T 1271/20 (Fehlende Beschwerdebegründung/ECKELT) of 30.4.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T127120.20210430
Datum der Entscheidung: 30 April 2021
Aktenzeichen: T 1271/20
Anmeldenummer: 13771445.7
IPC-Klasse: H04B 7/185
H04B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kommunikationssystem in einem Flugzeug mit einer Nahfeldkommunikationsschnittstelle
Name des Anmelders: Lufthansa Technik AG
Name des Einsprechenden: Eckelt, Manfred
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention Art 122(1)
European Patent Convention R 2
European Patent Convention R 126(2) (2015) Sent 3
European Patent Convention R 136(1) (2007) Sent 3
Schlagwörter: Entscheidung im schriftlichen Verfahren: keine mündliche Verhandlung beantragt
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdebegründung
Zulässigkeit der Beschwerde - fristgerecht eingelegt (nein)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - (nein): Antrag nicht formgerecht und Wiedereinsetzungsgebühr nicht entrichtet
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Einsprechenden richtet sich gegen die am 20. März 2020 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung auf Zurückweisung des Einspruchs.

II. Der Beschwerdeführer legte am 19. Mai 2020 per Fax Beschwerde ein. Er entrichtete am 22. Mai 2020 lediglich einen Betrag von EUR 1.880 als Beschwerdegebühr und nicht die für natürliche Personen vorgeschriebene Beschwerdegebühr von EUR 1.955. Der Fehlbetrag betrug EUR 75.

III. Die Beschwerdebegründung wurde nicht innerhalb der in Artikel 108 Satz 3 EPÜ in Verbindung mit Regel 126 (2) EPÜ vorgesehenen Frist eingereicht. Am 30. August 2020 verwendete der Beschwerdeführer das Kontaktformular auf der Webseite des Europäischen Patentamts, um per E-Mail einen "Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand" zu stellen. Darin gab der Beschwerdeführer ohne Bezugnahme auf Beweismittel an, er sei krankheitsbedingt irrtümlich davon ausgegangen, dass die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung erst am 18. September 2020 enden würde; bis dahin würde er die Beschwerdebegründung nachreichen. Eine Wiedereinsetzungsgebühr wurde nicht entrichtet.

IV. Mit dem am 22. September 2020 eingegangenen Schriftsatz reichte der Beschwerdeführer per Post die Beschwerdebegründung ein. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde in diesem Schriftsatz nicht gestellt. Auf dem Deckblatt wurde lediglich auf einen "Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand vom 30. August 2020" verwiesen.

V. Mit dem am 28. Januar 2021 eingegangenen Schriftsatz bat der Beschwerdeführer um Eingangsbestätigung der Beschwerdebegründung.

VI. Mit einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 18. Februar 2021 teilte die Kammer mit, dass der volle Betrag der Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig bezahlt wurde und dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelten und der bereits entrichtete Teilbetrag an den Beschwerdeführer zurückerstattet werden wird, falls der Fehlbetrag von EUR 75 nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung beglichen wird. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass im Fall der rechtzeitigen Entrichtung des Fehlbetrages von EUR 75 der Antrag auf Wiedereinsetzung voraussichtlich erfolglos sein und die Beschwerde wegen nicht rechtzeitiger Einreichung der Beschwerdebegründung als unzulässig verworfen werden wird.

VII. Der Fehlbetrag von EUR 75 wurde am 25. Februar 2021 bezahlt.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte keine mündliche Verhandlung. Somit kann eine schriftliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde (Artikel 108 EPÜ)

1.1 Die schriftliche Beschwerdebegründung wurde erst nach Ablauf der in Artikel 108 Satz 3 EPÜ in Verbindung mit Regel 126 (2) EPÜ vorgesehenen Frist und somit nicht rechtzeitig eingereicht. Außerdem enthält weder die Beschwerdeschrift noch ein anderer fristgerecht eingereichter Schriftsatz Ausführungen, die gemäß Artikel 108 EPÜ und Regel 99 (2) EPÜ als Beschwerdebegründung angesehen werden können.

1.2 Aufgrund der nicht rechtzeitig eingereichten Beschwerdebegründung ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (Regel 101 (1) EPÜ).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Es liegt kein rechtswirksam gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 EPÜ vor:

2.1 Gemäß Regel 2 EPÜ müssen bei der Einreichung von Unterlagen in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt gewisse Formvorschriften eingehalten werden. Diese Erfordernisse werden in Beschlüssen des Präsidenten des Europäischen Patentamts näher bestimmt.

2.2 Das Kontaktformular auf der Webseite des Europäischen Patentamts wird in dem Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 9. Mai 2018 (ABl. EPA 2018, A45) nicht als eine Möglichkeit für die rechtswirksame Einreichung von Unterlagen auf elektronischem Weg genannt. Dementsprechend befindet sich über diesem Kontaktformular in Fettdruck folgender Warnhinweis:

"Dieses Kontaktformular hat in den Verfahren nach dem EPÜ und dem PCT keine Rechtskraft".

Bei einem Klick auf "Mehr" wird der Nutzer darüber informiert, dass "E-Mails nicht für die wirksame Vornahme von Verfahrenshandlungen in Verfahren vor dem EPA und insbesondere nicht für die wirksame Einhaltung von Fristen" genutzt werden können.

2.3 Der von dem Beschwerdeführer über das Kontaktformular per E-Mail übermittelte "Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand" vom 30. August 2020 wurde daher nicht formgerecht und somit nicht rechtswirksam gestellt.

2.4 Darüber hinaus ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und gilt erst als gestellt, wenn die vorgeschriebene Gebühr entrichtet worden ist (vgl. Regel 136 (1) EPÜ, Sätze 1 und 3).

2.5 Das Hindernis, die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung einzuhalten, ist nach den Angaben des Beschwerdeführers in dem nicht formgerecht per

E-Mail eingereichten "Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand" spätestens am 30. August 2020 weggefallen. Demnach hätte die Gebühr für die Wiedereinsetzung bis spätestens 30. Oktober 2020 entrichtet werden müssen.

2.6 Da der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Wiedereinsetzungsgebühr bis zum heutigen Tag nicht entrichtet hat, gilt der "Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand" - selbst wenn er formgerecht eingebracht worden wäre - auch aus diesem Grund als nicht gestellt.

2.7 Eine Wiedereinsetzung in die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen (Regel 136 (3) EPÜ).

3. Eigenverantwortlichkeit und Neutralitätsgebot

3.1 Gemäß G 2/97, Nr. 4.2 der Gründe, sind die Nutzer des europäischen Patentsystems zu redlichem Verhalten verpflichtet und es obliegt ihnen, alles zu tun, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Ein Beschwerdeführer kann somit seine Verantwortung für die Erfüllung der Voraussetzungen für eine als eingelegt geltende und zulässige Beschwerde nicht auf die Beschwerdekammer abwälzen. Die Beschwerdekammer ist daher nicht verpflichtet, einen Beschwerdeführer warnend auf Mängel innerhalb seines eigenen Zuständigkeitsbereiches hinzuweisen.

3.2 Die Eigenverantwortlichkeit der Nutzer erstreckt sich nach Auffassung der Kammer auch auf deren Verpflichtung, sich über die anwendbaren Gebühren- und Formvorschriften zu informieren und dementsprechend zu handeln. Beispielsweise kann von einem redlich und sorgfältig handelnden Beschwerdeführer erwartet werden, dass dieser den leicht erkennbaren Warnhinweis auf dem Kontaktformular zur Rechtsunwirksamkeit von per E-Mail eingebrachten Verfahrenshandlungen zur Kenntnis nimmt und das Kontaktformular anschließend auch nicht zur Stellung von Anträgen verwendet.

3.3 Darüber hinaus muss eine Beschwerdekammer nach ständiger Rechtsprechung in mehrseitigen Verfahren neutral bleiben. In diesem Sinne sollte eine Kammer einen Verfahrensbeteiligten bei der eigenen Verfahrensführung auch nicht einseitig zu Lasten eines anderen Beteiligten unterstützen.

3.4 Aus den vorgenannten Gründen bestand im gegenständlichen Fall keine Verpflichtung, den Beschwerdeführer warnend auf die fehlende Einhaltung der Gebühren- und Formvorschriften hinzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als nicht gestellt.

2. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

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