T 2000/21 () of 26.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T200021.20230626
Datum der Entscheidung: 26 Juni 2023
Aktenzeichen: T 2000/21
Anmeldenummer: 16707098.6
IPC-Klasse: A24C 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINER ERSTEN UNTEREINHEIT EINES HNB-RAUCHARTIKELS MIT EINEM STABKÖRPER UND EINEM DARAN ANGEORDNETEN HOHLRAUM, EINE UNTEREINHEIT UND EINEN HNB-RAUCHARTIKEL
Name des Anmelders: Körber Technologies GmbH
Name des Einsprechenden: G.D S.p.A.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Aufhebung der Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/91
T 0181/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 3277107 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 3. November 2021.

II. Die Einspruchsabteilung hat im Wesentlichen entschieden, den Hilfsantrag 2 (Fassung des im geänderten Umfang aufrechterhaltenen Patents) in das Verfahren zuzulassen. Weiterhin hat sie festgestellt, dass der jeweilige Gegenstand der Ansprüche 1, 9 und 14 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

III. Am 26. Juni 2023 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 3 bis 5, vorgelegt mit der Beschwerdeerwiderung.

IV. Ansprüche der im geändertem Umfang aufrechterhaltenen Fassung

Anspruch 1 lautet:

Verfahren zur Herstellung einer ersten Untereinheit (2) eines HNB-Rauchartikels (1) mit einem Stabkörper (9) und einem daran angeordneten Hohlraum (14), wobei

- an einer der Stirnseiten des Stabkörpers (9) ein Rohrkörper (10) angeordnet und befestigt wird, wobei

- ein doppeltlanger Rohrkörper (21) zwischen zwei Stabkörpern (9) angeordnet und mit diesen verbunden und anschließend mittig geschnitten wird, wobei

- der Rohrkörper (10) mittels eines an dem Stabkörper (9) und an dem Rohrkörper (10) verklebten ersten Umhüllungsstreifens (6) an dem Stabkörper (9) befestigt wird, dadurch gekennzeichnet, dass

- der doppeltlange Rohrkörper (21) mit einer horizontal ausgerichteten Längsachse mittig geschnitten wird, und

- die beiden dadurch gebildeten ersten Untereinheiten (2)aus jeweils einem Stabkörper (9) mit einem daran gehaltenen Rohrkörper (10) anschließend in eine vertikale Ausrichtung mit jeweils einem nach oben geöffneten Hohlraum (14) der Rohrkörper (10) verdreht werden.

Anspruch 9 lautet:

Untereinheit (2) eines HNB-Rauchartikels (1) mit einem Stabkörper (9) und einem daran angeordneten Hohlraum (14) ,

- an einer der Stirnseiten des Stabkörpers (9) ein Rohrkörper (10) angeordnet und befestigt ist, wobei

- der Rohrkörper (10) mittels eines an dem Stabkörper (9)und an dem Rohrkörper (10) verklebten ersten Umhüllungsstreifens (6) an dem Stabkörper (9) befestigt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- der erste Umhüllungsstreifen (6) vollflächig mit dem Rohrkörper (10) und dem Stabkörper (9) verklebt ist,

- der Stabkörper (9) eine Wärmequelle ist, und

- der erste Umhüllungsstreifen (6) auf einer Oberfläche von maximal 30 %, bevorzugt von 20 % bis 30 %, der Mantelfläche der Wärmequelle verklebt ist.

Anspruch 14 lautet:

Untereinheit (2) eines HNB-Rauchartikels (1) mit einem Stabkörper (9) und einem daran angeordneten Hohlraum (14) ,

- an einer der Stirnseiten des Stabkörpers (9) ein Rohrkörper (10) angeordnet und befestigt ist, wobei

- der Rohrkörper (10) mittels eines an dem Stabkörper (9)und an dem Rohrkörper (10) verklebten ersten Umhüllungsstreifens (6) an dem Stabkörper (9) befestigt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- der erste Umhüllungsstreifen (6) vollflächig mit dem Rohrkörper (10) und dem Stabkörper (9) verklebt ist, wobei

- der Rohrkörper (10) vor der Befestigung an dem Stabkörper (9) an der Innenseite mit einer metallischen Beschichtung beschichtet ist.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Hilfsantrag 2 (der dem vorliegenden Hauptantrag entspricht) hätte seinerzeit von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen werden dürfen. Hierbei habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt, da sie die Regel 80 EPÜ nicht korrekt angewandt habe. Schließlich gebe es im Hilfsantrag 2 zwei unabhängige Vorrichtungs­ansprüche. Bereits einer der beiden Vorrichtungs­ansprüche würde bereits in der Lage sein, einen Einspruchsgrund zu beheben, so dass ein zweiter unabhängiger Anspruch nicht nötig sei, um das Patent zu verteidigen. Dies sei analog so auch in T 0181/02 entschieden worden.

Des weiteren seien die beiden unabhängigen Ansprüche nicht konvergent oder durch eine gemeinsame erfinderische Idee verbunden. Damit seien sie nicht äquivalent.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von D1.

D1 offenbare nicht die Merkmale C) und E) (vergleiche die Merkmalsgliederung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 6). Diese Merkmale trügen dazu bei, dass das Element aus Stabkörper und Rohrkörper stabiler sei, was den Schnittvorgang (Merkmal f)) erleichtere. Derartig steife Elemente seien aber aus der D7 bekannt. Dort werde ein Stabkörper mit einem Rohrkörper verbunden, indem diese mit einem Umhüllungsstreifen verklebt würden. Somit würde der Fachmann dieses Verfahren - wenn er denn die Stabilität des Rohrkörpers erhöhen wollte - in Betracht ziehen.

Weiterhin weise D1 darauf hin, dass anstelle des 6-fach Elements (Figur 2 der D1) in die Vorrichtung gemäß der D1, Figur 1 auch eine Endlosanordnung (continuous rod feeding arrangement) eingespeist werden könne, D1, Spalte 4, Zeilen 21 bis 34. Dies würde der Fachmann als Hinweis nehmen, die Endlosanordnung (continuous rod array) gemäß der D7, Figur 1, bestehend aus einer Vielzahl von Filtern und Rohrelementen (tubular member 40), die mit einem Mundstückpapier (plug wrap) zusammengehalten werden, anstelle des 6-fach Elements (Figur 2 der D1) in die Vorrichtung gemäß der D1, Figur 1 einzusetzen.

In Zusammenhang mit Anspruch 9 werde vorgebracht, dass die vollflächige Verklebung alleine keine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Überhaupt würden die verschiedenen Unterscheidungsmerkmale auch unterschiedliche Aufgaben lösen. Die Problem bzw. deren Lösungen seien im Stand der Technik, insbesondere in D6, D7 und D10 bekannt.

Was den Vorrichtungsanspruch 14 betreffe, so trage die metallische Beschichtung (das zweite Unterscheidungsmerkmal) nicht zur Lösung der Aufgabe - die Erhöhung der Stabilität - bei. Daher stellten sich unterschiedliche Aufgaben, die aber durch den jeweiligen Stand der Technik (D13 und das allgemeine Fachwissen) eine naheliegende Lösung erführen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erwiderte wie folgt:

Die unabhängigen Ansprüche 9 und 14 deckten jeweils unterschiedliche Ausführungsbeispiele ab. Die jeweils dort hinzugefügten Merkmalen behebten ein Einspruchsgrund, insofern sei Regel 80 EPÜ erfüllt. Auch sei im Einspruchsverfahren das Erfordernis der Einheitlichkeit nicht gegeben.

Im übrigen werde die Auffassung der Einspruchsabteilung geteilt, was die Frage der erfinderischen Tätigkeit angehe.

Der Fachmann würde übrigens nicht D7 in Betracht ziehen, um die dort gezeigte Endlosanordnung aus Stabkörper und Rohrkörper der Vorrichtung gemäß D1 zuzuführen. Zwar erwähne D1, dass auch andere als das gezeigte 6-fach Element zugeführt werden könne, aber Stabelement und Rohrkörper aus D7 unterschieden sich signifikant von dem, was Stabelement und Rohrkörper in D1 (und im Streitpatent) darstellten. So sei der Rohrkörper in D7 ein Mundstück, das nicht befüllt werden soll. Daher müsse es auch andere technische Eigenschaften aufweisen. Der Fachmann würde daher bei der Suche nach dem erwähnten Endloselement nicht auf das der Figur 1 der D7 stoßen.

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, den Hilfsantrag 2 in das Verfahren zuzulassen, aufzuheben.

Insbesondere kann die Kammer nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher bzw. unangemessener Weise ausgeübt hätte, vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, V.A.3.4.1.

1.1 So kann die Kammer nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung Regel 80 EPÜ nicht korrekt beachtet habe. Nach Ansicht der Kammer geht aus der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zitierten Rechtsprechung gemäß T0181/02 nicht hervor, dass zwei unabhängige Ansprüche der selben Kategorie nicht zwingend seien, um einen Einspruchsgrund auszuräumen und daher Hilfsantrag 2 mit zwei unabhängigen Ansprüchen 9 und 14 nicht in das Verfahren hätte zugelassen werden dürfen.

Die von der Beschwerdeführerin genannte Entscheidung ist insofern einschlägig, als dass dort explizit der vorliegende Fall als Ausnahme bezeichnet ist, in denen Änderungen durch einen Einspruchsgrund zu mehreren unabhängigen Ansprüchen führen können. Gemäß T0181/02 tritt eine solche Situation dann ein, wenn zwei erteilte abhängige Ansprüche sich auf einen angegriffenen unabhängigen Anspruch beziehen, vgl. Entscheidungsgründe, 3.2, zweiter Absatz. In diesem Fall deckt ein erteilter unabhängiger Anspruch mehrere erteilte Ausführungsbeispiele ab.

Genau das ist vorliegend der Fall: Der Anspruch 9 des strittigen Hauptantrags ist eine Kombination der Ansprüche 9 und 10; Anspruch 14 basiert auf den Ansprüchen 9 und 11 des angefochtenen Patents.

Letztlich stellen erteilte abhängige Ansprüche eine durch das Prüfungs- und Erteilungsverfahren vorbereitete und geprüfte Rückfallebene für genau derartige Fälle dar, nämlich wenn ein erteilter unabhängiger Anspruch im Einspruchsverfahren einzuschränken ist. Eine Beschränkung auf ein einziges Ausführungsbeispiel würde eine unangemessene Einschränkung des Patentinhabers bedeuten, sein Patent in einem Einspruchsverfahren zu verteidigen. Somit läuft auch das Argument der Beschwerdeführerin, die Ansprüche seien nicht durch eine gemeinsame erfinderische Idee verbunden und daher keine äquivalenten Ausführungsbeispiele, ins Leere (siehe dazu auch G 1/91).

2. Der Gegenstand der jeweiligen Ansprüche 1, 9 und 14 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Kammer folgt hierbei uneingeschränkt und in vollem Umfang der Entscheidung der Einspruchsabteilung.

Ergänzend wird festgestellt:

2.1 Selbst wenn man sich der Auffassung der Beschwerdeführerin anschlösse, dass die mit den unstrittig nicht in D1 offenbarten Merkmalen C und E des Anspruchs 1 zu lösende Aufgabe darin bestehe, die Stabilität für den Schnittvorgang zu erhöhen, so wäre dies nicht dem Fachmann, etwa durch die Lehre von D7 nahegelegt.

Es ist nicht erkennbar, warum der Fachmann den Weg der strittigen Erfindung beschreiten und das Verfahren aus D1 in den Grundzügen verändern sollte, anstatt die naheliegende Lösung auszuwählen, nämlich die Dicke des Rohrs zu erhöhen.

2.2 Das Fertigungsverfahren gemäß D2 beschreibt eine Umwicklung des Stabkörpers mit einem Film oder Papier. Ein stirnseitig am Stabkörper angeordneter Rohrkörper - wie in Anspruch 9 gefordert - würde zu einem völlig anderen Fertigungsverfahren führen, bei dem zunächst ein Rohrkörper zur Verfügung gestellt werden müsste.

Schon aus diesem Grund ist D2 nicht in der Lage die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen, da nicht plausibel ist warum der Fachmann diese Änderungen vornehmen sollte.

2.3 Auch die unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 14 in Bezug auf Dokument D7 sind nicht nahegelegt, wenn es darum geht, die Steifigkeit zu erhöhen. Insbesondere ist die Kombination der Merkmale, das heißt die vollflächige Verklebung und die metallische Beschichtung, nach Ansicht der Kammer dazu geeignet die Steifigkeit zu erhöhen.

Der von der Beschwerdeführerin genannte Stand der Technik lehrt dies nicht.

2.4 Des weiteren ist festzustellen, dass auch die von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragene Argumentationslinie in Bezug auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 die Kammer nicht überzeugt.

Dabei hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Fachmann es ohne erfinderisches Zutun in Betracht zöge, die Endlosanordnung (continuous rod array) gemäß der D7, Figur 1, bestehend aus einer Vielzahl von Filtern und Röhrchenteilen (tubular member 40), die mit einem Mundstückpapier (plug wrap) zusammengehalten werden, anstelle des 6-fach Elements (Figur 2 der D1) in die Vorrichtung gemäß der D1, Figur 1 einzuspeisen. Den Hinweis dazu bekäme der Fachmann aus der D1, Spalte 4, Zeilen 21 bis 34.

Aus Sicht der Kammer würde der Fachmann den Hinweis in der D1, dass eine Endlos-Rohranordnung (continuous rod feeding arrangement) ebenfalls würde verwendet werden können nicht auf das Element der Figur 1 der D7 beziehen. Insbesondere bilden die Rohrkörper gemäß der D7 ein Mundstück, was nicht zu füllen ist, der Rohrkörper in D1 (und im Streitpatent) aber mit Granulat gefüllt wird. Dies führt praktisch dazu, dass die Rohrkörper in ihren weiteren technischen Eigenschaften anders beschaffen sein müssen. Somit beruht auch diese Argumentation der Beschwerdeführerin auf eine rückschauenden Betrachtungsweise.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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