T 0826/21 () of 13.12.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T082621.20231213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2023
Aktenzeichen: T 0826/21
Anmeldenummer: 09009946.6
IPC-Klasse: G01K 17/08
F24D 19/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb eines elektronischen Heizkostenverteilers und gemäss dem Verfahren betriebener elektronischer Heizkostenverteiler
Name des Anmelders: METRONA Union GmbH
Name des Einsprechenden: Techem Energy Services GmbH
ista International GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Hauptantrag - Einspruchsgrund - unzulässige Erweiterung (ja)
Hilfsanträge - Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Hilfsanträge - Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0032/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung die Einsprüche der beiden Einsprechenden 1 und 2 zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 1) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

III. Der Beschwerdeführerin II (Einsprechende 2) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

IV. Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin (METRONA Union GmbH) beantragte in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 4. Februar 2022 die Zurückweisung der Beschwerde der beiden Einsprechenden und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß einem der ihrer Beschwerdeerwiderung beigefügten Hilfsanträge 1 oder 2.

V. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer (im Folgenden: Kammer) erging am 10. August 2023.

VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Meinung, insbesondere zum Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) EPÜ, mit.

VII. Mit Schreiben vom 13. November 2023 reichte die Beschwerdegegnerin geänderte Ansprüche gemäß Hilfsantrag A, B und C ein.

VIII. Am 13. Dezember 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IX. Die Schlussanträge der Beteiligten lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 1) und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der beiden Beschwerden und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit Schreiben vom 13. November 2023 eingereichten Hilfsantrag A, gemäß dem mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 4. Februar 2022 eingereichten Hilfsantrag 1, gemäß dem mit Schreiben vom 13. November 2023 eingereichten Hilfsantrag B, gemäß dem mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 4. Februar 2022 eingereichten Hilfsantrag 2 oder gemäß dem mit Schreiben vom 13. November 2023 eingereichten Hilfsantrag C.

X. Anspruch 1 des Patents wie erteilt lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Betrieb eines elektronischen Heizkostenverteilers in einem Raum mit einem Heizkörper, mit folgenden Schritten:

a) Bestimmen einer Heizkörpertemperatur,

b) Bestimmen einer Raumtemperatur, und

c) Festlegen, ob ein Zählbetrieb des elektronischen Heizkostenverteilers aktiviert wird, in dem Anzeige- oder Verbrauchswerte in Abhängigkeit wenigstens der Heizkörpertemperatur berechnet werden,

wobei im Schritt c) eine zeitliche Veränderung wenigstens einer der beiden bestimmten Temperaturen berücksichtigt wird,

dadurch gekennzeichnet, dass in einer Situation, in der die Raumtemperatur höher als 25 °C, die Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur kleiner als 5 K und die Heizkörpertemperatur über 25 °C ist, eine erste Grenztemperatur jedoch noch nicht überschritten hat, ein Zählbetrieb des elektronischen Heizkostenverteilers nicht stattfindet,

dass in einer Situation, in der die Raumtemperatur höher als 25 °C sowie die Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur kleiner als 5 K ist und die Heizkörpertemperatur die erste Grenztemperatur, die höher als 25 °C ist, überschreitet, ein Zählbetrieb des elektronischen Heizkostenverteilers nur dann stattfindet, wenn die zeitliche Veränderung der Heizkörpertemperatur über eine vorgegebene Anzahl aufeinanderfolgender Messungen einen Schwellenwert übersteigt, wobei das Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird, und

dass ein Zählbetrieb des elektronischen Heizkostenverteilers stattfindet, sobald die Heizkörpertemperatur eine zweite Grenztemperatur überschreitet, die höher als die erste Grenztemperatur ist."

Entscheidungsgründe

1. Patent wie erteilt - Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ

1.1 Die Einsprechenden beanstandeten die mangelnde ursprüngliche Offenbarung des Merkmals im erteilten Anspruch 1, dass "das Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird" (Hervorhebung durch die Kammer hinzugefügt). Im Gegensatz zum beanspruchten Merkmal offenbare die ursprünglich eingereichte Anmeldung, auf der das Streitpatent beruht, dass "das Vorzeichen des Gradienten TH ? TL mitberücksichtigt" werde (siehe Seite 9, Zeilen 24 bis 26; Hervorhebung durch die Kammer hinzugefügt).

Die Einsprechenden argumentierten, dass sich auch aus der gesamten ursprünglich eingereichten Anmeldung kein Hinweis darauf ergebe, dass der Fachmann den Begriff "Gradient" an dieser Offenbarungsstelle abweichend vom üblichen mathematischen Verständnis nur als bloße Differenz verstehen würde.

Zudem fehle auch in der angefochtenen Entscheidung jede technisch-fachmännische Begründung, warum der Fachmann von der üblichen Definition abweichen und "den "Gradient" eher als Label für die Temperaturdifferenz betrachten" würde (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 16.2).

Im Ergebnis sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 daher unzulässig erweitert.

1.2 Die Einspruchsabteilung (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 16.2) und die Beschwerdegegnerin (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt III) argumentierten, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe, da das Merkmal des erteilten Anspruchs 1, dass "das Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird" in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart sei.

1.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass sich das beanstandete Merkmal unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung herleiten lasse.

Zwar könne grundsätzlich jeder Begriff, der in einer Beschreibung verwendet wird, mehrere Bedeutungen haben. Entscheidend sei jedoch, welche Bedeutung der Fachmann auf dem einschlägigen technischen Gebiet einem solchen Begriff beimesse.

Vorliegend sei es für den Fachmann, im vorliegenden Fall ein mit der Entwicklung von elektronischen Heizkostenverteilern befasster Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, offensichtlich, dass für das erfindungsgemäße Verfahren nur die beanspruchte Differenz, nicht jedoch deren räumliche oder zeitliche Entwicklung maßgeblich sei.

Der Begriff Gradient habe zwar im Allgemeinen die Bedeutung Maß oder Verlauf der Änderung einer Größe, wobei die Änderung in Abhängigkeit von einer anderen Größe angegeben werde, z.B. vom Ort oder der Zeit. Der beanstandete Begriff "Gradient TH - TL" sei jedoch im vorliegenden Fall im Lichte der im Streitpatent diskutierten Thematik zu betrachten:

Zum einen offenbare die vorliegende Anmeldung (siehe Seite 7, Zeilen 25 bis 26), dass der "Gradient TH - TL" maßgeblich für die Energieabgabe sei, was eindeutig dafür spreche, dass damit nur die Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur gemeint sein könne. Dies würde auch durch die DIN EN 834 (siehe Dokument D6, Abschnitt 3, erster Absatz) bestätigt, wo angegeben sei, dass der "unbewertete Anzeigewert [...] der Näherungswert des Zeitintegrals der gemessenen charakteristischen Temperatur der Raumheizfläche bzw. Temperaturdifferenz zwischen Raumheizfläche und Raum" sei.

Zum anderen würde die Anmeldung eine räumliche oder zeitliche Entwicklung der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur weder diskutieren noch in irgendeiner Weise andeuten.

Die im erteilten Patent (siehe Absatz [0015]) selbst verwendete Bezeichnung Gradient für eine zeitliche Entwicklung der Raumtemperatur gelte nicht für die im Streitpatent vermittelte Lehre, sondern beziehe sich nur auf den dort diskutierten Stand der Technik, genauer gesagt auf das Dokument D1. Dort werde der Begriff aber nicht wie im Streitpatent in der Form Gradient Tx - Ty verwendet, sondern in der Form DeltaTx (siehe Absatz [0018] von D1).

In der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe Seite 7, Zeilen 23 bis 28 und Seite 9, Zeilen 24 bis 26) bezeichne der Ausdruck "TH - TL" die Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur und der Zusatz "Gradient" füge dieser Differenz keine darüberhinausgehende Bedeutung zu, zumal gerade nicht die Formulierung

"Gradient von TH - TL" verwendet werde.

Die zeitliche Veränderung einer Temperatur werde in der ursprünglich eingereichten Anmeldung explizit als "zeitliche Veränderung" oder als "Derivat" bezeichnet (siehe Seite 4, Zeilen 25 bis 30), nicht jedoch als "Gradient".

Aus den angeführten Gründen habe der Fachmann keinerlei Anhaltspunkte für die Deutung des Begriffs "Gradient TH - TL" im Sinne einer Änderung in Abhängigkeit von einer anderen Größe, sondern würde darunter unmittelbar und eindeutig die beanspruchte "Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur" verstehen.

1.4 Die Kammer ist aus folgenden Gründen nicht von der Argumentation der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung überzeugt und folgt der Argumentation der beiden Einsprechenden.

Das beanstandete Merkmal definiert, dass "das Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird". Die von der Beschwerdegegnerin genannte Offenbarungsstelle (Seite 9, Zeilen 24 bis 26 in der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung) offenbart jedoch, dass "auch zusätzlich das Vorzeichen des Gradienten TH-TL mitberücksichtigt werden" kann.

Unstrittig ist damit, dass die genannte Offenbarungsstelle das beanstandete Merkmal nicht wortwörtlich offenbart.

Entgegen dem Vortrag der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass sich die im beanstandeten Merkmal verwendete Formulierung unmissverständlich aus der genannten Offenbarungsstelle, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der gesamten Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, ergibt.

Zum einen ist der Begriff "Differenz" nicht gleichbedeutend mit dem Begriff "Gradient", da ein Gradient, wie auch von der Beschwerdegegnerin eingeräumt (siehe Erwiderung vom 13. November 2023, Punkt 1.1, 4. Absatz), im Allgemeinen das Maß oder den Verlauf der Änderung einer Größe in Abhängigkeit von Ort oder Zeit bezeichnet.

Die Beschwerdegegnerin stimmt zwar zu, dass der Begriff "Gradient" eine rein mathematische Bedeutung aufweisen könne (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt III.1.1). Sie argumentiert jedoch, dass für den Fachmann "sofort einleuchtend" wäre, dass der Gradient in dem gegebenen Zusammenhang nur die Differenz zwischen den beiden Temperaturen bezeichnen könne. Eine davon abweichende Bedeutung würde sich nicht aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen herleiten lassen und wäre auch nicht mit der Lehre des Streitpatents vereinbar.

Diese Argumentationslinie ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend.

Bereits die von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung verwendete Formulierung, dass "der Fachmann jedoch den Begriff "Gradient" eher als Label für die Temperaturdifferenz betrachten" würde (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 16.2, Hervorhebung durch die Kammer) deutet an, dass diese Interpretation nicht die einzig mögliche ist.

Außerdem erlaubt, wie von der Einsprechenden 1 plausibel vorgetragen (siehe Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 vom 21. September 2021, Randnummern 16 bis 21), auch die Berücksichtigung des Vorzeichens der zeitlichen Ableitung der Temperaturdifferenz TH - TL, Aussagen über verschiedene Heizszenarien zu treffen.

Zudem verwendet selbst das erteilte Patent die Bezeichnung "Gradient" z.B. für eine zeitliche Entwicklung der Raumtemperatur (siehe Patent, Absatz [0015]). In dem Dokument D1, auf welches diese Stelle Bezug nimmt, bezeichnet dabei DeltaTx einen Temperaturgradienten Txneu - Txalt in der Einheit

[K/Messintervall], d.h. eine zeitliche Veränderung.

Die Kammer ist daher der Meinung, dass eine Interpretation des Begriffs "Gradient TH - TL" im Sinne einer zeitlichen Veränderung der Größe nicht widersprüchlich zur Lehre des Streitpatents ist.

Bezüglich der Verwendung verschiedener Bezeichnungen argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass eine zeitliche Veränderung einer Temperatur im Streitpatent explizit als solche oder als "Derivat" bezeichnet sei (siehe z.B. Absatz [0021]), nicht jedoch als "Gradient".

Dieses Argument ist nicht überzeugend, da die Verwendung eines alternativen Begriffs für die zeitliche Ableitung weder eine allgemein übliche Bedeutung des Begriffs "Gradient" in Frage stellen kann noch die Interpretation stützen kann, das der Begriff "Gradient TH - TL" zwangsläufig nur als "Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur" zu verstehen ist.

Zudem verwendet die ursprünglich eingereichte Anmeldung (siehe Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 vom 21. September 2021, Punkt II.1.1, Randnummer 11) an verschiedenen anderen Stellen explizit den Begriff "Differenz" im Zusammenhang mit den Temperaturen von Heizköper und Raumluft. Wenn man auch hier der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgen würde, die darauf basiert, dass die Anmeldung stets einheitliche Bezeichnungen verwende, müsste eine Temperaturdifferenz in der Anmeldung auch immer explizit als solche bezeichnet werden. Das würde jedoch dagegen sprechen, dass die Anmeldung die Begriffe "Gradient" und "Differenz" gleichbedeutend verwendet.

Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Interpretation ergibt sich nach Meinung der Kammer auch nicht aus der Gesamtoffenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, da die im beanstandeten Merkmal beanspruchte Berücksichtigung des "Vorzeichens" nur an einer Stelle der Anmeldung (Seite 9, Zeilen 24 bis 26) offenbart ist und sich dort explizit auf den "Gradienten TH - TL" bezieht.

Zusammenfassend ist die Kammer daher nicht davon überzeugt, dass der Fachmann den ursprünglich offenbarten Begriff "Vorzeichen des Gradienten TH - TL" ausschließlich so versteht, dass damit das "Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur" gemeint ist.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass sich das Merkmal, dass das "Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird" für den Fachmann weder unmittelbar noch eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung ergibt und deshalb eine unzulässige Erweiterung vorliegt.

Damit steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegen.

2. Hilfsantrag A

2.1 Die Beschwerdegegnerin hat den Hilfsantrag A nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht.

Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleibt eine solche Änderung des Beschwerdevorbringens grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der Hilfsantrag A in Reaktion auf die negative vorläufige Meinung der Kammer zum Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ eingereicht worden sei.

Der Hilfsantrag A sei auch deshalb zuzulassen, da er unkompliziert sei, prima facie alle erhobenen Einwände ausgeräumt würden und kein neuer Sachverhalt eingeführt werde.

Der Hilfsantrag A sei nicht früher eingereicht worden, da der Einwand gemäß Artikel 100 c) EPÜ im Einspruchsverfahren nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe und die angefochtene Entscheidung klar und eindeutig zu dem Schluss gekommen sei, dass der Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe. Zudem sei ein "Fehler beim Ausüben des Ermessens der Einspruchsabteilung" bis dahin nicht erkennbar gewesen.

Im Beschwerdeverfahren hätten die beiden Einsprechenden in ihren Beschwerdebegründungen den Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ zwar diskutiert, dies sei jedoch mit "extrem weitschweifenden Ausführungen" erfolgt. Aus Sicht der Beschwerdegegnerin habe sich daher dieser Einwand "nie als problematisch" bzw. als "kein ernsthafter Grund" dargestellt. Erst in der Mitteilung der Kammer habe sich herauskristallisiert, das der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ tatsächlich relevant sein könne. Daraufhin habe dann die Beschwerdegegnerin schnellstmöglich mit der Einreichung des Hilfsantrags A reagiert.

Die Beschwerdegegnerin verwies dazu auch auf die Entscheidung T 32/16, der ihrer Meinung nach ein vergleichbares Szenario zugrunde gelegen habe und in der die Zulassung eines spät eingereichten Antrags bejaht worden sei.

2.3 Die Kammer ist von dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht überzeugt:

Der Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ gegen das Merkmal, dass das "Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird" wurde bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vorgebracht, in der angefochtenen Entscheidung diskutiert und von den beiden Einsprechenden in ihren Beschwerdebegründungen wieder geltend gemacht. Dieser Einwand war daher von Anfang an im Verfahren und die Beschwerdegegnerin hatte ausreichend Gelegenheit, einen geänderten Anspruch einzureichen, der diesem Einwand begegnet. Nach gängiger Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, V.A.4.5.6 h)) stellt die Tatsache, dass die Kammer in ihrer Mitteilung eine von der Einspruchsabteilung abweichende Meinung vertritt, keinen stichhaltigen Grund für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 dar.

Bezüglich der von der Beschwerdegegnerin genannten Entscheidung T 32/16 merkt die Kammer an, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nur die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der Fassung von 2007 (VOBK 2007) galt und nicht, wie vorliegend, die Vorschriften die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der Fassung von 2020 (siehe Artikel 25 VOBK 2020). Der vorliegend anzuwendende Artikel 13 (2) VOBK 2020 implementiert die dritte Stufe des im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Konvergenzansatzes und sieht die am weitesten reichenden Beschränkungen für Beschwerdevorbringen vor, das erst in einem vorgerückten Verfahrensstadium erfolgt, nämlich nach Ablauf einer Frist, die die Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ bestimmt hat, oder, wenn keine solche Mitteilung ergeht, nach Zustellung einer Ladung zur mündlichen Verhandlung (siehe Dokument CA/3/19, Annex VI, Erläuterungen zu Artikel 13 (2), 1. Absatz, Satz 1 und 2; siehe auch Zusatzpublikation 1 zum ABl. EPA 2020, Anlage 2). Es ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu der VOBK 2007 auch nach dem Inkrafttreten der VOBK 2020 im Einzelfall berücksichtigt werden kann. Allerdings können dabei etwaige Änderungen in der VOBK 2020 im Vergleich zu der VOBK 2007 nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK hat die Kammer daher hinsichtlich der Rechtsprechung der Beschwerdekammern die diesbezügliche Änderung in der VOBK 2020 und die Umstände des vorliegenden Einzelfalls berücksichtigt.

Die zuständige Kammer stellte in der Entscheidung T 32/16 (siehe Punkt 1.2) fest, dass das Argument, dass die vorläufige Meinung der Kammer allen bisherigen Feststellungen zu einem bestehenden Einwand widerspreche, für sich genommen kein überzeugender Grund dafür sei, geänderte Ansprüche nicht schon mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht zu haben. Zudem unterscheidet sich der Sachverhalt im Fall T 32/16 von dem vorliegenden. Im Fall T 32/16 hatte die Kammer erstmalig die relevanten Argumente der Beschwerdeführerinnen herausgearbeitet, während die Kammer im vorliegenden Fall in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 im Wesentlichen den Argumenten der Beschwerdeführerinnen zugestimmt hat.

2.4 Die Kammer kommt aus den oben dargelegten Gründen zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände i.S.v. Artikel 13 (2) VOBK 2020 vorliegen, die für eine Berücksichtigung des Hilfsantrags A sprechen. Sie hat deshalb in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 entschieden, den Hilfsantrag A im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.

3. Hilfsanträge 1 und 2

Der Anspruch 1 der beiden Hilfsanträge 1 und 2 der Beschwerdegegnerin enthält ebenfalls das Merkmal, dass das "Vorzeichen der Differenz zwischen der Heizkörpertemperatur und der Raumtemperatur mitberücksichtigt wird"

Aus denselben wie den oben dargelegten Gründen (siehe Punkt 1.) kommt die Kammer zu dem Schluss, dass bei dem Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 eine unzulässige Erweiterung vorliegt und dass damit die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt sind.

4. Hilfsanträge B und C

Die Beschwerdegegnerin hat die Hilfsanträge B und C, wie auch den oben diskutierten Hilfsantrag A, nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht.

Aus denselben wie den oben dargelegten Gründen (siehe Punkt 2.) hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 entschieden, die Hilfsanträge B und C im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.

5. Ergebnis

Da der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegensteht und keiner der im Beschwerdeverfahren berücksichtigten Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin den Erfordernissen des EPÜ genügt, ist das Patent nach Artikel 101 (2) Satz 1 EPÜ bzw. Artikel 101 (3) b) EPÜ zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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