T 1480/21 (Ternäres Bindemittel-Epoxidharz-Kombination/Sika Technology) of 28.11.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T148021.20231128
Datum der Entscheidung: 28 November 2023
Aktenzeichen: T 1480/21
Anmeldenummer: 14738837.5
IPC-Klasse: C04B 28/14
C04B 24/28
C04B 7/02
C04B 14/06
C04B 22/00
C04B 7/32
C08G 59/50
C08L 63/00
C08G 59/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KOMBINATION VON TERNÄREN BINDEMITTELN MIT WÄSSRIGEM EPOXIDHARZ-SYSTEM
Name des Anmelders: Sika Technology AG
Name des Einsprechenden: ARDEX GMBH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Neuer Einwand nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
T 0593/09
T 2001/12
T 2117/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 3 022 167 B1 zurückzuweisen.

II. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) verteidigte das Patent zunächst in der erteilten Fassung und reichte mir ihrer Beschwerdeerwiderung drei Hilfsanträge ein, von denen Hilfsantrag 1 bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt worden war. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer machte sie Hilfsantrag 1 zum Hauptantrag.

III. Anspruch 1 dieses Hauptantrags lautet wie folgt:

"Mehrkomponentige Zusammensetzung, umfassend

A) eine Binderkomponente (A) umfassend mindestens ein Epoxidharz,

B) eine Härterkomponente (B) umfassend mindestens eine Aminverbindung als Aminhärter und

C) eine feste Komponente (C) umfassend ein hydraulisches anorganisches Bindemittel,

dadurch gekennzeichnet, dass das hydraulische anorganische Bindemittel ein ternäres Bindemittel aus Tonerdezement, Calciumsulfat und Portlandzement ist, wobei die feste Komponente (C) 5 bis 20 Gew.-% Tonerdezement, 3 bis 13 Gew.-% Calciumsulfat und 3 bis 10 Gew.-% Portlandzement enthält,

und die Gesamtmenge an Epoxidharz und Aminhärter in der mehrkomponentigen Zusammensetzung, bezogen auf das Gesamtgewicht der mehrkomponentigen Zusammensetzung nicht mehr als 2 Gew.-% beträgt."

Ansprüche 2-9 beziehen sich auf besondere Ausführungs­formen. Ansprüche 10 und 11 beziehen sich auf ein Verfahren zum Beschichten, Verbinden, Abdichtung oder Verfugen von Bauteilen mit einer mehrkomponentigen Zusammensetzung nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 9. Anspruch 12 bezieht sich auf ein Produkt umfassend ein oder mehrere Bauteile, die mit einer gehärteten Bindermischung beschichtet, verbunden, abgedichtet oder verfugt sind, erhältlich nach einem Verfahren nach Anspruch 10 oder 11, und Anspruch 13 bezieht sich auf die Verwendung einer mehrkomponentigen Zusammensetzung nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 9.

IV. Folgende Dokumente sind hier relevant:

D1 |JP H03 69538 AComputerübersetzung ins Englische Übersetzung der Ansprüche und Tabellen ins Englische|

D2 |JP H07 315907 A Computerübersetzung ins EnglischeÜbersetzung der Tabelle 1 ins Englische |

D33|Versuchsbericht der Beschwerdeführerin, eingereicht am 23. April 2021 (im Einspruchsverfahren)|

V. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beinhalte keine erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegendem Stand der Technik. Dieser Einwand sei zu berücksichtigen.

Die Erfindung sei zudem nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Dies werde in D33 gezeigt. Zudem fielen augenscheinlich völlig unausführbare Ausführungsformen unter Anspruch 1.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin spiegeln sich in den Entscheidungsgründen wider.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 1 mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten, und hilfsweise auf Basis eines der Hilfsanträge 2 oder 3, ebenfalls eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 1)

1. Berücksichtigung des Einwands wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit - Artikel 13(2) VOBK 2020

1.1 Zur Vereinfachung wird im Folgenden die ursprüngliche Bezeichnung "Hilfsantrag 1" für den jetzigen Hauptantrag beibehalten.

1.2 Die Beschwerdeführerin beanstandete die erfinderische Tätigkeit von "Hilfsantrag 1" in ihrer auf den 14. September 2023 datierten Eingabe (beginnend auf Seite 2, letzter Absatz), nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer und nach Ladung zur mündlichen Verhandlung. Sie vertrat dazu die Auffassung, dass es sich dabei um kein neues Vorbringen, sondern - wenn überhaupt - lediglich um eine Verfeinerung ihrer rechtzeitig vorgebrachten Argumentation handle. Die Beanstandung sei daher zu berücksichtigen.

1.3 Dem kann nicht gefolgt werden. Das Vorbringen zur erfinderischen Tätigkeit in der genannten Eingabe vom 14. September 2023 (beginnend auf Seite 2, letzter Absatz) kann schon deshalb nicht lediglich als Verfeinerung der Argumentation zu einem bestehenden Einwand aufgefasst werden, da ein solcher Einwand zuvor gar nicht erhoben worden war.

1.3.1 Beanstandung von "Hilfsantrag 1" in den vorherigen Eingaben der Beschwerdeführerin

In den vorherigen Eingaben der Beschwerdeführerin wurde die Patentierbarkeit der Ansprüche von "Hilfsantrag 1" nicht ausdrücklich in Frage gestellt. Vielmehr beantragte die Beschwerdeführerin hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Beschwerdebegründung, Punkt II.2 der Anträge). Im Kontext der Beschwerdebegründung, in der die Neuheit und erfinderische Tätigkeit lediglich in Bezug auf Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung angegriffen wurden, wurde damit der bereits im Einspruchsverfahren vorliegende "Hilfsantrag 1" nicht selbständig angegriffen.

Im Einklang damit wurde in Antwort auf die Beschwerdeerwiderung mit Einreichen von "Hilfs­antrag 1" (Eingabe der Beschwerdeführerin vom 25. August 2022) lediglich beantragt, "die erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens neu eingeführten Hilfsanträge 2 und 3 als verspätet anzusehen und nicht zum Verfahren zuzulassen" (Seite 1), ohne jedoch in irgendeiner Weise auf "Hilfsantrag 1" Bezug zu nehmen. Insbesondere ging die Beschwerdeführerin in der genannten Eingabe nicht auf die Frage der Patentierbarkeit der Hilfsanträge ein.

1.3.2 Auseinandersetzen mit der Argumentation der Beschwerdegegnerin

Die Beschwerdegegnerin hat mit Einreichen der Hilfsanträge zu deren Neuheit und erfinderischer Tätigkeit vorgetragen (Beschwerde­erwiderung, Seite 36, "Begründung des Hilfsantrags 1"). Die Beschwerde­führerin hingegen hat sich in ihrer Antwort (Eingabe vom 25. August 2022) zu diesem Vortrag der Beschwerdegegnerin überhaupt nicht geäußert.

1.3.3 Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einspruchs­verfahren

Die Einspruchsschrift und die weiteren Eingaben der Einsprechenden aus dem Einspruchsverfahren sind nicht automatisch Teil des Beschwerdeverfahrens (Artikel 12(1) VOBK 2020). Dies ändert sich nicht allein dadurch, dass sich die Einsprechende pauschal auf ihr Vorbringen vor der Einspruchsabteilung bezieht (Beschwerdebegründung, Seite 1, letzter Absatz - Seite 2, erster Absatz) bzw. dieses ohne weitere Bezugnahme oder Erläuterung im Nachgang zum eigentlichen Vorbringen im Beschwerdeverfahren wörtlich wiederholt (beginnend auf Seite 31 der Beschwerdebegründung, "VIII. Darstellung der Einspruchsschrift vom 19. Juni 2019"; "IX. Darstellung der Eingabe vom 7. August 2020" usw.), siehe auch T 2117/18 (Gründe 2.2.13 und 2.2.14). Daher ist es unerheblich, dass in der Einspruchsschrift die mangelnde Neuheit des Anspruchs 2 des Streitpatents in der erteilten Fassung gegenüber D1 und D2 angegriffen wurde, abgesehen davon, dass sich hieraus ohnehin kein im Beschwerdeverfahren gegenüber "Hilfsantrag 1" automatisch zu berücksichtigender Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ableiten ließe. Dies gilt auch für die lediglich pauschale Bemerkung im Einspruchsverfahren in Bezug auf "Hilfsantrag 1", dass in diesem "kaum eine Einschränkung im Schutzbereich des Streitpatents vorgenommen worden ist. Insofern wird auf die obige Begründung verwiesen" (Punkt IV der "Darstellung der Eingabe vom 7. August 2020", Seite 54 der Beschwerdebegründung).

1.3.4 Vorbringen zum Streitpatent in der erteilten Fassung

Ausdrückliche Ausführungen zu einem Sachverhalt mögen im Einzelfall entbehrlich sein, wenn diese selbsterklärend sind. In diesem Fall geht aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin zum Streitpatent in der erteilten Fassung in ihrer Beschwerdebegründung und in ihrer Antwort auf die Beschwerdeerwiderung der Patentinhaberin jedoch nicht in selbsterklärender Weise hervor, dass und mit welcher Begründung jener die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 von "Hilfsantrag 1" betreffen würde.

So unterscheidet sich Anspruch 1 von "Hilfsantrag 1" von dem des Streitpatents in der erteilten Fassung darin, dass zusätzlich definiert wird, dass die Gesamtmenge an Epoxidharz und Aminhärter in der mehrkomponentigen Zusammensetzung, bezogen auf das Gesamtgewicht der mehrkomponentigen Zusammensetzung nicht mehr als 2 Gew.-% beträgt, basierend auf Anspruch 2 der erteilten Fassung. Auf dieses Merkmal wurde in der Stellungnahme zum Streitpatent in der erteilten Fassung überhaupt nicht eingegangen.

Die Beschwerdeführerin verwies darauf, dass sie dieses Merkmal in ihrer Eingabe vom 25. August 2022 (Seite 11) als Teil der tabellarisch angegebenen Zusammensetzung gemäß D1 erwähnt habe.

Diese Tabelle hat jedoch keine direkte Entsprechung in D1 selbst, sondern beruht auf Auswahlen der Gewichtsteile an Portlandzement, Calciumaluminat und Gips sowie der Gewichtsteile an Aggregat. Ferner wird lediglich ein Bereich von 2 bis 30 Gewichtsteilen Epoxid-Härtungs­mittel und ein Bereich von 0,01 bis 5 Gewichtsteilen Abbinderegler aufgeführt. Die Beschwerde­führerin kommentiert diese Bereiche in keiner Weise. Abgesehen davon, ob der Abbinderegler tat­säch­lich als Komponente B angesehen werden kann, wie in der Tabelle aufgeführt, ist aus den Bereichen unmittelbar ersichtlich, dass die Gesamtmenge an Epoxidharz und Aminhärter nicht zwangsläufig im beanspruchten Bereich liegt.

Daher geht aus der Tabelle nicht in selbsterklärender Weise hervor, auf welche Weise D1 das genannte zusätzliche Merkmal in "Hilfsantrag 1", betreffend die Gesamtmenge an Epoxidharz und Aminhärter in der mehrkomponentigen Zusammensetzung, vorwegnehmen oder nahelegen sollte, und dies in Kombination mit der beanspruchten Zusammensetzung der festen Komponente.

Genauso wenig ist es selbsterklärend, auf welche Weise der Vortrag der Beschwerdeführerin zu D2, betreffend Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung, für die erfinderische Tätigkeit von "Hilfsantrag 1" relevant sein sollte. Vielmehr ist auch hier unmittelbar ersichtlich, dass die von der Beschwerde­führerin beispielhaft angeführte Zusammensetzung (Eingabe vom 25. August 2022, Seite 12) einen höheren Gewichtsanteil an Epoxidharz aufweist, unabhängig davon, ob die in der Eingabe angeführte beispielhafte Zusammensetzung eine direkte Entsprechung in D2 hat. Auch sämtliche Zusammensetzungen in der von der Beschwerdeführerin wiedergegebenen Tabelle 1 von D2 (beginnend auf Seite 14 der genannten Eingabe) weisen einen höheren Gewichtsanteil an Epoxidharz auf.

Es trifft auch nicht zu, dass die zentrale Frage im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit von "Hilfsantrag 1" die Zuordnung der Bestandteile zur festen Komponente C wäre, wie für das Streitpatent in der erteilten Fassung diskutiert, da die Bezugsgröße für den Mengenanteil an Epoxidharz und Aminhärter nunmehr das Gesamtgewicht der mehrkomponentigen Zusammensetzung ist.

1.4 Da die erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf "Hilfsantrag 1" somit erstmalig in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 14. September 2023 beanstandet worden war, also nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung und der Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK 2020, und es sich nicht lediglich um eine "Verfeinerung" einer bestehenden Argumentationslinie handelt, gelten die Voraussetzungen des Artikels 13(2) VOBK 2020.

Danach bleibt das genannte Vorbringen grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, es werden stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Solche außergewöhnlichen Umstände wurden vorliegend nicht dargetan.

Sie könnten im Übrigen auch nicht darin liegen, dass die Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit angeblich eine geringe Komplexität aufweist und die Fragestellung der erfinderischen Tätigkeit abschließend lösen soll. Vielmehr würde es der Verfahrensökonomie entgegenstehen, sich in diesem späten Verfahrensstadium mit einem neuen Einwand zu befassen.

1.5 Der Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit war damit nicht zu berücksichtigen.

2. Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)

2.1 Auch der Einwand wegen mangelnder Offenbarung wurde nur gegenüber dem Streitpatent in der erteilten Fassung ausdrücklich ausgeführt. In diesem Zusammenhang ist aber unbestritten, dass er das Streitpatent als Ganzes und somit auch in der nun vorliegenden geänderten Fassung betrifft.

2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die beanspruchte Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei. Dies werde in D33 gezeigt. Die Ausführbarkeit von Anspruch 1 sei vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verwendung der Zusammensetzung zu beurteilen, d.h. die Zusammensetzung müsse zum Beschichten, Verbinden oder Abdichten von Bauteilen geeignet sein. Die Ansprüche 10, 12 und 13 enthielten diese Anforderung im Wortlaut.

Im Nacharbeitungsversuch sei die patentgemäße Verarbeitbarkeit, Druckfestigkeit, Schwindung, Haftfestigkeit oder Trocknungszeit nicht erhalten worden.

2.3 Ob eine gewünschte Wirkung, die nicht im Anspruch definiert ist, erhalten wird ist unerheblich für die Frage der ausreichenden Offenbarung (vgl. see G 1/03 (OJ 2004, 413), Gründe 2.5.2; siehe auch T 2001/12, Gründe 3.4), wie von der Einspruchsabteilung zutreffend so gesehen. Dies bezieht sich vorliegend insbesondere darauf, ob besondere Eigenschaften bezüglich Verarbeitbarkeit, Druckfestigkeit, Schwindung, Haftfestigkeit oder Trocknungszeit, die in keinem der Ansprüche aufgeführt sind, erhalten werden.

Hingegen ist die prinzipielle Eignung zum Beschichten, Verbinden oder Abdichten im Hinblick auf die beanspruchte Zusammensetzung (Anspruch 1) zu berücksichtigen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Komponente A als "Binderkomponente", die Komponente B als "Härterkomponente" und die Komponente C als umfassend ein "hydraulisches anorganisches Bindemittel" funktional definiert werden. Der vorliegende Anspruch ist so zu verstehen, dass die genannten Funktionen im Zusammenhang mit der beanspruchten Zusammensetzung erhalten werden.

2.4 Die Beschwerdeführerin beanstandet insbesondere, dass augenscheinlich völlig unausführbare Ausführungsformen unter Anspruch 1 fielen. Jedoch können gerade solche Zusammensetzungen, die in bekannter und erwartbarer Weise die beanspruchten Funktionen nicht erfüllen, auch nicht als anspruchsgemäß angesehen werden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin fällt ein "loser Haufen Sand" nicht unter den Anspruch.

Auch die Zusammensetzungen 1-3 und 7 aus D33, die sich auf den Randbereich des Anspruchs beziehen, stellen jeweils ein "freifließendes Pulver ohne Festigkeit" dar, d.h. sie erfüllen die beanspruchte Funktion nicht und können somit auch nicht als anspruchsgemäß angesehen werden.

2.5 Die Frage, ob die funktionale Definition in diesem Fall eine klare Abgrenzung des beanspruchten Schutzbereichs erlaubt, oder ob weitere Angaben zu den Mitteln für die angegebenen Funktionen als wesentliche Merkmale im Anspruch nötig wären (beispiels­weise Mengen­angaben), würde die Klarheit (Artikel 84 EPÜ) betreffen und ist hier nicht relevant.

2.6 Das Streitpatent beschreibt geeignete Materialien (Absätze [0019]-[0049]) und Mengen für die einzelnen Komponenten (Absätze [0056]-[0058]), und es gibt ein Ausführungsbeispiel.

Die Zusammensetzung 6 in D33 kann als Nacharbeitung des Ausführungsbeispiels des Streitpatents angesehen werden. Laut D33 ist die erhaltene Oberflächenhärte "vergleichsweise gering", und nach 24h "scheint die mehrkomponentige Zusammen­setzung 6 keine der patentgemäßen Anforderungen an die Verarbeitbarkeit, Druckfestigkeit, Schwindung, Haftfestigkeit oder Trocknungszeit erfüllen zu können."

Diese subjektive und vage Ergebnisbeschreibung bedeutet nicht, dass die Zusammensetzung überhaupt nicht aushärten würde und nicht grundsätzlich z.B. als Mörtel oder Beschichtung verwendbar wäre.

Dies gilt auch für die Zusammensetzungen 4 und 5, die den Randbereich des Anspruchs betreffen und für die eine "mittelmäßige" (Zusammensetzung 4) bzw. "vergleichsweise geringe" Oberflächenhärte erhalten wurde.

2.7 Es wurde nicht nachgewiesen, dass die Fachperson auf dieser Grundlage und vor dem Hintergrund ihres allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage wäre, beispielsweise durch Abwandlung des Ausführungsbeispiels weitere anspruchsgemäße Zusammensetzungen bereitzustellen, ohne hierfür eine unzumutbare Anzahl an Versuchen durchzuführen.

2.8 Es ist auch kein Grund ersichtlich, anzuzweifeln, dass die Fachperson eine mengenmäßige Zusammensetzung der Komponente C bestimmen kann. Dem steht nicht entgegen, dass es möglicherweise Zusammensetzungen, beispiels­weise mit zusätzlichen Komponenten, gibt, bei denen es nicht klar ist, welche Materialien der Komponente C zuzurechnen sind; dies betrifft wiederum die Frage der Klarheit des Anspruchs. Daher ist auch die von der Beschwerdeführerin genannte Entscheidung T 593/09 (betreffend einen ungenau definierten Parameter) hier nicht relevant.

2.9 Der Wortlaut der Ansprüche 10, 12 und 13 verlangt keine zusätzliche besondere Wirkung, so dass dieselben Überlegungen gelten. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Fachperson mit der beanspruchten Zusammensetzung nicht das Verfahren gemäß Anspruch 10 ausführen und das Produkt gemäß Anspruch 12 erhalten können sollte, bzw. die Zusammensetzung nicht gemäß Anspruch 13 verwenden könnte.

2.10 Aus diesen Gründen kann der Einwand wegen unzureichender Offenbarung nicht erfolgreich sein.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 1 mit der Beschwerdeerwiderung, und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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