T 1516/21 (Schichtstoff/FRITZ EGGER) of 19.8.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T151621.20240819
Datum der Entscheidung: 19 August 2024
Aktenzeichen: T 1516/21
Anmeldenummer: 15713310.9
IPC-Klasse: B32B 29/00
B32B 29/06
B32B 3/30
B44C 5/04
B44B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SCHICHTSTOFF UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Fritz Egger GmbH & Co. OG
Name des Einsprechenden: Flooring Technologies Ltd.
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 87
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 113(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 011
Schlagwörter: Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein)
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0634/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Patent zu widerrufen.

II. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass der Einspruchsgrund Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegenstehe. Ferner befand die Einspruchsabteilung, dass das Prioritätsrecht für die beanspruchte Erfindung gültig in Anspruch genommen sei. Jedoch offenbare das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass eine Fachperson sie ausführen kann. Somit stehe der Einspruchsgrund Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegen. Weiterhin bejahte die Einspruchsabteilung in einem obiter dictum die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands.

III. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.

IV. Die Einsprechende (vormalige Beschwerdegegnerin) reichte eine Erwiderung auf die Beschwerde ein, nahm in der Folge jedoch ihren Einspruch zurück. Mit der Rücknahme des Einspruchs der Einsprechenden verbleibt die Patentinhaberin die alleinige Verfahrensbeteiligte.

V. Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags

Anspruch 1 des Patents wie erteilt lautet wie folgt:

"Schichtstoff zum Aufbringen auf einem Trägermaterial, insbesondere auf eine Trägerplatte,

- mit einer harzimprägnierten Dekorschicht (4) und

- mit mindestens einer harzimprägnierten Kernschicht (6,8, 10),

- wobei die Dekorschicht (4) und die mindestens eine Kernschicht (6, 8, 10) geeignet sind, um unter hohem Druck und Wärme mittels einer Vielkolben-Kurztaktpresse (40) miteinander verpresst zu werden,

dadurch gekennzeichnet,

- dass die Dicke des Stapels der Dekorschicht (4) und der mindestens einen Kernschicht (6, 8, 10) nach dem Verpressen weniger als 2 mm beträgt und

- dass die Dekorschicht (4) und die mindestens eine Kernschicht (6,8, 10) eine Breite von mehr als 1800 mm aufweisen."

Anspruch 10 des Patents wie erteilt lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines Schichtstoffs,

- bei dem eine harzimprägnierte Dekorschicht und mindestens eine harzimprägnierte Kernschicht aufeinander geschichtet werden und

- bei dem die Dekorschicht und die mindestens eine Kernschicht unter hohem Druck und Wärme mit einer einstufigen Vielkolben-Kurztaktpresse miteinander verpresst werden,

dadurch gekennzeichnet,

- dass die Dicke des Stapels der Dekorschicht (4) und der mindestens einen Kernschicht (6, 8, 10) nach dem Verpressen weniger als 2 mm beträgt und

- dass die Dekorschicht und die mindestens eine Kernschicht eine Breite von mehr als 1800 mm aufweisen."

VI. Die relevanten Argumente der Parteien werden nachfolgend in den Entscheidungsgründen abgehandelt.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angegriffene Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 12, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen (Artikel 100 c) EPÜ, vgl. Artikel 123 (2) EPÜ)

1.1 Die Kammer sieht keinen Grund, von der diesbezüglichen schlüssigen Begründung der Einspruchsabteilung abzurücken und verweist an dieser Stelle auf die in Punkt 4 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung angeführte Argumentation, die sie für überzeugend hält. Hierin äußerte die Einspruchsabteilung, dass das Merkmal "Vielkolben-Kurztaktpresse" in Ansprüchen 1 und 10 des Patents eindeutig und unmittelbar auf Seite 15, Zeilen 10 bis 14, der ursprünglichen Anmeldung beschrieben sei. Auch führte die Einspruchsabteilung Seite 5, Zeile 9 derselben an als Stütze für eine Vielkolbenpresse "KT 700" der Firma Siempelkamp, wobei "KT" für "Kurztakt" stehe. Auch die Beschreibung von Abbildung 4 auf Seite 14, Zeile 15 bis Seite 15, Zeile 14 der Beschreibung der Patentanmeldung würden eine Vielkolben-Kurztaktpresse offenbaren, die eine Mehrzahl von Druckzylindern aufweise, welche separat angesteuert werden könnten.

1.2 Ferner ergibt sich das Merkmal einer maximalen Dicke des Stapels der Dekorschicht und der mindestens einen Kernschicht nach dem Verpressen gemäß erteiltem Anspruch 1 von weniger als 2 mm eindeutig und unmittelbar beispielsweise aus Anspruch 3 der dem Patent zugrunde liegenden Anmeldung. Dies wurde auch in der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Die Behauptung der vormaligen Beschwerdegegnerin, dass das besagte Merkmal nicht Gegenstand eines Unteranspruchs der zugrunde liegenden Patentanmeldung gewesen und nur der Beschreibung entnommen sei, ist somit nicht zutreffend.

1.3 Die vormalige Beschwerdegegnerin führte aus, dass analog eine (unzulässige) Erweiterung des unabhängigen Anspruchs 10 gegenüber Anspruch 11 der Anmeldung zu bemängeln sei. Da die gegenüber Anspruch 1 angeführten Gründe hinsichtlich einer etwaigen unzulässigen Erweiterung nicht zutreffen, sieht die Kammer ihrerseits keine Gründe, warum die angefochtene Entscheidung bezüglich dieses Punkts abzuändern sein sollte.

1.4 Weitere Einwände unter Artikel 100 c) EPÜ wurden von der vormaligen Einsprechenden und Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung nicht vorgetragen, und die Kammer sieht ihrerseits keine unzulässigen Erweiterungen im Sinne von Artikel 100 c) EPÜ durch den Gegenstand des Patents in der erteilten Fassung.

2. Prioritätsrecht (Artikel 87 EPÜ)

2.1 In der angefochtenen Entscheidung kommt die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass das Patent die Priorität gültig in Anspruch nehme.

2.2 In der Beschwerdeerwiderung trat die vormalige Einsprechende und Beschwerdegegnerin dieser Schlussfolgerung entgegen und machte geltend, dass Dokumente, die im Prioritätszeitraum veröffentlicht wurden, Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ seien und daher bei der Beurteilung der Patentierbarkeit zu berücksichtigen seien.

2.3 Da die Kammer die Angelegenheit zur Prüfung der Patentierbarkeit (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) an die Einspruchsabteilung zurückverweist, sieht sie es als geboten an, zur Gültigkeit des Prioritätsanspruchs Stellung zu nehmen.

2.4 In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss (Punkt 5 der Entscheidungsgründe), dass das anspruchsgemäße Merkmal der Vielkolben-Kurztaktpresse in der Prioritätsanmeldung offenbart sei. Die vormalige Beschwerdegegnerin trat dem entgegen.

2.5 Nach Anspruch 1 der Prioritätsanmeldung DE102014104760 handelt es sich bei der einzusetzenden Presse um eine Kurztaktpresse. Dies geht auch aus dem Absatz überbrückend Seiten 4/5 der Beschreibung der Prioritätsanmeldung hervor. Dieser verweist auf das behauptete Problem der ungenauen Ansteuerung der Presszylinder. Die Lösung der gestellten Aufgabe wird auf Seite 12, Zeile 17, bis Seite 13, Zeile 2 der Prioritätsanmeldung beschrieben. Dieser Textabschnitt beschreibt die korrespondierende Abbildung 4, darstellend eine Vielkolbenpresse aufweisend mehrere Hydraulikzylinder (vgl. auch Seite 5, Zeilen 8 bis 11 der Prioritätsanmeldung). Somit ist das Merkmal der Vielkolben-Kurztaktpresse in der Prioritätsanmeldung offenbart, und es handelt sich beim Gegenstand von Ansprüchen 1 und 10 des Streitpatents um dieselbe Erfindung wie offenbart in DE102014104760 (Artikel 87 (1) EPÜ).

2.6 Der Gegenstand von Anspruch 5 des Patents ist jedoch, wie von der vormaligen Beschwerdegegnerin vorgebracht, nicht in der Prioritätsanmeldung offenbart.

2.7 Die Priorität wird daher für den beanspruchten Gegenstand - bis auf denjenigen von Anspruch 5 - gültig in Anspruch genommen.

3. Einwand unzureichender Offenbarung der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ)

3.1 Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Patent die beanspruchte Erfindung deutlich und vollständig offenbart, ist sein gesamter Offenbarungsgehalt, einschließlich der Abbildungen/Zeichnungen zu berücksichtigen. Die ausreichende Offenbarung der Erfindung muss am Anmeldetag unter Berücksichtigung allgemeinen Fachwissens gegeben sein. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ (vgl. Artikel 100 b) EPÜ) ist nur erfüllt, wenn die Offenbarung der Erfindung die Fachperson in die Lage versetzt, im Wesentlichen alle Ausführungsarten der beanspruchten Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand auszuführen und ohne erfinderisch tätig werden zu müssen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, zehnte Auflage, 2022, II.C.3.1 sowie II.C.4.1).

3.2 In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt sei. Gemäß dem Patent habe es ein Vorurteil in der Fachwelt gegeben, wonach sich Schichtstoffe dünner als 2 mm und breiter als 1800 mm nicht herstellen ließen, auch nicht mit einer herkömmlichen Vielkolben-Kurztaktpresse. Auch sei die einzige im Patent offenbarte Vielkolben-Kurztaktpresse KT 700 hierzu nicht ohne Abänderung geeignet. Eine Lehre für eine solche Abänderung enthalte das Patent jedoch nicht.

3.3 Nach Ansicht der Kammer lässt sich dem Patent folgende technische Lehre entnehmen:

3.3.1 Die im Patent beschriebenen Schichtstoffe hätten auf herkömmlichen Kurztaktpressen bislang nicht verpresst werden können, da die dünnen Schichtstoffe keine Pressdruckunterschiede über die Fläche hinweg hätten ausgleichen können. Diese Druckunterschiede ergäben sich auf Grund unzureichender Ansteuerung der Presszylinder (siehe Absatz [0016]).

3.3.2 Absatz [0049] des Patents beschreibt unter Bezugnahme auf Figur 4 eine Presse (40), die nach dem HPL-Kurztaktverfahren arbeitet. In der in Figur 4 dargestellten Stapelvorrichtung (42) werden die Schichten des Schichtstoffs (2) aufeinandergestapelt. Die gestapelten Schichten werden darauf der rechts in der Abbildung dargestellten Pressstation (44) zugeführt und zwischen oberem und unterem Pressblech angeordnet. Durch die Mehrzahl von Druckzylindern wird das obere Pressblech (48) abgesenkt und der Abstand zwischen den Pressblechen exakt gesteuert. Hierdurch können auch dünne Stapel von Schichten des herzustellenden Schichtstoffs mit einer Dicke von weniger als 2 mm verpresst werden (siehe Absätze [0050] und [0051]).

3.4 Das Patent enthält somit ein konkretes Beispiel, um die Erfindung auszuführen. Aus dem Patent ergibt sich kein Anhaltspunkt, weshalb die Erfindung nicht ausführbar sein sollte.

3.5 Auch nach Einschätzung der vormaligen Beschwerdegegnerin konnten die Pressbleche selbst in herkömmlichen Pressvorrichtungen auf weniger als 2 mm zusammengefahren werden. Ein wie von der Einspruchsabteilung festgestelltes Vorurteil kann die Kammer daher nicht erkennen.

3.5.1 Somit lehrt das Streitpatent nach Ansicht der Kammer die Fachperson eindeutig, Vielkolben(kurztakt)-Pressen auf weniger als 2 mm Abstand der Pressbleche zueinander zusammenzufahren. Die Notwendigkeit, hierbei kompensatorische Maßnahmen an der Pressvorrichtung zu ergreifen, sind dem Patent nicht zu entnehmen. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich im Lichte der Lehre des Streitpatents auch nicht.

3.5.2 Dass an der in Absatz [0017] beschriebenen Presse KT 700 Abstandshalter vorgesehen sind, wie dies in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, welche Abstände von mehr als 2 mm vorgeben, steht diesen Schlussfolgerungen nicht entgegen. Im Lichte obiger Ausführungen hätte eine Fachperson diese Mindestabstände auch nicht als wesentliches apparatives Merkmal aufgefasst.

3.5.3 In diesem Zusammenhang argumentierte die vormalige Beschwerdegegnerin, dass die Fachperson diese Abstandshalter als wesentliche, unverzichtbare Sicherheitseinrichtungen aufgefasst hätte.

3.5.4 Die Anwesenheit eines Abstandshalters in der KT 700, der eingestellt oder festgesetzt war auf einen Abstand von mehr als 2 mm, erklärt sich aus dem Einsatz für die Herstellung dickerer Verbünde mit Trägerplatten und nicht aus einer objektiven apparativen Notwendigkeit/Beschränkung.

3.6 Vielkolbenpressen gehörten am Prioritätstag zum Stand der Technik, waren kommerziell verfügbar und wurden für die Herstellung von Dekorlaminaten eingesetzt. Dies scheint nicht bestritten worden zu sein.

3.7 Der Offenbarungsgehalt des Streitpatents, der ihm zu Grunde liegenden Anmeldung und des Prioritätsdokuments sind diesbezüglich identisch. Somit wies die dem Streitpatent zu Grunde liegende Anmeldung eine klare und deutliche Lehre auf, um am Prioritätstag des Patents zum beanspruchten Gegenstand ohne erfinderisches Zutun zu gelangen: Völlig offensichtlich hat die einzusetzende Vielkolben-Kurztaktpresse hierbei zu ermöglichen, dass die Pressbleche auf weniger als 2 mm zusammengefahren werden können. Dies ist selbstverständlich nur möglich, wenn die Pressvorrichtung entweder keine Abstandshalter/Sperrvorrichtung aufweist oder eben nur solche, die ein Zusammenfahren der Pressbleche auf weniger als 2 mm Abstand ermöglichen. Dass das entsprechende Argument seitens der Beschwerdeführerin erst sechs Jahre nach Prioritätsdatum vorgetragen wurde, ist hierbei unerheblich.

Die Notwendigkeit einer weiteren apparativen Anpassung der Pressvorrichtung ist dabei nicht nötig.

3.8 Durch den Einsatz einer Vielkolben-Kurztaktpresse, gegebenenfalls unter einfacher Modifizierung der Einstellung etwaiger Abstandshalter (so vorhanden) oder deren Anpassung, hätte eine Fachperson am Prioritätstag die beanspruchte Erfindung somit ausführen können, ohne unzumutbaren Aufwand betreiben zu müssen. Diese Anpassungen - so nötig - hätten gegebenenfalls durch den Hersteller der Pressvorrichtung implementiert werden können. Ein etwaiges hierbei nötiges erfinderisches Zutun und/oder ein einhergehender unzumutbarer Aufwand sind wiederum nicht zu erkennen.

3.9 Entgegen der Auffassung der vormaligen Beschwerdegegnerin ist der Kammer ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Ermittlung geeigneter Pressparameter, auf die die harzimprägnierten Schichten ausgelegt sein können, für die Herstellung der beanspruchten Schichtstoffe Anlass zu einem unzumutbaren Forschungsprogramm gegeben hätte. Dies hat die Einspruchsabteilung richtig festgestellt (siehe zweiter bis fünfter Absatz auf Seite 9 der angefochtenen Entscheidung, Punkt 6 der Entscheidungsgründe).

3.10 Somit offenbart das Streitpatent die beanspruchte Erfindung nach Ansicht der Kammer so deutlich und vollständig, dass eine Fachperson sie ausführen kann. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

4. Rechtliches Gehör

4.1 Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend.

4.2 Eine aus der Fehleinschätzung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Notwendigkeit der Berücksichtigung der Lehre des Patents für die Frage ausreichender Offenbarung folgende Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) oder ein wesentlicher Verfahrensmangel sind nach Ansicht der Kammer nicht gegeben (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, zehnte Auflage, 2022, V.A.11.6.10.c). Auch berücksichtigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung die wesentlichen Ausführungen der Beteiligten und ist inhaltlich begründet.

Insbesondere betrifft die etwaige Fokussierung der Einspruchsabteilung auf die in Absatz [0017] des Streitpatents erwähnten Abstandshalter, statt die gesamte Lehre in Absätzen [0049-0051] sowie Figur 4 dagegen abzuwägen, eine Beurteilungsfrage hinsichtlich der Interpretation der Lehre des Patents und stellt keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, zehnte Auflage, 2022, V.A.11.6.10.d).

5. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

5.1 Die angefochtene Entscheidung befasst sich nur mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 b) und c) EPÜ und weist lediglich ein obiter dictum auf, in dem die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands des Patents bejaht wird.

Zu diesen Umständen tritt noch hinzu, dass vorliegend der Einspruch zurückgenommen wurde. Die Kammer ist daher der Ansicht, dass ein besonderer Grund für eine Zurückverweisung vorliegt.

5.2 Die Kammer macht daher von ihrem Ermessen Gebrauch, die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ sowie Artikel 11 VOBK).

5.3 In Anbetracht der Rücknahme des Einspruchs müsste die Einspruchsabteilung zunächst entscheiden, ob sie das Einspruchsverfahren von Amts wegen fortsetzt oder nicht (Regel 84 (2) EPÜ). Die Entscheidung der Kammer, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sollte nicht als Hinweis verstanden werden, dass die Einspruchsabteilung ihre diesbezügliche Entscheidung in einer bestimmten Art und Weise treffen sollte (siehe T 634/07, Entscheidungsgründe 4, letzter Satz).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1.|Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. |

2.|Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.|

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