European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T190821.20230516 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Mai 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1908/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14741640.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61H 19/00 A61H 9/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | STIMULATIONSVORRICHTUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Novoluto GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | FUN FACTORY GmbH Hu, Xiaorong EIS GmbH Triple A Sales GmbH |
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Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - im Beschwerdeverfahren Erfinderische Tätigkeit - (nein) Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechenden E1 (FUN FACTORY GmbH) und E3 (EIS GmbH) legten jeweils eine Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, ihren Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2976057 zurückzuweisen.
II. Im anhängigen Beschwerdeverfahren erklärte die Triple A Sales GmbH (im folgenden die Beitretende), dass sie dem Einspruchsverfahren beitrete. In der Beitrittserklärung erhob sie zugleich Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung.
III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 16. Mai 2023 statt.
Die Beschwerdeführerin/Einsprechende E1 und die Verfahrensbeteiligte/Einsprechende E2 nahmen nicht an der mündlichen Verhandlung, zu der sie ordnungsgemäß geladen waren, teil. Die Kammer war vorab darüber informiert worden.
IV. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende E1 und E3) und die Beitretende beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der am 17. April 2023 eingereichten Hilfsanträge I bis V aufrechtzuerhalten.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) mit in Fettdruck hinzugefügten Merkmalsnummerierung lautet wie folgt:
1 "Stimulationsvorrichtung (1) für die Klitoris (12) zur sexuellen Erregung bis zum Klimax, aufweisend:
2 eine Druckfelderzeugungseinrichtung (2) mit:
3 einer ersten Kammer (3)
3a mit einer einzigen Öffnung; und
4 einer zweiten Kammer (4)
4a mit einer Öffnung (42) zum Aufsetzen über die Klitoris (12); und
5 einem Verbindungselement (5),
5a welches die erste Kammer (3) mit der zweiten Kammer (4) verbindet; und
6 einer Antriebseinheit (6),
6a welche das Volumen der ersten Kammer (3)
6b durch Auslenkung einer flexiblen Wand der ersten Kammer (3) derart verändert,
6c dass über das Verbindungselement (5) in der zweiten Kammer (4) ein stimulierendes Druckfeld erzeugt wird; und
7 eine Steuereinrichtung (7), welche die Antriebseinheit (6) ansteuert,
8 wobei das in der zweiten Kammer (4) erzeugte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken besteht, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind; und
9 wobei in der Steuereinrichtung (7) die Modulation des Druckfelds vorgespeichert ist, und
10 wobei die erste Kammer (3) mit ihrer einzigen Öffnung über das Verbindungselement (5) ausschließlich mit der zweiten Kammer (4) verbunden ist, und
11 wobei die Stimulationsvorrichtung (1) ein batteriebetriebenes Handgerät ist, und
12 wobei die Druckfelderzeugungseinrichtung (2) keine Ventile aufweist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags I weist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags folgende Änderungen im Merkmal 1 auf (Hervorhebungen seitens der Kammer):
1 "Verwendung einer Stimulationsvorrichtung (1) als Stimulationsvorrichtung für die Klitoris (12) zur sexuellen Erregung bis zum Klimax, [deleted: aufweisend]wobei die
Stimulationsvorrichtung umfasst:"
In Anspruch 1 des Hilfsantrags II ist gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags I das Merkmal 8 entfernt worden. Darüber hinaus weist Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags I folgende Änderungen in den Merkmalen 1 und 6c auf (Hervorhebungen seitens der Kammer):
1 "Verwendung einer Stimulationsvorrichtung (1) als Stimulationsvorrichtung für die Klitoris (12) zur
sexuellen Erregung bis zum Klimax, wobei wenn die Stimulationsvorrichtung über die Klitoriseichel aufgesetzt ist, sich ein auf die Klitoris gerichtetes, stimulierendes Druckfeld bestehend aus einem Muster von Unter- und Überdrücken, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind, ausbildet, wobei die Stimulationsvorrichtung [deleted: umfasst]aufweist:"
6c "dass über das Verbindungselement (5) in der zweiten Kammer (4) [deleted: ein]das stimulierende[deleted: s] Druckfeld erzeugt wird; und"
Anspruch 1 des Hilfsantrags III weist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags folgende Änderungen im Merkmal 9 auf (Hervorhebungen seitens der Kammer):
"wobei in der Steuereinrichtung die Modulation des Druckfelds vorgespeichert ist, sodass die Steuereinrichtung die Modulation des Druckfelds weitgehend automatisch steuern kann, und"
Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das weitere Merkmal am Ende des Anspruchs:
"wobei das zumindest eine Verbindungselement (5) zumindest eine Öffnung (51) aufweist, die dem zu stimulierenden Körperteil (11) gegenüberliegt, und auf das zu stimulierende Körperteil (11) gerichtet ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags V weist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags sowohl die zu Hilfsantrag III wie auch die zu Hilfsantrag IV genannten Änderungen auf.
VI. Die Entgegenhaltung D51 (FR 2 746 639 A1) ist für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung.
VII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerinnen (E1 und E3) und der Beitretenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Die D51 offenbare eine Massagevorrichtung und werde als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 angesehen.
Im Hinblick auf Merkmale 1 und 4a enthalte das Streitpatent weder Angaben zur Größe der Öffnung der ersten Kammer noch zur Stärke des in der zweiten Kammer erzeugten Druckfelds. Die Vorrichtung der D51 weise eine Öffnung 6 zum Aufsetzen auf die Haut und somit über die Klitoris auf. Ferner stimuliere das erzeugte Druckfeld die Haut. Die Frage, ob die Vorrichtung "für die Klitoris zur sexuellen Erregung bis zum Klimax" geeignet sei, liege weniger in der Art der Vorrichtung als vielmehr in den Vorlieben der Anwenderin. Außerdem unterscheide Absatz [0057] des Streitpatents nicht zwischen der Eignung für die Klitoris und der Eignung für andere Körperteile.
Die auf Seite 3, Zeilen 17-19 der D51 offenbarte Variante des Ausführungsbeispiels der Figur 1 verwende einen verformbaren Edelstahlbalg, der eine Wand der Kammer 9 bilde. Durch die zyklische Verformung des Balgs werde das Volumen der Kammer 9 derart verändert, dass über den Schlauch 6 in der Kammer 11 innerhalb der Haube 5 ein Druckfeld aus Unter- und Überdrücken erzeugt werde. Somit offenbare die D51 Merkmal 6b.
Das Streitpatent lasse offen, was in Merkmal 11 unter "Handgerät" zu verstehen sei. Es sei aus den Figuren der D51 und der offenbarten Anwendung auf der Haut ersichtlich, dass die Vorrichtung händisch getragen werden kann und somit ein Handgerät sei.
Folglich offenbare die D51 alle Merkmale des Anspruchs 1 mit der Ausnahme, dass die Vorrichtung batteriebetrieben sei.
Die Vorrichtung der D51 werde elektrisch betrieben, die Art der Spannungsversorgung werde jedoch offen gelassen. Die Verwendung einer Batterie, ggf. anstelle einer kabelgebundenen Spannungsversorgung, sei trivial und liege für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens nahe.
Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge I und II - Zulassung
Die Hilfsanträge I und II seien nicht zuzulassen. Die Eignung einer Massagevorrichtung im Hinblick auf Merkmale 1 und 4a sei bereits in den Beschwerdebegründungen und in der Beitrittserklärung ausführlich diskutiert worden. Die Beschwerdegegnerin hätte die vorläufige Meinung nicht abwarten dürfen, sondern die Anträge spätestens mit der Beschwerdeerwiderung einreichen sollen.
Hilfsanträge III bis V - erfinderische Tätigkeit
Die zusätzlichen Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge III bis V seien ebenfalls in der D51 offenbart. Somit beruhten auch die Gegenstände dieser Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung von D51
D51 solle nicht zugelassen werden. D51 sei von der Beschwerdeführerin E3 nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und damit verspätet eingereicht worden. Dass D51 auch mit der Beitrittserklärung eingereicht worden sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Beitretende und die Beschwerdeführerin E3 Tochterunternehmen der selben Unternehmensgruppe seien.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
D51 betreffe eine Vorrichtung für eine tiefgreifende Massage der Haut. Dafür sind starke Über- und Unterdrücke notwendig, die eine Verletzungsgefahr für die hochempfindliche Klitoris darstellen. D51 offenbare daher keine Eignung für die Klitoris zur sexuellen Erregung bis zum Klimax (Merkmal 1). Darüber hinaus lasse D51 keine Rückschlüsse darüber zu, ob die Öffnung der Haube zum Aufsetzen über die Klitoris ausgestaltet sei (Merkmal 4a).
Der in D51 genannte Edelstahlbalg befinde sich innerhalb der ersten Kammer und sei daher keine flexible Wand der ersten Kammer (Merkmal 6b).
Es sei aus den Figuren der D51 nicht ersichtlich, ob es sich bei der Vorrichtung um ein Handgerät handele. Der lange Schlauch in Figur 1 weise darauf hin, dass es sich nicht um ein kompaktes Gerät handele. Darüber hinaus sei die Vorrichtung nicht batteriebetrieben. Merkmal 11 sei somit nicht offenbart.
Ferner sei der kommerzielle Erfolg des Produktes der Beschwerdegegnerin als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten.
Hilfsanträge I und II - Zulassung
Aufgrund der durchgehend positiven erstinstanzlich geäußerten vorläufigen Meinung und der angefochtenen Entscheidung habe kein Anlass bestanden, schon früher weitere Hilfsanträge einzureichen. Die vorläufige Meinung der Kammer sei aufgrund des beschleunigten Beschwerdeverfahren erst Monate nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellt worden, was außergewöhnliche Umstände darstelle. Erst mit dem in der vorläufigen Meinung der Kammer erstmals angesprochenen Verständnis der Merkmale 1 und 4a seien die Hilfsanträge vorsorglich eingereicht worden, obwohl in der Mitteilung auch festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin und die Beitretende nicht vollständig vorgetragen haben.
Die Einreichung der neuen Hilfsanträge vor der mündlichen Verhandlung gebe den Parteien und der Kammer ausreichend Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Der vorgenommene Kategoriewechsel räume die die erfinderische Tätigkeit betreffenden Einwände aus und rufe keine neuen Einwände hervor. Der Kategoriewechsel sei nicht überraschend, da die ursprünglich eingereichten Ansprüche bereits Verwendungsansprüche enthalten hätten.
Außerdem sei die D51 erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereicht worden, so dass der Beschwerdegegnerin eine angemessene Möglichkeit zur Erwiderung gegeben werden müsse.
Entscheidungsgründe
1. Das Patent
Das Patent betrifft eine Stimulationsvorrichtung für erogene Zonen, und zwar für die Klitoris sowie ein System mit einer solchen Stimulationsvorrichtung. Die erogenen Zonen des menschlichen Körpers können mit einer Vielzahl von Hilfsmitteln stimuliert werden. Die direkte Stimulation der Klitoris, zum Beispiel mit einem Auflagevibrator, ist jedoch problembehaftet. Vakuumvorrichtungen zur indirekten Stimulation können die Klitoris reizen, indem der Druckunterschied die Klitoris erweitert und ihre Durchblutung stimuliert. Die Einschränkungen einer manuell betriebenen Vakuumpumpe können mit einer elektrisch angetriebenen Vakuumpumpe überwindet werden. Letztere können aber aus hygienischen Gründen und, weil sie eine Austrocknung der Klitoris verursachen können, problematisch sein. Darüber hinaus können bei der Verwendung sowohl von Auflagevibratoren wie von Vakuumvorrichtungen Gewöhnungseffekte auftreten.
Das Patent betrifft eine Stimulationsvorrichtung für die Klitoris, die ein Austrocknen der Klitoris vermeiden, hygienisch und sicher sein und Gewöhnungseffekte vermeiden soll.
Eine Ausführungsform der erfindungsgemäßen Stimulationsvorrichtung ist in der nachstehend wiedergegebene Abbildung 3 dargestellt. Wie in Anspruch 1 definiert, weist die Stimulationsvorrichtung (1) eine Druckfelderzeugungseinrichtung (2) mit einer ersten Kammer (3), einer zweiten Kammer (4), einem Verbindungselement (5), welches beide Kammer verbindet, und einer Antriebseinheit (6) auf. Die erste Kammer hat eine einzige Öffnung und die zweite Kammer hat eine Öffnung (42) zum Aufsetzen über die Klitoris. Die Druckfelderzeugungseinrichtung weist keine Ventile auf. Darüber hinaus weist die Stimulationsvorrichtung eine Steuereinrichtung (7) auf.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
2. Beitritt
2.1 Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, dass die Beitretende und die E3 zur gleichen Unternehmensgruppe gehörten. Dies steht der Zulässigkeit des Beitritts jedoch nicht entgegen, da es sich jeweils um selbständigen juristischen Personen handelt (vgl. G 3/97, Gründe 2.1-3.2.2 und T 1702/17, Gründe 1.4-1.6). Der Beitritt ist daher zulässig.
2.2 Der Beitritt erfolgte während des Beschwerdeverfahrens. Daher kann die Beitretende nicht die Stellung einer Beschwerdeführerin erlangen, sondern allenfalls die einer Einsprechenden (siehe G 3/04, Gründe 5-7 und 10-11). Darüber hinaus hat die Beitretende die Beschwerdegebühr nicht entrichtet. Demnach gilt die Beschwerde der Beitretenden als nicht eingelegt.
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Beitretende hat die Entgegenhaltung D51 sowie den darauf basierenden Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit bereits mit der Beitrittsbegründung eingereicht. Diese sind daher rechtzeitig im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ vorgebracht worden. Folglich hat die Kammer die Entgegenhaltung D51 und den darauf basierenden Einwand berücksichtigt.
3.2 Die D51 betrifft eine Vorrichtung zur Massage der Haut, die eine tiefgreifende Massage der verschiedenen Haut- und Muskelgewebe mit abwechselnden Überdruck und Unterdruck ermöglicht (siehe Zusammenfassung und Seite 1, Zeilen 1-3). In dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 wird ein geschlossener Behälter 11 gebildet, wobei eine Wand des Behälters durch die Haut 1 des Patienten gebildet wird. Eine Antriebseinheit verändert das Volumen der Kammer 9, um eine zyklische Änderung des Drucks im Behälter und somit auch innerhalb der Haube 5 zu ermöglichen (Seite 1, Zeile 30 bis Seite 3, Zeile 13).
Es ist unstrittig, dass die D51 die Merkmale 2-4, 5-6a, 6c-10 und 12 offenbart. Es ist ebenfalls unstrittig, dass die D51 kein batteriebetriebenes Gerät offenbart (Teil des Merkmals 11).
3.3 Merkmale 1 und 4a
Die sexuelle Stimulation der Klitoris wird in der D51 nicht erwähnt. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, dass die Vorrichtung der D51 nicht "für die Klitoris zur sexuellen Erregung bis zum Klimax" und die Haubenöffnung 6 nicht "zum Aufsetzen über die Klitoris" geeignet sei. Dies liege zum einen daran, dass die Klitoriseichel besonders berührungsempfindlich sei und der Hohlraum der zweiten Kammer ausreichend groß zur Vermeidung von physischem Kontakt mit der Klitoriseichel sein solle, um eine berührungslose Stimulation der Klitoris zu ermöglichen. Zum anderen sei die Vorrichtung der D51 für eine tiefgreifende Massage der Haut erzeugte Druckfeld nicht notwendigerweise "für die Klitoris zur sexuellen Erregung bis zum Klimax" geeignet und könne sogar eine Verletzungsgefahr für die hochempfindliche Klitoris darstellen.
Merkmal 4a verlangt jedoch nicht, dass die Öffnung über die Klitoris aufgesetzt werden kann, ohne dass die Klitoriseichel berührt wird. Weder Anspruch 1 noch das Streitpatent enthalten spezifische Angaben zur Dimensionierung der Öffnung der zweiten Kammer. Ferner offenbart die D51, dass unterschiedlich große Hauben verwendet werden können (siehe Seite 3, Zeilen 23-25 und Figuren 1-2).
Auch im Bezug auf die Stärke des erzeugten Druckfelds finden sich weder in Anspruch 1 noch im Streitpatent konkrete Angaben. Ob sich der erzeugte Druck einer Massagevorrichtung für die Haut für die Klitoris zur sexuellen Erregung bis zum Klimax eignet, hängt vor allem vom Empfinden und den Vorlieben der Benutzerin ab. Daher ist auch die Vorrichtung der D51 dafür geeignet.
Darüber hinaus unterscheidet das Streitpatent nicht zwischen der Eignung für die Klitoris und der Eignung für andere Körperteile, vielmehr heißt es in Absatz [0057]: "die Anwendung der vorliegenden Erfindung ist jedoch nicht auf die weibliche Klitoris 11 beschränkt, sondern die Stimulationsvorrichtung 1 kann auf alle Körperteile bzw. erogenen Zonen (beispielsweise die Innenseite der Oberschenkel, die Lenden, Nacken, Brustwarzen, etc.) angewandt werden, welche mittels Medien- bzw. Luftdruckmassage und/oder Unterdruck stimuliert werden können".
Folglich offenbart die D51 Merkmale 1 und 4a.
3.4 Merkmal 6b
Der Einwand ausgehend von der D51 stützt sich auf die auf Seite 3, Zeilen 17 bis 19 beschriebene Variante des Ausführungsbeispiels der Figur 1, bei der anstelle des Kolbens 8 ein verformbarer Edelstahlbalg verwendet wird. Die Wandung der Kammer 9 besteht somit in dieser Variante aus dem Zylinder 7 und dem Edelstahlbalg (vgl. Kolben 8 in Figur 1; siehe auch Balg 26 im Ausführungsbeispiel der Figur 9 und Seite 5, Zeilen 4-9).
Durch die zyklische Verformung des verformbaren - und somit flexiblen - Balgs wird das Volumen der (ersten) Kammer 9 verändert. Dies erzeugt das stimulierende Druckfeld im Behälter und somit auch in der (zweiten) Kammer 5 (siehe entsprechende Beschreibung für die Zylinder-Kolben-Anordnung auf Seite 3, Zeilen 1-11). Somit wird in der Vorrichtung der D51 das Volumen der ersten Kammer 9 "durch Auslenkung einer flexiblen Wand der ersten Kammer" verändert, wie von Merkmal 6b verlangt.
3.5 Merkmal 11
Merkmal 11 gibt an, dass die Stimulationsvorrichtung ein "batteriebetriebenes Handgerät" ist.
Das Streitpatent lässt offen, was "Handgerät" hinsichtlich Dimensionierung und Gewicht bedeutet. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, der in Figur 1 der D51 angedeutete lange Schlauch 4 lasse vermuten, dass es sich nicht um ein kompaktes Gerät handele. Die (vermutete) Länge des Schlauchs ist jedoch für die Handlichkeit des Geräts nicht entscheidend. Nichts in der D51 deutet darauf hin, dass das Gerät unhandlich sein sollte. Vielmehr lassen die Figuren der D51 und die beschriebene Verwendung auf der Haut darauf schließen, dass das Gerät eine Größe hat, die seiner Handlichkeit und Tragbarkeit nicht entgegensteht. Daher ist die Vorrichtung der D51 als "Handgerät" anzusehen. Nicht offenbart ist hingegen, dass das Gerät batteriebetrieben ist.
3.6 Folglich offenbart D51 alle Merkmale mit der Ausnahme, dass das Gerät batteriebetrieben ist.
3.7 Die Vorrichtung der D51 wird elektrisch betrieben, wobei die Art der Spannungsversorgung offen gelassen wird. Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass die Verwendung einer Batterie - gegebenenfalls anstelle einer kabelgebundenen Spannungsversorgung - bei einer solchen Vorrichtung naheliegend ist. Somit gelangt der Fachmann ausgehend von der Vorrichtung der D51 aufgrund seines Fachwissens auf eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.8 Vor diesem Hintergrund kann der behauptete kommerzielle Erfolg der von der Beschwerdegegnerin vermarkteten Vorrichtung, der als sekundäres Beweisanzeichen ohnehin nur in Zweifelsfällen von Bedeutung ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, I.D.10.1), zu keinem anderen Ergebnis führen.
4. Hilfsanträge I und II - Zulässigkeit
4.1 Es ist unstreitig, dass die neuen Hilfsanträge I und II eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung darstellt. Nach Artikel 13 (2) VOBK könnten diese Anträge deshalb nur zugelassen werden, wenn die Beschwerdegegnerin stichhaltige Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aufgezeigt hätte.
4.2 Die Beschwerdegegnerin sieht in den neuen Hilfsanträgen eine Reaktion auf die nach ihrer Auffassung verspätet vorgelegte Entgegenhaltung D51. Die D51 wurde jedoch mit der Beitrittserklärung eingereicht und ist deshalb - auch wenn sie und der auf ihr basierende Einwand erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereicht wurden - nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht verspätet. Darüber hinaus ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung mehr als vier Monate nach der Beitrittserklärung zugestellt worden. Die Beschwerdegegnerin hatte somit vor Zustellung der Ladung ausreichend Zeit, sich damit zu befassen und darauf zu reagieren, was sie in ihrer Beschwerdeerwiderung auch getan hat. Dass die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK erst Monate nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergeht ist weder ungewöhnlich noch stellt dies außergewöhnliche Umstände dar.
4.3 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, es sei nicht erkennbar gewesen, dass die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung den Argumenten der Beschwerdeführerinnen und der Beitretende im Hinblick auf Merkmale 1 und 4a folgen und von der angefochtenen Entscheidung abweichen könnte. Allerdings gehört es zur Natur des Beschwerdeverfahrens, dass eine Beschwerdekammer im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu einer von der ersten Instanz oder ihrer eigenen vorläufigen Meinung abweichenden Beurteilung kommt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, V.A.4.5.6.h) und i)). Es stellt deshalb ebenfalls keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK dar, dass die Kammer in der mündlichen Verhandlung von ihrer vorläufigen Meinung zu der Frage, ob die D51 Merkmal 6b offenbart, abgewichen ist.
4.4 Die Beschwerdegegnerin macht ferner geltend, dass die ursprünglich eingereichten Ansprüche bereits einen Verwendungsanspruch enthalten hätten und dass diese Änderung den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit beseitige. Es bleibt jedoch offen, weshalb diese Änderung nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorgebracht wurde und worin außergewöhnliche Umstände im Beschwerdeverfahren vorliegen könnten.
4.5 Somit liegen keine außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK vor. Die Kammer hat daher die Hilfsanträge I und II nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
5. Hilfsanträge III bis V - erfinderische Tätigkeit
Die D51 offenbart, dass die Steuereinrichtung die Modulation des Druckfelds automatisch steuern kann (siehe Seite 3, Zeilen 15-17). Außerdem weist der Schlauch 4 eine Öffnung auf, die der zu stimulierenden Haut gegenüberliegt und auf diese gerichtet ist (Öffnung gegenüber der Öffnung 6 in der Figur 1). Somit sind auch die zusätzlichen Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge III bis V in der D51 offenbart. Folglich beruhen die Gegenstände dieser Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der D51.
6. Da keine zulässigen bzw. gewährbaren Anspruchssätze vorliegen, ist das Streitpatent zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.