T 1167/21 () of 27.9.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T116721.20240927
Datum der Entscheidung: 27 September 2024
Aktenzeichen: T 1167/21
Anmeldenummer: 13704959.9
IPC-Klasse: E02F 3/88
E01H 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SAUGBAGGER SOWIE SCHÜTTMODUL FÜR EINEN SAUGBAGGER
Name des Anmelders: Braun, Alfons
Walther, Frank
Walther, Rolf
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1) (2007) Sent 2
European Patent Convention R 137(5)
European Patent Convention R 44(1)
European Patent Convention R 44(2)
Schlagwörter: Änderungen der Anmeldung
Änderungen - geänderte Ansprüche mit Bezug auf nicht recherchierte Gegenstände (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0507/11
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Europäische Anmeldung Nr. 13 704 959 mit der Bezeichnung "Saugbagger sowie Schüttmodul für einen Saugbagger" zurückgewiesen wurde.

Die Patentinhaber ("Beschwerdeführer") beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

II. Für die Entscheidung relevante Verfahrensereignisse

In dem am 24. Mai 2013 abgesandten Bescheid vertrat das Europäische Patentamt als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB) die Auffassung, die internationale Anmeldung enthalte folgende vier Gruppen von Erfindungen:

Gruppe 1: Ansprüche: 1-3

gerichtet auf den bekannten Saugbagger aus Anspruch 1 wobei die Kippachslage lediglich bevorzugt in einer oberen Behälterhälfte definiert wird.

Gruppe 2: Ansprüche 4,8

gerichtet auf den bekannten Saugbagger aus Anspruch 1, wobei ein Sicherungsseil vorgesehen ist, welches einstellbar den Kippweg bei der Entleerung begrenzen kann.

Gruppe 3: Ansprüche 5-7

gerichtet auf den bekannten Saugbagger aus Anspruch 1, wobei eine Teleskopiervorrichtung zur Verlagerung der Kippachse des Behälters vorgesehen ist.

Gruppe 4: Anspruch 9

gerichtet auf ein Schüttmodul mit den bereits aus Anspruch 1 bekannten Merkmalen, wobei ein Aufbau vorgesehen ist, der den Kippbehälter trägt und wobei der Behälter mit einem hydraulischen Linearantrieb gekippt werden kann.

Dies wurde damit begründet, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 gegenüber der Offenbarung von

D1:|DE 20 2010 007463 U1|

nicht neu sei.

Damit hätten die unabhängigen Ansprüche keinen Gegenstand gemeinsam, der neu im Sinne von Artikel 33 (2) PCT wäre. Die beanspruchten Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 zerfielen daher in weitere Gruppen von Erfindungen, wodurch sich eine mangelnde Einheitlichkeit "a posteriori" ergebe.

Die Anmelder wurden gemäß Artikel 17.3 a) und Regel 40.1 PCT zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchengebühren aufgefordert.

Die Beschwerdeführer kamen dieser Aufforderung nicht nach. Der internationale Recherchenbericht beschränkte sich daher auf die erste Gruppe von Erfindungen. Auch im nachfolgenden Prüfungsverfahren wurde keine weitere Recherche für die weiteren Gruppen von Erfindungen bezahlt.

Die Beschwerdeführer reichten im Prüfungsverfahren mit Schreiben vom 31. Juli 2019 einen geänderten Anspruchssatz ein, dessen Anspruch 1 eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 5 darstellt und auf dem die angefochtene Entscheidung basiert.

In ihrer Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des zugrundeliegenden Antrags nicht die Erfordernisse der Regel 137 (5) EPÜ erfüllt.

Mit der vorliegenden Beschwerde beantragten die Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des mit Schriftsatz vom 31. Juli 2019 eingereichten Patentansprüche.

Ferner beantragten sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Beschwerdeführerinnen ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.

Mit Schreiben vom 30. August 2024 nahmen die Beschwerdeführer ihren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr sowie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragten die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung.

III. Anspruchswortlaut

Der mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Anspruchssatz entspricht dem Anspruchssatz in der Fassung vom 31. Juli 2019 auf Basis dessen die Einspruchsabteilung die Anmeldung zurückgewiesen hat.

Der einzige unabhängige Anspruch 1 in der Fassung vom 31. Juli 2019 lautet:

"Saugbagger (1) umfassend

- ein Fahrgestell (2) mit einem darauf montierten

Sauggebläse (3),

- einen Saugrüssel (4),

- einen zwischen Saugrüssel (4) und Sauggebläse (3)

in Strömungsrichtung angeordneten und um eine Kippachse (11) kippbaren Behälter (5) zum Abscheiden und Sammeln von aufgesaugtem Material,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Kippachse (11) oberhalb eines Behälterbodens (6) und in der oberen Hälfte des Behälters (5) angeordnet ist,

wobei der Saugbagger (1) eine Teleskopiervorrichtung (10) zur Verlagerung der Kippachse (11) des Behälters (5) aufweist,

wobei die Kippachse (11) bei maximal ausgefahrener Teleskopiervorrichtung (10) außerhalb von einer Längsseite (17) des Saugbaggers (1) angeordnet ist."

IV. Vorbringen der Beschwerdeführer

Der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit sei unzutreffend. Einheitlichkeit bestehe allein schon deshalb, weil die Patentansprüche 1 und 5 wie ursprünglich eingereicht die gleiche Aufgabe lösten, welche darin bestehe, das Entleeren eines Behälters eines Saugbaggers zu vereinfachen.

Entscheidungsgründe

1. Regel 137 (5) EPÜ

1.1 Bei der vorliegenden Anmeldung handelt es sich um eine internationale Anmeldung gemäß Artikel 153 (2) EPÜ ("Euro-PCT-Anmeldung"). Seitens des Europäischen Patentamts als zuständige Internationale Recherchebehörde (IRB) wurde festgestellt, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 8 nicht das Erfordernis der Einheitlichkeit gemäß Regel 13 (1) PCT erfüllt und hatte vier Gruppen von Erfindungen identifiziert. In der Folge wurde zur Erstellung des internationalen Rechercheberichts - nach Aufforderung zur Zahlung von drei zusätzlichen Recherchegebühren, der die Beschwerdeführerinnen nicht nachkamen - lediglich die erste Gruppe von Erfindungen recherchiert, d. h. den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3.

1.2 Der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit wurde im Rahmen des PCT-Verfahrens und auch in den entsprechenden Mitteilungen der Prüfungsabteilung in Bezug auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche erhoben und so begründet, dass ausgehend von dem bekannten Saugbagger nach D1 für jede Gruppe von Erfindungen auf Grundlage der Anmeldeunterlagen dargelegt wurde, welche unterschiedlichen, speziellen Aufgabenstellung durch die einzelnen Gruppen von Erfindungen gelöst werden.

1.3 Der gegenwärtige Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und wurde mittels der folgenden zusätzlichen Merkmale eingeschränkt:

a) Die (oberhalb eines Behälterbodens angeordnete) Kippachse ist in der oberen Hälfte des Behälters angeordnet.

b) Der Saugbagger weist eine Teleskopiervorrichtung zur Verlagerung der Kippachse des Behälters (5) auf, wobei die Kippachse bei maximal ausgefahrener Teleskopiervorrichtung außerhalb von einer Längsseite des Saugbaggers angeordnet ist.

Merkmal a) beruht dabei auf einem fakultativen Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1, während Merkmal b) auf den Merkmalen des Anspruchs 5 wie ursprünglich eingereicht beruht.

Die Prüfungsabteilung vertrat die Auffassung, dass die Aufnahme des Merkmals b) aus dem nicht recherchierten ursprünglich eingereichten Anspruch 5 in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zu einem Gegenstand führe, der unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ nicht gewährbar sei.

Dieser Auffassung stimmt die Kammer nicht zu.

1.4 Zunächst nimmt das Dokument D1, welches zur a posteriori Betrachtung der Einheitlichkeit seitens der Prüfungsabteilung herangezogen wurde, nicht nur die Merkmale des Anspruchs 1 vorweg, sondern auch die der Ansprüche 2 (siehe D1, Figuren) und 3 (D1, Linearmotor 37). Somit weist keiner der Ansprüche 1 bis 3 ein als obligatorisch definiertes besonderes technisches Merkmal auf, das eine Erfindung oder Gruppe von Erfindungen begründen könnte.

1.5 Das Merkmal a) (Kippachse in der oberen Hälfte des Behälters angeordnet) war ursprünglich ein fakultatives Merkmal von Anspruch 1. Dieses Merkmal wird nicht durch das Dokument D1 vorweggenommen. Es ist somit ein besonderes technisches Merkmal im Sinne von Regel 44 (1) EPÜ, welches einen Beitrag zum Stand der Technik bestimmt.

Merkmal a) findet als besonderes technisches Merkmal in der Begründung der IRB als eine Erfindung der ersten Gruppe von Erfindungen begründend - mit Hinweis auf dessen optionalen Charakter - keine Berücksichtigung.

Es ist für die Berücksichtigung als Erfindung unerheblich, dass das Merkmal a) in der ursprünglichen Fassung als optionales Merkmal des unabhängigen Anspruchs 1 definiert ist, denn gemäß Regel 44 (2) EPÜ hat die Entscheidung, ob die Erfindungen einer Gruppe untereinander in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, ob die Erfindungen in gesonderten Patentansprüchen oder als Alternativen innerhalb eines einzigen Patentanspruchs beansprucht werden.

Gemäß des internationalen Rechercheberichts ist das optionale Merkmal a) aus Anspruch 1 ein Bestandteil der laut internationalem Recherchenbericht ersten Gruppe von Erfindungen umfassend die Ansprüche 1 bis 3 und ist auch auf dessen Aufgabe gerichtet, den Saugbagger so auszugestalten, dass der Behälter in einfacher Weise auf einen LKW entleert werden kann, siehe auch Absätze 2 bis 4 auf Seite 2 der Anmeldung wie veröffentlicht (WO-A-2013/124287).

1.6 Somit begehren die Beschwerdeführer weiterhin Schutz für die im internationalen Recherchebericht für eine der ersten Erfindungsgruppe zugeordnete Erfindungen. Da diese vom internationalen Recherchebericht umfasst wurde, liegt bezüglich Merkmal a) kein Wechsel zu einer nicht recherchierten Erfindung gemäß Regel 164 (2) zweiter Halbsatz EPÜ vor.

1.7 Die mit der Beschwerdebegründung erneut vorgelegten Ansprüche in der Fassung vom 31. Juli 2019 umfassen zwar auch eine zusätzliche Merkmalsgruppe (Merkmal b).

Hierdurch liegt aber kein Wechsel zu einer nicht recherchierten Erfindung vor. Ein solcher wäre lediglich gegeben, wenn Anspruch 1 nur das Merkmal b) ohne das besondere technische Merkmal a) der ersten Erfindungsgruppe umfassen würde (was dem Gegenstand der obligatorischen Merkmale des nicht recherchierten ursprünglichen Anspruchs 5 entspräche). Hingegen ist die Aufnahme der Merkmale aus Anspruch 5 in Kombination mit Merkmal a) gerade kein Wechsel zu der nicht recherchierten Erfindungsgruppe 3.

Denn das Merkmal b) des ursprünglichen Anspruchs 5 wurde, wie die sämtlicher ursprünglich von Anspruch 1 abhängigen auch in Kombination mit dem optionalen Merkmal a) offenbart.

Der Gegenstand der ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 4 und 6 bis 8 findet sich weiterhin in Form der abhängigen Ansprüche 4 bis 7 mit Rückbezug auf Anspruch 1 im vorliegenden Anspruchssatz wieder. Jeder der abhängigen Ansprüche umfasst somit ebenfalls das Merkmal a) und ist Teil der ersten Gruppe von Erfindungen.

Dies führt also entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung nicht zu einem nicht-recherchierten Gegenstand im Sinne von Regel 137 (5) EPÜ.

1.8 Durch die Änderungen des Anspruchs 1 erfolgt somit kein Wechsel von der ersten Gruppe von Erfindungen zu einer anderen, nicht recherchierten Gruppe von Erfindungen, die eine andere Aufgabenstellung adressiert. Vielmehr wird der Gegenstand der ersten Gruppe von Erfindungen (Anspruch 1 wie eingereicht inklusive Merkmal a) lediglich durch die Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 5 (Merkmal b) weiter eingeschränkt.

1.9 Zudem wird auch für die Kombination der Merkmale a) und b) im Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 vom vorliegenden Anspruch 1 weiterhin die gleiche Aufgabenstellung wie von Merkmal a) (Entladung des Behälters in einfacher Weise auf einen LKW, siehe Punkt 1.5) der ersten Gruppe von Erfindungen und damit die gleiche Erfindung adressiert (vgl. A-Publikation, Seite 4, Absatz 4). Eine entsprechende Aufgabe wird auch in der angefochtenen Entscheidung in Punkt I.13.11 festgestellt, nämlich:

"Wenn die Drehachse im oberen Bereich des Behälters angeordnet ist, liegt sie oberhalb der Oberkante der Ladefläche eines Transportfahrzeuges, so dass zum Leeren direkt auf die Ladefläche entleert werden kann. Somit wird das Problem eines reduzierten notwendigen Arbeitsbereiches beim Entleeren gelöst."

Daher kommt die Kammer entsprechend der Entscheidung in der Sache T 507/11 (siehe Punkte 2.2 und 2.3 der Entscheidungsgründe) zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 der ersten Gruppe von Erfindungen zuzuordnen ist, auch wenn hinsichtlich einzelner weiterer Merkmale ("Merkmal b)") keine unabhängige Recherche durchgeführt worden ist.

1.10 Da sich die geänderten Patentansprüche nicht auf nicht-recherchierte Gegenstände, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind, sind sie - entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung - gewährbar unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ.

Folglich ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

2. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung

Die vorliegenden Ansprüche sind erstinstanzlich lediglich bezüglich deren Gewährbarkeit unter Regel 137 (5) EPÜ, jedoch noch nicht bezüglich der weiteren Anforderungen an das EPÜ, insbesondere auch an die Neuheit und die erfinderischen Tätigkeit geprüft worden. Zudem weisen die Ansprüche möglicherweise Merkmale auf, die bei der Recherche nicht vollständig berücksichtigt wurden, so dass gegebenenfalls eine zusätzliche Recherche erforderlich ist.

Im Übrigen beantragen die Beschwerdeführer die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung.

Somit liegen besondere Gründe gemäß Artikel 11 VOBK vor, die eine Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung rechtfertigen.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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