European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T155321.20230302 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 März 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1553/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11176505.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A24C 5/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung und Verfahren zum Fördern eines Stranges der tabakverarbeitenden Industrie | ||||||||
Name des Anmelders: | Körber Technologies GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | G.D S.p.A. | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdeschrift Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdegegenstand festgelegt (ja) Grundlage des Verfahrens - erstinstanzliche Ermessenentscheidung Grundlage des Verfahrens - korrekte Kriterien angewandt (ja) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag 1 (nein) Neuheit - Hilfsantrag 2 (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja) Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein) Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2417861 aufgrund des Artikels 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass das Patent wie erteilt die Erfordernisse des Artikels 100a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ erfüllt. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
III. In der angefochtenen Entscheidung wird unter anderem von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D1: US 4,924,885
D2: GB 1,131,919
IV. Am 2. März 2023 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent gemäß einem der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1a, 1b und 1c oder einem der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.
V. Der Hauptantrag entspricht der erteilten Fassung und umfasst zwei unabhängige Ansprüche. Anspruch 1 lautet (Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin aus dem Einspruchsverfahren übernommen):
a) Vorrichtung zum Fördern eines Stranges der tabakverarbeitenden Industrie
b) in einer Förderrichtung mit einem als Untertrum eines Saugbandes, an welchem ein Tabakfaserstrang hängend gefördert wird, ausgebildeten Strangförderband (100a, 100b, 100c)
c) und mehreren das Strangförderband (100a, 100b, 100c) führenden Führungselementen (211, 212, 311, 312, 313, 314),
d) wobei die Führungselemente (211,212; 311,312,313,314) teilweise als statische Auflagen (211, 212) und teilweise als bewegliche Auflagen (311, 312, 313, 314) ausgebildet sind,
e) wobei die beweglichen Auflagen mindestens in einem Bereich (121, 122, 131, 132) der Vorrichtung mit einem gegenüber anderen Bereichen (121, 122, 131, 132) der Vorrichtung erhöhten Druck der Führungselemente (211, 212; 311, 312, 313, 314) auf das Strangförderband (100a, 100b, 100c) angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
f) die beweglichen Auflagen in einem Bereich (121, 122, 131, 132) der Vorrichtung mit einer Änderung der Förderrichtung angeordnet sind.
Anspruch 9 wie erteilt lautet:
Verfahren zum Fördern eines Stranges der tabakverarbeitenden Industrie mittels eines als Untertrum eines Saugbandes, an welchem ein Tabakfaserstrang hängend gefördert wird, ausgebildeten Strangförderbands (100a, 100b, 100c), umfassend den Schritt:
Führen des Strangförderbands (100a, 100b, 100c),
wobei das Führen des Strangförderbands (100a, 100b, 100c) mittels mehrerer Führungselemente (211, 212; 311, 312, 313, 314) erfolgt,
die teils als statische Auflagen (211, 212) und teils als bewegliche Auflagen (311, 312, 313, 314) ausgebildet sind, und
wobei das Strangförderband (100a, 100b, 100c) mindestens in einem Bereich (121, 122,131,132) mit einem gegenüber anderen Bereichen (121, 122, 131,132) erhöhten Druck der Führungselemente (211, 212; 311, 312, 313, 314) auf das Strangförderband (100a, 100b, 100c) durch die beweglichen Auflagen geführt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Strangförderband in einem Bereich mit einer Änderung der Förderrichtung durch die beweglichen Auflagen geführt wird.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde um die Merkmale des erteilten Anspruchs 2 wie folgt ergänzt. Der Verfahrensanspruch blieb unverändert.
"wobei die Führungselemente (211, 212; 311, 312, 313, 314) in zumindest zwei Abschnitten angeordnet sind, wobei in einem der beiden Abschnitte das Strangförderband (100a, 100b, 100c) nur durch die beweglichen Auflagen und in dem anderen der beiden Abschnitte nur durch die statischen Auflagen geführt wird, und wobei die Abschnitte derart angeordnet sind, dass das Strangförderband (100a, 100b, 100c) die Abschnitte in Förderrichtung nacheinander passiert."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht dem des Hilfsantrags 1. Der Verfahrensanspruch wurde gestrichen.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit des Neuheitseinwands gegenüber D1
Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) habe die Einspruchsabteilung das Kriterium der prima-facie Relevanz korrekt angewendet. Eine a-posteriori geführte gründliche Prüfung der Neuheit müsse schließlich nicht zwingend zur Neuheitsschädlichkeit führen.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D1
Die Einspruchsabteilung sei bei ihrer Entscheidung, dass D1 nicht neuheitsschädlich sei, von falschen Annahmen ausgegangen. Auch habe die Einspruchsabteilung den Anspruchswortlaut zu eng ausgelegt.
Zum einen beginne das Strangförderband in D1 (Figur 1) nicht erst im Aufschauerbereich 12, sondern bereits bei der Umlenkrolle 1. Eine Fördervorrichtung sei eine physische und keine virtuelle Einheit, die erst mitten in der Vorrichtung beginne. Die Auslegung der Einspruchsabteilung sei artifiziell.
Weiterhin sei dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen, dass die im Anspruch genannten Bereiche der Vorrichtung sich auf Bereiche beschränkten, in denen das Band tatsächlich einen Tabakstrang hängend fördere. Auch sonst werde der Begriff "Bereich" in Anspruch 1 nicht weiter definiert oder eingeschränkt. So werde auch nicht definiert, in welchen Abstand die beweglichen Auflagen in dem Bereich der Richtungsänderung anzuordnen seien. Der Bereich der Rollen 26, 27, in dem eine Richtungsänderung des Bandes 3 gegenüber dem vorangehenden Bereich zwischen den Rollen 26, 1 gemäß Merkmal f erfolge, falle daher in den Anspruchswortlaut. Ein weiterer, in den Anspruchswortlaut fallender Bereich sei in D1 zwischen den Rollen 28, 2 für Band 4 offenbart, in dem eine Richtungsänderung gegenüber dem Bereich zwischen den Rollen 28, 1 erfolge. Das Merkmal f sei somit aus D1 bekannt.
Zum anderen sei Merkmal e durch die Richtungsänderung an den Auflagen - entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung - aufgrund mechanischer Grundgesetze implizit offenbart. Eine Richtungsänderung habe immer eine Druckerhöhung an der Auflage zur Folge. Die Situation an den Rollen sei bei allen Strangfördervorrichtungen, insbesondere bei der der Streitschrift und der der D1, die gleiche.
Aus den gleichen Gründen sei auch das Verfahren nach Anspruch 9 neuheitsschädlich getroffen.
Zulassung der Hilfsanträge 1a-c
Es gebe keinen Grund für die Zulassung einer dieser Hilfsanträge, zumal sich bereits diskutierfähige Hilfsanträge im Verfahren befänden. Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende) zur Neuheit habe sich im Vergleich zum Einspruchsverfahren nicht geändert. Insbesondere das Argument, dass Anspruch 1 den Begriff "Bereich" nicht auf Bereiche einschränke, an denen an der Bandunterseite tatsächlich ein Strang hänge, sei bereits erstinstanzlich diskutiert worden. Es gebe daher keine stichhaltigen Gründe, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen.
Weiterhin basiere die Änderung in Hilfsantrag 1a auf einer Umformulierung von verschiedenen Stellen der Beschreibung, so dass nicht unmittelbar ersichtlich sei, ob die Erfordernisse der Artikel 84 und 123 EPÜ erfüllt seien.
Die Änderungen in den Hilfsanträgen 1b und 1c seien nicht durch den Verfahrensverlauf motiviert und hätten bereits erstinstanzlich erfolgen können. Bzgl. Hilfsantrag 1c sei auch nicht ersichtlich, warum der in Anspruch 1 ergänzte erteilte Anspruch 6 besser zur Differenzierung von D1 geeignet sein solle als der in Hilfsantrag 2 dem Anspruch 1 hinzugefügte erteilte Anspruch 2.
Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber D1
Der Verfahrensanspruch entspräche dem des Hauptantrags und sei daher nicht neu gegenüber D1.
Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch ausgehend von D2 (Figur 3) kombiniert mit Fachwissen. D2 sei entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung nicht gattungsfremd. D2 beziehe sich auf eine Vorrichtung zur Förderung eines Strangs der tabakverarbeitenden Industrie. Darunter falle auch die Förderung von den in D2, Spalte 1, Zeilen 13 bis 20, genannten Zigarettenfiltern.
D2 offenbare in Figur 3 ein Strangförderband 51 mit einem erstem Abschnitt mit nur beweglichen Auflagen, der sich sich am unteren, horizontalen Bandbereich befinde.
Anspruch 1 unterscheide sich lediglich durch die statischen Auflagen. Es gehöre jedoch zum Fachwissen, dass das Strangförderband 51 an seinem Untertrum - insbesondere an seinem geneigten Abschnitt (vgl. Figur 3) - durch statische Auflagen stabilisiert werde, da das Band sonst unerwünschter Weise unter der Saugwirkung seine flache Lage nicht behalten würde.
Die Anordnung von statischen Auflagen in diesem zweiten, geneigten Abschnitt des Bandes 51 führe daher auf naheliegende Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1, der somit keine erfinderische Tätigkeit beinhalte.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde entspreche nicht den Vorschriften des Artikels 108 Satz 1 mit Regel 99(1)c) EPÜ. Insbesondere enthalte die am 10. September 2021 eingereichte Beschwerdeschrift keinen Antrag, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt sei. Die T 0420/03 (Gründe 1.2.2) bestätige die explizite Antragserfordernis in der Beschwerdeschrift. Darin sei festgestellt worden, dass die Einreichung einer Beschwerdeschrift, in der die angefochtene Entscheidung genannt wird, nicht als eine Erklärung über den Umfang der Beschwerde ausgelegt werden könne.
Zulässigkeit und Substanziierung des Neuheitseinwands gegenüber D1
Der Neuheitseinwand sei im Einspruchsverfahren verspätet vorgebracht worden. Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen bei der Entscheidung, den Neuheitsangriff zuzulassen, falsch ausgeübt. Die Begründung, dass D1 bereits als nächstliegender Stand der Technik vorgebracht worden und im Rahmen der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit sowieso eine Merkmalsanalyse erforderlich sei, sei kein zulässiges Argument - auch nicht in Kombination mit einer angeblichen, jedoch nicht begründeten prima-facie Relevanz (angefochtene Entscheidung, Punkt 14.1).
Der Neuheitseinwand sei des weiteren nicht ausreichend substanziiert, da nur zu den Merkmalen e und f, jedoch nicht zu den Merkmalen a bis d vorgetragen worden sei. Der Verweis auf im Einspruchsverfahren vorgetragene Argumente sei unzureichend.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D1
Die Merkmale e und f seien nicht offenbart. Die Rollen 1, 26 und 2 seien nicht zu berücksichtigen, da dort entgegen Merkmal b kein Tabakstrang hängend an dem Band gefördert werde. Die Rollen 1 und 26 lägen noch außerhalb der Strangbildungszone, Rolle 2 bereits hinter der Strangabgabezone. Da an diesen Stellen nichts gefördert werde, sei dort auch - entgegen Merkmal f - keine Änderung der Förderrichtung möglich.
Folglich zeige das Saugband 3 bzw. 4 in einem Bereich der Vorrichtung mit einer Änderung der Förderrichtung lediglich eine einzige bewegliche Auflage, nämlich die Rolle 27 für Band 3 bzw. Rolle 28 für Band 4. Merkmal f fordere jedoch - im Plural - mehrere beweglichen Auflagen.
Auch sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen, dass der D1 keine Angaben zum Druck der Führungselemente auf das Strangförderband zu entnehmen seien, so das Merkmal e nicht eindeutig und unmittelbar offenbart sei. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin ergebe sich aus einer Richtungsänderung an einer Rolle nicht zwangsläufig eine Druckerhöhung. Dies gelte gemäß Absatz [0016] der Streitschrift nur für die erfindungsgemäße Anordnung. Selbst wenn es an der Rolle zu einer Druckänderung käme, könne keine Aussage gemacht werden, ob es sich tatsächlich um eine Druckerhöhung handle. Der D1 könne schließlich nicht entnommen werden, wie die Druckverhältnisse vor oder nach der Rolle seien.
Weiterhin handle es sich bei dem Bereich zwischen den Rollen 26, 27 bzw. zwischen den Rollen 28, 2 um Bereiche mit großem Abstand und dazwischen liegenden statischen Auflagen in Form von Kanälen 17, 18. In diesen Bereichen passiere viel. Dem Streitpatent sei jedoch zu entnehmen, dass es um kleine Bereiche gehe.
Zulassung der Hilfsanträge 1a-c
Während die Beschwerdeführerin (Einsprechende) ihren Neuheitseinwand in der Beschwerdebegründung auf den Bereich der Rollen 26, 27 basiert habe, habe sie ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung auf den Bereich der Rollen 28, 2 fokussiert. Diese neue Argumentation habe wohl zu einer überraschenden Änderung der vorläufigen Meinung der Kammer zu Ungunsten der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) geführt. Der Beschwerdegegnerin müsse Gelegenheit gegeben werden, auf die neue Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende) und dem überraschenden Verfahrensverlauf zu reagieren. Die Hilfsanträge 1a-c seien eine angemessene Reaktion darauf und daher ins Verfahren zuzulassen. Insbesondere die Hilfsanträge 1b und 1c gäben unmittelbar erkennbar keinen Anlass zu weiteren Einwänden.
Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber D1
Für den Verfahrensanspruch gelte das zum Hauptantrag Gesagte. Ein Verfahrensanspruch stelle höhere Anforderungen an die Eindeutigkeit der Offenbarung, die in D1 nicht gegeben seien.
Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
D2 sei gattungsfremd und zeige auch keinen Bereich mit einer Änderung der Förderrichtung, in dem mehrere bewegliche Auflagen angeordnet seien. Die Anordnung von statischen Auflagen wird an keiner Stelle nahegelegt, schon gar nicht in der beanspruchten Art und Weise.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Beschwerde ist zulässig. Die Kammer folgt hierbei der gängigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA (vgl. 10. Auflage 2022, V.A.2.5.2 c).
1.2 Der Regel 99(1)c) EPÜ ist regelmäßig Genüge getan, wenn in der Beschwerdeschrift erklärt wird, dass "Beschwerde eingelegt wird". Dies wurde in der am 10. September 2021 eingereichten Beschwerdeschrift getan. Hierdurch wird der Beschwerdegegenstand dahin gehen festgelegt, dass die rechtlichen Wirkungen, die von der Entscheidung ausgehen, rückgängig gemacht werden sollen.
1.3 Weiterhin wird regelmäßig die Beschwerde des Einsprechenden gegen die Zurückweisung des Einspruchs als Antrag ausgelegt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die fehlende explizite Formulierung eines solchen Antrags begründet daher keine Unzulässigkeit der Beschwerde.
1.4 Die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) angeführte T 0420/03 ist hier nicht zutreffend. In dieser Entscheidung wurde nicht die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde an sich diskutiert, sondern lediglich die Frage, ob die Beschwerde zusätzlich zur patentrechtlichen Sache implizit auch die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Kostenverteilung umfasst.
2. Zulässigkeit und Substanziierung des Neuheitseinwands gegenüber D1
2.1 Der Neuheitseinwand gegenüber D1 ist gemäß Artikel 12 (1),(2) VOBK 2020 Teil des Beschwerdeverfahrens.
2.1.1 Die Einspruchsabteilung hatte den verspätet vorgebrachten Neuheitsangriff zugelassen, da D1 bereits als nächstliegender Stand der Technik im Verfahren war und als prima facie relevant angesehen wurde.
2.1.2 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ist die Zulassung des Neuheitsangriffs durch die Einspruchsabteilung nicht ermessensfehlerhaft. Die Anwendung des Kriteriums der Prima-facie-Relevanz ist, wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zugestanden, ein korrektes Kriterium. Als weiteres, unabhängiges Kriterium wurde die Verfahrensökonomie berücksichtigt, die der Zulassung des Neuheitsangriffs nicht entgegen stand. Die Berücksichtigung dieses zusätzlichen Kriteriums bei der Ausübung des Ermessens kann hier keine Ermessensfehlerhaftigkeit begründen.
2.1.3 Somit ergibt sich für die Kammer kein Grund, die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben. Des Weiteren liegt über die Frage der Neuheit gegenüber D1 eine Entscheidung der ersten Instanz vor, gegen die Beschwerde eingelegt wurde. Der Neuheitseinwand liegt somit dem Beschwerdeverfahren zugrunde.
2.2 Auch ist entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) der Neuheitsangriff bzgl. D1 ausreichend substanziiert, auch wenn in der Beschwerdebegründung nicht zu den Merkmalen a bis d vorgetragen wurde.
2.2.1 Von der Beschwerdeführerin (Einsprechende) sind insbesondere Gründe anzugeben, warum die angefochtene Entscheidung aus ihrer Sicht nicht korrekt ist.
2.2.2 Die angefochtene Entscheidung, Punkt 14.2, auf die sich die Beschwerdeführerin (Einsprechende) explizit bezieht, beinhaltet, wo die Merkmale a bis d von der Einspruchsabteilung in D1 gesehen wurden. Diesen Ausführungen stimmt die Beschwerdeführerin offensichtlich zu.
Da die Beschwerdeführerin (Einsprechende) lediglich hinsichtlich der Merkmale e und f anderer Auffassung ist als die Einspruchsabteilung, wurde sich in der Beschwerdebegründung daher korrekterweise nur auf diese beiden Merkmale bezogen.
3. Hauptantrag - Artikel 54 EPÜ
3.1 Die Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags sind nicht neu gegenüber D1.
3.2 Umstritten sind die Merkmale e und f. Diese Merkmale sieht die Kammer wie im Folgenden erläutert in der D1 offenbart.
3.2.1 Der Bereich, in dem die beiden beweglichen Auflagen in Form von Rollen 26 und 27 angeordnet sind, wird als Bereich mit einer Änderung der Förderichtung gemäß Merkmal f angesehen. Die Änderung der Förderrichtung erfolgt gegenüber dem stromaufwärts gelegenen Bereich von der Rolle 1 zur Rolle 26. Des Weiteren wird auch der Bereich, in dem die beiden beweglichen Auflagen in Form von Rollen 28 und 2 angeordnet sind, als Bereich mit einer Änderung der Förderichtung gemäß Merkmal f angesehen. Die Änderung der Förderrichtung erfolgt hier gegenüber dem stromaufwärts gelegenen Bereich von der Rolle 1 zur Rolle 28.
3.2.2 Die beiden Rollen 26 und 27 sind auch gemäß Merkmal e in einem Bereich der Vorrichtung mit einem gegenüber anderen Bereichen der Vorrichtung erhöhten Druck der Führungselemente auf das Strangförderband angeordnet. Wie selbst im Streitpatent, Absatz [0016], erster Satz, erläutert, tritt ein kritische Druck, d.h. ein erhöhter Druck dort auf, wo das Strangförderband die Förderrichtung ändert. Merkmal e ist somit implizit durch die Richtungsänderung gegeben.
3.3 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ist nicht nur die Rolle 27 sondern auch die Rolle 26 als bewegliche Auflage für das Band 3 zu berücksichtigen.
3.3.1 Das Argument der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass nur Bereiche des Untertrums zu berücksichtigen seien, in denen tatsächlich Tabak hängend gefördert wird, ist genauso wenig überzeugend wie das Argument, dass sich ohne die Förderung von Tabak auch keine Förderrichtung ändern könne.
3.3.2 Der Wortlaut des Anspruchs 1 limitiert das Strangförderband nicht auf den Teil, an dem tatsächlich Tabak hängend gefördert wird. Es genügt, dass an dem Untertrum der D1 ein Tabakfaserstrang zumindest abschnittweise hängend gefördert wird. Das als Strangförderband ausgebildete Untertrum 3 bzw. 4 des Saugbandes, an welchem ein Tabakfaserstrang hängend gefördert wird, erstreckt sich in der D1 (Figur 1) von der Rolle 1, über die Rollen 26 und 27 bzw. über die Rolle 28 bis zur Rolle 2 (Spalte 4, Zeilen 19 bis 27).
Weiterhin ist die Förderrichtung des Strangförderbandes nicht abhängig davon, ob das Band beladen ist oder nicht. Die Förderrichtung des Strangförderbandes ist nur abhängig von der Bewegungsrichtung des Bandes. Folglich ist eine Förderrichtung über das gesamte Untertrum gegeben und nicht erst, wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, ab dem Bereich 12 oder 13, in dem der Tabak aufgeschauert wird (Spalte 4, Zeilen 60 bis 65). Entsprechendes gilt für das Band an der Rolle 2, vor der der Tabakstrang 14, 16 bereits abgegeben wurde.
3.4 Aus Sicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) offenbare D1 weiterhin nicht, dass im Bereich der Rollen 26 und 27 bzw. 28 und 2 durch die Auflagen ein erhöhter Druck auf das Band 3 bzw. 4 einwirke. Das Argument, dass dies nur bei der erfindungsgemäßen Anordnung der Fall sei, ist jedoch nicht überzeugend.
3.4.1 Das Streitpatent beschreibt in den Absätzen [0016, 0020, 0023, 0026] allgemein für Strangfördervorrichtungen kritische Bereiche, in denen es an Führungselementen zu einem erhöhten Druck auf das Strangförderband kommt. Einer dieser Bereiche ist ein Bereich mit einer Änderung der Förderrichtung (Absatz [0016]).
3.4.2 Im Streitpatent sind keine spezifischen Eigenheiten der Strangfördervorrichtung offenbart, die eine Druckerhöhung nur für diese spezielle Strangfördervorrichtung zur Folge hätten. Es ist auch nicht Gegenstand der Patentschrift, ein vorrichtungsspezifisches Problem zu lösen. Stattdessen geht es gemäß Absatz [0008] darum, in gängigen Strangfördervorrichtungen eine Anordnung von beweglichen und statischen Auflagen bereitzustellen, bei der Verschleiß und Geräuschentwicklung minimiert werden. Dies wird gemäß den Absätzen [0009] bis [0013] damit gelöst, dass verschleißarme, bewegliche Auflagen, die zu hoher Geräuschentwicklung neigen, nur in Bereichen mit üblicherweise hohem Druck, und leise, statische Auflagen, die zu hohem Verschleiß des Saugbandes neigen, nur in Bereichen mit üblicherweise geringem Druck angeordnet werden.
3.5 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) kann der Saugbandabschnitt von der Rolle 26 zur Rolle 27 bzw. von der Rolle 28 zur Rolle 2 als "ein Bereich" gemäß Merkmal f angesehen werden.
3.5.1 Zwar befinden sich wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen zwischen den Rollen 26, 27 statische Auflagen 17 sowie funktional unterschiedliche Abschnitte (Aufschauern, Strangbildung, vgl. Figur 4), eine solche Ausgestaltung wird durch den breiten Anspruchswortlaut jedoch nicht ausgeschlossen. Der Begriff "Bereich" wird diesbzgl. im Anspruch genauso wenig eingeschränkt wie hinsichtlich seiner Länge.
3.6 Die für die fehlende Neuheit des Anspruchs 1 geltenden Gründen treffen mutatis mutandis auch auf den Verfahrensanspruch 9 zu, der deshalb ebenfalls nicht neu gegenüber D1 ist.
4. Zulassung der Hilfsanträge 1a, 1b, 1c
4.1 Die Hilfsanträge 1a-c wurden entsprechend Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen.
4.2 Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1a-c sind nach Angaben der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorrangig vor den beiden mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2 einzuordnen.
4.3 Aus Sicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) handele es sich bei den Hilfsanträgen 1a-c um eine angemessene Reaktion auf eine erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentationslinie der Beschwerdeführerin (Einsprechende), wonach die Merkmale e und f in D1 durch den Bereich zwischen den Rollen 28 und 2 des Saugbandes 4 offenbart seien. Zuvor habe sich die Argumentation auf den Bereich zwischen den Rollen 26 und 27 des Saugbandes 3 bezogen. Die neue Argumentationslinie habe den Verfahrensverlauf überraschend verändert. Die Beschwerdegegnerin müsse daher Gelegenheit haben, darauf zu reagieren.
4.4 Die Entscheidung der Kammer bzgl. der Neuheit gegenüber D1 beruht jedoch auf bereits mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumenten der Beschwerdeführerin (Einsprechende).
Die Beschwerdeführerin hatte mit Bezug auf die angefochtene Entscheidung (Seite 7, zweiter und dritter Absatz) vorgetragen (Beschwerdebegründung, Seite 3, oben), dass die von der Einspruchsabteilung gezogenen Schlussfolgerungen auf einer ungerechtfertigten restriktiven Auslegung des Merkmals "Bereich der Vorrichtung" beruhe. Daher sei das unter Punkt 14.3 der angefochtenen Entscheidung formulierte Argument der (damals) Einsprechenden nicht überzeugend gewesen, dass die Rollen 26 und 27 in einem Bereich gemäß den Merkmalen e und f lägen.
Wie unter Punkt 3.5 dieser Entscheidung erläutert, folgte die Kammer dieser Argumentation, wonach der Anspruchswort breit zu lesen ist.
4.5 Es wird darauf hingewiesen, dass die vorliegende Entscheidung bzgl. der Neuheit lediglich in obigem Punkt 3.5 nicht mit der - nicht bindenden - vorläufigen Meinung der Kammer übereinstimmt. Des weiteren stellt die Änderung der vorläufigen Meinung an sich keinen außergewöhnlichen Umstand gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 dar.
4.6 Folglich liegen keine stichhaltigen Gründe vor, die eine Zulassung der Hilfsanträge 1a-c rechtfertigen könnten.
5. Hilfsantrag 1 - Artikel 54 EPÜ
5.1 Hilfsantrag 1 beinhaltet den Verfahrensanspruch wie erteilt, der nicht neu gegenüber D1 ist (siehe Punkt 3 dieser Entscheidung). Hilfsantrag 1 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikel 54 EPÜ.
6. Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
6.1 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6.2 Gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde lediglich ein Einwand unter Artikel 56 EPÜ ausgehend von D2 mit Fachwissen vorgebracht. Hinsichtlich dieser Angrifflinie verwies die Beschwerdeführerin (Einsprechende) während der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftlichen Vortrag.
6.3 Während die D2 laut Beschwerdeführerin (Einsprechende) nur die - aus ihrer Sicht fachüblichen - statischen Auflagen nicht explizit offenbare, ist die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) der Ansicht, dass D2 gattungsfremd sei und zusätzlich das Merkmal f sowie die in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale des erteilten Anspruchs 2 nicht offenbare.
6.4 Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende) ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend:
6.4.1 D2 bezieht sich auf eine Fördervorrichtung der tabakverarbeitenden Industrie, allerdings nicht auf die Förderung eines Tabakstrangs. D2 fördert ein flächiges Vlies und damit eine Art Matte und keinen Strang.
6.4.2 Anspruch 1 unterscheidet sich folglich von der D2 nicht nur durch mehrere statische Auflagen, sondern zumindest auch darin, dass es sich um eine Vorrichtung zum Fördern eines Stranges handelt (Merkmale a, b teilweise).
6.4.3 Ein Fachmann würde die in D2 offenbarte Vorrichtung jedoch nicht gemäß der Merkmale a und b modifizieren. Dazu müsste das Saugband 51 durch ein Strangförderband ersetzt werden und alle auf die Verarbeitung von Fasern zu Matten abgestimmten Bauteile der Vorrichtung durch auf die Verarbeitung von Fasern zu Strängen abgestimmten Bauteile ausgetauscht werden. Dies ist keinesfalls naheliegend. Vielmehr würde der Fachmann direkt von einer Vorrichtung mit zumindest den Merkmalen a und b ausgehen wie sie z.B. in D1 gezeigt ist.
6.4.4 Schon deshalb ist der Angriff ausgehend von D2 nicht überzeugend - unabhängig davon, ob die abschnittsweise Anordnung von statischen Auflagen als fachüblich anzusehen ist oder nicht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 7 des Hilfsantrags 2, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung,
- Beschreibung: Seiten 1 bis 10 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung,
- Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.