T 1516/20 () of 16.5.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T151620.20220516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2022
Aktenzeichen: T 1516/20
Anmeldenummer: 10785077.8
IPC-Klasse: B60H 3/06
B60H 1/00
B01D 46/00
B01D 46/10
B01D 46/52
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FILTERELEMENT UND VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINES FILTERELEMENTS
Name des Anmelders: MANN+HUMMEL GmbH
Name des Einsprechenden: 1. Carl Freudenberg KG
2. Donaldson Company, Inc.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(4)
European Patent Convention R 111(2)
European Patent Convention R 103(1)(a)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsantrag 4 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 6 (ja)
Patentansprüche - mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund
vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens - Beschwerdevorbringen ist auf Anträge gerichtet die Entscheidung zugrunde liegen
vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens - Hilfsanträge 1, 2, 3, 5
vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens - (nein)
Änderung des Vorbringens - Eignung der Änderung zur Behandlung der Fragestellungen
Änderung des Vorbringens - Hilfsantrag 6
Änderung des Vorbringens - (ja)
Angefochtene Entscheidung - ausreichend begründet (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 1024/18
T 1989/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2685/19
T 0438/22
T 0673/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das europäische Patent Nr. EP 2507083 in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 3A, aufrechtzuerhalten.

II. In der angefochtenen Entscheidung wird unter anderem von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:

D2: EP 1 208 902 A1

D3: DE 2099 04 204 U1

A4: US 2008/00168320 A1

III. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung u.a. zu der Auffassung gelangt, dass weder das Patent wie erteilt (Hauptantrag) noch die von der Patentinhaberin vorgezogenen Hilfsanträge 4 und 6 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllen.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergebe sich auf naheliegende Weise aus der Kombination von D2 (Figur 8) mit D3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 und des Hilfsantrags 6 sei durch die Kombination der Dokumente D2 (Figur 8) und A4 nahegelegt.

Hilfsantrag 3A folgte auf Hilfsantrag 6.

IV. Am 5. und 16. Mai 2022 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.

Nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2022 wurde dem kurz nach Verhandlungsbeginn schriftlich vorgebrachten Antrag der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) auf Verlegung wegen kurzfristiger Erkrankung stattgegeben.

In Einvernehmen aller Parteien wurde die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 16. Mai 2022 fortgesetzt. Die Fortsetzung der Verhandlung wurde ebenfalls als Videokonferenz durchgeführt.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, und der Beschreibung der Patentschrift wie erteilt, oder hilfsweise der per E-Mail am 16. Mai 2022 eingereichten geänderten Beschreibung aufrechtzuerhalten. Des Weiteren beantragte sie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechenden 1 und 2) beantragten die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Der Hauptantrag (erteilte Fassung) umfasst einen unabhängigen Produktanspruch 1 und einen Verfahrensanspruch 8 (Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin übernommen).

Anspruch 1

M1: Filterelement, insbesondere ein Innenraumfilter für ein Kraftfahrzeug, mit

M1.l einem Faltenpack (2) und

Ml.2 einem zumindest teilweise an das Faltenpack (1) gespritzten Kunststoffrahmen (4),

gekennzeichnet durch

Ml.3 eine zumindest teilweise an dem Kunststoffrahmen (4) angeschäumte Kunststoffschaumdichtung (7).

Anspruch 8

M8.1 Verfahren zum Herstellen eines Filterelements (1), wobei

M8.2 ein Kunststoffrahmen (4) zumindest teilweise um ein Faltenpack (1) in einem ersten Spritzgussvorgang erzeugt wird, und

M8.3 anschließend an den Kunststoffrahmen (4) zumindest teilweise eine Kunststoffschaumdichtung in einem zweiten Spritzgussvorgang erzeugt wird.

Hilfsantrag 4 basiert auf dem Hauptantrag, wobei den beiden unabhängigen Ansprüchen des Hauptantrags die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 6 wie folgt hinzugefügt wurden:

"wobei in dem Kunststoffrahmen (4) mindestens eine Öffnung (9) vorgesehen wird, durch die die Kunststoffschaumdichtung (7) verläuft."

Hilfsantrag 6 basiert auf dem Hauptantrag, wobei dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal M1.4 aus dem ursprünglichen Anspruch 4 und dem erteilen Anspruch 8 das Merkmal 8.4 aus dem ursprünglichen Anspruch 12 wie folgt hinzugefügt wurden:

M1.4: wobei ein erstes und ein zweites Faltenpack (2A, 2B) durch mindestens eine Rahmenstrebe (8) getrennt sind und deren Faltenprofile durch die Rahmenstrebe (8) gestützt sind.

M8.4: wobei mehrere Faltenpacks (2A, 2B) derart mit einem Kunststoffrahmen (4) umspritzt werden, dass mindestens eine Rahmenstrebe (8) Faltenprofile unterschiedlicher Faltenpacks (2A, 2B) stützt.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

D2 könne als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Allerdings dürfe nicht, wie von der Einspruchsabteilung angenommen, von der Ausführung nach Figur 8, sondern müsse von einer der Ausführungen der Figuren 2 bis 6 ausgegangen werden.

Anspruch 1 unterscheide sich von der D2 durch das Merkmal M1.3, wodurch u.a. eine verbesserte Haftung, eine flexible Formgebung und ein guter Toleranzausgleich gewährleistet sei. Lediglich die Ausführungsformen der Figuren 2 bis 6 der D2 stellten auf einen ähnlichen Zweck ab, nämlich eine zuverlässige Halterung zwischen Dichtung und Rahmen zu schaffen (Absatz [0020]), und seien daher als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

Diese Ausführungen würden jedoch ein Anschäumen der Dichtung an den Rahmen ausschließen, da sie von einer zuvor geformten und eingelegten Dichtung ausgingen.

Auch ausgehend von D2, Figur 8, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 aus folgenden Gründen nicht naheliegend:

- Die objektive technische Aufgabe sei nicht, wie von der Einspruchsabteilung angenommen, lediglich in einem alternativen Dichtmaterial zu sehen, sondern darin, eine besonders fest an dem Rahmen gefügte Dichtung bereitzustellen, welche gut an eine Dichtfläche anpressbar ist.

- Als Dichtmaterial PUR-Schaum zu verwenden sei der Lehre der D2 entgegengesetzt, da gemäß den Absätzen [0002] und [0003] der Nachteil der Alterung von PUR-Schaumdichtungen gerade vermieden werden solle.

Entgegen der Argumentation der Einspruchsabteilung (Entscheidung, Absatz 33) würde der Fachmann daher nur alterungsbeständigere, gebräuchliche Dichtmaterialien wählen, z.B. Gummimischungen oder Moosgummi wie es Absatz [0008] der D2 offenbare.

- D3 sei technisch nicht mit D2 kombinierbar. Die Funktion und die Geometrie des Rahmens 15 in D2 und die der Endscheiben 17, 18 in D3 seien technisch nicht miteinander vereinbar. Weiterhin offenbare D2, Figur 8, eine axiale Dichtung und D3 eine radiale Dichtung.

- Weder D2 noch D3 beschreibe das Zwei-Komponenten Spritzgießverfahren genauer. Aus der D2, Figur 8, entnehme der Fachmann, dass das Dichtungsmaterial über den Kanal 43a und das Rahmenmaterial über den Kanal 43b gleichzeitig in die Form gegossen würden. Oder es werde erst die Dichtung, dann der Rahmen gefertigt. Beides widerspreche Merkmal M1.3.

Zulassung der Hilfsanträge 1-3, 5, 6

Die Hilfsanträge 1 bis 5 entsprächen den im Einspruchsverfahren bereits eingereichten Hilfsanträgen 1-5. Hilfsantrag 6 basiere auf dem im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag 6, wobei Anspruch 1 auf eine der beiden Varianten eingeschränkt wurde. Somit seien alle Hilfsanträge bereits erstinstanzlichen vorgelegen.

Entgegen der Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sei die Rangfolge der Hilfsanträge nicht geändert worden. Die angebliche Definition der neuen Reihenfolge wie auf Seite 4 (unten) angegeben, sei nie erfolgt. Dies sei in der Niederschrift falsch dargestellt und auch so in Form eines Korrekturantrags an die Einspruchsabteilung kommuniziert worden.

Der gegen Hilfsantrag 6 vorgebrachte Einwand der angeblichen Divergenz zu den vorrangigen Hilfsanträgen sei nicht relevant. Das Konvergenzkriterium betreffe nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur Anträge, die eine Änderung oder neues Vorbringen im Beschwerdeverfahren bilden. Dies treffe auf Hilfsantrag 6 nicht zu.

Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit

Anspruch 1 definiere Öffnungen im Rahmen, durch die die Kunststoffschaumdichtung verlaufe. Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerinnen handele es sich hierbei nicht nur um ein allgemein bekannten Konzept. Für ein solches liege keinerlei Nachweis vor.

D2, Figur 8, sei von der Einspruchsabteilung weiterhin als nächstliegender Stand der Technik angesehen worden. Die beiden Unterscheidungsmerkmale "angeschäumte Kunststoffschaumdichtung" und "Öffnung im Kunststoffrahmen" seien entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung (Absatz 49 der Entscheidung) nicht auf zwei Teilaufgaben gerichtet, sondern lösten die gleiche Aufgabe, nämlich die Stabilität der Verbindung zwischen Dichtung und Rahmen zu erhöhen.

Zwar seien Öffnungen - wie von der Einspruchsabteilung festgestellt - in A4, Figur 9A, offenbart, jedoch liege die Kombination dieser Öffnungen mit der Ausführung der D2, Figur 8, nicht nahe. Vielmehr beruhe die Argumentation der Einspruchsabteilung auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Die A4 könne gar nicht mit D2, Figur 8, kombiniert werden. Der aus A4 bekannt gewordene Filter weise eine völlig andere Geometrie, ein gewickeltes Filtermedium und keinen angespritzten Kunststoffrahmen auf. Die A4 beziehe sich nicht auf ein Zwei-Komponentenverfahren, sondern die Dichtung 28 werde an ein vorgefertigtes Gehäuse 60 angegossen (Figuren 8, 9, 9a mit Absatz [0121]). Die Öffnungen in dem angespritzten Rahmen der D2 vorzusehen, sei daher nicht naheliegend.

Hilfsantrag 6 - Klarheit

Der Änderungen im Anspruchsatz basierten auf den erteilten Ansprüchen 1, 4, 8 und 12 und seien daher gemäß G3/14 als klar anzusehen.

Hilfsantrag 6 - erfinderische Tätigkeit

Die Einspruchabteilung habe bzgl. Anspruch 1 keinen nachvollziehbaren Aufgabe-Lösungs-Ansatz angewendet. Weder eine technische Aufgabe, noch die Gründe, die den Fachmann zur Kombination von D2 mit A4 veranlassen, seien angegeben.

Die Aufgabe sei darin zu sehen, ein Filterelement mit einer erhöhten Versteifung vorzusehen.

Anspruch 1 beschränke sich im Gegensatz zu Anspruch 1 des im Einspruchverfahren vorgelegen Hilfsantrags 6 darauf, dass die Rahmenstrebe die Faltenprofile stütze.

Die Trennwand 188 der A4 (Figuren 11 und 12) habe keine stützende Funktion, sondern erhöhe die Handhabbarkeit des Filterelements über den Griff 190. Auch sei die Trennwand 188 parallel zu den Faltenprofilen angeordnet und könne sie daher gar nicht stützen. Zuletzt weise die Ausführung nach Figur 11 keine Kunststoffschaumdichtung auf. Diese Dichtung sei nur in Verbindung mit den in den Figuren 9, 9A gezeigten Löchern 66 offenbart.

Anpassung der Beschreibung

Gemäß der T1989/18 gebe es keine Veranlassung von der erteilten Fassung der Beschreibung abzuweichen.

Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr

In der Entscheidung der Einspruchsabteilung fehle eine Begründung für die Nicht-Gewährbarkeit einer ersten eingereichten Beschreibungsanpassung (Seite 9 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Die auf Einreichung der ersten Fassung folgenden Debatte habe zu der Entscheidung geführt, diese Fassung abzulehnen. Diese Debatte sei maßgebend für die Einreichung der weiteren Fassung der Beschreibungsseiten gewesen. Die fehlende Begründung sei ein wesentlicher Verfahrensmangel, sodass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt sei.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 1 und 2) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

D2 lehre, die aus dem Stand der Technik bekannte Dichtung aus PUR-Schaum durch einen angespritzten Rahmen und einer im Zwei-Komponentenverfahren an den Rahmen angespritzte Dichtung (D2, Anspruch 3) zu ersetzen. Zur Dichtung offenbare D2, Absatz [0008], dass alle gebräuchlichen Dichtungswerkstoffe in Betracht kämen. Darunter falle auch das in D3 offenbarte aufgeschäumte Polyurethan. Wie in der D2 werde auch in der D3 die Dichtung im Zweikomponenteverfahren mit einer rahmenartigen Stirnscheibe hergestellt.

Der Fachmann würde daher D2 mit D3 kombinieren und aufgeschäumtes Polyurethan als ein alternatives, fachübliches Dichtungsmaterial für die Dichtung 42 der D2 verwenden. Das In-Kauf-Nehmen eines eventuellen Nachteils (Alterung) könne keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Es gehöre zum Fachwissen, dass beim Zwei-Komponentenverfahren zuerst ein erstes Material in eine erste Form und dann ein zweites Material in eine zweite Form eingespritzt werde. Dies werde so auch in D2 beschrieben. Ein gleichzeitiges Einbringen wie von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vorgetragen, sei abwegig und an keiner Stelle der D2 offenbart.

Zulassung der Hilfsanträge 1-3, 5, 6

Vor der Einspruchsabteilung habe die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) eine Entscheidung zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 und 5 umgangen und diese dadurch implizit zurückgestellt. Die Beschwerdeführerin hätte vorrangige Hilfsanträge als solche deklarieren und eine Entscheidung darüber erzwingen müssen.

Das Ändern der Reihenfolge der Hilfsanträge in den ursprünglichen Zustand stelle eine Änderung des Falls dar, die entgegen Artikel 12(4) VOBK 2020 von der Beschwerdeführerin weder klar gekennzeichnet noch begründet worden sei. Diese Hilfsanträge seien daher nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Hilfsantrag 6 sei aufgrund der im Vergleich zu Hilfsantrag 1 bis 5 divergierenden Anspruchsfassung nicht zuzulassen.

Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit

Der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Absätze 49 bis 54, sei zuzustimmen.

Insbesondere lege ausgehend von D2, Figur 8, die A4 (Figuren 9, 9A) nahe, zur mechanischen Befestigung der Dichtung (28) aus Polyurethanschaum an einem Flansch (65a) Öffnungen (66) vorzusehen, durch die die Dichtung bei der Herstellung hindurch trete (Absätze [0112] und [0121]). Der Fachmann würde dieses allgemein bekannte und fachübliche Konzept in D2, Figur 8, integrieren. Der Kunststoffrahmen müsse in jedem Fall ausgehärtet sein, bevor die Dichtung durch die Öffnungen verlaufen könne. Daher sei es unerheblich, ob in A4 der Rahmen vorgeformt oder angespritzt sei.

Hilfsantrag 6 - Klarheit

Der Anspruchssatz des Hilfsantrags 6 sei nicht knapp gefasst und erfülle daher nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ. Der Gegenstand des Anspruchs 4 schränke den des Anspruchs 1 nicht ein, sondern sei identisch zu diesem.

Hilfsantrag 6 - erfinderische Tätigkeit

Der Entscheidung der Einspruchsabteilung (Absätze 62 bis 68), dass A4 eine Rahmenstrebe gemäß Anspruch 1 nahelege, sei zuzustimmen.

Aus dem Fachwissen sei bekannt, dass der Rahmen im Wesentlichen für die Steifigkeit des Filterelements verantwortlich sei. Auch wenn sich A4 nicht explizit mit der Steifigkeit von Filterelementen auseinandersetze, erkenne ein Fachmann aus der A4 sofort die stabilisierende Funktion der Rahmenstrebe 188 (Figur 11), die er dann zur Lösung der von der Beschwerdeführerin formulierten Aufgabe (Versteifung des Filterelements) in der D2 einsetzen würde.

Des Weiteren offenbare A4 in Absatz [0112] Polyurethanschaum als Material für die Dichtung 28 und somit Merkmal 1.3.

Anpassung der Beschreibung

Die erteilte Fassung der Beschreibung enthalte Widersprüche zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6. Daher müsse die Beschreibung angepasst werden.

Der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung könne abgesehen von einer formalen Änderung in Absatz [0016] ("nach Anspruch 8" statt "nach Anspruch 7") zugestimmt werden.

Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr

Die zweite Fassung der Beschreibungsanpassung habe die erste Fassung ersetzt. Die Beschwerdeführerin hätte anderenfalls explizit beantragen müssen, die erste Fassung aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit: D2 mit D3

1.1 Die Kammer bestätigt die angefochtene Entscheidung, Punkt II.3, dass Anspruch 1 wie erteilt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

1.2 Die Ausführungsform der D2, Figur 8, wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Das offenbarte Filterelement umfasst einen Filterpack 14, einen daran angespritzten Kunststoffrahmen 15 und eine Dichtung 42, z.B. aus Silikongummi. Gemäß Absatz [0026] der D2 werden Rahmen und Dichtung in einem Zwei-Komponentenverfahren hergestellt.

1.3 Unbestritten unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine zumindest teilweise an den Kunststoffrahmen angeschäumte Kunststoffschaumdichtung (Merkmal M1.3).

1.4 Entsprechend der angefochtenen Entscheidung, Absatz 33, kann die diesem Unterschied zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, ein alternatives Dichtungsmaterial zu den in D2, Absatz [0008], genannten Gummimischungen zu verwenden.

Alternativ kann auch die von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) formulierte Aufgabe, eine besonders fest an dem Rahmen gefügte und gut an eine Dichtfläche anpressbare Dichtung bereitzustellen, zugrunde gelegt werden.

1.4.1 Unabhängig von der objektiven technische Aufgabe wird Merkmal M1.3 ausgehend von D2 (Figur 8) in Kombination mit D3 nahegelegt.

1.4.2 Wie von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) vorgetragen, offenbart D2, Absatz [0008], dass "alle gebräuchlichen Dichtungswerkstoffe in Betracht" kommen. Auf der Suche nach einem alternativen Dichtungsmaterial bzw. einer besonders geeigneten Dichtung für das Filterelement würde der Fachmann die D3 berücksichtigen, da sie dem selben technischen Gebiet zugehört und ähnliche Komponenten wie die D2 offenbart.

1.4.3 D3 zeigt in Figur 1 einen Filter mit einem Filterpack 16 und einer daran angeordneten Stirnscheibe 18, die ein Dichtungselement 19 trägt (Seite 4, Zeilen 1 bis 11 der Beschreibung zu Figur 1). Gemäß Seite 3, Absatz 3, kann das Dichtungselement aus einem aufgeschäumten Polyurethan im Zweikomponenten-Spritzgießverfahren mit der Stirnscheibe gebildet werden.

Das Argument der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass D3 aufgrund geometrischer und konstruktiver Unterschiede nicht zu D2 kompatibel sei, ist nicht überzeugend. Zum einen hat die Stirnscheibe in D3 eine ähnliche Funktion wie der Rahmen in D2, zum anderen betrifft das Unterschiedsmerkmal M1.3 lediglich die Dichtung am Rahmen, die unabhängig von dem eigentlichen Filter und dessen Geometrie ist.

1.4.4 Der Fachmann entnimmt der D3, dass sich aufgeschäumtes Polyurethan für das Zwei-Komponentenverfahren eignet und bei einem ähnlichen Filterelement für eine an einen Kunststoffrahmenelement angeschäumte Kunststoffschaumdichtung bereits verwendet wurde. Zur Lösung der von der Einspruchsabteilung formulierten Aufgabe liegt es daher nahe, als alternatives gebräuchliches Dichtungsmaterial eine Kunststoffschaumdichtung z.B. aus Polyurethan auszuwählen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) würde der Fachmann den PUR-Schaum als Dichtungsmaterial nicht ausschließen. Zwar wird in D2 die Alterung dieses Werkstoffes als nachteilig genannt, D2 offenbart jedoch auch zahlreiche Vorteile von PUR-Schaumdichtungen, u.a. auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vorteile des Merkmals M1.3. So nennt Absatz [0002] die gute Elastizität und damit eine gute Anpressbarkeit, und Absatz [0010] einen guten Toleranzausgleich, gute Haftung und flexible Formgebung ("Die Herstellung von Filterelementen mit einem Rahmen aus PUR-Schaum gemäß dem Stand der Technik ist besonders einfach, da sich dieses Material während der Herstellung des Rahmens ausdehnt und so in die Filterfalten eindringt, um sich mit diesen zu verbinden.").

1.4.5 Auch zur Lösung der von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) formulierten Aufgabe, eine fest gefügte und gut anpressbare Dichtung zu finden, liegt es nahe, als Dichtungsmaterial das in D3 offenbarte aufgeschäumte Polyurethan zu verwenden.

Wie im vorangegangenen Punkt erläutert schließt der Fachmann eine PUR-Schaumdichtung nicht aus und sind ihm die Vorteile einer solchen Dichtung aus D2 selbst bekannt. Somit weiß der Fachmann, dass eine angeschäumte Kunststoffschaumdichtung die gestellte Aufgabe lösen kann. Der Fachmann würde PUR-Schaum auch als Dichtungsmaterial für die Dichtung 42 der D2, Figur 8 verwenden, da die D3 diesem Material eine hohe Dichtungsqualität zuspricht (Seite 2, zweiter Absatz) und in der D3 eindeutig der Hinweis zur Verwendung im Zwei-Komponentenverfahren enthalten ist.

1.4.6 Bei der Verwendung des in D2 genannten Zwei-Komponentenverfahrens ergibt sich zwangsweise ein Anschäumen der Dichtung an den Rahmen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) zur Abfolge des Zwei-Komponentenverfahrens in D2 ist nicht überzeugend. Anspruch 3 der D2 besagt, "dass die Dichtung im Zwei-Komponentenverfahren an den Rahmen angespritzt ist." Folglich kann weder zuerst die Dichtung hergestellt werden noch können Dichtung und Rahmen gleichzeitig hergestellt werden. Der Fachmann versteht die in D2, Figur 8, gezeigte Ausführungsform derart, dass bei deren Herstellung im Zwei-Komponentenverfahren erst der Rahmen an das Filterpack angespritzt und dann die Dichtung an den Rahmen angeschäumt wird.

1.5 Die Ausführungsformen der D2, Figuren 2 bis 5, sind entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) kein besserer Ausgangspunkt als die der Figur 8. Bei der Ausführung nach einer der Figuren 2 bis 5 werden gemäß Absatz [0014] die bereits vorgefertigten Dichtungen mit dem Filterkörper in die Gussform für den Rahmen eingelegt und fixiert. Erst anschließend wird der Rahmen gegossen. Daher ist die Ausführung der Figur 8 insbesondere hinsichtlich ihrer Herstellung näher an dem Filterelement des Streitpatents als die der Figuren 2 bis 5.

1.6 Somit kann das Streitpatent nicht in der erteilten Fassung aufrechterhalten werden.

2. Hilfsanträge 1 bis 6

2.1 Die Kammer entschied, die Hilfsanträge 4 und 6 zu berücksichtigen. Die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 wurden unter Artikel 12(4) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.

2.2 Gemäß Artikel 12(2) VOBK 2020 ist es das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. In der angefochtenen Entscheidung wurde über den Hauptantrag, dann über Hilfsantrag 4 und anschließend über Hilfsantrag 6 entschieden.

2.3 Die Zulassung des Hilfsantrags 4 ins Beschwerdeverfahren wurde nicht beanstandet.

2.4 Hilfsantrags 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, entspricht nicht dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 6. Bei der Zulassung des neuen Hilfsantrags 6 ins Beschwerdeverfahren übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2020 aus. Die vorgenommenen Änderungen in Anspruch 1 werden als direkte Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchabteilung angesehen. Sie richten sich auf die Fragestellung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Entscheidung, Absätze 62 bis 68) und schränken den beanspruchten Gegenstand weiter ein. Diese Einschränkung erfolgt lediglich durch Streichen einer Variante, wodurch sich keine komplexen Änderungen ergeben.

Das von der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) vorgebrachte Konvergenzkriterium ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung und ändert nichts an der Ermessensentscheidung der Kammer.

2.5 Die Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, entsprechen den erstinstanzlich vorgebrachten Hilfsanträgen 1 bis 5.

2.6 Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte, dass entgegen der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung keine Änderung der Rangfolge der Hilfsanträge erfolgt sei. Die Einspruchsabteilung habe Bedenken zur Gewährbarkeit der Hilfsanträge 1 bis 3 geäußert, woraufhin zu Hilfsantrag 4 übergegangen worden sei. Dasselbe gelte für Hilfsantrag 5, woraufhin Hilfsantrag 6 diskutiert worden sei.

2.7 Die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 wurden jedoch nicht abschließend verhandelt und es wurde keine Entscheidung hinsichtlich dieser Hilfsanträge getroffen. Hilfsantrag 3 wurde im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sogar zurückgenommen und von einem anderen Hilfsantrag 3 ersetzt (vgl. Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, Seite 6, drittletzter Absatz und Seite 8, oben). Die Äußerungen der Einspruchsabteilung zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 und 5 spiegelten lediglich eine vorläufige Meinung wider und sind nicht rechtserheblich.

2.8 Das Vorziehen der Hilfsanträge 4 und 6 ist mit einer Änderung der Rangfolge der Hilfsanträge gleichzusetzen. Das Beschwerdeverfahren ist nicht als zweite Chance gedacht, einen Fall vorzutragen, der vor der erstinstanzlichen Stelle bewusst nicht zur Entscheidung gestellt wurde. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat im Einspruchsverfahren durch die Änderung der Rangfolge jedoch eine Entscheidung zu den Hilfsanträgen 1, 2, 3 und 5, die nun von der Kammer hätte überprüft werden können, bewusst vermieden.

2.9 Die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 nun wieder in ihrer ursprünglichen Reihenfolge vorzubringen, einschließlich dem Wieder-Einreichen des eigentlich zurückgenommenen Hilfsantrags 3, stellt eine Änderung gemäß Artikel 12(4) VOBK 2020 dar. Diese Änderung dient weder dem Gebot der Verfahrenökonomie, noch ist sie geeignet, die Fragestellungen, die zur angefochtenen Entscheidung, führten, zu behandeln.

Daher wurden die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.

3. Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit: D2 mit A4

3.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung (insbesondere Absätze 52 bis 54), dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch ist.

3.2 Die Ausführungsform der D2, Figur 8, wird weiterhin als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von der D2, Figur 8, durch das Merkmal 1.3 und die dem Anspruch hinzugefügten Merkmale des erteilten Anspruchs 6, wonach in dem Kunststoffrahmen mindestens eine Öffnung vorgesehen wird, durch die die Kunststoffschaumdichtung verläuft.

3.3 Während die Einspruchsabteilung von zwei unabhängigen Teilaufgaben ausging (Entscheidung Absatz 49), argumentiert die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), dass beiden Unterschiedsmerkmalen die gleiche technische Aufgabe zugrunde liege. Selbst wenn man dem Ansatz der Beschwerdeführerin folgt, erfüllt der Gegenstand des Anspruch 1 jedoch nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ hinsichtlich der Kombination von D2 mit A4.

3.4 Die von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) formulierte Aufgabe lautet, die Stabilität der Verbindung zwischen Dichtung und Rahmen zu erhöhen.

3.5 Aus der D2, Figur 8, ist bereits bekannt, im Rahmen zumindest Einkerbungen oder Vertiefungen vorzusehen, um eine formschlüssige Verbindung zwischen der Dichtung und dem Rahmen zu erreichen. Gemäß der D2, Absatz [0008], kommen alle gebräuchlichen Dichtungsmaterialien in Betracht.

Auf der Suche nach einer Lösung der gestellten Aufgabe würde der Fachmann die A4 berücksichtigen, da sich diese ebenfalls auf ein Filterelement bezieht, das eine Dichtung an einem rahmenartigen Element ("seal support 65") aufweist. A4, Absatz [0112] lehrt, eine angeschäumte Polyurethandichtung 28 zu verwenden, die bei der Herstellung durch Öffnungen 66 im Kunststoffrahmen verläuft (Figur 9A), um im ausgehärteten Zustand mechanisch gesichert zu sein (Absatz [0121]: "As a result of flow through these apertures, after cure the seal 28 will be mechanically secured to the seal support 65, due to a portion of the resin being cured and left in extension through the apertures 66.")

3.6 Der Fachmann entnimmt dieser Lehre zur Lösung der Aufgabe, die in D2, Figur 8, bereits vorhandenen Vertiefungen als Öffnungen auszuführen und eine angeschäumte Kunststoffdichtung zu verwenden, die durch diese Öffnungen verläuft, um eine stabilere Verbindung zwischen Rahmen und Dichtung zu erhalten.

3.7 Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass die unterschiedliche Filtergeometrie und die Herstellung in A4 nicht mit D2 kompatibel seien, sind nicht überzeugend. Zum einen betreffen die Unterschiedsmerkmale des Anspruchs 1 gegenüber D2, Figur 8, lediglich die Anordnung der Dichtung am Rahmen, die unabhängig von dem eigentlichen Filterpack und der Form des Filterelements ist.

Zum anderen erkennt der Fachmann, dass die Lehre der A4 bzgl. der Anordnung der Dichtung am Rahmen ohne technische Probleme in das Zwei-Komponentenverfahren der D2 integriert werden kann. Hierzu sind im Rahmen 15 lediglich die Vertiefungen zu Öffnungen zu erweitern.

3.8 Wie unter Punkt 1.4.4 dieser Entscheidung bereits erläutert, schließt der Fachmann durch die Lehre der D2 eine PUR-Schaumdichtung nicht aus.

3.9 Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 vorgeschlagene Lösung wird somit ausgehend von D2 in Kombination mit A4 nahegelegt.

4. Hilfsantrag 6

4.1 Artikel 84 EPÜ

Der von der Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechenden 2) vorgebrachte Klarheitseinwand ist gemäß der G3/14 kein gültiger Einspruchsgrund.

Der Klarheitseinwand bezieht sich auf die Merkmale des Anspruchs 1 in Kombination mit den Merkmalen des Anspruchs 4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 basiert jedoch auf dem erteilten Anspruch 1, zu dem eine der Varianten aus dem erteilten Anspruch 4 hinzugefügt wurde. Anspruch 4 wurde entsprechend angepasst. Damit war der beanstandete Wortlaut bereits im erteilten Anspruchssatz enthalten war und wurde nicht erst durch Änderungen im Einspruchsverfahren hervorgerufen.

4.2 Erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1: D2 mit A4

4.2.1 Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) erhoben einen Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit A4, der jedoch nicht überzeugend ist.

4.2.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von D2 (Figur 8) - die weiterhin als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird - durch das Merkmal M1.3 und das aus Anspruch 4 hinzugefügte Merkmal "wobei ein erstes und ein zweites Faltenpack (2A, 2B) durch mindestens eine Rahmenstrebe (8) getrennt sind und deren Faltenprofile durch die Rahmenstrebe (8) gestützt sind".

4.2.3 Wird hier - wie bereits bei Hilfsantrag 4 von der Einspruchsabteilung getan - von zwei Teilaufgaben ausgegangen, kann die erste Aufgabe darin gesehen werden, ein alternatives Dichtmaterial zu verwenden, und die zweite Aufgabe darin gesehen werden, ein Filterelement mit einer erhöhten Versteifung vorzusehen.

4.2.4 Wie zum Hauptantrag und zu Hilfsantrag 4 ausgeführt, wird Merkmal M1.3 nicht als erfinderisch angesehen. Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerinnen wird die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung zur zweiten Teilaufgabe jedoch nicht durch die Lehre der A4 nahegelegt.

4.2.5 A4 offenbart eine Filterkartusche ("filter cartridge 22"), an deren Unterseite 24 ein "safety filter 20" eingesetzt werden kann (vgl. Figur 2). Der "safety filter" ist in Figur 11 genauer dargestellt.

4.2.6 Die Beschwerdegegnerinnen verweisen mit Bezug auf Figur 11 auf die im "safety filter 20" gezeigte "partition wall 188", die einen ersten Faltenbereich 186 von einem zweiten Faltenbereich trennt (Absatz [0130] der A4). Der Fachmann erkenne die offensichtlich stabilisierende Funktion dieser Trennwand, so dass er zur Lösung der Aufgabe eine entsprechende Rahmenstrebe in das Filterelement der D2 anordnen würde. Dadurch gelange der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand.

4.2.7 Die in A4 offenbarte Trennwand 188 dient jedoch vielmehr dem Handling und dem Einsetzen des "safety filters 20" in die "filter cartridge 22" (vgl. Absatz [0132]). Dass diese Trennwand die Faltenprofile stützt, ist der A4 nicht zu entnehmen.

Des Weiteren besteht für den Fachmann auch kein Anlass, die Trennwand 188 mit integriertem Handgriff in das Filterelement der D2 zu übernehmen. Die Trennwand ist eine spezifische Lösung für den "safety filter", der, wie in Figur 2 gezeigt, Teil einer komplexen Luftfilteranordnung 1 ist.

In D2 ist die Luftfilteranordnung 10 in Figur 1 gezeigt. Darin ist lediglich ein Filterelement 13 in einem Gehäuse 11 untergebracht. D2 offenbart nirgends mehrere Filterpacks, deren Faltenprofile durch eine Rahmenstrebe gestützt werden müssten.

Weiterhin stehen dem Fachmann auch andere Maßnahmen als eine Rahmenstrebe für eine eventuell erforderliche Versteifung zur Verfügung. So könnte er z.B. zwei Filterelemente verwenden.

Die Ausführungen der D2 und der A4 sind derart unterschiedlich, dass die Herausnahme des Merkmals "Rahmenstrebe" aus der A4 auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruht.

4.3 Anspruch 8

Dem erteilte Verfahrensanspruch 8 wurden im Hilfsantrag 6 die Merkmale des erteilten Anspruchs 12 hinzugefügt. Anspruch 8 des Hilfsantrags 6 entspricht dem Anspruch 7 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags 6. Diesem Anspruch wurde Neuheit und erfinderische Tätigkeit zugestanden (Entscheidung, Absatz 61), was von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) nicht bestritten wurde.

4.4 Hilfsantrag 6 ist folglich gewährbar.

5. Anpassung der Beschreibung

5.1 Die Beschreibung ist an Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 anzupassen.

5.2 Anspruch 1 fordert, dass die Faltenprofile der Faltenpacks durch die Rahmenstrebe gestützt sind. Zumindest Absatz [0012] der erteilen Beschreibung, wonach die Faltenprofile der Faltenpacks auch nur durch den Kunststoffrahmen gestützt sein können, steht im Widerspruch zu Anspruch 1, und erfordert eine Änderung unter Artikel 84 EPÜ.

5.3 Die Kammer folgt nicht der von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) zitierten Entscheidung T 1989/18, wonach eine Anpassung der Beschreibung nicht notwendig sei. Es ist anzumerken, dass die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fakten anders zu beurteilen sind. Insofern sind auch die Gründe bezüglich Artikel 84 EPÜ für diese Entscheidung im vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar.

Die Kammer schließt sich vielmehr der Argumentation aus der Entscheidung T 1024/18 (Punkt 3.1 der Gründe) an. Darin wird festgestellt, dass sich Artikel 84 EPÜ auf die Ansprüche im Allgemeinen bezieht und tatsächlich drei unterschiedliche Anforderungen an die Ansprüche stellt: Klarheit, Knappheit und die Stützung durch die Beschreibung.

Nach Ansicht der Kammer ist das Kriterium, dass die Ansprüche "durch die Beschreibung gestützt" sein müssen, in keiner Weise dem Erfordernis der "Klarheit" der Ansprüche untergeordnet, sondern ist eine eigenständige Anforderung, ebenso wie die Knappheit. Die Forderung in Artikel 84 EPÜ, dass die Ansprüche durch die Beschreibung gestützt werden müssen, schließt jedoch mit ein, dass die Beschreibung mit den Ansprüchen übereinstimmt, nicht nur teilweise, sondern durchgängig.

Wenn also Änderungen an den Ansprüchen vorgenommen werden (im vorliegenden Fall eine Änderung der erteilten Ansprüche), muss die Beschreibung in dem Sinne mit diesen übereinstimmen, dass der Leser keine Informationen erhält, die dem Wortlaut der Ansprüche widersprechen.

6. Rückerstattung der Beschwerdegebühr

6.1 Aus der fehlenden Begründung in der angefochtenen Entscheidung, warum eine erste eingereichte Fassung der Beschreibungsanpassung nicht gewährbar sei, ergibt sich kein wesentlicher Verfahrensmangel. Die Kammer erkennt diesbezüglich keine Begründungspflicht seitens der Einspruchsabteilung.

6.2 Nach Regel 111(2) EPÜ sind nur Entscheidungen des Europäischen Patentamts zu begründen. Die Einspruchsabteilung hatte jedoch weder über die erste Fassung der geänderten Beschreibung entschieden noch diese zurückgewiesen, sondern lediglich mögliche Einwände erläutert (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, Seite 9, siebter Absatz).

6.3 Die Patentinhaberin (jetzt Beschwerdeführerin) reichte anschließend kommentar- und rügelos eine zweite Fassung der Beschreibungsanpassung ein. Dieses Verhalten der Patentinhaberin ist eindeutig als Rücknahme der ersten Fassung zu interpretieren.

6.4 Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr auf Basis der Regel 103(1)(a) EPÜ ist daher nicht gerechtfertigt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Spalten 1-7, eingereicht per email während der mündlichen Verhandlung

Ansprüche:

Nr. 1 bis 14 des Hilfsantrags 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung

Figuren:

1 bis 5F der Patentschrift

Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird nicht stattgegeben.

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