T 1266/21 () of 10.1.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T126621.20240110
Datum der Entscheidung: 10 Januar 2024
Aktenzeichen: T 1266/21
Anmeldenummer: 12167516.9
IPC-Klasse: A61L 9/01
A61Q 13/00
C11B 9/00
C11D 3/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung bestimmter Verbindungen zum Verändern von Gerüchen
Name des Anmelders: Symrise AG
Name des Einsprechenden: FIRMENICH SA
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 69(1)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention R 43(1)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (nein)
Änderungen - Unzulässig eingeführtes Merkmal kann nicht ignoriert werden
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/10
T 1473/19
T 0367/20
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0439/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Streitpatent EP 2 662 098 unter Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.

II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hatte gegen das Streitpatent Einspruch eingelegt und diesen unter anderem unter Artikeln 100(b) und 100(c) EPÜ mit unerlaubten Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ) und unzureichender Offenbarung (Artikel 83 EPÜ) begründet.

III. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die beanspruchte Erfindung unzureichend offenbart war und widerrief das Patent auch unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgelegten geänderten Fassungen. Der vorgebrachte Einwand unerlaubter Änderungen wurde verworfen.

IV. Im Beschwerdeverfahren verteidigte die Beschwerdeführerin das Patent in der im Einspruchsverfahren als Hauptantrag vorgelegten geänderten Fassung. Als Hilfsanträge wurden die Anspruchssätze 1A bzw. 1-17 eingereicht.

Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Verwendung

(i) einer einzelnen Verbindung der Formel (I) oder

(ii) einer Mischung umfassend oder bestehend aus zwei oder mehr Verbindungen der Formel (I)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wobei für die Verbindung der Formel (I) bzw. jede Verbindung der Formel (I) gilt, dass keine, eine oder zwei der vier gewellten Linien eine Doppelbindung bedeutet bzw. bedeuten und die übrigen gewellten Linien jeweils eine Einfachbindung bedeuten und

X ausgewählt ist aus -O-, -CH2- und -O-CH2-, vorzugsweise aus -O- und -CH2-,

(iii) sowie einem, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder mehr weiteren Riechstoffen, wobei der bzw. die weitere(n) Riechstoff(e) keine Verbindung der Formel (I) ist bzw. sind und einer zwei, drei, vier, fünf, sechs oder mehr bzw. sämtliche der (weiteren) Riechstoffe eine Molmasse im Bereich von 150 g/mol bis 285 g/mol besitzt bzw. besitzen,

innerhalb einer Riechstoffmischung

zum Maskieren oder Vermindern des bzw. eines oder mehrerer unangenehmer Geruchseindrücke eines oder mehrerer unangenehm riechender Stoffe, wobei der/die Stoff(e) keine Verbindungen der Formel (I) ist bzw. sind,

charakterisiert dadurch, dass

- das Verhältnis der Gesamtmasse an unangenehm riechenden, nicht der Formel (I) entsprechenden Stoffen zur Gesamtmasse an Verbindung(en) der Formel (I) größer oder gleich 99,9 : 0,1 ist

und

- die zum Vermindern oder Maskieren eingesetzte Menge an Verbindung(en) der Formel (I) nicht ausreicht, um einen Moschusgeruch zu vermitteln."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1A unterscheidet sich davon dadurch, dass die Passage "zum Maskieren oder Vermindern des bzw. eines oder mehrerer unangenehmer Geruchseindrücke eines oder mehrerer unangenehm riechender Stoffe, wobei der/die Stoff(e) keine Verbindungen der Formel (I) ist bzw. sind," um zwei Absätze nach oben verschoben ist, so dass sie zwischen den Passagen "X ausgewählt ist aus -O-, -CH2- und -O-CH2-, vorzugsweise aus -O- und -CH2-," und dem Punkt (iii) zu liegen kommt.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Verbindungen (iii) as "unangenehm riechende Riechstoffe" bezeichnet werden und dass diese Verbindungen im weiteren Verlauf durch eine Liste von möglichen Einzelverbindungen spezifiziert werden.

Die Wiedergabe des Wortlauts der unabhängigen Ansprüche der anderen Hilfsanträge ist für die Entscheidung nicht erforderlich.

V. Auf folgendes Dokument wird außerdem Bezug genommen:

A2 |Von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. September 2023 eingereichte Erklärung|

VI. Im Beschwerdeverfahren brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die Einspruchsabteilung habe in korrekter Weise festgestellt, dass die Patentansprüche im Vergleich zur ursprünglichen Offenbarung keine unerlaubten Änderungen enthielten. Aus der Beschreibung des Patents gehe klar hervor, dass für die geruchsmaskierenden Eigenschaften ausschließlich die Verbindungen (I) verantwortlich seien; Anspruch 1 des Hauptantrags sei entsprechend auszulegen. Dies gelte umso mehr für die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1A und 8. Eine solche Auslegung der Ansprüche werde durch die Erklärung A2 bekräftigt. Demgegenüber habe die Einspruchsabteilung zu Unrecht auf mangelnde Offenbarung erkannt. Die im Anspruch definierte Verwendung der Verbindungen (I) zur Geruchsmaskierung unangenehm riechender Stoffe ohne Auftreten von Moschusnoten sei dem Fachmann in den Beispielen des Patents in ausreichender Weise offenbart.

VII. Die Beschwerdegegnerin brachte dagegen vor, die in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Verwendung umfasse nicht nur die Verbindungen (I), sondern auch die unter Punkt (iii) genannten Riechstoffe. Eine geruchsvermindernde Wirkung dieser Riechstoffe in Bezug auf unangenehm riechende Stoffe sei in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Im Gegensatz zu der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellung sei Anspruch 1 daher in unerlaubter Weise geändert worden. Demgegenüber sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die beanspruchten Verwendungen seien nicht ausreichend offenbart, korrekt.

VIII. Mit Ladung vom 16. Juni 2023 wurde für den 10. Januar 2024 eine mündliche Verhandlung angesetzt. In einem am 28. Juli 2023 ergangenen Bescheid unter Artikel 15(1) VOBK brachte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung zum Ausdruck, dass Anspruch 1 der vorliegenden Anträge unerlaubte Änderungen zu enthalten scheine.

IX. Am 10. Januar 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Die Anträge der Parteien waren die folgenden:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Basis des im Einspruchsverfahrens eingereichten Hauptantrags, erneut eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der Hilfsanträge 1-17, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf Basis des Hilfsantrags 1A, eingereicht mit Schreiben vom 1. September 2023, in der in diesem Schreiben angegebenen Reihenfolge: 1A, 8 bis 11, 1 bis 7, 12 bis 17. Des weiteren beantragte sie, den Einwand unerlaubter Änderungen in Bezug auf die kombinierte Verwendung der Verbindungen (I) und (iii) nicht ins Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Des Weiteren beantragte sie, die Hilfsanträge 1-17 sowie 1A, sowie die mit Schreiben vom 1. September 2023 eingereichte Erklärung A2 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

X. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag der Beschwerdeführerin, Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Der geänderte Anspruch des Hauptantrags bezieht sich auf die Verwendung (i) einer einzelnen Verbindung (I) oder (ii) einer Mischung von Verbindungen (I) sowie (iii) "einem, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder mehr weiteren Riechstoffen", die nicht der Formel (I) entsprechen, innerhalb einer Riechstoffmischung, zum Maskieren oder Vermindern eines oder mehrerer unangenehm riechender Stoffe, die ebenfalls nicht der Formel (I) entsprechen.

Demgegenüber richtete sich Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf die Verwendung (i) einer einzelnen Verbindung (I) oder (ii) einer Mischung von Verbindungen (I) zum Maskieren oder Vermindern eines oder mehrerer unangenehm riechender Stoffe, die nicht der Formel (I) sind.

Im geänderten Anspruch wird also nicht die Verwendung von Verbindungen (I), sondern die Verwendung von Verbindungen (I) zusammen mit "einem, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder mehr weiteren Riechstoffen" in einer Riechstoffmischung zum Maskieren/Vermindern der Geruchseindrücke von unangenehm riechenden Stoffen definiert.

Es ist in der ursprünglichen Anmeldung aber nirgends offenbart, dass die unter Punkt (iii) im Anspruch definierten Verbindungen zum Maskieren oder Vermindern eines Geruchseindrucks unangenehm riechender Stoffe verwendet werden sollen.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, dass eine Verwendung der Verbindungen (iii) zur Geruchsmaskierung ursprünglich nicht offenbart war.

Sie argumentiert stattdessen, eine Interpretation des geänderten Anspruchs, die eine Verwendung der Verbindungen (iii) vorsehe, sei eine rein formale, grammatikalische Auslegung, die ein Fachmann so nicht machen würde.

Ein Fachmann würde Anspruch 1 des Hauptantrags im Gegenteil im Lichte der Beschreibung auslegen. Eine solche Auslegung sei durch den sogenannten Goldstandard gestützt, siehe Rechtsprechung II.E.1.3.1. Sie erfolge auch in Analogie zur Festlegung des Schutzbereichs des Patents in Verletzungsprozessen.

Es sei aus der Absätzen [0021] und [0026] sowohl der veröffentlichten A1-Schrift wie auch des Patents klar, dass der geruchsvermindernde Effekt alleine auf den Verbindungen der Formel (I) beruhe. Ebenso sei es für den Fachmann klar, dass die unter (iii) definierten Riechstoffe den im weiteren Verlauf des Anspruchs definierten unangenehm riechenden Stoffen entsprächen. Da ein Stoff nicht seinen eigenen Geruch maskieren könne, sei eine Interpretation des Anspruchs dahingehend, dass auch die Verbindungen (iii) zur Maskierung von Geruchseindrücken unangenehm riechender Stoffe verwendet würden, widersinnig und würde vom Fachmann auch so nicht gemacht werden. Der Anspruch sei daher so auszulegen, dass, wie ursprünglich offenbart, nur die Verbindungen (I) zum Maskieren oder Vermindern unangenehmer Geruchseindrücke verwendet werden.

2.3 Die Kammer kann der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht folgen.

2.3.1 Der Wortlaut des Anspruchs ist eindeutig. Er definiert, wie oben ausgeführt, die Verwendung von Verbindungen (I) zusammen mit den Riechstoffen (iii) innerhalb einer Riechstoffmischung zur Maskierung von Geruchseindrücken unangenehm riechender Stoffe.

2.3.2 Diese Auslegung des Anspruchs ist auch nicht technisch unsinnig. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, verlangt der Anspruch keineswegs, dass die Verbindungen (iii) mit den im weiteren Verlauf des Anspruchs definierten unangenehm riechenden Stoffen, deren Geruch maskiert werden soll, identisch sind. Selbst wenn man im Sinne der Beschwerdeführerin annähme, die beiden Stoffgruppen seien identisch definiert, so handelt es sich bei diesen Definitionen immer noch um eine Vielzahl an Verbindungen, so dass sich die dadurch definierten Stoffgruppen in ihrer Zusammensetzung oder Konzentration in der Riechstoffmischung unterscheiden können.

2.3.3 Die Beschwerdeführerin hat auf den Goldstandard verwiesen. Insbesondere hat sie die entsprechende Passage aus dem Rechtsprechungsbuch der Beschwerdekammern unter II.E.1.3.1 zitiert, nämlich

"Jede Änderung an den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) unterliegt dem in Art. 123 (2) EPÜ statuierten zwingenden Erweiterungsverbot und darf daher unabhängig vom Kontext der vorgenommenen Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89, ABl. 1993,117; G 11/91, ABl. 1993, 125; G 2/10, ABl. 2012, 376)"

Der Goldstandard legt die Bestimmung des Artikels 123(2) EPÜ in der Weise aus, dass Änderungen nur im Rahmen der fachmännischen Interpretation der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen gemacht werden dürfen. Gerade aus diesem Grund ist aber die in Anspruch 1 gemachte Änderung gemäß dem Goldstandard unzulässig. Der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldeunterlagen ist ja, wie von der Beschwerdeführerin selbst vorgebracht, eine Verwendung der Verbindungen (iii) zur Maskierung oder Verminderung von Gerüchen gerade nicht zu entnehmen. Aus dem Goldstandard lässt sich nicht ableiten, dass ein einmal in unzulässiger Weise geänderter Anspruch nachträglich so zu interpretieren wäre, dass er die ursprüngliche Offenbarung in korrekter Weise wiedergibt.

2.3.4 Die Beschwerdeführerin hat auf die Auslegung des Anspruchs durch den Fachmann unter Zuhilfenahme der Beschreibung verwiesen. Es ist richtig, dass gemäß ständiger Rechtsprechung der Kammern die Beschreibung in bestimmten Fällen zur Auslegung der Patentansprüche herangezogen werden kann, siehe Rechtsprechung, II.A.6.3. In jüngster Zeit sind einzelne Kammern auch zu dem Schluss gekommen, dass eine Auslegung der Patentansprüche unter Verwendung der Beschreibung gemäß Artikel 69(1) EPÜ selbst in Bezug auf die Prüfung unerlaubter Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ statthaft sein kann, siehe T 1473/19 (Leitsatz) oder T 0367/20 (Leitsatz). Eine die Beschreibung berücksichtigende Anspruchsauslegung unter Artikel 69(1) EPÜ wird in Bezug auf den Schutzbereich der Ansprüche üblicherweise von Verletzungsgerichten in Patentverletzungsverfahren, von den Organen des EPA jedoch hauptsächlich in Bezug auf Änderungen unter Artikel 123(3) EPÜ vorgenommenen.

Für den vorliegenden Fall kann allerdings sowohl die Frage, inwieweit die Beschreibung zur Interpretation der Ansprüche herangezogen werden kann, als auch die Frage, ob Artikel 69(1) EPÜ auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ Anwendung finden sollte, dahingestellt bleiben. Es geht hier nämlich nicht um eine eventuell umstrittene Auslegung eines technischen Merkmals des Anspruchs auf die eine oder andere Weise. Die Beschwerdeführerin bringt vielmehr vor, ein im Laufe des Prüfungsverfahrens in den Anspruch aufgenommenes einschränkendes Merkmal, zu dem in der Beschreibung keinerlei nähere Informationen zu finden sind, nämlich die Verwendung der Riechstoffe (iii) zur Geruchsmaskierung, solle bei der Auslegung des Anspruchs ignoriert werden. Eine wie auch immer geartete Auslegung eines Patentanspruchs kann aber nicht dazu führen, dass explizit vorhandene technische Merkmale, die gemäß Artikel 84 und Regel 43(1) EPÜ den Gegenstand des Schutzbegehrens angeben, bei der Festlegung dieses beanspruchten Gegenstandes ignoriert werden.

2.3.5 Die Beschwerdeführerin hat weiterhin vorgebracht, die Erklärung A2 stelle die Sichtweise des Fachmanns dar uns stütze die von ihr vertretene Auslegung des Anspruchs. Die Beschwerdegegnerin hatte beantragt, A2 unter Artikel 13(2) VOBK nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

A2 ist eine Erklärung einer Angestellten der Beschwerdeführerin. Unabhängig von Zulassungsfragen und unabhängig von der Beweiskraft einer solchen Erklärung ändert A2 nichts an der oben gemachten Feststellung, dass die im Anspruch definierte Verwendung der Verbindungen (iii) keine Frage der Auslegung des Anspruchs ist. Das Merkmal steht im Anspruch und kann als solches nicht einfach ignoriert werden.

2.3.6 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung weiterhin vorgebracht, der Einwand, dass die Verwendung der Verbindungen (I) zusammen mit den Verbindungen (iii) zur Maskierung oder Verminderung von Geruchseindrücken nicht ursprünglich offenbart war, sei zum ersten Mal im Bescheid der Kammer unter Artikel 15(1) VOBK ausgeführt worden. Er sei weder in der angefochtenen Entscheidung behandelt, noch von der Beschwerdegegnerin rechtzeitig in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden. Sie beantragte daher, diesen Einwand unter Artikel 12 und 13 der Verfahrensordnung nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Dieses Vorbringen ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Zunächst muss festgehalten werden, dass es einer Kammer weder unter der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, noch unter einer Vorschrift des EPÜ oder dessen Ausführungsordnung prinzipiell versagt wäre, in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK einen unter einen im Verfahren befindlichen Einspruchsgrund fallenden spezifischen Einwand in das Verfahren einzuführen. Diese Sichtweise wird implizit auch durch die Rechtsprechung gestützt, wonach neue Einwände der Kammer nicht als unzulässiges Vorgehen der Kammer, sondern lediglich als außergewöhnlicher Umstand anzusehen sind, der gegebenenfalls eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beteiligten nach Artikel 13(2) VOBK ermöglicht (RSdBK V.A.4.5.5a, V.A.4.5.7a)).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist aber auch inhaltlich nicht zutreffend. Zwar ist es richtig, dass in der Einspruchsentscheidung dieser spezifische Einwand nicht abgehandelt wird; der Widerruf des Patents erfolgte schlussendlich auch unter Artikel 101(3)(b) und 83 EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit. Allerdings wurde der Einwand, dass die kombinierte Verwendung der Verbindungen (I) und (iii) keine Basis in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen hat, in der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin in den Ausführungen betreffend Artikel 123(2) EPÜ erhoben, und zwar unter Punkt IV.1, insbesondere im Punkt "Thirdly" auf Seite 9. Dieser Einwand ist daher unter Artikel 12(1)(c) VOBK Bestandteil des Beschwerdeverfahrens. Dies gilt umso mehr, als er in gleicher Form bereits im Einspruchsverfahren eingeführt wurde, siehe Schreiben vom 31. Januar 2020, Seite 5. Da der Einwand im Einspruchsverfahren in zulässiger Weise vorgebracht wurde und die Kammer keine Anhaltspunkte dafür sieht, dass der Einwand später nicht aufrechterhalten wurde (siehe Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 5), stellt er gemäß Artikel 12(4) VOBK keine Änderung des Beschwerdeverfahrens dar, die eventuell einer Zulassung durch die Kammer bedürfte. Dass dieser Einwand von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht aufgegriffen wurde, ist nicht der Beschwerdegegnerin zuzurechnen und im Ergebnis auch unerheblich. Schließlich wurde das Patent aus anderen Gründen widerrufen.

Dieser Einwand war daher spätestens mit der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin im Verfahren.

2.4 Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin enthält Änderungen, die über den Inhalt der ursprünglichen Fassung hinausgehen. Daher kann das Patent nicht auf Basis dieses Anspruchssatzes aufrechterhalten werden.

3. Hilfsanträge der Beschwerdeführerin, Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ

3.1 Hilfsantrag 1A

In Hilfsantrag 1A wurde der Verwendungszweck zwei Absätze weiter nach oben geschoben. Die Beschwerdeführerin bringt vor, durch diese Neuanordnung sei die Lesart des Anspruchs, dass die Riechstoffe (iii) zusammen mit den Verbindungen (I) für die Geruchsmaskierung verantwortlich sind, ausgeschlossen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, diesen Hilfsantrag unter Artikel 13(2) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen. Er sei verspätet eingereicht. Im Übrigen bestünden die unerlaubten Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ fort und zudem führten die Änderungen zu mangelnder Klarheit der Ansprüche die Ansprüche (Artikel 84 EPÜ) und der Schutzbereich des erteilten Patents würde erweitert, Artikel 123(3) EPÜ.

Unabhängig von Zulassungsfragen ist dieser Antrag nicht gewährbar. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht führt die gemachte Änderung zu einem Mangel an Klarheit, denn für die Verbindungen (iii) ist kein Verwendungszweck angegeben, obwohl es sich um einen Verwendungsanspruch handelt. Zudem erweitert der Anspruch den Schutzbereich gegenüber dem erteilten Patent, da er, folgt man der Lesart der Beschwerdeführerin, nur noch die Verwendung der Verbindungen (I) verlangt, wohingegen die erteilten Ansprüche sich auf die Verwendung der Verbindungen (I) und (iii) in Kombination richteten.

Daher kann das Patent nicht auf Basis des Hilfsantrags 1A aufrechterhalten werden.

3.2 Hilfsantrag 8

Die Beschwerdeführerin brachte vor, in Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 sei klargestellt, dass die unter (iii) definierten Riechstoffe den im weiteren Verlauf des Anspruchs definierten unangenehm riechenden Stoffen entsprächen. Dadurch sei eine Interpretation des Anspruchs dahingehend, dass auch die Riechstoffe (iii) zur Geruchsmaskierung verwendet würden, ausgeschlossen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, diesen Hilfsantrag unter Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen. Er sei erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Im Übrigen bestünden die unerlaubten Änderungen unter Artikel 123(2) EPÜ fort.

Unabhängig von Zulassungsfragen ist dieser Antrag unter Artikel 123(2) EPÜ nicht gewährbar. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 hat dieselbe Struktur wie Anspruch 1 des Hauptantrags und definiert daher ebenfalls die kombinierte Verwendung der Verbindungen (I) und (iii) zur Geruchsmaskierung. Die in Bezug auf den Hauptantrag gezogenen Schlüsse gelten daher analog, selbst wenn man der Beschwerdeführerin insoweit folgen würde, dass die Definitionen der Stoffe (iii) und der unangenehm riechenden Stoffe identisch sind.

Daher kann das Patent nicht auf Basis des Hilfsantrags 8 aufrechterhalten werden.

3.3 Hilfsanträge 1-7, 9-17

Diese Anträge wurden von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zwar aufrechterhalten, aber nicht mehr gesondert verteidigt. Anspruch 1 aller dieser Anträge hat dieselbe Struktur wie Anspruch 1 des Hauptantrags. Diese Anträge sind daher ebenso unter Artikel 123(2) EPÜ nicht gewährbar. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keiner der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Anträge die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Der Widerruf des Patents unter Artikel 101(3)(b) EPÜ wird bestätigt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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