European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T146221.20230124 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Januar 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1462/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16188076.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C02F 1/42 C02F 1/28 C02F 1/00 G01N 33/18 B01J 49/85 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN UND SYSTEM ZUM BETREIBEN EINER VORRICHTUNG ZUR BEHANDLUNG EINER WÄSSRIGEN FLÜSSIGKEIT | ||||||||
Name des Anmelders: | BRITA SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Patentansprüche - Deutlichkeit (nein) Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein) Änderung nach Ladung - berücksichtigt (ja) Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit dem Titel "VERFAHREN UND SYSTEM ZUM BETREIBEN EINER VORRICHTUNG ZUR BEHANDLUNG EINER WÄSSRIGEN FLÜSSIGKEIT" wegen mangelnder Klarheit zurückzuweisen.
II. In der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK wurde die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) über die vorläufige Meinung der Kammer informiert, dass alle mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Anträge (Hauptantrag, Hilfsanträge 1-5) gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ verstießen.
III. Nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 1 und 6 bis 8 ein. Der bisherige Hilfsantrag 5 wurde zurückgenommen. Die vormaligen Hilfsanträge 1 bis 4 wurden zu den Hilfsanträgen 2 bis 5. In der mündlichen Verhandlung ersetzte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 7 und 8 durch neue Hilfsanträge 7 und 8.
IV. Der für die Entscheidung relevante Anspruch des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung (1) zur Behandlung einer wässrigen Flüssigkeit, beispielsweise Trinkwasser,
wobei die Vorrichtung (1) eine Einrichtung (13) zum Ändern der Konzentration wenigstens einer bestimmten Ionenspezies umfasst, welche Einrichtung (13) eine begrenzte Behandlungskapazität aufweist, und
wobei die Vorrichtung (1) eine Verschneideeinrichtung (8,14) zum Verschneiden durch die Einrichtung (13) behandelter Flüssigkeit mit durch die Einrichtung unbehandelter Flüssigkeit umfasst, wobei ein volumenbezogener Verschnittanteil der unbehandelten Flüssigkeit in der Mischung veränderbar ist,
wobei Werte eines Parameters, der von der Konzentration wenigstens der bestimmten Ionenspezies abhängig ist, gemessen werden,
wobei Messungen eines ersten Typs wiederholt an Flüssigkeit vorgenommen werden, von der durch die Einrichtung (13) behandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmacht, und
wobei Messungen eines zweiten Typs an Flüssigkeit vorgenommen werden, von der durch die Einrichtung (13) unbehandelte Flüssigkeit zumindest einen Anteil ausmacht, der fest und höher ist, und
wobei wenigstens ein bei einer Messung des zweiten Typs erhaltener Messwert in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, zur Bestimmung, ob ein mit der Behandlungskapazität zusammenhängender Zustand der Einrichtung (13) vorliegt, verwendet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Messungen des zweiten Typs mit einem stromabwärts eines Zusammenführungspunkts (14) zum Zusammenführen der durch die Einrichtung (13) unbehandelten und der durch die Einrichtung behandelten Flüssigkeit angeordneten Sensor (18) durchgeführt werden,
wobei zum Erhalten eines der wenigstens einen bei einer Messung des zweiten Typs erhaltenen Messwerte in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, eine Messung des zweiten Typs durchgeführt und zur Durchführung der Messung des zweiten Typs der Verschnittanteil verändert wird."
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werden Messungen des ersten Typs wie folgend charakterisiert: "...wobei Messungen eines ersten Typs wiederholt an Flüssigkeit vorgenommen werden, von der durch die Einrichtung (13) behandelte Flüssigkeit wenigstens die Mehrheit ausmacht".
Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 2-4 enthält zumindest auch das Merkmal:
"... und wobei Messungen eines zweiten Typs an Flüssigkeit vorgenommen werden, von der durch die Einrichtung (13) unbehandelte Flüssigkeit zumindest einen Anteil ausmacht, der ... höher ist, ..."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 wurde dieses Merkmal geändert, so dass es lautet:
"... und wobei Messungen eines zweiten Typs an im Wesentlichen nur durch die Einrichtung unbehandelter Flüssigkeit vorgenommen werden, ..."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 enthält am Ende des Anspruchs das hinzugefügte Merkmal:
"... und zur Durchführung der Messung des zweiten Typs der Verschnittanteil auf 100% eingestellt wird."
Die unabhängigen Ansprüche des Hilfsantrags 7 lauten:
"1. Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung (1) zur Behandlung einer wässrigen Flüssigkeit, beispielsweise Trinkwasser, wobei die Vorrichtung (1) eine Einrichtung (13) zum Ändern der Konzentration wenigstens einer bestimmten Ionenspezies umfasst, welche Einrichtung (13) eine begrenzte Behandlungskapazität aufweist, und wobei die Vorrichtung (1) eine Verschneideeinrichtung (8,14) zum Verschneiden durch die Einrichtung (13) behandelter Flüssigkeit mit durch die Einrichtung unbehandelter Flüssigkeit umfasst, wobei ein volumenbezogener Verschnittanteil der unbehandelten Flüssigkeit in der Mischung veränderbar ist, wobei Werte eines Parameters, der von der Konzentration wenigstens der bestimmten Ionenspezies abhängig ist, gemessen werden, wobei Messungen eines ersten Typs wiederholt an Flüssigkeit vorgenommen werden, die einem Auslass (5) der Vorrichtung zugeführt wird und von der durch die Einrichtung (13) behandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmacht, und wobei Messungen eines zweiten Typs an nur aus durch die Einrichtung unbehandelter Flüssigkeit bestehender Flüssigkeit vorgenommen werden, und wobei wenigstens ein bei einer Messung des zweiten Typs erhaltener Messwert in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, zur Bestimmung, ob ein mit der Behandlungskapazität zusammenhängender Zustand der Einrichtung (13) vorliegt, verwendet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Messungen des zweiten Typs mit einem stromabwärts eines Zusammenführungspunkts (14) zum Zusammenführen der durch die Einrichtung (13) unbehandelten und der durch die Einrichtung behandelten Flüssigkeit angeordneten Sensor (18) durchgeführt werden, wobei zum Erhalten eines der wenigstens einen bei einer Messung des zweiten Typs erhaltenen Messwerte in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, eine Messung des zweiten Typs durchgeführt und zur Durchführung der Messung des zweiten Typs der Verschnittanteil verändert wird."
"10. Vorrichtung umfassend: eine Vorrichtung (1) zur Behandlung einer wässrigen Flüssigkeit, beispielsweise Wasser; ein System zur Verarbeitung von bei Betrieb der Behandlungsvorrichtung (1) gewonnenen Messwerten, beispielsweise zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche eingerichtet; und eine Sensoranordnung (6,18) zur Bestimmung von Werten eines Parameters, der von der Konzentration wenigstens einer bestimmten Ionenspezies abhängig ist,
wobei die Vorrichtung (1) zur Behandlung der wässrigen Flüssigkeit eine Einrichtung (13) zum Ändern der Konzentration der wenigstens einen bestimmten Ionenspezies umfasst, welche Einrichtung (13) eine begrenzte Behandlungskapazität aufweist, und
wobei die Vorrichtung (1) zur Behandlung der wässrigen Flüssigkeit eine Verschneideeinrichtung (8,14) zum Verschneiden durch die Einrichtung (13) behandelter Flüssigkeit mit durch die Einrichtung (13) unbehandelter Flüssigkeit umfasst, wobei ein volumenbezogener Verschnittanteil der unbehandelten Flüssigkeit in der Mischung veränderbar ist,
wobei das System eine Schnittstelle (17) zu der Sensoranordnung (6,18) umfasst,
wobei die Sensoranordnung (6,18) zur wiederholten Durchführung von Messungen eines ersten Typs an Flüssigkeit, von der durch die Einrichtung (13) behandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmacht, und zur Durchführung von Messungen eines zweiten Typs an Flüssigkeit, von der durch die Einrichtung (13) unbehandelte Flüssigkeit zumindest einen Anteil ausmacht, eingerichtet ist,
wobei das System dazu konfiguriert ist, in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, wenigstens einen bei einer Messung des zweiten Typs erhaltenen Messwert zur Bestimmung, ob ein mit der Behandlungskapazität zusammenhängender Zustand der Einrichtung (13) vorliegt, zu verwenden,
wobei die Sensoranordnung (6,18) einen stromabwärts eines Zusammenführungspunkts (14) zum Zusammenführen der durch die Einrichtung (13) unbehandelten und der durch die Einrichtung (13) behandelten Flüssigkeit angeordneten Sensor (18) umfasst, und
wobei das System dazu eingerichtet ist, in Reaktion auf eine Feststellung, dass sich der bei den Messungen des ersten Typs erhaltene Wert außerhalb bestimmter Grenzen bewegt hat, eine Messung des zweiten Typs mit dem stromabwärts des Zusammenführungspunkts (14) zum Zusammenführen der durch die Einrichtung (13) unbehandelten und der durch die Einrichtung (13) behandelten Flüssigkeit angeordneten Sensor (18) zu bewirken und zur Durchführung der Messung des zweiten Typs den Verschnittanteil zu verändern."
"11. Datenverarbeitungsprogrammprodukt, welches in einem computerlesbaren Medium aufgenommen ist, umfassend einen Befehlssatz, welcher bei Ausführung durch ein Datenverarbeitungssystem zur Verarbeitung von bei Betrieb einer Behandlungsvorrichtung (1) gemäß Anspruch 10 gewonnenen Messdaten bewirkt, dass das Datenverarbeitungssystem ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1-9 durchführt."
Die Ansprüche 2 bis 9 beschreiben bevorzugte Ausführungsformen und entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3-7, 9 und 12, wobei die Ansprüche 2, 5, 7 und 9 Anpassungen an die geänderten unabhängigen Ansprüche enthalten.
V. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind in den Entscheidungsgründen zusammengefasst.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 15. Dezember 2022, oder der Hilfsanträge 2-5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung als Hilfsanträge 1-4, oder des Hilfsantrags 6, eingereicht mit Schreiben vom 15. Dezember 2022, oder der Hilfsanträge 7 und 8, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
1.1 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass das Merkmal "höher" bei der Definition der Messung des zweiten Typs klar sei. Immer, wenn eine Messung zweiten Typs durchgeführt werde, werde zur Durchführung der Verschnittanteil geändert. Dabei werde bei jeder Messung zweiten Typs der gleiche Verschnittanteil gewählt, wobei bei der Messung ersten Typs der Anteil an behandelter Flüssigkeit 30 - 70 % ausmache, während der Anteil an unbehandelter Flüssigkeit in der Messung des zweiten Typs höher sei. Daher gebe es den Widerspruch, den die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung anführe, nicht.
Es gebe im System außerdem nur zwei Arten von Flüssigkeiten, nämlich behandelte und unbehandelte. Nachdem definiert sei, dass Messungen des ersten Typs an Flüssigkeit vorgenommen werde, von der behandelte Flüssigkeit einen Anteil ausmache, müsse unbehandelte Flüssigkeit den restlichen Anteil ausmachen. Dagegen würden Messungen des zweiten Typs an Flüssigkeit vorgenommen, von der unbehandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmache.
Die angefochtene Entscheidung gehe von zwei möglichen Auslegungen aus:
(i) Der Anteil unbehandelter Flüssigkeit ist bei der Messung des zweiten Typs zahlenmäßig höher als der Anteil behandelnder Flüssigkeit bei der Messung des ersten Typs, oder
(ii) der Anteil unbehandelter Flüssigkeit ist bei den Messungen des zweiten Typs höher, als [er] bei den Messungen des ersten Typs [ist].
Aus dem Kontext des Anspruchs 1 sei es klar, dass es sich nur um die zweite Alternative handeln könne.
1.2 Der Auslegung durch die Beschwerdeführerin kann nicht zugestimmt werden.
In Anspruch 1 wird der Begriff "höher" in der Definition der Messung eines zweiten Typs als Komparativ verwendet, aber nur eines der verglichenen Objekte, nämlich der Anteil der unbehandelten Flüssigkeit, benannt. Dadurch müssen Vermutungen angestellt werden, worum es sich beim zweiten Objekt (im Vergleich zu ...) handelt.
Es ist nicht ersichtlich, dass der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Kontext notwendigerweise vorliegt.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 lässt weitere Auslegungsmöglichkeiten zu, wobei die beiden in der angefochtenen Entscheidung angegebenen nicht abschließend sind. Tatsächlich könnte der Begriff "höher" auch die Flüssigkeitsanteile der in der Messung des zweiten Typs gemessenen Probe vergleichen. Es wäre somit denkbar, dass zum Ausdruck gebracht werden soll, dass in der Messung des zweiten Typs der Anteil der unbehandelten Flüssigkeit höher ist, als der restliche Anteil.
Die Definition des Anspruchs 1 ist zudem eine offene Formulierung, so dass die gemessenen Flüssigkeiten nicht ausschließlich aus behandelter und unbehandelter Flüssigkeit bestehen müssen.
Die Merkmale des Anspruchs 1 stellen auch keine Beziehung zwischen dem Anteil von unbehandelter Flüssigkeit in der Messung zweiten Typs und dem Verändern des Verschnittanteils her. Anspruch 1 fordert lediglich, dass zur Durchführung der Messung zweiten Typs der Verschnittanteil verändert werden muss. Es ist aber insbesondere nicht ersichtlich den Verschnittanteil derart zu verändern, dass der Anteil an unbehandelter Flüssigkeit für die Messung des zweiten Typs höher als für die Messung des ersten Typs ist, weil die Verfahrensschritte keinen Bezug aufeinander nehmen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin setzt eine solche Beziehung implizit voraus, was jedoch den Wortlaut des Anspruchs 1 über Gebühr beschränken würde. Die Wortwahl des Anspruchs lässt insbesondere auch eine Probenaufbereitung, durch hinzufügen von Flüssigkeiten zu, an dessen Ende unbehandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmacht, der fest und höher ist, welche Bedeutung man diesem Begriff auch immer zumisst.
Der Hauptantrag erfüllt deshalb nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
2. Hilfsanträge 2-4
Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 4 weist zumindest auch die unklare Verwendung des Komparativs auf.
Die darüber hinaus vorgenommenen Änderungen beheben diesen Mangel an Klarheit nicht. Insbesondere geben sie kein weiteres Objekt an, mit dem der Anteil der unbehandelten Flüssigkeit verglichen werden kann, sondern präzisieren allenfalls einige andere Aspekte.
Hilfsanträge 2-4 erfüllen aus den selben Gründen wie der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
3. Hilfsantrag 5
3.1 Anspruch 1 legt fest, dass die Messung zweiten Typs "im Wesentlichen" nur an unbehandelter Flüssigkeit vorgenommen wird.
3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Fachperson klar sei, dass ein Einstellen auf 100% unbehandelte Flüssigkeit nur schwer zu erreichen sei. Ob eine Patentverletzung vorliege, sei im Falle eines Patentverletzungsverfahrens zu klären. Daher sei der Begriff zulässig.
3.3 Der Fachperson ist klar, dass ein Wert von 100% unter Umständen nicht exakt zu erreichen ist und geht davon aus, dass kleine Abweichungen mit dieser Wertangabe umfasst sind. Durch den Begriff "im Wesentlichen" wird dieser unvermeidbare Unsicherheitsbereich in einer unbestimmten Weise erweitert, so dass zusätzliche Zweifel darüber bestehen, wie viel andere als unbehandelte Flüssigkeit für die Messung des zweiten Typs zulässig ist.
Die Überlegungen der Beschwerdeführerin betreffend den Begriff "im Wesentlichen" im Patentverletzungsverfahren hat vorliegend keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
Die Funktion der Ansprüche besteht darin, den Gegenstand für den Schutz begehrt wird, deutlich anzugeben (Artikel 84 EPÜ). Da in diesem Stadium des Verfahrens die Ansprüche geändert werden können, kommt nichts anderes als eine Herangehensweise in Betracht, bei der der Anspruch als strikte Definition gelesen wird, denn Auslegungsschwierigkeiten können und sollen im Prüfungsverfahren grundsätzlich mit Änderungen behoben werden (siehe T 1279/04 Punkt 3).
Die Anforderungen an Artikel 84 EPÜ sind daher nicht erfüllt.
4. Hilfsantrag 1
Hilfsantrag 1 wurde nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Zulassung beurteilt sich daher unter Artikel 13(2) VOBK 2020.
Die Beschwerdeführerin gibt an, dass die Änderung durch den in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 neu erhobenen Klarheitseinwand veranlasst war und somit außergewöhnliche Umstände vorlägen.
Der Einwand in der Mitteilung betraf den Begriff "im Wesentlichen", gegen den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 4, der nunmehr als Hilfsantrag 5 vorliegt. Wie bereits in der vorliegenden Entscheidung unter Hilfsantrag 5 festgestellt, verursacht dieser Begriff einen Mangel an Klarheit.
Eine Änderung muss sich jedoch, ausgehend vom mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 4, auf das Beheben dieses Einwands beschränken, weil darüber hinausgehende Änderungen nicht durch den neuen Einwand veranlasst sind. Die die Messung des ersten Typs betreffende Änderung des Anspruchs 1 in Hilfsantrag 1 geht jedoch über das Beheben des neuen Einwandes hinaus und enthält die mit dem beanstandeten Begriff nicht in Verbindung stehende Streichung des Merkmals "die einem Auslass der Vorrichtung zugeführt wird".
Diese Streichung ist nicht durch den neuen Einwand veranlasst, so dass für diese Änderung keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.
Hilfsantrag 1 bleibt somit gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 unberücksichtigt.
5. Hilfsantrag 6
5.1 Durch die am Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen wird u.a. an dessen Ende folgendes Merkmal hinzugefügt:
"...und zur Durchführung der Messung des zweiten Typs der Verschnittanteil auf 100 % eingestellt wird."
5.2 Die Beschwerdeführerin gibt als Grundlage in der ursprünglich eingereichten Anmeldung die Seite 12, Zeilen 3-4, die Seite 20, Zeilen 19-20, sowie die Beschreibung des Referenzzeichens 20 auf der Seite 25 an.
5.3 Seite 12, Zeilen 3-4 offenbaren, die Einrichtung zum Ändern der Konzentration der wenigstens einen Ionenspezies zu unterbrechen.
Seite 20, Zeilen 19-20 offenbaren im Zusammenhang mit Figur 2A den Wasserfluss durch das Bett zur Wasserbehandlung zu unterbrechen. Eine Unterbrechung des Wasserflusses ist im Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 jedoch nicht genannt. Das Referenzzeichen 20 auf der Seite 25 bezieht sich ebenso auf Figur 2A. Es bezeichnet stichwortartig den Verfahrensschritt aber offenbart keine Verallgemeinerung der auf Seite 20 offenbarten Merkmale.
Unabhängig von der Frage der Zulassung erfüllt somit der Hilfsantrag 6 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
6. Hilfsantrag 7
6.1 Zulassung
Die Beschwerdeführerin gibt an, dass die Änderung durch den in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 neu erhobenen Klarheitseinwand veranlasst war und somit außergewöhnliche Umstände vorlägen.
Der Einwand in der Mitteilung betraf den Begriff "im Wesentlichen", gegen den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 4, der nunmehr als Hilfsantrag 5 vorliegt. Wie bereits oben festgestellt, verursacht dieser Begriff einen Mangel an Klarheit.
Die durch diesen Einwand veranlasste Änderung des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 beschränkt sich, ausgehend vom mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 4, auf das Beheben dieses Einwands.
Zudem erhob die Kammer während der Verhandlung neuerlich einen Klarheitseinwand gegen Anspruch 11, der erst im Laufe der Diskussion offenbar wurde. Eine Reaktion der Beschwerdeführerin gegen diese neuerliche, für die Beschwerdeführerin unerwartete Beanstandung wurde von der Kammer als gerechtfertigt gesehen.
Somit liegen nach Auffassung der Kammer außergewöhnliche Umstände vor. Der Antrag behebt von der Kammer erstmals erhobene Klarheitseinwände, wirft keine anderen Fragen auf und ist der Verfahrensökonomie nicht abträglich.
Daher lässt die Kammer den Hilfsantrag 7 in das Verfahren zu.
6.2 Artikel 123(2) EPÜ
Die Grundlage für den Hilfsantrag 7 stellt sich wie folgt dar:
Anspruch 1: Ansprüche 1, 2, 8, 11 wie ursprünglich eingereicht, zusammen mit Seite 5, Zeile 18 bis Seite 6, Zeile 10; Seite 12, Zeilen 3-4.
Ansprüche 2-9: Ansprüche 3-7, 9 und 12 wie ursprünglich eingereicht, wobei die Ansprüche 2, 5, 7 und 9 Anpassungen an die geänderten unabhängigen Anträge enthalten, letzterer Anspruch zusammen mit Seite 13, Zeilen 22-24.
Anspruch 10: Ansprüche 8, 11 und 13 wie ursprünglich eingereicht, sowie Beschreibung Seiten 1 und 2; Seite 10, Zeilen 1-5; Seite 11, Zeile 13 bis Seite 12, Zeile 6; Seite 14, Zeilen 20-21.
Anspruch 11: Anspruch 15 wie ursprünglich eingereicht, wobei der Verweis auf den Vorrichtungsanspruch ergänzt und klargestellt wurde.
6.3 Artikel 84 EPÜ
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, deutlich angegeben wird.
Das Verfahren nach Anspruch 1 legt fest, dass zumindest eine Messung ersten Typs ausgeführt wird und je nach Ergebnis dieser Messung, eine Messung zweiten Typs durchgeführt wird, wobei zur Durchführung der Messung zweiten Typs der Verschnittanteil verändert wird. Die Reihenfolge, in der die Verfahrensschritte nach Anspruch 1 ausgeführt werden müssen, ist daher ausreichend bestimmt.
Dass nicht festgelegt wird, an welcher Stelle die Messung ersten Typs vorgenommen wird, ist unter Artikel 84 EPÜ nicht zu beanstanden. Bezüglich der Messungen des ersten Typs wurde in der Beschreibung lediglich als wesentlich dargestellt, dass sie wiederholt an Flüssigkeit vorgenommen wird, von der durch die Einrichtung behandelte Flüssigkeit wenigstens einen Anteil ausmacht (siehe z.B. Seite 1 der Beschreibung).
Wenn es sich dabei um ein Merkmal handelt, ohne das die Lösung der technischen Aufgabe nicht gelingt, so ist das unter Artikel 56 EPÜ zu berücksichtigen.
Das System zur Verarbeitung von Messwerten im Vorrichtungsanspruch 10 ist nicht ausdrücklich dafür vorbereitet, das Verfahren nach Anspruch 1 ausführen zu können, was unter Artikel 84 EPÜ nicht zu beanstanden ist.
Wenn die Vorrichtung ohne dieses Merkmal die technische Aufgabe nicht lösen kann, so muss das unter Artikel 56 EPÜ berücksichtigt werden.
Anspruch 11 zufolge bewirkt das Ausführen des Befehlssatzes durch das in der Vorrichtung nach Anspruch 10 enthaltenen System das Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 1. Ein Mangel an Klarheit ist nicht ersichtlich.
7. Zurückverweisung
Die Patentanmeldung wurde unter Artikel 84 EPÜ zurückgewiesen.
Es ist jedoch, wie in Artikel 12(2) VOBK 2020 ausdrücklich niedergelegt, vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Dem widerspräche es, über Zurückweisungsgründe, die nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren, im Beschwerdeverfahren erstmals abschließend und keiner weiteren inhaltlichen Überprüfung zugänglich zu entscheiden.
Deshalb liegen Gründe vor, die eine Zurückweisung an die Prüfungsabteilung rechtfertigen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.