T 0605/21 () of 6.11.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T060521.20231106
Datum der Entscheidung: 06 November 2023
Aktenzeichen: T 0605/21
Anmeldenummer: 14166375.7
IPC-Klasse: F26B 17/08
F26B 21/08
F26B 25/22
A23B 7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Trocknen von pflanzlichen Produkten
Name des Anmelders: ESG Kräuter GmbH
Name des Einsprechenden: isarpatent - Patent- und Rechtsanwälte Behnisch
Barth Charles Hassa Peckmann und Partner mbB
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 0097/00
T 1329/04
T 1409/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der der Einspruch gegen das Streitpatent zurückgewiesen wurde.

Gegen das erteilte Patent waren die Einspruchsgründe mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) sowie mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 (1), 54 und 56 EPÜ) geltend gemacht worden.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Sie beantragte keine mündliche Verhandlung.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 7. Für den Fall, dass die Beschwerde nicht zurückgewiesen werde, beantragte die Beschwerdegegnerin hilfsweise eine mündliche Verhandlung.

IV. Mit Schreiben vom 21. Juni 2023 teilte die Kammer mit, dass die Beschwerdesache auf Grundlage der zu überprüfenden Entscheidung und des vorliegenden schriftlichen Vorbringens der Beteiligten unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif sei, beraumte die für 20. Oktober 2023 geladene mündlichen Verhandlung ab und kündigte an, die Entscheidung werde gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 im schriftlichen Verfahren ergehen. Seitens der Beteiligten erfolgte keine Reaktion auf diese Mitteilung.

V. Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen in eckigen Klammern):

"[1] Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten, insbesondere von Kräutern, umfassend die Schritte:

[Aufwärmschritt:]

[1.1] - Erwärmen des pflanzlichen Produkts mit einem ersten Luftstrom (22) in einer Aufwärmzone (20; 200),

[1.1.1] der eine relative Luftfeuchtigkeit von über 80% aufweist,

[1.1.2] wobei die Temperatur des ersten Luftstroms (22) so gewählt ist, dass der aw-Wert des pflanzlichen Produkts im Wesentlichen konstant gehalten wird;

[Vortrocknungsschritt:]

[2.1] - weiteres Erwärmen des pflanzlichen Produkts mit einem zweiten Luftstrom (32; 320) in einer Vortrocknungszone (30; 300),

[2.1.1] wobei die Temperatur des zweiten Luftstroms (32; 320) so gewählt ist, dass das pflanzliche Produkt auf über 60°C erwärmt wird;

[Haupttrocknungsschritt:]

[3.1] - weiteres Erwärmen des pflanzlichen Produkts mit einem dritten Luftstrom (42) in einer Haupttrocknungszone (40; 400),

[3.1.1] wobei die Temperatur des dritten Luftstroms (42) so gewählt ist, dass das pflanzliche Produkt auf eine Temperatur zwischen 90°C und 100°C erwärmt wird

[3.1.2] und wobei die Temperatur des dritten Luftstroms (42) so gewählt ist, dass der aw-Wert des pflanzlichen Produkts auf einen Zielwert gesenkt wird."

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D6: DE 10 2004 003817 A1

D12: W0 2012/117106 A1

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Ausführbarkeit

Das Streitpatent offenbare die Erfindung des erteilten Anspruchs 1 nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ohne unzumutbaren Aufwand über die gesamte beanspruchte Breite ausführen könne. Zudem fehle es an zumindest einem konkret nacharbeitbaren Ausführungsbeispiel.

Neuheit

D12 offenbare ein Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten, welches sämtliche Schritte von Anspruch 1 mit den darin genannten Parameterbereichen vorwegnehme. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu.

Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe ausgehend von D12 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Er sei auch ausgehend von D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, das in Absatz [0002] des Streitpatents dargelegt wurde, nicht erfinderisch.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Ausführbarkeit

Das Streitpatent in seiner Gesamtheit offenbare die Erfindung des erteilten Anspruchs 1 so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann mit der Bereitschaft zum Verständnis sie über den gesamten technisch sinnvollen Bereich ausführen könne. Das Streitpatent beschreibe in den Absätzen [0023] bis [0032] auch ein Ausführungsbeispiel mit sinnvollen Parameterangaben einschließlich der im Anspruch nicht definierten Behandlungszeiträume.

Neuheit

D12 offenbare ein Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten, das zumindest keinen den Trocknungsschritten vorgelagerten Aufwärmschritt mit einem ersten Luftstrom aufweise. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D12.

Erfinderische Tätigkeit

Auch D6 offenbare keinen Aufwärmschritt mit einem ersten Luftstrom. Das die Unterscheidungsmerkmale gegenüber D12 und D6 angeblich nahelegende Fachwissen sei nicht belegt und werde bestritten. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe daher ausgehend von D12 oder D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

1.1 Die Beschwerdesache ist auf Grundlage der zu überprüfenden Entscheidung und des vorliegenden umfangreichen schriftlichen Vorbringens der Beteiligten unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif. Da die Beschwerdeführerin keine mündliche Verhandlung beantragte und die Kammer die Durchführung einer solchen auch selbst nicht für sachdienlich erachtete, konnte die Entscheidung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 im schriftlichen Verfahren ergehen.

2. Hauptantrag - Ausführbarkeit, Artikel 100 b) EPÜ

2.1 Die Erfindung des Streitpatents betrifft ein Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten, insbesondere von Kräutern (Absätze [0001] und [0002]).

Absatz [0002] beschreibt, dass im Stand der Technik Kräuter üblicherweise mit einem Verfahren getrocknet werden, das aus einem Vortrocknungsschritt und einem Haupttrocknungsschritt besteht, wie sie in Anspruch 1 definiert sind.

Gemäß Absatz [0003] habe sich herausgestellt, dass durch ein solches Verfahren erhaltene Produkte eine relativ hohe mikrobielle Belastung an der Produktoberfläche aufwiesen. Dies wird gemäß Absatz [0006] darauf zurückgeführt, dass Mikroorganismen bei niedrigen aw-Werten eine hohe Hitzeresistenz aufwiesen, die bei Wasseraktivitäten zwischen 0,2 bis 0,4 am höchsten sei. Daher gelinge es bei konventionellen Trocknungsverfahren wegen der zu schnellen Absenkung des aw-Werts nicht, das Produkt zuverlässig von mikrobieller Belastung zu befreien.

Die vorgeschlagene Lösung für diese Problematik liegt gemäß Absatz [0007] in einer vorgelagerten Aufwärmphase, bei dem der aw-Wert des pflanzlichen Produkts "möglichst konstant" gehalten wird. Dies ist in Anspruch 1 als Aufwärmschritt mit den Merkmalen 1.1 bis 1.1.2 definiert.

2.2 Die Beschwerdeführerin bemängelte die fehlende Angabe eines konkreten Ausgangs-aw-Werts beim Aufwärmen in Anspruch 1. Ein hoher anfänglicher aw-Wert sei gemäß Absatz [0006] wesentlich für die Erfindung. Das Verfahren sei ohne diese Angabe "nicht reproduzierbar". Der Begriff "pflanzliches Produkt" in Anspruch 1 sei ebenfalls so breit, dass sich kein anfänglicher aw-Wert ableiten lasse, zumal Anspruch 1 nicht ausschließe, dass das Produkt bereits vorgetrocknet sein könnte. Für ein Ausgangsprodukt mit niedrigem aw-Wert sei es jedoch fraglich, wie dieser beim Erwärmen mit einem ersten Luftstrom mit über 80% relativer Luftfeuchtigkeit konstant gehalten werden könne.

Es stimmt zwar, dass Anspruch 1 keinen konkreten Anfangswert für die Wasseraktivität definiert, und sich der Begriff "pflanzliches Produkt" wie von der Beschwerdeführerin behauptet auf "alle denkbaren pflanzlichen Ausgangsmaterialien" erstreckt. Für den Fachmann ist jedoch aus der Angabe der relativen Luftfeuchtigkeit des ersten Luftstroms von über 80% (Merkmal 1.1.1) und der Forderung, den aw-Wert im Wesentlichen konstant zu halten (Merkmal 1.1.2), ersichtlich, dass sich der Anspruchsgegenstand auf pflanzliche Produkte mit einer entsprechend hohen Wasseraktivität bezieht. Denn die Wasseraktivität entspricht definitionsgemäß der relativen Luftfeuchtigkeit der Umgebungsluft im Gleichgewicht (ERH/100). Folglich bewegt sich der aw-Wert des pflanzlichen Produkts beim Erwärmen mit dem ersten Luftstrom (Annäherung an den Gleichgewichtszustand durch Angleichen der Temperatur) auf diesen aw-Wert zu. Somit wird der Endwert der Wasseraktivität beim Aufwärmen durch die relative Luftfeuchtigkeit des ersten Luftstroms von über 80% bestimmt. Damit der aw-Wert dabei "im Wesentlichen konstant" gehalten wird, muss er bereits vor dem Aufwärmen in dieser Größenordnung gelegen haben. Die Merkmale 1.1.1 und 1.1.2 setzen somit implizit einen Ausgangs-aw-Wert des pflanzlichen Produkts voraus, der "im Wesentlichen" der relativen Luftfeuchtigkeit von über 80% entspricht, also "im Wesentlichen" über 0,8 liegt. Dies steht auch im Einklang mit der Offenbarung des Streitpatents in den Absätzen [0006], [0010] und [0023].

Folglich enthält Anspruch 1 implizit eine Einschränkung auf pflanzliche Produkte mit einem hohen anfänglichen aw-Wert bzw. einem hohen anfänglichen Wassergehalt von über 80%. Die genannten Einwände der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Fehlens des für die Erfindung wesentlichen Merkmals eines hohen anfänglichen aw-Werts sind daher gegenstandslos.

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass das Vorliegen aller wesentlichen Merkmale im erteilten Anspruch zu den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ gehört, die einer Überprüfung im Einspruchsverfahren nicht zugänglich sind (vgl. G 3/14). Falls sich die von der Beschwerdeführerin bemängelte fehlende Reproduzierbarkeit auf die im Streitpatent behauptete, aber im Anspruch nicht geforderte Wirkung (z.B. der Keimreduzierung) bezieht, handelt es sich zudem ebenfalls nicht um eine Frage der Ausführbarkeit der in den Ansprüchen definierten Erfindung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage 2022, II.C.3.2 und II.C.6.1).

2.3 Vom dritten Absatz auf Seite 5 der Beschwerdebegründung bis zum dritten Absatz auf Seite 6 bemängelte die Beschwerdeführerin, dass das Streitpatent keine Angaben enthalte, wie die in den Merkmalen 2.1.1 und 3.1.1 geforderte Temperatur im pflanzlichen Produkt bestimmt werden solle. Es sei daher nicht offenbart, wie die Temperatur des zweiten Luftstroms gewählt werden müsse. Beim dritten Luftstrom komme hinzu, dass dessen Temperatur gemäß Merkmal 3.1.2 auch durch die geforderte Absenkung des aw-Werts auf einen Zielwert eingeschränkt sei, Anspruch 1 diesen aber unbestimmt lasse. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher insbesondere nicht über seine gesamte Breite ausführbar. Insgesamt stelle es - auch angesichts der offenen Verfahrensparameter - für den Fachmann einen unzumutbaren Aufwand dar, das Verfahren wie beansprucht durchzuführen.

Die Kammer kann sich diesem Vortrag aus den folgenden Gründen nicht anschließen.

Für die Temperaturmessung im pflanzlichen Produkt stehen verschiedene bekannte, auch berührungslose, Messverfahren bereit. Nach Ansicht der Kammer stellt es für den Fachmann daher keine Schwierigkeit dar, die Temperatur des pflanzlichen Produkts in Vorversuchen zu bestimmen und die Temperatur der Luftströme so einzustellen, dass die Bedingungen der Merkmale 2.1.1 und 3.1.1 im Betrieb eingehalten werden.

Dem Fachmann ist bewusst, dass die dabei zu wählenden Temperaturen des zweiten und dritten Luftstroms von verschiedenen Verfahrensparametern abhängen, unter anderem von den Eigenschaften des zu trocknenden pflanzlichen Produkts, vom Grad der Vorerwärmung im Aufwärmschritt und von der Behandlungsdauer in den entsprechenden Schritten. Darüber hinaus hängt die Produkttemperatur auch von der Wärmeübergangsrate ab, die unter anderem von den Eigenschaften der Luftströmung durch das Produkt bestimmt wird. Es ist daher einerseits kaum möglich, konkrete allgemeingültige Verfahrensparameter anzugeben. Andererseits stellt es für den Fachmann aber auch keinen übermäßigen Aufwand dar, die Verfahrensparameter für ein bestimmtes Ausgangsprodukt in einer gegebenen Anlage experimentell zu ermitteln bzw. festzulegen.

Bei dem "Zielwert" in Merkmal 3.1.2 handelt es sich gemäß Spalte 2, Zeilen 52 bis 58 des Streitpatents um einen gewünschten Trocknungsgrad. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass hierfür kein fester Wert vorgegeben ist. Nach Ansicht der Kammer führt das Offenlassen des Zielwerts auch nicht zu einem Anspruchsgegenstand, der nicht über seine gesamte Breite ausführbar ist, da der Fachmann auch ohne eine Vorgabe klare Vorstellungen hat, welche aw-Zielwerte realistisch und wünschenswert sind, und nur solche Zielwerte anstrebt. Typische Zielwerte sind im Streitpatent zudem in den Absätzen [0015] und [0031] genannt.

Schließlich hängt der erreichte aw-Zielwert gemäß den oben diskutierten Einflussfaktoren nicht ausschließlich von der Temperatur des dritten Luftstroms ab. Insbesondere mit der relativen Luftfeuchtigkeit und der Behandlungsdauer stehen bei der Auslegung der Verfahrensparameter weitere Freiheitsgrade zur Verfügung. Daher ist es ohne Weiteres möglich, die Temperatur des dritten Luftstroms so zu wählen, dass sowohl die Produkttemperatur gemäß Merkmal 3.1.1 als auch der aw-Zielwert gemäß Merkmal 3.1.2 erreicht wird.

Zusammenfassend ist die Kammer der Ansicht, dass die erforderliche Auswahl der Verfahrensparameter, um das Verfahren gemäß Anspruch 1 ausführen zu können, im Bereich des Fachwissens und der Routine des Fachmanns liegt, keinen unzumutbaren Aufwand mit sich bringt, und die Realisierung des Verfahrens im Wesentlichen im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist.

2.4 Es stimmt, dass das Streitpatent, wie von der Beschwerdeführerin ebenfalls bemängelt, kein ausführliches Ausführungsbeispiel offenbart, in dem, angefangen von einem konkreten Pflanzenmaterial, sämtliche Parameter des Verfahrens im Detail festgelegt sind. Dies ist, wie im vorhergehenden Punkt dargelegt, im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen und -können aber auch nicht erforderlich. Die Kammer ist daher der Ansicht, dass die Offenbarung der Erfindung im Streitpatent im vorliegenden Fall ausreichend deutlich und vollständig ist, so dass ein Fachmann sie ausführen kann ohne dafür auf ein Ausführungsbeispiel mit allen Parameterangaben angewiesen zu sein.

2.5 Somit steht der Einspruchsgrund von Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegen.

3. Hauptantrag - Neuheit gegenüber D12

3.1 D12 offenbart ein Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten ("fruits or vegetables") mit einem Vortrocknungsschritt b), einem Dehydrierungsschritt c) und einem Nachtrocknungsschritt d) (vgl. D12, Anspruch 1). Darüber hinaus ist in D12 auf Seite 12 optional ein dem Vortrocknungsschritt vorgelagerter "blanching or cooking step" offenbart.

3.2 Aufwärmschritt

3.2.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin offenbart der vorgelagerte "blanching or cooking step" den Aufwärmschritt von Anspruch 1 mit den Merkmalen 1.1, 1.1.1 und 1.1.2. Denn dabei seien die pflanzlichen Produkte mit Wasserdampf gesättigten Luftströmen ausgesetzt, so dass ihnen kein Wasser entzogen werde und ihr aw-Wert daher - im breiten Sinne - "im Wesentlichen" konstant bleibe.

3.2.2 Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass es sich bei dem "blanching or cooking step" um ein Erwärmen "mit einem ersten Luftstrom" handele, sowie, dass eine relative Luftfeuchtigkeit von über 80% offenbart sei. Zudem lasse sich aus D12 nicht ableiten, dass der aw-Wert des Produkts konstant bleibe bzw. die Temperatur entsprechend gewählt werde.

3.2.3 Nach Ansicht der Kammer kommt es nicht auf die genaue Bedeutung von "blanching", "cooking" und dem dabei gegebenenfalls verwendeten "water or steam cooker" an, da in diesem optionalen Schritt in D12 jedenfalls kein Erwärmen "mit einem ersten Luftstrom" stattfindet.

Der Wortlaut von Merkmal 1.1 von Anspruch 1 ist nach Ansicht der Kammer so zu verstehen, dass ein definierter Luftstrom (Einzahl, wenngleich dieser gemäß Absatz [0025] durch mehrere Einzelluftströme bereitgestellt werden kann) gezielt zum Erwärmen des pflanzlichen Produkts eingesetzt wird. Dies entspricht dem fachüblichen Verständnis eines Schritts des Erwärmens mit einem Luftstrom und hängt nicht davon ab, ob die Eigenschaften des Luftstroms im Streitpatent näher bestimmt sind. Die Kammer bestreitet nicht, dass es bei dem "blanching or cooking step" durch Konvektion und Diffusion Luftbewegungen gibt. Diese stellen aber keinen definierten "ersten Luftstrom" im Sinne des Anspruchs 1 dar. D12 offenbart folglich bereits Merkmal 1.1 nicht.

Es muss daher nicht darauf eingegangen werden, ob beim "blanching or cooking step" eine relative Luftfeuchtigkeit von über 80% herrscht und die Lufttemperatur so gewählt ist, dass der aw-Wert des pflanzlichen Produkts im Wesentlichen konstant bleibt, weil sich diese Forderungen der Merkmale 1.1.1 und 1.1.2 auf den ersten Luftstrom beziehen und daher in D12 nicht erfüllt sind.

3.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher schon aus diesem Grund neu gegenüber D12.

4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D12

4.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich zumindest durch den Aufwärmschritt mit den Merkmalen 1.1, 1.1.1 und, 1.1.2 von dem Verfahren der D12.

4.2 Gemäß dem Streitpatent soll dies die Aufgabe lösen (vgl. Absätze [0007] und [0008]), ein Verfahren zur Trocknung von pflanzlichen Produkten bereitzustellen, mit dem ein mikrobiologisch sichereres und zudem im Vergleich zum Stand der Technik hinsichtlich Farbe, Aroma und Textur verbessertes Produkt bereitgestellt werden kann (Absatz [0004]).

4.3 Die Beschwerdeführerin trug vor, diese Aufgabe sei in D12 bereits gelöst. Zudem sei nicht belegt, dass sie durch den beanspruchten Aufwärmschritt tatsächlich gelöst werde. Die Beschwerdeführerin schlug daher die weniger ambitionierte Aufgabe vor, eine Verfahrensalternative zur Trocknung von pflanzlichen Produkten bereitzustellen. Sie behauptete, ein Aufwärmschritt (Merkmal 1.1) sei bereits grundsätzlich bekannt und dessen Details (Merkmale 1.1.1 und 1.1.2) seien durch das allgemeine Fachwissen des Fachmanns nahegelegt.

4.4 Die Beschwerdegegnerin zog die im Streitpatent genannte Aufgabe heran, mit der Präzisierung, dass es bei den Verbesserungen hinsichtlich Farbe, Aroma und Textur um eine möglichst große Ähnlichkeit zu dem frischen pflanzlichen Produkt gehe. In D12 sei hingegen gerade eine veränderte Textur das Ziel. Weder aus D12 noch aus dem allgemeinen Fachwissen erhalte der Fachmann eine Veranlassung, einen Aufwärmschritt mit den Merkmalen 1.1 bis 1.1.2 vorzusehen oder den "cooking or blanching step" der D12 durch einen Aufwärmschritt mit einem ersten Luftstrom zu ersetzen.

4.5 Die Kammer ist der Ansicht, dass die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Aufgabe zutreffend ist.

Wie von der Beschwerdegegnerin aufgezeigt, bezweckt D12 eine Veränderung der Textur der behandelten Produkte, um leicht zu kauende getrocknete Stücke von Früchten oder Gemüse bereitzustellen (Seite 1, Zeilen 8 bis 12; "to soften texture", Seite 12, zweiter Absatz), und löst daher nicht die Aufgabe, Farbe, Aroma und Textur des natürlichen Ausgangsprodukts bestmöglich zu erhalten.

Die Kammer hat, wie auch die Einspruchsabteilung, keine Zweifel, dass der Aufwärmschritt die im Streitpatent gut nachvollziehbar dargelegte Wirkung der Verbesserung der mikrobiologischen Sicherheit (Absatz [0007]) aufweist, und sieht keinen Anlass zu bezweifeln, dass die dabei verwendeten schonenden Bedingungen gleichzeitig dem Erhalt der natürlichen Eigenschaften Farbe, Aroma und Textur zuträglich sind. Diese Wirkungen sind daher im Streitpatent glaubhaft dargestellt. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von der Situation z.B. in T 1329/04 und T 97/00 aus dem Bereich der Chemie, wo es für die jeweilige Kammer aus dem Streitpatent heraus nicht ohne Weiteres glaubhaft erschien, dass die angegebene Wirkung tatsächlich erreicht wurde. Da die im Patent behaupteten vorteilhaften Wirkungen in diesen Fällen nicht glaubhaft waren, trug die Patentinhaberin die Beweislast für deren Bestehen.

Im vorliegenden Fall stützen die glaubhaften Ausführungen der technischen Zusammenhänge im Streitpatent jedoch bereits die Grundannahme, dass die behaupteten Wirkungen zutreffen. Unter diesen Umständen liegt die Beweislast für gegenteilige Behauptungen bzw. für Tatsachen, die Zweifel am Erfolg der Lösung der Aufgabe aufkommen lassen, bei der Einsprechenden (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage 2022, III.G.5.1.2 b); wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen entspricht dies auch der

Aussage der von der Beschwerdeführerin in anderem Zusammenhang zitierten T 1409/04, siehe Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe). Entsprechende Nachweise hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht vorgelegt.

4.6 Selbst wenn die weniger ambitionierte Aufgabenstellung der Beschwerdeführerin zugrunde gelegt würde, ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht, welche Veranlassung der Fachmann gehabt haben soll, einen Aufwärmschritt mit den Merkmalen 1.1, 1.1.1 und 1.1.2 in das Verfahren der D12 aufzunehmen.

Wie oben festgestellt bezweckt D12 eine Veränderung der Textur von Früchten und Gemüse, um leicht zu kauende getrocknete Produkte herzustellen (Seite 1, Zeilen 8 bis 12). Der optionale "blanching or cooking step" dient dazu, bei festem Gemüse für ein Aufweichen der Textur sorgen (Seite 12, zweiter Absatz). Es ist angesichts dieser Zielsetzung in D12 schon nicht ersichtlich, was den Fachmann dazu bewogen hätte, nach einer Lösung für den möglichst naturgetreuen Erhalt der Textur des pflanzlichen Ausgangsproduktes gemäß der Aufgabenstellung zu streben. Auch die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, welche Veranlassung der Fachmann gehabt haben soll, das Verfahren der D12 um einen Aufwärmschritt wie beansprucht zu ergänzen oder den "blanching or cooking step" durch einen Schritt des Erwärmens mit einem ersten Luftstrom zu ersetzen.

Schließlich stellt der "blanching or cooking step" wie oben festgestellt keinen Schritt des Erwärmens "mit einem ersten Luftstrom" dar. Die nicht näher begründete Behauptung der Beschwerdeführerin, ein solcher Aufwärmschritt sei bereits grundsätzlich bekannt, ist daher nicht nachvollziehbar. Auch das von der Beschwerdegegnerin bestrittene Fachwissen über einen Aufwärmschritt mit den geforderten Eigenschaften hat die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, aber nicht belegt. Es ist daher abgesehen von der fehlenden Motivation auch nicht ersichtlich, woher der Fachmann die Anregung zu einem solchen Schritt erhalten haben sollte.

4.7 Aus diesen Gründen ist der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D12 nicht überzeugend. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit ausgehend von D12 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6

5.1 Die Beschwerdeführerin trug vor, D6 offenbare ein Verfahren zur Trocknung von Gewürzen (pflanzlichen Produkten, Merkmal 1) mit einem Aufwärmschritt gemäß Anspruch 1 (Merkmale 1.1 bis 1.1.2) in Form eines unmittelbar nach der Ernte noch vor Ort erfolgenden Schritts des Erhitzens, vorzugsweise in Form von Blanchieren, Pasteurisieren oder Sterilisieren, der vor der Trocknung durchgeführt wird (Ansprüche 1 und 3 und Ausführungsbeispiele 1 und 2 der D6).

D6 offenbare zwar keine Details der nachfolgenden Trocknungsschritte (Merkmale 2.1 bis 3.1.2). Diese seien aber, wie in Absatz [0002] des Streitpatents angegeben, aus dem Stand der Technik bekannt und fachüblich. Der Fachmann hätte daher das Verfahren nach D6 auf naheliegende Weise um diese Schritte ergänzt bzw. den Schritt des Blanchierens, Pasteurisierens oder Sterilisierens vor den üblichen Trocknungsschritten gemäß Anspruch 1 durchgeführt, und wäre daher auf naheliegende Weise zu dem Gesamtverfahren von Anspruch 1 gelangt.

5.2 Der Schritt des Erhitzens, vorzugsweise in Form von Blanchieren, Pasteurisieren oder Sterilisieren, erfolgt gemäß den Ansprüchen 1 und 3 und den Beispielen in D6 in Wasser oder Dampf bei einer Temperatur zwischen 70°C und 120°C. Wie D12 offenbart D6 jedoch kein Erwärmen "mit einem ersten Luftstrom" (Merkmal 1.1), so dass auch die darauf bezogenen Merkmale 1.1.1 und 1.1.2 nicht offenbart sind.

5.3 D6 hat folglich keine mit Anspruch 1 gemeinsamen Merkmale, außer dass es sich um ein Verfahren zum Trocknen von pflanzlichen Produkten handelt (Merkmal 1). Schon aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann ausgehend von D6 auf naheliegende Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt wäre.

5.4 Für die Unterscheidungsmerkmale 1.1 bis 1.1.2 gelten dieselben Überlegungen wie oben ausgehend von D12 bezüglich der Aufgabenstellung und dem angeblichen Naheliegen durch das allgemeine Fachwissen dargelegt. Es ist folglich nicht ersichtlich, wie der Fachmann auf naheliegende Weise zu diesen Merkmalen gelangt wäre.

5.5 Die Beschwerdegegnerin bestritt zudem, dass die unstreitig in D6 ebenfalls fehlenden Merkmale 2.1 bis 3.1.2 in der beanspruchten Form bereits zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents vorbekannt waren oder zum Fachwissen zählten. Auch dieses von der Beschwerdeführerin behauptete Fachwissen wurde nicht belegt.

5.6 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht daher auch ausgehend von D6 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Zusammenfassung

Wie oben dargelegt steht keiner der im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikel 52 (1), 54 und 56 EPÜ und Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents wie erteilt entgegen. Daher ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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