (Seite 7, Zeilen 4 bis 9, und Zeilen 24 bis 44, Seite 9, Zeilen 38 bis 43, Seite 10, Zeilen 10 bis 12, und der die Seiten 10 und 11 überbrückender Absatz). Außerdem weist die Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 stationäre Hall-Sensoren (2670, 2671 und 2672 in Fig. 26) auf, die mit den Permanentmagneten der Rotoren 350 und 351 und mit einem in der rotierenden Baugruppe 130 angeordneten magnetischen Target derart zusammenwirken, dass die Ausgangssignale der Hall-Sensoren die Bestimmung der Winkelposition der Rotoren in Bezug auf die rotierende Baugruppe (siehe den die Seiten 16 und 17 überbrückenden Absatz) und damit die Bestimmung der absoluten Drehstellung der entsprechenden Wuchtmassen in einem bezüglich der Wuchteinrichtung festen Koordinatensystem ermöglichen.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Rotoren 350 und 351 und die rotierende Baugruppe 130 gemäß Druckschrift A1 als diejenigen Bauteile identifiziert, die den beanspruchten zwei relativ zueinander verdrehbaren Komponenten der Einrichtung zum Messen der Drehstellungen entsprächen. Die Einspruchsabteilung hat die Auffassung vertreten, dass die Permanentmagneten der Rotoren für sich keine Messeinrichtung, insbesondere keine Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmasse bildeten, weil sie kein Messsignal erzeugten. Die Messsignale würden von den Hall-Sensoren erzeugt, die stationär (Druckschrift A1, Seite 16, Zeilen 36 und 37), d.h. außerhalb der rotierenden Einrichtung, angeordnet seien. Somit unterscheide sich die beanspruchte Wuchteinrichtung von der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 nur dadurch, dass die Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmasse "im Betrieb mit der Einheit rotier[e]".
Die Beschwerdeführerin ist dieser Auffassung der Einspruchsabteilung entgegengetreten und hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
- Die beanspruchten zwei relativ zueinander verdrehbaren Komponenten der Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmasse entsprächen den Permanentmagneten der Rotoren und dem in der rotierenden Baugruppe 130 angeordneten magnetischen Target, und die Permanentmagneten der Rotoren dienten zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmassen und stellten eine rotierende Einrichtung zum Messen der Drehstellungen dar. Es sei gängige Praxis - siehe z.B. die "Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt" (März 2024), Punkt F-IV, 4.13 -, dass der Ausdruck "Einrichtung zum Messen" als Mittel zu verstehen sei, das für die Funktion des Messens geeignet sei.
- Anspruch 1 erwähne keinen Sensor und erfordere nicht, dass die ganze Einrichtung zum Messen der Drehstellungen im Betrieb mit der Einheit rotiere.
- Nicht nur die Hall-Sensoren, sondern - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - auch die Magneten der Druckschrift A1 stellten Sensoren dar, weil die Signale der Hall-Sensoren durch die Wechselwirkung der Hall-Sensoren mit den Magneten und daher durch das Magnetfeld der Magneten erzeugt würden (vgl. Dokument A8, Abschnitt "Working principle" auf Seite 2), sodass die Hall-Sensoren ohne die Magneten kein Signal erzeugten.
Daher stellten die Permanentmagneten der Rotoren und das in der rotierenden Baugruppe 130 angeordnete magnetische Target eine im Betrieb mit der Einheit rotierende Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmassen im Sinne von Anspruch 1 dar.
Die Beschwerdegegnerin hat u. a. vorgebracht, dass in der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 die Messsignale erst durch die Zusammenwirkung der rotierenden Magneten mit den stationären Hall-Sensoren erzeugt würden, sodass die rotierenden Magneten allein keine Messung ermöglichten bzw. keine Messsignale generierten und sie ohne die stationären Hall-Sensoren keinerlei Rückschluss auf die Drehstellung der Rotoren bzw. der Wuchtmassen erlaubten. Daher offenbare die Druckschrift A1 keine im Betrieb mit der Einheit rotierende Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmasse im Sinne des Anspruchs 1 und das Merkmal e des Anspruchs 1 sei neu gegenüber der Druckschrift A1. Außerdem seien andere Merkmale des Anspruchs 1 (Merkmale e.1, f, f.1 und g des Anspruchs 1) der Druckschrift A1 nicht zu entnehmen.
2.1.2 Hinsichtlich der beanspruchten Einrichtung zum Messen der Drehstellungen weist die Kammer darauf hin, dass die in den Rotoren 350 und 351 angeordneten Permanentmagneten der Druckschrift A1 primär dazu dienen, die Rotoren und damit die entsprechenden Wuchtmassen zu verstellen (vgl. Nr. 2.1.1 oben, zweiter Absatz). Die in der Druckschrift A1 offenbarte Messung der Drehstellung der Wuchtmassen basiert auf der Detektion der Position der Permanentmagneten, und die Permanentmagneten stellen in dieser Hinsicht Komponenten der Einrichtung zum Messen der Drehstellungen dar. Die Permanentmagneten erzeugen aber für sich alleine keine Messungen bzw. keine Messsignale, sondern nur ein magnetisches Feld, das mit den Hall-Sensoren zwecks Erzeugung von Messsignalen detektiert und gemessen wird. Daher stellen die Permanentmagneten - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - per se keinen Sensor bzw. keine Messeinrichtung dar, und die Hall-Sensoren der Druckschrift A1 stellen aus Sicht der Kammer die eigentlichen Sensoren der Einrichtung zum Messen der Drehstellungen der Wuchtmassen - insbesondere den Teil der Einrichtung, der erst Messsignale als solche erzeugt - dar.
Außerdem ist die Kammer der Auffassung, dass das Merkmal e ("eine im Betrieb mit der Einheit (11) rotierende Einrichtung (19, 37) zum Messen der Drehstellungen" der Wuchtmassen) im Kontext des Anspruchs 1 von dem Fachmann in dem Sinne ausgelegt wird, dass die rotierende Einrichtung zumindest die eigentlichen Sensoren der Einrichtung bzw. das entsprechende Mittel zur Erzeugung von Messsignalen umfasst. Die Hall-Sensoren der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 sind aber stationär, d.h. außerhalb der rotierenden Komponenten der Wuchteinrichtung angeordnet, und somit rotieren sie im Betrieb nicht mit der auszuwuchtenden Einheit.
Somit ist Merkmal e des Anspruchs 1 aus Sicht der Kammer - und wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung bereits dargelegt - der Druckschrift A1 nicht zu entnehmen.
2.1.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 zumindest durch das Merkmal e unterscheidet - d. h. unabhängig davon, ob die Merkmale e.1, f, f.1 und g des Anspruchs 1, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, weitere Unterscheidungsmerkmale darstellen (vgl. Nr. 2.1.1 oben, letzter Absatz, letzter Satz).
2.2 Unabhängiger Anspruch 9
2.2.1 Die Wuchteinrichtung des unabhängigen Anspruchs 9 unterscheidet sich von der Wuchteinrichtung des Anspruchs 1 im Wesentlichen durch die Präzisierung, dass die im Anspruch 1 erwähnten "zwei relativ zueinander verdrehbare[n] Komponenten" der rotierenden Einrichtung zum Messen der Drehstellungen (Merkmal f) aus einem Permanentmagneten und aus einem Sensor bestehen (Merkmal h), wobei der Sensor in der Lage ist, die Drehstellung des Permanentmagneten zu messen (Merkmal i).
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach ihre Argumente betreffend den Anspruch 1 auch für den unabhängigen Anspruch 9 gelten, sind nicht überzeugend, u.a. weil keiner der Magneten der Druckschrift A1, die von der Beschwerdeführerin als der ersten und der zweiten Komponente gemäß Anspruch 1 entsprechend identifiziert wurden (vgl. Nr. 2.1.1 oben, vierter Absatz, erster Unterabsatz), einen "Sensor" im Sinne des Merkmals h des unabhängigen Anspruchs 9 darstellt (vgl. Nr. 2.1.2 oben, erster Absatz).
Der Sensor und der relativ zu dem Sensor drehbar angeordnete Permanentmagnet gemäß dem unabhängigen Anspruch 9 (Merkmale h und h1) können auch als den Hall-Sensoren und den Permanentmagneten der Rotoren der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 entsprechend identifiziert werden. Es ist in dieser Hinsicht anzumerken, dass die Hall-Sensoren der Druckschrift A1 in der Lage sind, "die Drehstellung des Permanentmagneten zu messen" (Merkmal i des unabhängigen Anspruchs 9), dass einer Verstellung der Wuchtmasse eine Drehbewegung der Permanentmagneten relativ zu den Hall-Sensoren zugeordnet ist (Merkmal j), und dass durch die Relativstellung der Permanentmagneten gegenüber den Hall-Sensoren die absolute Drehstellung der Wuchtmassen auch "vorgegeben oder bestimmbar" ist (Merkmal j.1), siehe Nr. 2.1.1 oben, zweiter Absatz.
Die Hall-Sensoren der Druckschrift A1 sind - wie oben unter Nr. 2.1.2 bereits ausgeführt - stationär, d.h. sie rotieren im Betrieb nicht mit der auszuwuchtenden Einheit, sodass der Druckschrift A1 das Merkmal e - insbesondere die Kombination der Merkmale e und h - des unabhängigen Anspruchs 9 nicht zu entnehmen ist.
2.2.2 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 9 sich von der Wuchteinrichtung der Druckschrift A1 zumindest durch das Merkmal e unterscheidet.
2.3 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 neu gegenüber der Druckschrift A1 ist (Artikel 52 (1) i.V.m. Artikel 54 (1) EPÜ). Das gleiche gilt für den Gegenstand der Ansprüche 10, 13 und 14 aufgrund ihrer Rückbeziehung auf den unabhängigen Anspruch 1 bzw. 9, und für den Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 8, 11, 12 und 15.
Somit steht der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikeln 52 (1) und 54 (1) EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.
3. Erfinderische Tätigkeit - Druckschrift A1 als nächstkommender Stand der Technik
3.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 auf einer erfinderischen Tätigkeit sowohl gegenüber der Kombination der Druckschrift A1 mit dem Fachwissen als auch gegenüber der Kombination der Druckschrift A1 mit der Druckschrift A2 beruhe.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 9 - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und zwar gegenüber der Druckschrift A1 in Kombination mit dem Fachwissen oder mit jeder der Druckschriften A2 und A3 (Artikel 56 EPÜ).
3.2 Druckschrift A1 in Kombination mit dem Fachwissen bzw. mit der Druckschrift A2
3.2.1 Gemäß Artikel 12 (3) VOBK muss die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung angeben, "aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben", und dabei "ausdrücklich alle geltend gemachten [...] Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel im Einzelnen anführen". Gemäß Artikel 12 (5) VOBK "steht [es] im Ermessen der Kammer, Vorbringen eines Beteiligten nicht zuzulassen, soweit es die Erfordernisse nach [Artikel 12 (3) VOBK] nicht erfüllt".
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung hinsichtlich der Kombination der Druckschrift A1 mit dem Fachwissen bzw. mit der Druckschrift A2 besteht aus einer bloßen Wiederholung der entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen in dem Schreiben vom 17. Juni 2020 (vgl. Beschwerdebegründung, Nr. 2.1.1, und Schreiben vom 17. Juni 2020, Abschnitt "Inventive step"). Insbesondere enthält dieses Vorbringen kein Argument, das sich ausdrücklich oder zumindest implizit mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass dieses Vorbringen ausreichend sei. Dieser Auffassung kann die Kammer aber nicht folgen, weil eine Wiederholung des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren - wie von der Beschwerdegegnerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung vorgetragen, siehe z.B. Entscheidung T 566/18, Nr. 4.2 der Entscheidungsgründe - den Erfordernissen an eine hinreichende Substantiierung im Sinne des Artikels 12 (3) VOBK nicht genügt, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine darüberhinausgehende Befassung mit den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen tragenden Gründen fehlt.
Somit ist die Beschwerdebegründung hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Druckschrift A1 mit dem Fachwissen bzw. mit der Druckschrift A2 nicht ausreichend substantiiert. Insbesondere gibt das entsprechende Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht an, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben (vgl. Artikel 12 (3) VOBK).
3.2.2 Unter diesen Umständen übt die Kammer das ihr durch Artikel 12 (5) VOBK eingeräumte Ermessen dahingehend aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der Kombination der Druckschrift A1 mit dem Fachwissen bzw. mit der Druckschrift A2 nicht ins Verfahren zuzulassen.
3.3 Druckschrift A1 in Kombination mit der Druckschrift A3
3.3.1 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK ist "das Beschwerdevorbringen der Beteiligten auf die [...] Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen". Jeder Teil des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten, der die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK nicht erfüllt, ist gemäß Artikel 12 (4) VOBK "als Änderung zu betrachten, sofern der Beteiligte nicht zeigt, dass dieser Teil in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten wurde", wobei es "im Ermessen der Kammer [steht], solche Änderungen zuzulassen". Gemäß Artikel 12 (6) VOBK lässt die Kammer "Tatsachen, Einwände oder Beweismittel, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären [...], [...] nicht zu, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung".
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Kombination der Druckschrift A1 mit der Druckschrift A3 wurde, wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgebracht, und die Beschwerdeführerin hat dieser Auffassung nicht widersprochen. Außerdem hätte dieses Vorbringen nicht nur bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können, sondern auch dort vorgebracht werden müssen, und die Beschwerdeführerin hat keine Umstände der Beschwerdesache geltend gemacht, die die Zulassung dieses Vorbringens im Beschwerdeverfahren rechtfertigen könnte.
Es ist auch anzumerken, dass die Argumentationslinie basierend auf der Kombination der Druckschrift A1 mit der Druckschrift A3 in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert wurde, u.a. weil die Beschwerdebegründung nur einen pauschalen Verweis auf die Druckschrift A3 enthält, ohne sich dabei mit dem konkreten Offenbarungsgehalt der Druckschrift A3 auseinanderzusetzen. Die Tatsache, dass die Druckschrift A3 im erstinstanzlichen Verfahren bereits diskutiert wurde, kann - entgegen der während der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin - eine solche Substantiierung nicht ersetzen. Somit ist die Beschwerdebegründung hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Druckschrift A1 mit der Druckschrift A3 - ähnlich wie oben unter Nr. 3.2.1 für die Kombination der Druckschrift A1 mit dem Fachwissen bzw. mit der Druckschrift A2 bereits erläutert - nicht substantiiert (Artikel 12 (3) VOBK).
3.3.2 Unter diesen Umständen sieht sich die Kammer veranlasst, das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Kombination der Druckschrift A1 mit der Druckschrift A3 nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) i.V.m. Artikel 12 (2) VOBK bzw. Artikel 12 (6) VOBK bzw. Artikel 12 (3) und (5) VOBK).
4. Da der Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber der Druckschrift A1 nicht greift (vgl. Nr. 2 oben) und das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht zugelassen wird (vgl. Nr. 3 oben), ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.