T 1634/20 (Bildqualität/BUNDESDRUCKEREI) of 22.5.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T163420.20230522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2023
Aktenzeichen: T 1634/20
Anmeldenummer: 14727447.6
IPC-Klasse: G06K 9/00
G06K 9/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM BEWERTEN EINER BILDQUALITÄT EINES BILDES
Name des Anmelders: Bundesdruckerei GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013
Schlagwörter: Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Keine technische Aufgabe
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der Beschwerde wird die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen, angefochten.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung wegen Mängeln nach Artikeln 123 (2), 83, 84 (Klarheit und Stützung durch die Beschreibung), 52(2) und (3) in Verbindung mit 56 EPÜ zurückgewiesen. Für die Gründe verwies die Entscheidung auf die Bescheide vom 28. Oktober 2019 und 20. Februar 2019. Darin wurde auf das Dokument

D1: WO 2007/090727

verwiesen, sowie auf die von D1 erwähnte Foto-Muster­tafel der Bundesdruckerei. Diese wurde im späteren Bescheid durch Angabe zweier Internetaddressen "förmlich eingeführt".

III. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerde­führerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Basis eines der von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Anträge, nämlich eines Hauptantrags (vom 13. November 2017) und eines von sechs Hilfsanträgen (vom 20. September 2019).

IV. Die Kammer teilte der Beschwerdeführerin ihre vorläu­fige Meinung mit, dass keiner der Anträge gewährbar sei. Der Begriff "Bildqualität" sei unklar, und die Bewertung der Bildqualität eine Bildes stelle im allgemeinen keine klare technische Aufgabe dar. Des Weiteren fügte die Kammer ihrem Ladungsbescheid eine Kopie der zitierten Foto-Mustertafel als D3 bei und vertrat die Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche, soweit er klar sei, gegenüber D1 und D3 naheliege.

V. Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 reichte die Beschwer­deführerin einen 7. Hilfsantrag ein und beantragte die Nichtzulassung des Dokuments D3. Im mündlichen Verfahren vor der Kammer am 8. März 2023 reichte die Beschwer­deführerin einen 8. Hilfsantrag ein.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

Verfahren (100) zum automatisierten Bewerten einer Bildqualität eines Bildes, mit:

Extrahieren (101) eines ersten Bildbereichs des Bildes;

Extrahieren (103) eines zweiten Bildbereichs des Bildes;

Bestimmen (105) eines ersten Tonwertumfangs des ersten Bildbereichs;

Bestimmen (107) eines zweiten Tonwertumfangs des zweiten Bildbereichs; und

Bestimmen (109) eines Unterschiedes zwischen dem ersten Tonwertumfang mit dem zweiten Tonwertumfang, um die Bildqualität zu bewerten

wobei das Bild ein Bild einer Person ist,

wobei der erste Bildbereich eine Abbildung des Gesichts der Person oder eines Gesichtsbereichs der Person umfasst,

wobei der zweite Bildbereich eine der folgenden Abbildungen umfasst: weiterer Gesichtsbereich der Person, Bildhintergrund, Haare der Person, Hals der Person, Torso der Person,

wobei das Bestimmen (109) des Unterschieds zwischen den Tonwertumfängen ein Anwenden einer mathematischen Abbildung von den Tonwertumfängen der Bildbereiche auf ein Maß zum Bewerten der Bildqualität umfasst,

so dass den Bildbereichen eine unterschiedliche Gewichtung bei der Bewertung der Bildqualität zukommt.

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das Folgende hinzugefügt wurde:

wobei für den Fall, dass der erste Bildbereich einen Gesichtsbereich betrifft, der zweite Bildbereich einen anderen Gesichtsbereich betrifft.

VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das Folgende hinzugefügt wurde:

wobei der erste Bildbereich eine Abbildung des Gesichts der Person ist und der zweite Bildbereich ein Bildhintergrund ist.

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das Folgende hinzugefügt wurde:

wobei im Schritt des Bestimmens (109) des Unterschiedes eine Höhe des ersten Tonwertumfangs und eine Höhe des zweiten Tonwertumfangs bestimmt und verglichen werden.

X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das Folgende hinzugefügt wurde:

wobei im Schritt des Extrahierens (101, 103) des ersten Bildbereichs oder des zweiten Bildbereichs eine Kantenerkennung, insbesondere mittels einer Hochpassfilterung, durchgeführt wird, um ein Kantenbild zu erhalten.

XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 dadurch, dass am Ende des Anspruchs das folgende Merkmal hinzugefügt wurde:

wobei im Schritt des Extrahierens (101, 103) eine Tonwertspreizung des Kantenbildes durchgeführt wird.

XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das folgende hinzugefügt wurde:

wobei das Extrahieren (101, 103) des ersten Bildbereichs und des zweiten Bildbereichs des Bildes ein Bereitstellen eines freigestellten Gesichtsbereichs (301) der Person, eines freigestellten Torsobereichs (303) der Person, eines freigestellten Haarbereichs (305) der Person und eines freigestellten Hintergrunds (307) umfasst,

wobei die mathematische Abbildung von den Tonwertumfängen der Bildbereiche auf das Maß zum Bewerten der Bildqualität wie folgt lautet:Ist der Tonwertumfang für den Gesichtsbereich (301) hoch, den Torsobereich (303) mittel, den Haarbereich (305) hoch und den Hintergrund (307) gering, so wird die Bildqualität als hoch bewertet,Ist der Tonwertumfang für den Gesichtsbereich (301) mittel, den Torsobereich (303) hoch, den Haarbereich (305) gering und den Hintergrund (307) mittel, so wird die Bildqualität als mittel bewertet,Ist der Tonwertumfang für den Gesichtsbereich (301) gering, den Torsobereich (303) mittel, den Haarbereich (305) hoch und den Hintergrund (307) gering, so wird die Bildqualität als gering bewertet,wobei ein geringer Tonwertumfang vorliegt, wenn der Tonwertumfang einen ersten vorbestimmten Schwellwert und einen zweiten vorbestimmten Schwellwert unterschreitet, wobei ein mittlerer Tonwertumfang vorliegt, wenn der Tonwertumfang den ersten vorbestimmten Schwellwert überschreitet und den zweiten vorbestimmten Schwellwert unterschreitet,wobei ein hoher Tonwertumfang vorliegt, wenn der Tonwertumfang den ersten vorbestimmten Schwellwert und den zweiten vorbestimmten Schwellwert überschreitet,wobei eine geringe Bildqualität vorliegt, wenn die Bildqualität einen ersten vorbestimmten Schwellwert und einen zweiten vorbestimmten Schwellwert unterschreitet,wobei eine mittlere Bildqualität vorliegt, wenn die Bildqualität den ersten vorbestimmten Schwellwert überschreitet und den zweiten vorbestimmten Schwellwert unterschreitet,wobei eine hohe Bildqualität vorliegt, wenn die Bildqualität den ersten vorbestimmten Schwellwert und den zweiten vorbestimmten Schwellwert überschreitet.

XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch die Änderung folgender zweier Merkmale:

[...]

[deleted: so dass] wobei den Bildbereichen eine unterschiedliche Gewichtung bei der Bewertung der Bildqualität zukommt,

[...]

wobei das Bewerten der Bildqualität basierend auf der [deleted: die] mathematischen Abbildung von den Tonwertumfängen der Bildbereiche auf das Maß zum Bewerten der Bildqualität wie folgt [deleted: lautet] ausgebildet ist:

[...]

XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Präambel wie folgt definiert wurde:

Verfahren (100) zum automatisierten Bewerten einer Bildqualität eines Bildes einer zu identifizierenden Person zum Ausstellen eines Identifikationsdokumentes der zu identifizierenden Person, mit: [...]

XV. Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende die sachliche Debatte für beendet und teilte mit, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht vor dem 17. März ergehen werde.

Entscheidungsgründe

Die Anmeldung

1. Die Anmeldung bezieht sich auf die Bewertung der Qualität eines Bildes, insbesondere auf seine Eignung für ein Identifikationsdokument wie einen Reisepass oder einen Führerschein (Seite 1, Zeile 7-11, und Seite 7, Zeilen 17-24).

1.1 Es wird vorgeschlagen, die Qualität auf Basis von Un­ter­schieden im Tonwertumfang zwischen Bildbereichen, z.B. zwischen dem Gesichtsbereich und dem Bildhinter­grund, zu bewerten (Seite 1, letzter Absatz), und zwar durch "Anwenden einer mathematischer Abbildung von den Tonwertumfängen der [...] Bildbereiche auf ein Maß zum Bewerten der Bildqualität" (Seite 15, Zeile 14-17; Seite 20, Zeile 24-27).

1.2 Gemäß der Anmeldung auf Seite 15, und "gemäß einer Ausführungsform", "wird die Bildqualität des Bildes als hoch bewertet, wenn alle Bildbereiche jeweils einen hohen Tonwertumfang aufweisen".

Weiter auf Seite 20, mit Bezug auf Figur 3, wird offenbart: "Ist beispielsweise der Tonwertumfang für den Bereich 301 [Gesicht] hoch, den Bereich 303 [Torso] mittel, den Bereich 305 [Haar] hoch und den Bereich 307 [Hintergrund] gering, so kann beispielsweise die Bildqualität als hoch bewertet werden. Ist beispielsweise der Tonwertumfang für den Bereich 301 mittel, den Bereich 303 hoch, den Bereich 305 gering und den Bereich 307 mittel, so kann beispielsweise die Bildqualität als mittel bewertet werden. Ist beispielsweise der Tonwertumfang für den Bereich 301 gering, den Bereich 303 mittel, den Bereich 305 hoch und den Bereich 307 gering, so kann beispielsweise die Bildqualität als gering bewertet werden.

Dadurch wird erreicht, dass einzelnen Bildbereichen eine unterschiedliche Gewichtung bei der Bewertung der Bildqualität zukommen kann."

Hauptantrag

2. Die Prüfungsabteilung war der Ansicht (Bescheid vom 28. Oktober 2019, Punkt 1), dass "Ohne weitere Ein­schrän­kung [...] die Aufgabe der Bestimmung einer Bild­qualität eines Bildes keine technische Aufgabe [sei], da sie anhand von nicht technischen, insbesondere ästhe­tischen Gesichtspunkten bestimmt werden [könne]". Sie widersprach der Anmelderin darin, dass die Er­findung mit der Prüfung eines Reifenprofils vergleich­bar sei (s.u., Punkt 3.3), da es sich "anders als [...] bei der Profiltiefe eines Reifens [...] bei der Bildqua­lität nicht um eine wohldefinierte technische Messgröße" handele.

2.1 Hingegen sei "die Bestimmung der Bildqualität im Sinne einer Eignung des Bildes für eine spätere Identifi­ka­tion eine technische Aufgabe". Für diesen Zweck seien die beanspruchten Verfahrenschritte "Aller­dings [...] viel zu breit gefasst, als dass sie tatsächlich zu der Lösung dieses technischen Problems beitragen würden."

2.2 Die Prüfungsabteilung verwies dabei auf Artikel 52(2), (3) EPÜ und erhob Einwände unter Artikel 84 EPÜ sowie Artikel 83 i.V.m Regel 42(1) EPÜ.

3. In ihrer Beschwerdebegründung (Punkt 4.1.2) argumen­tier­te die Beschwerdeführerin, dass das beanspruchte Verfahren "eindeutig technische[] Merkmale" aufweise und daher "nicht von der Patentierbarkeit ausge­schlossen" sei. Außerdem beziehe sich Anspruch 1 "nicht auf ein Verfahren zur Bestimmung einer Bildqualität, sondern auf ein Verfahren zum automatisierten Bewerten einer Bildqualität eines Bildes" (Hervorhebung durch die Beschwerdeführerin).

3.1 Das Bewerten der Bildqualität erfolge objektiv, nämlich durch das Anwenden einer mathematischen Funktion, die nicht als solche beansprucht sei, sondern "eingebettet in eine konkrete technische Lehre". Die Funktion bilde "die Tonwertumfänge auf ein Maß zum Bewerten der Bild­qualität" ab, wobei Tonwertumfänge technische Merkmale seien (Seite 12 der Beschwerdebegründung).

3.2 Es gebe weder im EPÜ noch in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt eine Grundlage dafür, "dass ein Anspruch über die technische Lehre hinaus noch angeben soll, wofür die Vorrichtung oder das Ver­fahren noch verwendet werden soll." Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe sei (nur) die "automati­sier­te[] Bewertung einer Bildqualität eines Bildes", und nicht (darüber hinaus) auch anzugeben, "ob sich das Bild für ein Identifizierungsverfahren eignet oder nicht." Beides seien "verschiedene Paar Schuhe". Ob sich ein Bild mit einer bestimmten Bildqualität für ein Identifizierungsverfahren eigne, könne der Gesetzgeber "unabhängig von dem Bewerten der Bildqualität" regeln (Seiten 6 und 7 der Beschwerdebegründung).

3.3 In dieser Hinsicht stellte die Beschwerdeführerin den folgenden Vergleich an: "Ein Verfahren, welches eine Profiltiefe eines Reifens misst, sagt noch nichts darü­ber aus, ob ein solcher Reifen sich noch eignet, um wei­ter im Straßenverkehr eingesetzt zu werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, der Grenzwerte aufstellt, wel­che vorgeben, ob eine bestimmte Profiltiefe noch zulässig ist oder nicht" (Seite 8 der Beschwerdebe­grün­dung).

4. In ihrer Mitteilung vom 1. Dezember 2022 äußerte die Kammer die Auffassung, dass der Begriff der "Bildquali­tät" ohne Angabe eines Zwecks unklar sei, da er in der Bildverarbeitungstechnik nicht eindeutig definiert sei und beispielsweise ein rein subjektives Maß sein könne (Artikel 84 EPÜ).

4.1 Insoweit stelle die Bewertung der Bildqualität im allgemeinen auch keine klare technische Aufgabe dar, und daher könne kein technischer Beitrag zum Stand der Technik anerkannt werden. Wenn auch das beanspruchte Verfahren als Ganzes nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei, liege eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ nicht vor, da die Kammer die "eindeutig technischen Merkmale" als für den Fachmann naheliegende Schritte zur Implementierung eines (gegebenen) nicht-technischen Verfahrens ansehe.

5. In ihrem Schreiben vom 23. Januar 2023 verwies die Beschwerdeführerin auf den Abschnitt G-II, 3.3 in den Prüfungsrichtlinien des EPA, der "digitale Audio-, Bild- oder Videoverbesserung oder -analyse, z.B. Entrau­schen, Personenerkennung in einem digitalen Bild, Beurteilung der Qualität eines übertragenen digitalen Audiosignals" als solche Beispiele für mathematische Methoden anführt, die im Kontext der Erfindung eine technische Wirkung erzeugten (Hervorhebungen durch die Beschwerdeführerin). Die Bewertung der Bildqualität wie beansprucht müsse analog ebenfalls als ein technischer Beitrag angesehen werden.

6. Während der mündlichen Verhandlung führte die Beschwer­deführerin weiter aus, dass die Ansprüche bewusst nicht auf den Zweck beschränkt seien festzustellen, ob die Qualität eines Bildes für seine Verwendung als Passfoto ausreiche.

6.1 Mit Zweckbeschränkung sei der mögliche Schutzbereich zu eng. Zur Anmerkung der Kammer, dass so das Verfahrens­er­gebnis nur eine Zahl sei, betonte die Beschwerde­füh­rerin, dass diese Zahl dennoch Informationen über die Bildqualität enthalte und für verschiedene Zwecke nutz­bar sei.

6.2 Ein konkreter solcher Zweck sei kein wesentliches Merk­mal der Erfindung. Ihr Kern sei es, ein Qualitätsmaß aus den Tonwertumfängen verschiedener Bereiche abzulei­ten, und dies sei klar im Anspruch gemacht worden. Die Bedeutung des Begriffs "Bildqualität" als eine objek­ti­ve Größe gehe daher aus dem Anspruch selbst hervor.

6.3 Weitere Einzelheiten zur Ausführung der Bewertung seien im Anspruch nicht nötig. Es sei dem Fachmann klar, wel­che mathematischen Abbildungen geeignet wären, und die Anmeldung gebe auf Seite 20 auch ein detailliertes Beispiel an. Dass die Anmeldung keine konkreten Ergeb­nisse enthalte, sei der Tatsache zu schulden, dass die Beschwerdeführerin ihre Idee so schnell wie möglich habe schützen lassen wollen. Der Fachmann sei jedoch in der Lage, die Parameter des beschriebenen Verfahren selbst zu wählen und zu testen.

Auffassung der Kammer: Klarheit

7. Wie schon erwähnt, und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, ist der Begriff der Bildqualität in der Bild­verarbeitung nicht einheitlich defi­niert. In dieser Hinsicht teilt die Kammer die Ansicht der Prü­fungsab­tei­lung, dass Bildqualität auch ein rein sub­jektives Maß sein kann: Beispielsweise kann die Qua­li­tät eines Originalbildes im Vergleich mit einem ver­ar­beiteten, geschärften Bild ebenso als schlechter an­ge­sehen werden (z.B. aus ästhetischen Gründen, weil es bspw. farblos oder unscharf erscheint) wie auch als besser (etwa allein deswegen, weil es realitätsgetreuer ist).

8. Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung, dass der Begriff durch die beanspruchten Schritte, insbesondere die Verwendung einer mathematischen Abbildung von den Tonwertumfängen zu einem objektiven Qualitätsmaß, klar werde.

9. Das relevante Merkmal definiert das "Anwenden einer mathematischen Abbildung von den Tonwertumfängen der Bildbereiche auf ein Maß zum Bewerten der Bildquali­tät".

9.1 Die mathematische Abbildung ist im Anspruch nicht wei­ter definiert. Es ist dem Fachmann grundsätzlich klar, dass nicht jede mathematische Abbildung zu einem sinn­vollen Qualitätsmaß führen kann. Aber der Anspruch gibt keinen Hinweis darauf, welche Abbildungen vom Anspruch umfasst sind, weil eben nicht festgelegt ist, in wel­chem Sinne oder zu welchem Zweck die Qualität bewer­tet werden soll. Es ist daher unklar, ob eine gegebene ma­thematische Abbildung unter de Schutzbereich fällt oder nicht.

9.2 Auch kann das von der Beschwerdeführerin gegebene Beispiel der Reifenprofilmessung, wie schon von der Prüfungsabteilung richtig festgestellt (Bescheid vom 28. Oktober 2019), nicht überzeugen, da im Unterschied zur Bildqualität die Profiltiefe eine objektiv defi­nier­­te Messgröße ist. Die behauptete Analogie liegt daher nicht vor.

10. Nach alledem ist Anspruch 1 nicht klar (Artikel 84 EPÜ).

Auffassung der Kammer: technischer Beitrag

11. Ungeachtet des Klarheitseinwands ist das Ergebnis des beanspruchten Verfahrens im Kern ein numerisches oder anderweitig diskretes Qualitätsmaß (gut/schlecht). Wie von der Großen Beschwerdekammer in G1/19 festgestellt, und im Widerspruch zu den Ausführungen der Beschwerde­führerin, kommt Daten eine technische Wirkung allen­falls dann zu, wenn ihr technischer Zweck im Anspruch wenigstens implizit ist (G 1/19, Entscheidungsgründe 98 und 137).

11.1 Das ist hier nicht der Fall. Der Anspruch impliziert ausdrücklich keinerlei Zweck, und er schließt auch nicht-technische Zwecke (bspw. ästhetische) nicht aus.

11.2 Der zitierte Abschnitt G-II, 3.3 aus den Prüfungsricht­linien des EPA, die ohnehin für die Kammer nicht bin­dend sind, steht dem genannten Ergebnis nicht entgegen. Den Beispielen fehlt es im übrigen an Details, und die Kammer merkt auch an, dass die "Beurteilung der Quali­tät eines [...] digitalen Audiosignals" dort - im Un­terschied zum vorliegenden Fall - nur im Kontext einer Datenüber­tragung betrachtet wird.

12. Da dem Anspruch keine technische Wirkung zugeschrieben werden kann, beruht sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Hilfsantrag 1 bis Hilfsantrag 5

Hilfsantrag 1

13. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass durch diese Änderung unterstrichen werden solle, dass der zweite, "andere" Gesichtsbereich vom ersten verschieden ist.

Hilfsantrag 2

14. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass durch die konkrete Festlegung der betrachteten Bildbereiche das bestimmte Bildqualitätsmaß verbessert würde.

Hilfsantrag 3

15. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass durch die Änderungen der Unterschied zu D1 betont würde.

Hilfsanträge 4 und 5

16. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass die hinzugefügten Merkmale den Unterschied zu D1 unterstrichen, aber auch die Bildqualität und den Maß zum Bewerten der Bildqua­li­tät verbesserten, da das Extrahieren der Bild­bereiche mittels Kantenerkennung, insbesondere mit ei­ner Ton­wert­spreizung des Kantenbildes, zu einer bessere Seg­men­tierung des Gesichts von Hintergrund führe.

Auffassung der Kammer

17. Nach Ansicht der Kammer bleiben die wesentlichen Fragen bestehen, nämlich wann die Bildqualität als gut anzu­sehen ist und zu welchem (technischen) Zweck die Qua­li­tät gemessen wird. Ohne eine Antwort auf diese Fragen kann nicht beurteilt werden, ob die Ergänzung eines Ver­ar­bei­tungsschritts oder einer Bereichdefinition dazu bei­trägt, die Qualitätsbewertung zu verbessern, ge­schwei­ge denn, eine technische Wirkung zu garantie­ren.

17.1 Die Änderungen in der Hilfsanträgen 1 bis 5 klären weder den Begriff der Bildqualität noch legen sie einen technischen Zweck fest.

18. Daher bleiben die obigen Schlussfolgerungen (Punkte 10 und 12) auch für die Hilfsanträge 1 bis 5 gültig.

Hilfsanträge 6 und 7

19. Die Änderungen in den Hilfsanträgen 6 und 7 sollen auf Basis des Beispiels von Seite 20 definieren - und klarstellen -, wie die Bildqualität bewertet wird.

20. Nach Ansicht der Kammer sind die Ansprüche 1 beider Anträge in sich widersprüchlich (Artikel 84 EPÜ), da sie zwei inkompatible Wege verlangen, die Bildqualität als hoch, mittel oder gering zu bewerten. Im jeweils letzen Absatz von Anspruch 1 erfolgt diese Einstufung durch Vergleich eines (offenbar numerischen, aber im Anspruch undefinierten) Bildqualitätsmaßes mit zwei Schwellwerten, zwei Absätze zuvor durch Vergleich von qualitativen Maßen (hoch, mittel, gering) für den Tonwertumfang von verschiedenen Bildbereichen.

21. Darüber hinaus definieren die vorgenommene Änderungen weiterhin keinen technischen Zweck. Die obige Schluss­folgerung (Punkt 12) bleibt somit auch für die Hilfs­anträge 6 und 7 gültig.

Hilfsantrag 8: Artikel 13(2) VOBK 2020

22. Der Hilfsantrag 8 wurde am Ende der Debatte in der münd­lichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Die gegenüber dem Hauptantrag vorgenommenen Änderungen sollen den Begriff der Bildqualität durch Beschränkung auf einen technischen Zweck festlegen und damit den einschlägigen Einwand der Kammer ausräumen.

23. Die Kammer merkt an, dass das Fehlen einer technischen Zweckangabe der Bildqualitätsbewertung schon während des gesamten Prüfungsverfahrens (siehe den Bescheid der Prüfungsabteilung vom 28. Oktober 2019, Punkt 1), aber auch im Ladungszusatz der Kammer bemängelt worden war.

23.1 Es gab keine sachlichen Gründe, die die Beschwerdefüh­rerin daran hätten hindern können, diesem Einwand durch Änderung schon früher zu begegnen. Im Gegenteil hat sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich bewusst dagegen entschieden (vgl. oben, Punkt 6). Dass die Kammer ihren Einwand aufrechterhalten könnte, war eine vorhersehbare Möglichkeit. Daher sieht die Kammer keine außergewöhnlichen Umstände, die den sehr späten Änderungszeitpunkt rechtfertigen könnten.

23.2 Schon allein deswegen ist der Antrag gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zuzulassen.

24. Weiter merkt die Kammer an, dass der geänderte Anspruch wenigstens angesichts der im Ladungszusatz aufgewor­fe­nen Offenbarungsmängel der Erfindung (Artikel 83 EPÜ, siehe oben, Punkte 2.1 und 6.3, sowie Mitteilung der Kammer, Punkte 7 bis 9) prima facie nicht unmittelbar gewährbar erscheint und damit auch eines der Kriterien von Artikel 13 (1) VOBK 2020 nicht erfüllt.

Zulassung von D3

25. Die Frage der Zulassung des Dokuments D3 ist für die Entscheidung unerheblich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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