T 1623/20 () of 30.11.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T162320.20231130
Datum der Entscheidung: 30 November 2023
Aktenzeichen: T 1623/20
Anmeldenummer: 14184437.3
IPC-Klasse: G07G 1/00
G07G 1/14
G06Q 20/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Steuerung eines Kassensystems
Name des Anmelders: Diebold Nixdorf Systems GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 97(1)
European Patent Convention Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Änderung nach Ladung - Ermessensausübung
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1906/19
T 2465/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 14 184 437 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung entschied, dass die in Anspruch 1 des damaligen Hauptantrags und in Anspruch 1 der damaligen Hilfsanträge 1 und 2 definierten Gegenstände nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

III. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) abschließend Folgendes:

Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patent in folgender Fassung:

- Ansprüche 1 bis 15 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 14:41 Uhr, mit einer grammatikalischen Korrektur durch die Kammer,

- Beschreibung: Seiten 1 bis 18 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 14:41 Uhr,

- Zeichnungen: Figuren 1 bis 6 wie ursprünglich eingereicht.

IV. Folgendes Dokument ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D3: EP 2 680 243 A1

V. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Kassensystem (1) umfassend

- eine Mehrzahl von stationären Einheiten (3), die jeweils über zumindest eine physikalische Verbindung (4.1, 4.2, 4.3) mit jeweils zumindest einer Kassenperipherie-Einheit (5.1, 5.2, 5.3) verbunden ist,

- eine mobile Einheit (2), umfassend eine Anzeigevorrichtung, sowie eine Eingabevorrichtung, wobei die mobile Einheit eingerichtet ist zur Ausführung einer Kassensoftware, in deren Ablauf ein Zugriff auf die Kassenperipherie-Einheit (5.1,5.2,5.3) über einen Treiber auf der mobilen Einheit für eine virtuelle Schnittstelle erfolgt,

- eine Verwaltungseinheit (6), die von der Mehrzahl von stationären Einheiten (3) unterschiedlich ist, und die die Mehrzahl von stationären Einheiten (3) und deren Kassenperipherie-Einheiten verwaltet,

wobei

- die mobile Einheit (2) über eine erste physikalische Verbindung (10), mit einer der stationären Einheiten (3) verbindbar ist,

- die mobile Einheit über eine zweite physikalische Verbindung (11), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist, mit der Verwaltungseinheit (6) verbindbar ist,

- die stationäre Einheit (3) über eine dritte physikalische Verbindung (12), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist, mit der Verwaltungseinheit (6) verbindbar ist, und

- die Verwaltungseinheit (6) eingerichtet ist, um aufgrund eines Regelwerks, das bestimmt, ob eine Verbindung der mobilen Einheit (2) mit der stationären Einheit (3) und deren Kassenperipherie-Einheit erlaubt ist, zu prüfen, ob eine erste logische Verbindung (X) der mobilen Einheit (2) zu der stationären Einheit (3) und eine zweite logische Verbindung (Y) der mobilen Einheit (2) zu der zumindest einen Kassenperipherie-Einheit herzustellen ist, wobei als logische Verbindung eine Verbindung bezeichnet wird, die physikalisch über mehrere unterschiedliche Protokolle und Netzwerktechnologien erfolgen kann, jedoch für die mobile Einheit als eine Verbindung über ein lokales Interface mit einem lokalen Interface-Protokoll erscheint, und falls die Prüfung erfolgreich ist, so wird ein Zugriff über die logische Verbindung (X) der mobilen Einheit (2) auf die stationäre Einheit (3) und ein Zugriff über die logische Verbindung (Y) der mobilen Einheit (2) auf die Kassenperipherie-Einheit (5.1, 5.2, 5.3) erlaubt, und die Verwaltungseinheit (6) erfasst eine entsprechende erlaubte logische Verbindung (X) (Y), und wobei die mobile Einheit und stationäre Einheit ausgebildet sind, um zum Entstehen der logischen Verbindung eine Anfrage an die Verwaltungseinheit (6) zu senden, damit die Verwaltungseinheit (6) anhand des Regelwerks prüft, ob eine logische Verbindung (X) (Y) der mobilen Einheit (2) mit der stationären Einheit (3) und deren Kassenperipherie-Einheit (5.1,5.2,5.3) erlaubt ist, und wenn diese erlaubt ist, so sendet die Verwaltungseinheit (6) eine entsprechende Nachricht an die mobile Einheit (2) und die stationäre Einheit (3), um den Zugriff über die logische Verbindung (X) (Y) zu erlauben und andernfalls wird eine logische Verbindung nicht hergestellt."

VI. Der unabhängige Verfahrensanspruch 10 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Steuerung eines Kassensystem (1), das Kassensystem umfasst:

- eine Mehrzahl von stationären Einheiten (3), die über zumindest eine physikalische Verbindung (4.1, 4.2, 4.3) mit zumindest einer Kassenperipherie-Einheit (5.1, 5.2, 5.3) verbunden ist,

- eine mobile Einheit (2), umfassend eine Anzeigevorrichtung, sowie eine Eingabevorrichtung, wobei die mobile Einheit eingerichtet ist zur Ausführung einer Kassensoftware, in deren Ablauf ein Zugriff auf die Kassenperipherie-Einheit (5.1,5.2,5.3) über einen Treiber auf der mobilen Einheit für eine virtuelle Schnittstelle erfolgt,

- eine Verwaltungseinheit (6), die von der der [sic] Mehrzahl stationären Einheiten (3) unterschiedlich ist und die die Mehrzahl von stationären Einheiten (3) und deren Kassenperipherie-Einheiten verwaltet, und die Verwaltungseinheit ein Regelwerk verwaltet, wobei das Regelwerk bestimmt, ob eine Verbindung der mobilen Einheit (2) mit einer der stationären Einheiten (3) und deren Kassenperipherie-Einheit erlaubt ist;

wobei

- die mobile Einheit über eine erste physikalische Verbindung (10) mit der stationären Einheit (3) verbindbar ist,

- die mobile Einheit über eine zweite physikalische Verbindung (11), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist, mit der Verwaltungseinheit (6) verbindbar ist,

- die stationäre Einheit (3) über eine dritte physikalische Verbindung (12), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist, mit der Verwaltungseinheit (6) verbindbar ist, und

umfassend die Schritte:

- Herstellen einer Verbindung zwischen der mobilen Einheit (2) und einer der stationären Einheiten, um anzuzeigen, dass auf die Kassenperipherie-Einheit zugegriffen werden soll;

- Anfrage von der mobilen Einheit (2) und der stationären Einheit (3) an die Verwaltungseinheit (6), ob eine logische Verbindung (X) (Y) zwischen der mobilen Einheit (2) und der stationären Einheit und deren Kassenperipherie-Einheit möglich ist, wobei als logische Verbindung eine Verbindung bezeichnet wird, die physikalisch über mehrere unterschiedliche Protokolle und Netzwerktechnologien erfolgen kann, jedoch für die mobile Einheit als eine Verbindung über ein lokales Interface mit einem lokalen Interface-Protokoll erscheint;

- Prüfen durch die Verwaltungseinheit (6) mit dem Regelwerk, ob die logische Verbindung (X) (Y) möglich ist,

- falls eine logische Verbindung möglich ist, Mitteilen an die mobile Einheit und die stationäre Einheit, dass eine logische Verbindung möglich ist,

- Herstellen der logischen Verbindung (X) durch die mobile Einheit zu der stationären Einheit und der logischen Verbindung (Y) zu der Kassenperipherie-Einheit, und

wobei die Verwaltungseinheit (6) sowohl eine Anfrage über die Verbindung (11) von der mobilen Einheit (2) erhalten und parallel eine Anfrage über die Verbindung (12) von der stationären Einheit (3) erhalten muss, um einen Zugriff über die logische Verbindung (X) (Y) zu erlauben, und wobei vorzugsweise, die Anfragen innerhalb eines definierten Zeitfensters eintreffen müssen."

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass der beanspruchte Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit aufweise und es erlaube, eine existierende Kassensoftware auch bei Nutzung mobiler Geräte weiter zu verwenden.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Zulassung in das Verfahren

1.1 Der Hauptantrag wurde erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht und stellt somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar, weswegen die Zulassung dieses Antrags unter Artikel 13 (2) VOBK fällt.

1.2 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung "grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen".

1.3 Artikel 13 (2) VOBK lässt allerdings, wie in der Entscheidung T 1906/19 ausführlich dargelegt, der Kammer einen gewissen Ermessensspielraum, Änderungen des Beschwerdevorbringens auch ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände und ohne dass hierfür stichhaltigen Gründen vom Beteiligten aufgezeigt wurden, zuzulassen, insbesondere dann, wenn die Änderungen der Verfahrensökonomie nicht abträglich sind und kein weiterer Verfahrensbeteiligter betroffen ist (T 1906/19, Entscheidungsgründe, Punkte 5 und 8).

1.4 Ähnliches wurde in der Entscheidung T 2465/19 festgestellt, nämlich dass das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände keine zwingende Grundvoraussetzung für die Zulassung eines geänderten Beschwerdevorbringens gemäß Artikel 13 (2) VOBK ist (T 2465/19, Entscheidungsgründe, Punkte 3.2 und 3.3). In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass dies dann gilt, wenn das geänderte Beschwerdevorbringen in einem einseitigen Verfahren alle erhobenen Einwände behebt und nicht zu weiteren Einwänden führt. In diesem Fall ist es nämlich auch der Verfahrenökonomie nicht abträglich (T 2465/19, Entscheidungsgründe, Punkte 3.5), sodass ein geändertes Beschwerdevorbringen auch dann zugelassen werden kann, wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.

1.5 In der Entscheidung T 2465/19 wird überdies ausgeführt, dass es in einem solchen Fall (geändertes Beschwerdevorbringen trotz fehlender außergewöhnlicher Umstände, jedoch einer Aufforderung der Kammer folgend) auch keiner Erklärung seitens der Beschwerdeführerin bedarf (also keine stichhaltigen Gründe dargelegt werden müssen), warum diese Änderungen des Beschwerdevorbringens erst so spät vorgelegt wurden.

1.6 Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt der Kammer vor. Im vorliegenden Fall sind die Änderungen durch die Diskussion in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer initiiert. Die Kammer bot der Anmelderin von sich aus an, geänderte Ansprüche einzureichen, und die Anmelderin kam der Aufforderung der Kammer nach. Diese Änderungen sind geeignet, aufgeworfene Einwände zu beheben und führen nicht zu weiteren Einwänden, sodass ihre Behandlung im vorliegenden einseitigen Verfahren nicht der Verfahrensökonomie abträglich ist. Somit prüft die Kammer nicht, ob auf Grund der späten Klärung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer außergewöhnliche Umstände vorliegen, sondern lässt in Ausübung ihres Ermessens den in der mündlichen Verhandlung um 14:41 Uhr eingereichten Hauptantrag gemäß Artikel 13 (2) VOBK in das Verfahren zu.

2. Hauptantrag - offensichtlicher Fehler

Das dritte Wort des unabhängigen Anspruchs 1 in der eingereichten Fassung lautete "ine", was einen offensichtlicher Fehler darstellt und als "eine" gelesen werden muss. Mit Zustimmung der Anmelderin, welche vom Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gegeben wurde, wird dieser offensichtliche Fehler von der Kammer korrigiert.

3. Hauptantrag - die Erfindung

Die vorliegende Erfindung betrifft ein Kassensystem mit stationären Einheiten, an welche Kassenperipherie-Einheiten, wie beispielsweise ein automatischer Kassentresor, eine Kassenlade, ein Kassenbon-Drucker, ein Kartenleser, eine Waage, ein Münzein- oder -auszahler oder ähnliche Geräte, angeschlossen sind, und einer mobilen Einheit, welche beispielsweise als tragbarer PC oder Tablet-Computer ausgestaltet sein kann. Derartige Systeme sind bekannt, wie sie beispielsweise auch im Dokument D3 gezeigt sind.

Der Grundgedanke der vorliegenden Erfindung liegt darin, eine bestehende, traditionelle Kassensoftware, welche bei Kassensystemen ohne mobile Einheit üblicherweise integriert in die stationäre Einheit verwendet wird, mit möglichst wenigen Veränderungen bei Nutzung einer mobilen Einheit weiter zu verwenden. Diese Kassensoftware, welche die gleiche oder eine nur leicht adaptierte Anwendung wie bisher sein kann, wird nicht auf der stationären Einheit, wie bisher üblich, installiert, sondern auf der mobilen Einheit. Vorteilhaft ist hierbei, dass nur geringfügige Anpassungen der Kassensoftware nötig sind, keine neue Software entwickelt werden muss und der Nutzer sich nicht an eine neue Software-Umgebung gewöhnen muss.

Hierbei müssen aber besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden um sicherzustellen, dass nur autorisierte Zugriffe zwischen der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Einheiten realisiert werden.

Der Wortlaut der vorliegenden unabhängigen Ansprüche ist nach Ansicht der Kammer so auszulegen, dass die komplette Kassensoftware auf der mobilen Einheit installiert und gespeichert ist, und bei Ausführung auch die von der Software ausgeführten Prozesse auf der mobilen Einheit ablaufen. Dies geht aus dem geänderten Wortlaut der nun vorliegenden unabhängigen Ansprüche insbesondere dadurch hervor, dass über einen Treiber eine virtuelle Schnittstelle an der mobilen Einheit vorliegt, welche es erlaubt, eine direkte logische Verbindung zu den Kassenperipherie-Geräten herzustellen. Der unmittelbare logische Zugriff von der mobilen Einheit auf die Peripherie-Geräte kann nur dann in sinnvoller Weise erfolgen, wenn die komplette Kassensoftware auf der mobilen Einheit installiert ist und die ablaufenden Prozesse auch dort ausgeführt werden. Die Kassensoftware muss folglich auf der mobilen Einheit ohne prozessuale Interaktion mit der stationären Einheit ablaufen. Die stationäre Einheit stellt lediglich eine Art Knotenpunkt bzw. Docking-Station zwischen den Kassenperipherie-Einheiten und der mobilen Einheit dar. Die Verwaltungseinheit regelt lediglich die Autorisierung der möglichen Verbindungen zwischen der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Geräten.

4. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

4.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Dokument D3 stellt einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit dar. Es handelt ebenfalls von einem Kassensystem mit mobilen und stationären Einheiten, wobei die stationären Einheiten sowohl mit den mobilen Einheiten als auch den Kassenperipherie-Einheiten verbunden sind. Ebenfalls hat mindestens eine der stationären Einheiten Aufgaben der Verwaltungseinheit integriert, da diese stationäre Einheit die Verknüpfung zwischen den mobilen Einheiten und den Kassenperipherie-Einheiten kontrolliert.

Das Dokument D3 offenbart (die Verweise in Klammern in diesem Absatz beziehen sich auf das Dokument D3; durchgestrichene Merkmale sind nicht in Dokument D3 offenbart) ein Kassensystem (Figuren 1 und 2; Titel) umfassend

eine Mehrzahl von stationären Einheiten (23-25; Absatz [0072]), die jeweils über zumindest eine physikalische Verbindung (Figur 2) mit jeweils zumindest einer Kassenperipherie-Einheit (10, 15, 16, 17) verbunden ist, eine mobile Einheit (4), umfassend eine Anzeigevorrichtung ([0022]), sowie eine Eingabevorrichtung ([0022]), wobei die mobile Einheit (4) eingerichtet ist zur Ausführung einer Kassensoftware ([0022]; die Kassensoftware wird durch Eingabe an der mobilen Einheit gestartet und kontrolliert; Absätze [0022], [0030]), [deleted: in deren Ablauf ein Zugriff auf die Kassenperipherie-Einheit über einen Treiber auf der mobilen Einheit für eine virtuelle Schnittstelle erfolgt], eine Verwaltungseinheit (21), [deleted: die von der Mehrzahl von stationären Einheiten unterschiedlich ist, und] die die Mehrzahl von stationären Einheiten (wie im Dokument D3 die Verwaltung bei Verwendung mehrerer stationärer Einheiten verwaltet wird, ist nicht näher erläutert) und deren Kassenperipherie-Einheiten verwaltet, wobei die mobile Einheit (4) über eine erste physikalische Verbindung (Figuren 1 und 2; [0025]), mit einer der stationären Einheiten (Figuren 1 und 2) verbindbar ist, die mobile Einheit über eine zweite physikalische Verbindung (Figur 2), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist, mit der Verwaltungseinheit (21) verbindbar ist,

die stationäre Einheit (23-25) über eine dritte physikalische Verbindung (Figuren 1 und 2), die als Netzwerkverbindung ausgebildet ist (Figuren 1 und 2; [0025]), mit der Verwaltungseinheit (21) verbindbar ist, und die Verwaltungseinheit (21) eingerichtet ist, um aufgrund eines Regelwerks (in der "pairing application execution unit", [0038]), die Verbindungen zwischen der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Einheiten kontrolliert.

4.2 Unterschiedsmerkmale

4.2.1 Somit unterscheidet sich das in Anspruch 1 definierte Kassensystem von dem aus Dokument D3 bekannten Kassensystem durch folgende drei Unterschiedsmerkmale:

- Es wird ein spezieller Aufbau mehrerer stationärer Einheiten zusammen mit einer Verwaltungseinheit verwendet, wobei die Verwaltungseinheit von den stationären Einheiten unterschiedlich ist.

- Die logischen Verbindungen zwischen der mobilen und der stationären Einheit bzw. zwischen der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Einheiten werden von der Verwaltungseinheit aus mit Hilfe eines speziellen Regelwerks kontrolliert.

- Auf der mobilen Einheit ist ein Treiber für eine virtuelle Schnittstelle zwischen der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Einheiten vorgesehen, welche einen unmittelbaren logischen Zugriff der mobilen Einheit auf eine der Kassenperipherie-Einheiten erlaubt. Hieraus ergibt sich implizit, dass die Kassensoftware nicht nur von der mobilen Einheit aus gesteuert und initiiert werden kann, sondern dass diese dort auch komplett installiert sein muss, sodass deren Prozesse auf der mobilen Einheit ablaufen.

4.2.2 Im Folgenden wird nur auf das zweite und dritte Unterschiedsmerkmal eingegangen, wobei sich zeigen wird, dass diese einen erfinderischen Beitrag leisten. Somit kann die Frage, ob das erste Unterschiedsmerkmal auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, unbeantwortet bleiben.

4.3 Technische Aufgabe / technischer Effekt

Die objektive technische Aufgabe des zweiten und dritten Unterschiedsmerkmals liegt darin, eine existierende Kassensoftware, welche bisher bei Systemen ohne mobile Einheiten verwendet wurde, auch bei Nutzung mobiler Geräte weiter zu verwenden. Der sich hieraus ergebende technische Effekt ist die einfache Weiterverwendung bisher existierender Kassensoftware-Systeme, welche für den Benutzer wie bisher bedienbar bleibt.

4.4 Naheliegen

4.4.1 Die Verlagerung der kompletten Kassensoftware auf die mobile Einheit wird nirgends im Dokument D3 nahegelegt und erscheint auch ausgehend von diesem Dokument, wo diese größtenteils auf der stationären Einheit installiert ist und wo deren Prozesse auf der stationären Einheit ablaufen, nicht naheliegend. Obwohl die Kassensoftware im Dokument D3 durch Eingabe auf der mobilen Einheit von einem Benutzer von dort aus initiiert und somit von dort aus "ausgeführt" werden kann, laufen die Software-Prozesse im System des Dokuments D3 auf der stationären Einheit ab. Es ist kein Hinweis gegeben, die gesamte Kassensoftware auf die mobilen Einheiten zu verlagern und dort zu installieren. Da der gesamte Kassenablauf dadurch vulnerabler würde, als wenn die Kassensoftware auf der stationären Einheit bliebe, würde der Fachmann eine solche Verlagerung auch nicht in Erwägung ziehen.

Die Verlagerung der kompletten Kassensoftware auf die mobile Einheit erlaubt es nun aber, die bisherige Software so gut wie unverändert weiter zu verwenden. Hierzu müssen allerdings direkte logische Verbindungen zwischen der Kassensoftware auf der mobilen Einheit und den Kassenperipherie-Einheiten hergestellt werden. Dies erfolgt gemäß der Definition im Anspruch 1 über die Schnittstelle, welche der Treiber zur Verfügung stellt.

Hierdurch kann die existierende Kassensoftware mit nur wenigen und geringfügigen Anpassungen und einer für den Benutzer gewohnten Software-Umgebung weiterverwendet und betrieben werden.

Außerdem müssen neue Sicherheitsmechanismen eingeführt werden um einen unerlaubten Zugriff der mobilen Einheit auf die Kassenperipherie-Einheiten zu verhindern. Dies erfolgt erfindungsgemäß mittels des speziellen beanspruchten Regelwerks, welches insbesondere vorsieht, dass sowohl die mobile Einheit als auch die stationäre Einheit eine entsprechende Anfrage an die Verwaltungseinheit senden muss, um eine logische Verbindung der mobilen Einheit mit der stationären Einheit und deren Kassenperipherie-Einheit herzustellen.

4.4.2 Die von der Prüfungsabteilung richtigerweise verwendete breite Auslegung des Gegenstands des damaligen Anspruchs 1, welche lediglich erforderte, dass die Kassensoftware von der mobilen Einheit aus initiiert ("ausgeführt") werden kann, ist auf Grund der Änderungen des Anspruchs 1 nicht mehr möglich. Das Vorliegen der gesamten Kassensoftware auf der mobilen Einheit, insbesondere deren Installation auf der mobilen Einheit und der Ablauf der wesentlichen Prozesse der Software auf der mobilen Einheit, ist nun erst durch die Änderungen zumindest implizit im Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags definiert. Ebenfalls geht aus dem Anspruch 1 nun klar und eindeutig hervor, was unter einer "logischen Verbindung" zu verstehen ist, insbesondere auch gegenüber eine physikalischen Verbindung oder einer bloßen logischen Zuordnung. Somit ist auch diesbezüglich die zuvor von der Prüfungsabteilung richtigerweise zu Grunde gelegte breite Auslegung nicht mehr zutreffend.

4.4.3 Folglich basiert der in Anspruch 1 definierte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

4.5 Verfahrensanspruch und abhängige Ansprüche

Der unabhängige Verfahrensanspruch 10 wurde an den unabhängigen Vorrichtungsanspruch 1 angepasst, sodass alle für den im Anspruch 1 definierten Gegenstand genannten Argumente mutatis mutandis auch für den in Anspruch 10 definierten Gegenstand zutreffen.

Die Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 15 sind direkt oder indirekt von Anspruch 1 oder Anspruch 10 abhängig und erfüllen somit ebenfalls die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ in Bezug auf erfinderische Tätigkeit.

5. Fazit

Da die Anmeldeunterlagen gemäß dem einzigen im Verfahren verbliebenen Antrag, dem Hauptantrag, und die Erfindung, die sie zum Gegenstand haben, den Erfordernissen des EPÜ genügen, ist ein Patent auf Grundlage dieser Unterlagen zu erteilen (Artikel 97 (1), 111 (1) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 15 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 14:41 Uhr,

Beschreibung: Seiten 1 bis 18 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 14:41 Uhr,

Zeichnungen: Figuren 1 bis 6 wie ursprünglich eingereicht.

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