T 1286/21 (Verfahren zur Herstellung eines Produkts aus Bioplastik/BERNDORF BAND … of 13.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T128621.20230613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2023
Aktenzeichen: T 1286/21
Anmeldenummer: 15781289.2
IPC-Klasse: C08J 5/18
B29D 7/00
B29C 41/26
B29C 41/28
B65G 69/20
D21H 11/18
D21H 11/20
H05B 3/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINES PRODUKTES AUS EINEM NANOFASERN ENTHALTENDEN BIOPLASTIK
Name des Anmelders: Berndorf Band GmbH
Name des Einsprechenden: IPCO Germany GmbH
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(5)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(a)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0574/17
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.

II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang nach Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie 100 b) EPÜ beantragt.

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente vorgelegt:

E1: |A. Dufresne, "Processing of polymer nanocomposites reinforced with polysaccharide nanocrystals", Molecules, 15, 2010, 4111-4128 |

E2: |Sandvik-Broschüre PS-458 "Sandvik Stahlbandanlagen zum Pressen, Laminieren und Film-/Schichtgiessen", 02.2011 |

E3: |A. Dufresne, ,,Nanocellulose - From nature to high performance tailored materials", Walter De Gruyter Berlin/Boston, 2012, 11-15, 335-339|

E4: |O. Schwarz et al., "Kunststoffverarbeitung", Vogel Industrie Medien Würzburg, 10. Auflage, 2005, Seiten 7, 8, 59, 60, 79 |

E6: |H. M. C. Azeredo et al., "Edible films from alginate-acerola puree reinforced with cellulose whiskers", LWT Food Science and Technology, 46, 2012, 294-297|

E11:|WO 2013/060934 A2 |

E16:|WO 2014/068196 A2 |

E17:|Krüss Application Report AR246d: "Optimierung der Vorbehandlung von Metalloberflächen für Verklebungen im Fahrzeugbau", April 2009 |

E18:|EP 2 353 709 B1 |

E19:|DE 10 2012 220 286 A1 |

E20:|DE 699 23 164 T2 |

IV. In der angefochtenen Entscheidung entschied die Einspruchsabteilung Folgendes:

- Keiner der Einspruchsgründe stehe der Aufrechterhaltung des Patents entgegen. Daher sei der Einspruch zurückzuweisen.

- Der nächstliegende Stand der Technik sei nicht E1 oder E3, sondern E11.

- Die Dokumente E17 bis E20 beeinflussten nicht den Ausgang des Verfahrens. Eine Entscheidung über die Zulassung dieser Dokumente erübrige sich.

V. Die Beschwerdeführerin trug in der Beschwerdebegründung unter anderem vor, dass die Dokumente E17 bis E20 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen seien. Nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin weitere Neuheitseinwände vor. Grundlage für diese Einwände waren folgende, zugleich eingereichte Dokumente:

E21: |US 2014/0234640 A1 |

E22: |JP 2011-152693A |

E22a:|Übersetzung ins Englische der D22|

VI. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) sieben Hilfsanträge ein.

VII. Die für die Entscheidung maßgeblichen Ansprüche 1 und 6 des erteilten Patents (Hauptantrag) lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Produktes (11) aus einem Nanofasern natürlich nachwachsender Rohstoffe enthaltendem Bioplastik, wobei die Nanofasern einen Faserdurchmesser von weniger als 1 µm und eine Länge von bis zu 30 µm aufweisen, welches folgende Schritte umfasst:

a) Aufbringen und Verteilen einer Masse (4) des Nanofasern enthaltenden Bioplastiks in einem fließfähigen Zustand auf eine Oberfläche zumindest eines sich in einer Umlaufrichtung bewegenden Endlosbandes, wobei die Masse (4) aus Bioplastik in Schritt a) auf die Oberfläche des zumindest einen Endlosbandes aufgesprüht oder aufgegossen wird, und

b) Transportieren der auf der Oberfläche des zumindest einen Endlosbandes (1, 9) aufgebrachten und verteilten Masse (4) des Nanofasern enthaltenden Bioplastiks in Umlaufrichtung des zumindest einen Endlosbandes, wobei es die weiteren Schritte umfasst:

c) zumindest teilweises Trocknen der auf dem zumindest einen Endlosband aufgebrachten und verteilten Masse (4) des Nanofasern enthaltenden Bioplastiks während eines Transportes der verteilten und aufgebrachten Masse (4) aus Nanofasern enthaltenden Bioplastik auf dem zumindest einen Endlosband,

d) Ablösen der zumindest teilweise getrockneten Masse (4) des Nanofasern enthaltenden Bioplastiks von der Oberfläche des Endlosbandes, während sich das Endlosband in Umlaufrichtung bewegt

dadurch gekennzeichnet, dass das Endlosband aus Metall gefertigt ist und in Schritt a) die Masse (4) aus Bioplastik auf die Oberfläche des aus Metall gefertigten Endlosbandes (1, 9) aufgebracht wird."

"6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 , dadurch gekennzeichnet, dass das zumindest eine Endlosband (1, 9) einen Bandkörper mit zumindest einer schraubenförmig gewickelten lang- oder Endlosfaser aufweist und in Schritt a) die Masse (4) aus Bioplastik auf die Oberfläche des Endlosbandes (1, 9) mit dem Bandkörper mit der zumindest einen schraubenförmig gewickelten Lang- oder Endlosfaser, die eine Länge von mindestens 1 m aufweist, aufgebracht wird.

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:

- Die Erfindung, wie sie in Anspruch 6 des erteilten Patents beschrieben sei, sei nicht ausführbar.

- Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber E2, E4, E21 und E22.

- Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht erfinderisch ausgehend von jeweils E1, E3, E6, E11 und E16 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:

- Keiner der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände stehe der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.

- Die Dokumente E17 bis E22 sowie der Neuheitseinwand auf der Grundlage von E21 und E22 sei nicht in das Verfahren zuzulassen.

X. Schlussanträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder das Patent auf der Grundlage eines der mit der Erwiderung auf die Beschwerde eingereichten Hilfsanträge 1 bis 7 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Das Streitpatent

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Produktes aus einem Nanofasern enthaltenden Bioplastik. Bei den Nanofasern handelt es sich vorrangig um Nanozellulose. Das patentgemäße Verfahren ermöglicht die kontinuierliche und unterbrechungsfreie Herstellung eines Filmes oder einer Platte aus Biokunststoff.

2. Zulassung

2.1 Zunächst ist zu entscheiden, ob der Vortrag zur erfinderischen Tätigkeit auf der Grundlage von E1, E3, E6 und E16 sowie der Vortrag zur Neuheit auf der Grundlage von E21 und E22, sowie diese Dokumente selbst, in das Verfahren zuzulassen sind.

2.2 E1 und E3: Einwand unter Artikel 56 EPÜ

2.2.1 Die Einspruchsabteilung legte in der angefochtenen Entscheidung begründet dar, weshalb E1 und E3 im Hinblick auf den Zweck und die Wirkung der Erfindung nicht der nächstliegende Stand der Technik seien. Beide Dokumente befassten sich weder mit der Aufgabe im Streitpatent noch mit einem Trägermaterial, sondern erwähnten verschiedenste Verarbeitungsverfahren, wie zum Beispiel Elektrospinnen oder Koextrusion. Hingegen sei E11 als nächstliegender Stand der Technik vorzuziehen, weil es ein (konkretes) Verfahren beschreibe, nämlich ein "roll-to-roll" Verfahren, auf welches im Streitpatent Bezug genommen werde.

2.2.2 In ihrer Beschwerdebegründung setzte sich die Beschwerdeführerin nicht mit der begründeten Darlegung der Einspruchsabteilung auseinander, wonach E1 und E3 nicht der nächstliegende Stand der Technik sei. Ebenso erläuterte sie nicht, ob oder worin die Einspruchsabteilung sich geirrt habe (Artikel 12 (2) und (3) VOBK 2020). Vielmehr wiederholte die Beschwerdeführerin lediglich ihren nicht näher begründeten Vortrag aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung wonach E1 sowie E3 zusätzlich zu E11 als weiterer, nächstliegender Stand der Technik zu berücksichtigen seien. Sie legte auch nicht dar, welche Merkmale aus Anspruch 1 ihrer Ansicht nach in E1 und E3 offenbart seien.

2.2.3 Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergänzte die Beschwerdeführerin ihren Vortrag lediglich dahingehend, dass E1 und E3 prima facie geeignete Ausgangspunkte für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit seien. Die Kammer versteht diesen Vortrag so, dass sich in der Beschwerdebegründung weitere Ausführungen zur angefochtenen Entscheidung nach Ansicht der Beschwerdeführerin erübrigten, weil auf den ersten Blick erkennbar sei, dass sich die Einspruchsabteilung geirrt habe.

2.2.4 Die Kammer teilt diese Ansicht der Beschwerdeführerin nicht. Die Begründung der Einspruchsabteilung ist, obgleich knapp gefasst, in sich schlüssig und nachvollziehbar. Sie ist nicht auf den ersten Blick als falsch oder unzureichend zu erkennen. Das Gegenteil ist der Fall. Insofern bestand eine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit der Begründung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung. Ferner hat die Beschwerdeführerin im gesamten Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, welche Merkmale von Anspruch 1 sie in E1 und E3 als offenbart ansieht.

2.2.5 Vor diesem Hintergrund lässt die Kammer die Einwände ausgehend von E1 und E3 (Artikel 12 (5) VOBK 2020) nicht in das Verfahren zu.

2.3 E6 und E16: Einwand unter Artikel 56 EPÜ

2.3.1 Die Beschwerdeführerin formulierte in der Beschwerdebegründung zwei weitere Einwände zur erfinderischen Tätigkeit, nämlich ausgehend von E6 und E16. Diese Einwände waren nicht Bestandteil der angefochtenen Entscheidung. Sie stellen somit eine Änderung des Vorbringens gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2020 dar.

2.3.2 Für diese Änderung hat die Beschwerdeführerin keine Erklärung vorgebracht. Sie hat zudem nicht dargelegt, weshalb die Einwände nicht bereits während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung sondern erst im Beschwerdeverfahren vorgebracht wurden und weshalb diese Einwände in das Beschwerdeverfahren zuzulassen seien.

2.3.3 Vor diesem Hintergrund lässt die Kammer die Einwände ausgehend von E6 und E16 nicht in das Verfahren zu (Artikel 12 (6) VOBK 2020).

2.4 E21 und E22: Einwand unter Artikel 54 EPÜ

2.4.1 Nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 brachte die Beschwerdeführerin weitere Neuheitseinwände auf Grundlage der Dokumente E21 und E22 (sowie dessen Übersetzung ins Englische, E22a) vor.

2.4.2 Gerechtfertigt wurde dieser Vortrag und das Einreichen der Dokumente dadurch, dass letztere durch Zufall im Rahmen einer Recherche im Zusammenhang mit einer anderen Rechtssache erst kürzlich bekannt geworden seien. Zudem seien die Dokumente prima facie relevant.

2.4.3 Die Beschwerdegegnerin beantragte, diese Einwände und Dokumente nicht in das Verfahren zuzulassen. Es lägen keine außergewöhnliche Umstände vor, welche die Zulassung begründen würden.

2.4.4 "Außergewöhnliche Umstände" im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 sind insbesondere neue oder unvorhergesehene Entwicklungen des Beschwerdeverfahrens, wie etwa von der Kammer oder einem anderen Beteiligten erhobene neue Einwände, während der gewöhnliche Verlauf verspätete Einreichungen nicht zu rechtfertigen vermag (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage 2022, Kapitel V.A.4.5.1, 4. Absatz).

2.4.5 Im vorliegenden Beschwerdeverfahren gab es keine neuen und unvorhergesehenen Entwicklungen. Die in Frage stehende Beurteilung der Neuheit war seit der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung unverändert.

2.4.6 Im vorliegenden Fall ist eine nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung durchgeführte Recherche nach weiteren Dokumenten nicht als außergewöhnlicher Umstand anzusehen. Die Recherche wurde nach Aussage der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit einer anderen Rechtssache durchgeführt. Die Recherche war demnach offensichtlich nicht durch neue oder unvorhergesehene Entwicklungen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens veranlasst, sondern wurde völlig unabhängig davon von der Beschwerdeführerin initiiert. Dass die gefundenen Dokumente potentiell relevant für das vorliegende Beschwerdeverfahren sein könnten, mag zwar als ein Zufall angesehen werden. Dieser kann allerdings nicht als ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 betrachtet werden. Mit anderen Worten, die vorgetragenen Umstände rechtfertigen nicht die Zulassung dieser Dokumente.

2.4.7 Im gegenständlichen Fall sieht die Kammer auch keinen Grund, eine Beurteilung der prima-facie-Relevanz des verspäteten Vorbringens vorzunehmen. Für die Feststellung, dass keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 vorliegen, ist eine solche Beurteilung nicht erforderlich (T 574/17, Gründe 2.3.3.).

2.4.8 Daher bleiben die Dokumente E21, E22 und E22a und die darauf gestützten Neuheitseinwände im Verfahren unberücksichtigt (Artikel 13 (2) VOBK 2020).

3. Einspruchsgrund nach Artikel 100 (b) EPÜ

3.1 Die Einspruchsabteilung sah die Erfindung, wie sie in Anspruch 6 (Wortlaut, siehe oben, Punkt VII) des erteilten Patentes beschrieben ist, in der angefochtenen Entscheidung als ausführbar an. Sie begründete dies unter anderem damit, dass keine berechtigten Zweifel bestünden, dass die Fachperson mit dem allgemeinen Fachwissen in der Lage sei, das in Anspruch 6 definierte Endlosband zu bauen. Hierzu seien keine Belege vorgebracht worden.

3.2 Die Beschwerdeführerin trat dem entgegen. Ihrer Ansicht nach sei im Streitpatent (Absatz [0016]) offenbart, dass das Endlosband entweder aus Metall oder alternativ aus anderen Materialien als Metall gefertigt sei, beispielsweise aus vorimprägnierten, spiralförmig gewickelten Fasern wie Carbon-Fasern. Somit sei der Beschreibung eindeutig zu entnehmen, dass ein Bandkörper aus einer schraubenförmig gewickelten Lang- oder Endlosfaser wie er in Anspruch 6 beschrieben ist, nicht aus Metall gefertigt werden solle.

3.3 Dem ist nicht zuzustimmen. Gemäß dem abhängigen Anspruch 6 weist das Endlosband zumindest eine schraubenförmig gewickelte Lang- oder Endlosfaser auf. Für den Fachmann geht durch den Rückbezug auf Anspruch 1 hervor, dass diese Fasern Bestandteil des Endlosbandes aus Metall sind. Nach Absatz [0016] der Streitpatents können die Fasern miteinander verklebt oder verschweißt sein. Selbst Materialmischungen sind ausdrücklich vorgesehen. Daher ist der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht überzeugend.

3.4 Somit entschied die Einspruchsabteilung zu Recht, dass der Fachmann in der Lage ist, das in Anspruch 6 definierte Endlosband zu bauen. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 (b) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

4. Hauptantrag - Neuheit

4.1 Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber E2 und E4 sei. Die Beschwerdeführerin trat dem entgegen.

4.2 Neuheit gegenüber E2

4.2.1 E2 ist eine Broschüre der Firma "Sandvik" über Stahlbandanlagen, unter anderem zum Film- und Schichtgießen. Der angeblich neuheitsschädliche Teil von E2 ist auf Seite 10 zu finden, und zwar die stichpunktartige Offenbarung mit den drei Worten "Filtermembrane Basis Nitrocellulose".

4.2.2 Die Einspruchsabteilung befand, dass der Nachweis fehle, dass die Nitrocellulose in E2 während des Aufgießens als Nanofasern vorliege oder diese auch nur in geringsten Mengen enthalte. Ferner sei nicht nachwiesen worden, dass Nitrocellulose immer als fasrige Masse vorliege, vielmehr sei in E2 die Rede von mikroporösen Membranen.

4.2.3 Dem stimmt die Kammer zu. In E2 ist nämlich nicht offenbart, wie und in welcher Form die Nitrocellulose auf das Endlosband aufgetragen wird, welche weiteren Verfahrensschritte sie dann durchläuft und ob schließlich Nanofasern im Endprodukt enthalten sind. Somit ist in E2 auch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Nitrocellulose in Form von Fasern vorliegt oder diese enthält. Erst recht gibt es keine Aussage darüber, ob die anspruchsgemäß geforderten Abmessungen vorliegen.

4.2.4 Somit offenbart E2 nicht den Gegenstand von Anspruch 1.

4.3 Neuheit gegenüber E4

4.3.1 Für E4 gilt das bereits zu E2 Gesagte. Auch in E4 findet sich auf Seite 79 keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung aller Merkmale von Anspruch 1. Insbesondere gibt es keine eindeutige Angaben, ob Fasern vorliegen, und wenn dem so sein sollte, welche Abmessungen sie aufweisen.

4.3.2 Somit offenbart E4 nicht den Gegenstand von Anspruch 1.

4.4 Daher steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 (a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

5.1 In der angefochtenen Entscheidung sah die Einspruchsabteilung D11 als den nächstliegenden Stand der Technik an. Zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von diesem Dokument führte sie Folgendes aus:

- Anspruch 1 unterscheide sich von E11 dadurch, dass das Trägermaterial in E11 durch ein Endlosband ersetzt werde und das Endlosband aus Metall gefertigt sei.

- Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, die im Stand der Technik benötigten Speicherrollen für Trägermaterial zu vermeiden. Diese Aufgabe sei durch den beanspruchten Gegenstand gelöst.

- Der Fachmann habe keine Veranlassung, das Dokument E2 zur Lösung der Aufgabe heranzuziehen.

- Die Einsprechende habe somit die Abwesenheit einer erfinderischen Tätigkeit nicht gezeigt.

5.2 Die Beschwerdeführerin trat dieser Entscheidung entgegen und trug Folgendes vor:

- E11 betreffe nicht nur ein "roll-to-roll" Verfahren. Dabei werde ein Träger mit einem Film beschichtet, wobei der Träger von einer ersten Rolle abgerollt und zusammen mit dem Film auf einer zweiten Rolle wieder aufgerollt werde. Zusätzlich offenbare E11 nämlich ein kontinuierliches Verfahren ("on-line solutions"), bei welchem ein Endlosband zum Einsatz kommen müsse.

- Der einzige Unterscheidungsmerkmal von Anspruch 1 sei das aus Metall gefertigte Endlosband.

- Ausgehend von E11 könne als objektive Aufgabe angesehen werden, die Herstellung von Bioplastikfilmen im industriellen Maßstab mit höherer Effizienz (und engen Toleranzen) zu ermöglichen; alternativ könne die Aufgabe darin gesehen werden, das in E11 gelehrte Konzept der "on-line solution" zu verwirklichen.

- Diese beanspruchte Lösung sei in E2 und E4 vorgeschlagen. Die Vorteile der Stahlbandtechnologie seien aus dem Stand der Technik bekannt (E17 bis E20).

5.3 Unterscheidungsmerkmale gegenüber E11

5.3.1 Es steht außer Streit, dass in E11 kein Träger aus Metall offenbart wird.

5.3.2 Es ist jedoch streitig, ob in E11 ein kontinuierliches Verfahren erwähnt wird. Bei einem solchen kontinuierlichen Verfahren käme nach Auffassung der Beschwerdeführerin notwendigerweise ein Endlosband zum Einsatz.

5.3.3 Die Beschwerdeführerin begründet ihre Behauptung, E11 offenbare ein kontinuierliches Verfahren, im Wesentlichen mit Hinweis auf einen einzigen Satz auf Seite 3 des Dokuments. Darin ist von einer Produktion von größeren Mengen die Rede sowie von einer Umwandlung des im vorigen Satz beschriebenen "roll-to-roll" Verfahrens hin zu "on-line solutions". Der Originaltext lautet wie folgt:

"All the operations described here can be up-scaled and transformed into on-line solutions." (Seite 3, Zeilen 26 und 27)

5.3.4 Allerdings legte die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dar, weshalb der Fachmann aus dem Stichwort "on-line solutions" unmittelbar versteht, dass ein kontinuierliches Verfahren, d.h. ein Verfahren unter Verwendung eines Endlosbandes, gemeint sein muss. Zwar mag eine Umwandlung des im vorigen Satz beschriebenen "roll-to-roll" Verfahrens möglicherweise nennenswerte Änderungen implizieren. Dennoch sind in E11 weder eine konkrete Offenbarung noch Hinweise erkennbar, wie die größeren Mengen zu erzielen sind und in welcher Weise das Verfahren abzuändern ist. Kurzum, was in E11 unter "on-line solutions" gemeint ist, wird schlichtweg nicht erklärt oder ausgeführt. Daher ergibt sich nicht zwangsläufig, dass in dem zitierten Satz die Lehre steckt, ein Endlosband einzusetzen.

5.3.5 Vielmehr ist der fragliche Satz in E11 in Verbindung mit dem "roll-to-roll" Verfahren offenbart (Seite 3 Zeilen 25 und 26). Der Erklärungsansatz der Beschwerdegegnerin, wonach größere Mengen auch im Rahmen eines verbesserten "roll-to-roll" Verfahren erzeugt werden können, beispielsweise durch einen zügigeren Austausch der Rollen, ist deutlich überzeugender.

5.3.6 In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass in E11 durchweg von Filmen die Rede ist, die auf dem Träger haften und gegebenenfalls getrennt werden können. Auch diese Lehre in E11 stützt das Verständnis, dass dieses Dokument kein kontinuierliches Verfahren, geschweige denn ein Endlosband lehrt. Vielmehr wird der Film zusammen mit dem Träger aufgerollt bzw. muss zumindest diese Möglichkeit bestehen.

5.3.7 Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass die Filme in E11 abziehbar und entfernbar seien.

5.3.8 Das ist allerdings kein Beleg dafür, dass ein Endlosband zum Einsatz kommt. Vielmehr geht es dabei um die Eigenschaften der Filme, die mit dem "roll-to-roll" Verfahren hergestellt werden können. In E11 ist auch nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt nach Herstellung des Films ein Abziehen oder Entfernen vom Träger erfolgt. Insbesondere ist nicht beschrieben, dass die Filme sofort nach Herstellung abzuziehen sind, wie das bei der Verwendung eines Endlosbandes der Fall sein muss.

5.3.9 Zusammenfassend ist der Einspruchsabteilung darin zuzustimmen, dass sich Anspruch 1 von E11 dadurch unterscheidet, dass das Trägermaterial in E11 durch ein Endlosband ersetzt wird und das Endlosband aus Metall gefertigt ist.

5.4 Technische Aufgabe

5.4.1 Die sich aus dem Unterscheidungsmerkmal ergebende Aufgabe besteht darin, Bioplastikfilme im industriellen Maßstab und mit höherer Effizienz herzustellen.

5.4.2 Der Behauptung der Beschwerdeführerin wonach die Aufgabe sei, das in E11 gelehrte Konzept der "on-line solution" zu verwirklichen, kann nach Ansicht der Kammer nicht gefolgt werden.

5.4.3 Wie bereits oben in Punkt 5.3.4 dargelegt, wird in E11 weder erklärt noch ausgeführt was mit "on-line solutions" gemeint ist. Aus Sicht des Fachmanns wäre es daher unrealistisch, die Aufgabe so zu formulieren. Diese Aufgabe wäre auch derart unspezifisch, dass sie ihn nicht auf vielversprechendere Weise zum beanspruchten Gegenstand führen würde.

5.5 Naheliegen

5.5.1 Es bleibt zu klären, ob der Fachmann zur Lösung der Aufgabe die Lehre von E2 oder E4 zurate gezogen hätte und zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt wäre.

5.5.2 E11 lehrt, dass es wesentlich ist, dass dort offenbarte Verfahren als "roll-to-roll" Verfahren auszugestalten. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Möglichkeit des Ablösens des Films vom Träger, an den Stellen, an denen sie offenbart wird, immer zusammen mit der Möglichkeit des Verbleibens des Films auf dem Träger erwähnt wird (z.B. Seite 3, Zeilen 19 bis 21; Seite 4, Zeilen 26 und 27; Beispiele 2 und 3). Da die Verwendung eines Endlosbandes sich nicht für ein "roll-to-roll" Verfahren eignet, hätte ein Fachmann ausgehend von E11 keine Veranlassung gehabt,

- das bekannte Verfahren durch das Endlosband aus E2 zu ersetzen, und

- zudem den gemäß E11 verwendeten Träger aus Kunststoff durch einen aus Metall zu ersetzen.

5.5.3 Im Hinblick auf D4 gilt das Gleiche. Die Eignung für ein "roll-to-roll" Verfahren stellt einen wesentlichen Aspekt der technischen Lehre von E11 dar. Daher hätte ein Fachmann ausgehend von E11 keine Veranlassung gehabt, das bekannte Verfahren durch das Endlosband aus E4 zu ersetzen.

5.5.4 Demnach ist es vorliegend nicht erforderlich, sich mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin zu etwaigen Vorteilen der Stahlbandtechnologie (E17 bis E20) auseinander zu setzen. Wie schon in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, sind die Dokumente E17 bis E20 für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Ausgehend von E11 käme der Fachmann nicht auf die Idee, ein Endlosband zu verwenden. Folglich ist auch nicht zu prüfen, ob die bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereichten Dokumente E17 bis E20 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen sind.

5.5.5 Zusammenfassend ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer Zusammenschau der Dokumente E11 mit E2 oder E4 für einen Fachmann nicht in naheliegender Weise.

5.6 Daher steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 (a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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