European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T113120.20231107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1131/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14744463.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | E03C 1/18 A47L 19/02 B29C 70/54 B29K 105/10 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | BECKENFORMTEIL, WIE BEISPIELSWEISE EINE KÜCHENSPÜLE, EIN WASCHBECKEN ODER DERGLEICHEN, SOWIE VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINES SOLCHEN BECKENFORMTEILS | ||||||||
Name des Anmelders: | Schock GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BLANCO GmbH + Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein) Einspruchsgründe - mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das Europäische Patent mit der Nummer 3 027 100 betrifft ein Beckenformteil aus einem Kompositwerkstoff und hierin einpolymerisierten unidirektional ausgerichteten Fasern, die mindestens einen Gewebestreifen bilden, sowie ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Beckenformteils.
II. Gegen das Patent wurde auf Basis der Einspruchsgründe gemäß den Artikeln 100 b), Artikel 100 c) sowie Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ Einspruch eingelegt.
Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, den Einspruch zurückzuweisen.
III. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Einsprechende ("Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.
IV. Die Beschwerdeführerin hat an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 7. November 2023 nicht teilgenommen, wie von ihr mit Schreiben vom 27. Oktober 2023 angekündigt. Gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK 2020 wurde das Beschwerdeverfahren ohne die Beschwerdeführerin fortgesetzt. Die Beschwerdeführerin wird daher so behandelt, als stütze sie sich lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen.
V. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer lauteten die Schlussanträge wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung auf Basis eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 15.
VI. Die folgenden Beweismittel sind relevant für die Entscheidung.
D1: 20 2006 008 913 U1
D2: DE 20 2012 102 782 U1
D13: EP 2 125 358 B1
D14: EP 0 949 058 A2
D15: WO 2010/139077 A1
D23: DE 37 07 949 A
D26: "Ottobock", Gebrauchsanweisung,
Veröffentlichungsdatum unbekannt
VII. Für die Entscheidung relevante Anspruchsfassung
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lauten (Merkmalsgliederung von der Kammer eingeführt in "[]"):
Anspruch 1:
"[1.1] Beckenformteil (1)
[1.2] aus einem ein polymerisiertes ausgehärtetes Bindemittel (14) und darin eingelagerte Füllstoffe (16) aufweisenden Kompositwerkstoff,
[1.3] wobei das Beckenformteil (1) eine Sichtseite (34) und eine der Sichtseite (34) gegenüberliegende Rückseite (36) aufweist,
[1.4] wobei unidirektional ausgerichtete Fasern (10) nahe der Oberfläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) in den Kompositwerkstoff einpolymerisiert sind, dadurch gekennzeichnet, dass
[1.5] die nahe der Oberfläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) unidirektional ausgerichteten und in den Kompositwerkstoff einpolymerisierten Fasern (10) auf weniger als 30 % der Fläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) angeordnet sind,
[1.6] dass die Fasern (10) mindestens einen Gewebestreifen (6, 8) bilden
[1.7] und dass der Gewebestreifen (6, 8) zwar nahe der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) angeordnet, aber zur Oberfläche der Rückseite (36) hin von einer Schicht ausgehärteten Bindemittels (14) abgedeckt ist."
Anspruch 9:
"Verfahren zum Herstellen eines Beckenformteils (1) aus einem ein polymerisiertes Bindemittel (14) und darin eingelagerte Füllstoffe (16) aufweisenden Kompositwerkstoff, wobei das Beckenformteil (1) eine Sichtseite (34) und eine der Sichtseite (34) gegenüberliegende Rückseite (36) aufweist, wobei nahe der Oberfläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) unidirektional ausgerichtete Fasern (10) in den Kompositwerkstoff einpolymerisiert werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
die nahe der Oberfläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) unidirektional ausgerichteten und in den Kompositwerkstoff einpolymerisierten Fasern (10) auf weniger als 30 % der Fläche der Rückseite (36) des Beckenformteils (1) angeordnet werden, dass die Fasern (10) mindestens einen Gewebestreifen (6,8) bilden und dass der Gewebestreifen (6,8) zwar nahe der Rückseite (36) des Beckenformteils ( 1) angeordnet wird, aber zur Oberfläche der Rückseite (36) hin von einer Schicht ausgehärteten Bindemittels (14) abgedeckt wird."
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen.
a) Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ
Die Erfindung sei bezüglich der Merkmale "Beckenformteil", "Sichtseite" und "Rückseite" sowie "nahe der Oberfläche" nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass eine Fachperson diese ausführen könne. Selbst wenn man die einzelnen Punkte lediglich als mangelnde Deutlichkeit betrachtete, so resultiere aus der Gesamtbetrachtung der Vielzahl an unklaren Merkmalen eine mangelnde Ausführbarkeit.
b) Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ
Der Gegenstand der abhängigen Ansprüchen 3, 4, 5, 7 und 8 gehe über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus. Durch die Änderung der Formulierung seien neue Bereichsobergrenzen in die Ansprüche eingeführt worden, während ursprünglich nur nach oben unbeschränkte Bereiche offenbart gewesen seien.
c) Neuheit
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 sei nicht neu über die Offenbarung von D2, aus der neben Gestricken auch Gewebe hervorgingen. Der Begriff "Füllstoffe" sei so auszulegen, dass auch die in D2 offenbarten Magnete, das Gestrick und die Glühfäden hierunter fielen. Zudem offenbare D2 auch die Anordnung der Fasern nahe der Rückseite und auf weniger als 50 % dessen Fläche, was den beanspruchten Bereich umfasse.
d) Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 und 9 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2. Die Unterscheidungsmerkmale seien verschiedenen Teilaufgaben zuzuordnen, deren aller Lösung aus dem allgemeinen Fachwissen oder einem der Dokumente D1, D13, D14 und D15 offensichtlich sei.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen.
a) Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ
Die Erfindung sei deutlich und vollständig offenbart. Die Einwände der Beschwerdeführerin beträfen allenfalls die Deutlichkeit, die jedoch kein Einspruchsgrund sei. Das verspätet vorgebrachte Beweismittel D26 sei nicht zuzulassen. Im Übrigen könne selbst das dort gezeigte Beckenformteil mit den im Patent gegebenen Informationen hergestellt werden.
b) Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ
Der Gegenstand der Ansprüche gehe nicht über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus. Es seien keinen neuen Bereichsobergrenzen durch die Änderungen in die Ansprüche eingeführt worden; die Definition der Bereiche entspreche der der ursprünglich eingereichten Fassung.
c) Neuheit
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 sei neu über die Offenbarung von D2. D2 offenbare keine Füllstoffe, keine Gewebestreifen mit unidirektional ausgerichteten Fasern sowie keine Anordnung der Fasern nahe der Rückseite und auf weniger als 30 % der Fläche. Die Auslegung von Magneten und Glühfäden als "Füllstoffe" sei unfachgemäß.
d) Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 und 9 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Lehre von D2. Die Auswahl von Gewebestreifen, die weniger als 30% der Rückseite bedeckten, sei weder aus dem allgemeinen Fachwissen noch aus einem der Dokumente D1, D13, D14 und D15 nahegelegt. Die Fachperson würde das Gestrick aus D2 nicht durch ein Gewebe ersetzen und würde auch keine Füllstoffe vorsehen.
e) Zulassung angeblich verspätet vorgebrachter Argumente
Die mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. November 2023 zusätzlich vorgebrachten Argumente seien verspätet eingereicht und somit nicht in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ
Der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
1.1 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass die Fachperson sie ausführen kann. Sie erhob hierzu die folgenden Einwände:
a) Der Begriff "Beckenformteil" sei nicht näher definiert, so dass die Fachperson nicht wisse, was unter den Begriff falle. Für eine Vielzahl von denkbaren Beckenformteilen wie beispielsweise das Beckenformteil einer Hüftgelenks-Orthese sei im Patent nichts zu dessen Ausführung offenbart.
b) Die im Anspruch verwendeten Begriffe "Sichtseite" und "Rückseite" des Beckenformteils seien nicht ausreichend definiert, da zu deren Festlegung genaueres Wissen über die Einbauart und die Endlage notwendig sei, dieses aber ohne Bezug zum Einbauort am Beckenformteil allein nicht erkennbar sei.
c) Der Begriff "nahe der Oberfläche" in Merkmal [1.5] sei undefiniert, so dass die Fachperson keine Anleitung zur Positionierung der Fasern im Beckenformteil habe.
Die Beschwerdeführerin argumentierte zudem, dass selbst wenn es sich bei den Mängeln a) bis c) im einzelnen um Deutlichkeitsmängel handelte, diese zumindest in der Summe zu einer mangelnden Ausführbarkeit führten.
Diese Argumente greifen jedoch aus den folgenden Gründen nicht durch.
1.2 zu a) "Beckenformteil"
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 war ebenfalls auf ein "Beckenformteil" gerichtet, dieses Merkmal war jedoch fakultativ durch den Zusatz "wie beispielsweise eine Küchenspüle, ein Waschbecken oder dergleichen" weiter definiert. Entsprechende "Becken" dienen, wie auch von der Einspruchsabteilung argumentiert, zur Aufnahme von Flüssigkeiten wie etwa Wasser. Dies gilt, auch wenn der Begriff "Beckenformteil" nicht ausschließt, dass ein Becken zur Erfüllung einer solchen Funktion ggf. aus mehreren Beckenformteilen zusammengesetzt ist. Der fakultative Zusatz wurde jedoch im Prüfungsverfahren gestrichen und ist in dem erteilten Anspruch 1 nicht mehr vorhanden.
1.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte nun, dass der Anspruch daher breit auszulegen und somit auch auf andere Bedeutungen des Wortes "Becken" lesbar sei. Als Beispiel verwies die Beschwerdeführerin auf ein an ein anatomisches Becken angeformtes Formteil einer Hüftgelenks-Orthese, wie beispielsweise in D26 offenbart. Zu solchen Ausführungsformen sei jedoch im Patent nichts ausgeführt. Somit sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 zumindest für diesen Teil nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass die Fachperson ihn nacharbeiten könne.
1.2.2 Die Kammer stellt zunächst fest, dass - wie auch von der Beschwerdegegnerin argumentiert - selbst unter Zugrundelegung der Auslegung der Beschwerdeführerin nicht von ihr gezeigt wurde, dass ein Ausführungsform wie das hier angenommene Formteil für ein anatomisches Becken bei einer Hüftgelenks-Orthese unzureichend offenbart ist. Insbesondere wurde nicht gezeigt, ob und ggf. warum mit den Informationen im Patent entsprechende Formteile für Orthesen nicht gemäß Anspruch 1 und 9 hergestellt werden können. Die Beweispflicht hierfür liegt bei der Beschwerdeführerin. Schon aus diesem Grund scheitert dieser Einwand mangelnder Offenbarung.
1.2.3 Zudem stimmt die Kammer der Auslegung der Ansprüche 1 und 9 seitens der Beschwerdeführerin nicht zu.
Denn im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Interpretation der Beschwerdeführerin nicht um eine "breite" Auslegung.
Die von der Beschwerdeführerin betrachteten Auslegungsvarianten des Begriffs "Becken" (im Anspruch in Form der Wortzusammensetzung "Beckenformteil" verwendet):
- im Sinne einer Küchenspüle, eines Waschbeckens oder dergleichen und
- im Sinne eines anatomischen Beckens
sind vielmehr Homonyme, d.h. sie beruhen auf einem Wort mit unterschiedlichen, sich gegenseitig ausschließenden Bedeutungen. Diese Homonyme sind im vorliegenden Fall auf völlig unterschiedliche Objekte gerichtet und haben auch eine unterschiedliche technische Bedeutung. Die sprachliche Ähnlichkeit ist hierbei kein Indiz dafür, dass verschiedene Aspekte eines gemeinsamen und gemäß der Beschwerdeführerin "breiten" technischen Gegenstandes definiert würden.
1.2.4 Die sich hier ergebenden, sich gegenseitig ausschließenden Auslegungsvarianten begründen allenfalls einen Mangel an Klarheit, der jedoch für einen erteilten Anspruch im Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen ist.
Auch besteht in dem vorliegenden Fall der sich gegenseitig ausschließenden Bedeutungen des Wortes "Beckenformteil" nicht die Notwendigkeit, beide sich gegenseitig ausschließenden Bedeutungen hinsichtlich der Ausführbarkeit zu berücksichtigen. Vielmehr ergibt sich bei der für die Prüfung der ausreichenden Offenbarung notwendigen Berücksichtigung des Patents als Ganzem, dass das Wort "Beckenformteil" in Anspruch 1 im Sinne eines Formteils "wie beispielsweise eine[r] Küchenspüle, ein[es] Waschbecken oder dergleichen" auszulegen ist (Patent, Ansatz [0001] und jedenfalls nicht gemäß der weiteren Auslegung im Sinne eines an ein anatomisches Becken angeformten Formteils.
1.2.5 Bei der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen weiteren Auslegung handelt es sich somit nicht um eine "breite" Auslegung, sondern um eine lediglich lexikalisch homonyme Bedeutung, die durch die Beschreibung in keiner Weise gestützt wird und auf einem völlig anderen technischen Gebiet liegt. Eine derart fernliegende, nur mit dem Bestreben, das Patent misszuverstehen, überhaupt auffindbare Bedeutung ist bei der Beurteilung der Ausführbarkeit nicht zu berücksichtigen.
1.2.6 Aus diesem Grund ist auch D26, vorgebracht als Beweismittel für die Auslegungsvariante "anatomisches Becken", für die Beurteilung der Ausführbarkeit nicht relevant, so dass dessen Zulassung dahin gestellt bleiben kann.
1.3 zu b) "Sichtseite/Rückseite"
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass ohne "Wissen über die Einbauart" eines Beckens die Sicht- und die Rückseite nicht eindeutig definiert seien. Denn für jedes Becken gebe es verschiedene Einbauvarianten. Hierzu sei nichts im Patent ausgeführt, weswegen die Fachperson die Erfindung nicht ausführen könne.
Dem kann die Kammer nicht folgen. Der Anspruchsgegenstand ist gemäß ständiger Rechtsprechung mit der Bereitschaft auszulegen, diesen sinnvoll auszufüllen und so zu verstehen, dass dieser einen technischen Sinn ergibt.
Die Begriffe Sichtseite und Rückseite sind für den Fachmann per se klar. Die "Sichtseite" ist dabei die für den Benutzer sichtbare Oberseite des Beckens, die üblicherweise bei Benutzung des Formkörpers in seinem Einbaukontext mit dem Wasser in Kontakt kommt. Für die "Rückseite" ergibt sich als einzig sinnvolle Auslegung, dass, unabhängig davon, was je nach Einbauvariante nach dem Einbau auch von der Rückseite noch sichtbar ist, die komplementäre Oberfläche gemeint ist.
Ein Offenbarungsmangel erwächst hieraus nicht.
1.4 zu c) "nahe der Oberfläche"
Das Merkmal "nahe der Oberfläche der Rückseite" ist in Absatz [0031] des Patents sowohl relativ zur Dicke des faseraufweisenden Bereichs als auch absolut (z.B. "weniger als 2 mm" von der Oberfläche der Rückseite) definiert. Da schon bezüglich der "Rückseite" kein Offenbarungsmangel vorliegt, gilt das somit ebenfalls für das Merkmal "nahe der Oberfläche" (der Rückseite). Richtig ist, dass Anspruch 1 dies lediglich relativ und nicht quantifizierbar definiert, was jedoch allenfalls ein Klarheitsmangel ist, der für erteilte Ansprüche im Einspruchsbeschwerdeverfahren einer Überprüfung nicht zugänglich ist (siehe G3/14, Leitsatz).
1.5 Schließlich ergibt sich auch kein "kumulativer" Ausführbarkeitsmangel aus der Summe der Beobachtungen der Beschwerdeführerin. Für die hier zu betrachtenden Beckenformteile (siehe Punkt 1.2) lässt sich eine Sicht- und eine Rückseite bestimmen (siehe Punkt 1.3). Damit ist auch der Begriff "nahe der Oberfläche der Rückseite" ausreichend bezüglich seiner Lage definiert (siehe Punkt 1.4).
2. Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ
Der Gegenstand der Ansprüche geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
2.1 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass in den abhängigen Ansprüchen 3, 4, 5, 7 und 8 durch die Änderung der Formulierung der bevorzugten Bereiche eine unzulässige Erweiterung resultiere. Dies werde beispielhaft deutlich bei der Änderung der Formulierung des ursprünglich eingereichten Anspruchs 6:
"...und dass das Verhältnis von Länge:Breite des Streifens (6,8) vorzugsweise mehr als 3:1, insbesondere mehr als 5:1 und vorzugsweise mehr als 7:1 beträgt."
zu der des Anspruchs 5 wie erteilt:
"...und dass das Verhältnis von Länge:Breite des Streifens (6,8) entweder mehr als 3:1, mehr als 5:1 und oder mehr als 7:1 beträgt."
Hierdurch seien ursprünglich nicht offenbarte obere Bereichsgrenzen für jeden Teilbereich eingeführt.
Die Kammer kann diese Argumentation nicht teilen.
2.2 Zwar ist die umformulierte Fassung nicht deutlicher als die ursprüngliche Fassung, da der Begriff "entweder" nicht in Übereinstimmung mit dem darauffolgenden "und" in der Formulierung "und/ oder" steht. Ein Mangel an Deutlichkeit der erteilten Ansprüche ist jedoch im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen. Die Fachperson erkennt zudem immer noch, dass im Anspruch drei nebenständige Optionen eines nach oben offenen Bereichs definiert sind, wie ursprünglich offenbart. Neue Zwischenbereiche mit neuen Obergrenzen ergeben sich aus der Formulierung nicht.
Entsprechendes gilt auch für die geänderten Formulierungen in den weiteren abhängigen Ansprüchen.
3. Hauptantrag - Neuheit
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 ist neu über die Offenbarung von D2.
Im Folgenden wird auf die für Anspruch 1 eingeführte Merkmalsgliederung Bezug genommen. Da Anspruch 9 jeweils korrespondierende Verfahrensmerkmale aufweist, gelten die folgenden Ausführungen sowohl für Anspruch 1 als auch für Anspruch 9.
3.1 Die Offenbarung folgender Merkmale in D2 war streitig:
a) In das Bindemittel sind Füllstoffe eingelagert (Merkmal [1.2]).
b) Die Faser bilden mindestens einen Gewebestreifen (Merkmal [1.6])
c) Die Faser sind auf weniger als 30 % der Fläche der Rückseite angeordnet (Merkmal [1.5])
d) Die Fasern sind "nahe der Rückseite" angeordnet (Merkmal [1.7])
e) Die Fasern sind unidirektional ausgerichtet (Merkmal [1.4])
3.2 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass nur die Merkmale unter den Punkten a) bis c) nicht in D2 offenbart sind, wie im Folgenden erläutert wird.
3.3 a) "Füllstoffe"
3.3.1 In D2 wird ein Waschbecken offenbart, das aus einer Verbundstruktur besteht. Diese Struktur umfasst gemäß einer Ausführungsform eine Grundschicht 30 aus einem polymerisierten, ausgehärteten Bindemittel ("selbsthärtendes Harz"), in die ein Gestrick eingebettet sein kann (Absätze [0038], [0073] und [0074]). Dieses Gestrick kann zudem auf einem Glasfaservlies angeordnet sein (Absatz [0078]). Gestrick und Glasfaservlies sind demzufolge in das Bindemittel einpolymerisiert. Die Polymermatrix in D2 weist entgegen den Anforderungen von Merkmal [1.2] jedoch keinen zusätzlichen Füllstoff auf.
3.3.2 Die Fachperson versteht unter einem Füllstoff in einem polymerisierten ausgehärteten Bindemittel eine homogen verteilte zusätzliche Komponente, die relativ zum ausgehärteten Polymer eine zusätzliche feste Phase darstellt. Im Patent werden hierfür Füllstoffpartikel wie Quarzsand genannt. An der Polymerreaktion beteiligte, jedoch in der Polymermatrix nicht mehr als eigenständige Phase auftretende Komponenten werden in Abgrenzung hierzu im Patent als "Zuschlagstoffe" bezeichnet. Polymer und Füllstoff bilden zusammen eine homogene Verbundmatrix ("Kompositwerkstoff").
3.3.3 In die Polymermatrix eingebettete Komponenten, die nicht homogen in dieser verteilt, sondern lediglich hierin eingebettet sind wie das in D2 offenbarte Vlies, das Gestrick oder Funktionskomponenten wie Glühfäden und Magnete (siehe D2, Absätze [0025] und [0034]) versteht die Fachperson jedoch nicht als Füllstoffe.
3.4 b) "Gewebestreifen"
Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung zu, dass in D2 kein Gewebestreifen gemäß Merkmal [1.6] - also ein Gebilde aus Kett- und Schussfäden - offenbart ist.
Gemäß D2 wird ein Gestrick verwendet, das im Gegensatz zu einem Gewebe Maschen aufweist. Auf die unterschiedliche Definition von Gewebe und Gestrick wird zudem explizit in Absatz [0035] von D2 verwiesen. Optional kann zusätzlich ein "Vlies oder Faserverbund" in der Grundschicht (ebenfalls Absatz [0035]), d.h. unterhalb des Gestricks, vorgesehen sein. Ein Vlies ist ebenfalls eindeutig kein Gewebe.
Was mit dem einmalig in Absatz [0035] erwähnten "Faserverbund" gemeint sein könnte, wird in D2 nicht ausgeführt, insbesondere nicht in den Ausführungsformen, die nur ein Vlies verwenden. Zumindest ist aber der Begriff "Faserverbund" ein generischer Begriff, der nicht den spezifischen Faserverbund "Fasergewebe" offenbart.
3.5 c) "weniger als 30 % der Fläche der Rückseite"
Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung auch darin zu, dass ein Erstreckungsbereich der einpolymerisierten Fasern von weniger als 30 % der Rückseite nicht - auch nicht implizit - in D2 offenbart ist. Zwar erfordert D2 keine flächendeckende Erstreckung (vgl. insbesondere Absätze [0051] und [0057]), aber als kleinster offenbarter Erstreckungsanteil wird eine Erstreckung von "bevorzugt [...] zumindest über 50%" offenbart. Hierdurch ist jedoch keine implizite Offenbarung eines Bereichs unter 50%, und auch nicht unter 30 %, gegeben. Somit ergibt sich auch kein Überschneidungsbereich. Außerdem bezieht sich die Angabe ausschließlich auf ein Gestrick und nicht auf einen Gewebestreifen.
Dass, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, man dem Absatz [0057] einen Wert von weniger als 30 % entnehmen könne, da dort lediglich von einer "Krümmung" die Rede sei, über die sich das Gestrick erstrecke, ist nicht überzeugend. Vielmehr lehrt der Absatz eine bevorzugte Mindesterstreckung des Gestricks über 50 %, und dabei vorzugsweise mindestens über eine Krümmung.
3.6 d) "Fasern nahe der Rückseite"
In Anspruch 1 schließt die Formulierung "Fasern nahe der Rückseite" die gleichzeitige Anwesenheit von Fasern "nahe der Vorderseite" nicht aus. Erst gemäß Anspruch 2 des Patents wird die Anwesenheit von Fasern in anderen Bereichen des Querschnitts des Beckenformteils ausgeschlossen.
D2 offenbart in Absatz [0051], dass "sich das technische Gestrick entlang einer Oberfläche, insbesondere einer gesamten Oberfläche, zumindest einer Seite, bevorzugt zweier gegenüberliegender Seiten" erstreckt. In Figur 2 und Absatz [0073] wird zudem ausgeführt, dass das Gestrick in die Grundschicht 30 eingebettet sein kann, die der Rückseite entspricht. Da sowohl der Begriff "nahe" im Anspruch als relativer Begriff keine quantifizierbare Einschränkung darstellt, noch die Anwesenheit von Fasern über einen substantiellen Dickenbereich des Beckens (also nahe zu beiden Seiten) im Anspruch ausgeschlossen ist, bewirkt dieses Merkmal keine Abgrenzung zu D2.
3.7 e) "unidirektionale Ausrichtung der Fasern"
Weder verlangt Anspruch 1, dass alle Fasern unidirektional ausgerichtet sind, noch ist dies überhaupt für den in Anspruch 1 offenbarten Gewebestreifen möglich. Auch durch Anspruch 3 ist gestützt, dass eine unidirektionale Ausrichtung nicht für alle Fasern, sondern lediglich für einen bestimmten Teil der Fasern gilt. Gemäß der Absätze [0024] bis [0026] und der in Absatz [0041] beschriebenen Ausführungsform des Patents werden Gewebe mit Kett- und Schussfäden verwendet - d.h. im Wesentlichen senkrecht zueinander stehende Fasern -, ohne dass die Definition "unidirektional" hierbei verletzt wird. Insbesondere Schussfäden können einen Bereich mit einer 180°-Umlenkung aufweisen.
In ähnlicher Weise sind auch die Maschen in dem Gestrick gemäß D2 zumindest teilweise und abschnittsweise in eine bestimmte Richtung "unidirektional" ausgerichtet. Daher bewirkt die "unidirektionale Ausrichtung" ebenfalls keine Abgrenzung zu D2.
4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht aus den im Folgenden dargelegten Gründen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch im Hinblick auf jede der folgenden Angriffslinien:
- D2 in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen
- D2 in Verbindung mit D1
- D2 in Verbindung mit D13
- D2 in Verbindung mit D14
- D2 in Verbindung mit D15
4.2 Wie bereits zuvor unter Punkt 3. festgestellt, sind die folgenden Merkmale nicht in D2 offenbart:
a) Füllstoff in der Matrix gemäß Merkmal [1.2]
b) Verwendung mindestens eines Gewebestreifens gemäß Merkmal [1.6]
c) Anordnung der Fasern (des mindestens einen Gewebestreifens) auf weniger als 30 % der Fläche der Rückseite gemäß Merkmal [1.5]
4.3 Technische Aufgabe
4.3.1 Bezüglich des Merkmals b) ist festzuhalten, dass ein Gewebe, soweit unstreitig, aufgrund fehlender Maschen eine geringere Flexibilität aufweist als ein Gestrick.
Die Erhöhung der Bruchsicherheit kann somit als technische Aufgabe in Bezug auf Merkmal b) angesehen werden, wie auch in Absatz [0007] des Patents beschrieben. Die weniger flexiblen Gewebe können und müssen nun nur in Teilbereichen, insbesondere in Bereichen höherer Bruchanfälligkeit, angeordnet werden (Merkmal c), "wo die Eigenschaften des Gewebes besonders wirksam sind" (Patent, Absatz [0027]). Somit wirken die Merkmale b) und c) zusammen und lassen sich einer gemeinsamen technischen Aufgabe zuordnen.
Dem Vorschlag der Beschwerdeführerin, Merkmal c) die eigene Teilaufgabe der Reduzierung des Einsatzes von Fasermaterial zuzuordnen, folgt die Kammer nicht, da diese Möglichkeit nicht unabhängig von der Art des Fasermaterials ist und die Festigkeitseigenschaften durch Zusammenwirken der Merkmale b) und c) bestimmt werden.
4.3.2 Die Verwendung von Füllstoffen (Merkmal a) hat den Zweck der Einstellung von Gebrauchseigenschaften sowie der Optik des Beckenformteils (Patent, Absatz [0002]). Aus der Verwendung von Füllstoffen sowie Fasergewebestreifen erwächst somit kein synergistischer Effekt. Ein solcher Effekt wurde auch nicht geltend gemacht.
4.3.3 Das Merkmal a) einerseits sowie die Merkmale b) und c) andererseits lassen sich daher den folgenden beiden Teilaufgaben zuordnen:
i) Merkmal a): Einstellung der Eigenschaften sowie der Optik des Beckenformteils (vgl. Patent, Absatz [0002]).
ii) Merkmale b) und c): Verbesserung der Bruchsicherheit bei gleichzeitiger Reduzierung des Aufwands für die Verstärkung des Kompositwerkstoffs.
Im Folgenden wird zunächst die Teilaufgabe ii) für die Merkmale b) und c) betrachtet.
4.4 Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale b) und c) in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen
4.4.1 Zunächst ist festzuhalten, dass die Fachperson ausgehend von D2 einen Austausch des Gestricks durch ein Gewebe nicht in Betracht ziehen würde.
Wie bereits zuvor ausgeführt, ist das Gestrick gemäß D2 gezielt und gerade in bewusster Abgrenzung zu dem Gewebe ausgewählt worden (siehe insbesondere Absatz [0035]: "Entsprechend sind Gestricke von Geweben zu unterscheiden."). Zwar wird in D2 auch auf zusätzliche vorteilhafte Eigenschaften bezüglich der Festigkeit durch Verwendung des Gestricks verwiesen, entsprechende Eigenschaften werden in D2 jedoch einzig durch die Auswahl des Gestricks und dessen Material beeinflusst (vgl. Absatz [0011]). Die Gründe, die in D2 zur Auswahl eines Gestricks, u.a. in Abgrenzung zu einem Gewebe, angeführt werden, sind die Folgenden:
- die Flexibilität des Gestricks, so dass sich dies jeder Form anpassen kann (vgl. Absätze [0015], [0020] und [0078])
- die verbesserte Optik durch das Gestrick bei Verwendung einer transparenten Sichtseite (vgl. z.B. die Absätze [0014], [0050], [0054], [0075])
Diese Eigenschaften sind in D2 wesentlich, da das Gestrick gemäß einer Erfindungsidee auch zur Gestaltung einer ansprechenden Optik unter Einbettung in eine transparente Matrix dient (vgl. z.B. Absätze [0014] und [0078]). Ausgehend von der Lehre von D2 würde die Fachperson somit das Gestrick nicht durch ein Gewebe ersetzen.
4.4.2 Soweit die Beschwerdeführerin hierzu ausführt, die in D2 ausgelobte "vorteilhafte Beschreibung eines Gestricks bezüglich dessen optischer und flexibler Eigenschaften" sei nicht relevant, da die Optik im Streitpatent keine Rolle spiele, ist dies nicht überzeugend. Denn diese Feststellung beruht auf einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis des Streitpatents bei gleichzeitiger Nichtberücksichtigung der Lehre des Ausgangspunktes D2.
4.4.3 Insoweit auf der Rückseite des Gestricks in D2 (u.a. in Absatz [0035]) noch weitere Fasermaterialien eingesetzt werden, so werden in D2 hierzu ebenfalls keine Gewebe offenbart. Erwähnt werden lediglich Vliese (also ein Wirrfaserverbund) oder Faserverbünde wie glasfaserverstärkter Kunststoff (also ein Verbundwerkstoff aus in einer Kunststoffmatrix eingelagerten, bezüglich Länge und Ausrichtung unspezifizierten Fasern).
4.4.4 Somit hat die Fachperson keinen Anlass, noch zusätzlich oder im Austausch der weiteren Fasermaterialen ein Gewebe vorzusehen. Aber selbst wenn die Fachperson dies in Betracht ziehen sollte, so gibt das allgemeine Fachwissen keinerlei Anlass, solche Gewebe in weniger als 30% der Fläche vorzusehen. Soweit sich D2 mit der flächendeckenden Vorsehung von Fasern beschäftigt, finden sich nur Aussagen zu dem Gestrick, und hier nur dahingehend, 50% oder mehr der Fläche mit dem Gestrick zu versehen (D2, Absatz [0057]).
4.5 Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale b) und c) in Verbindung mit D1
In D1 wird die Faserverstärkung durch eine zusätzliche Schicht extern zu dem polymerisiertem Grundkörper mit Füllstoffen - also dem eigentlichen Beckenkörper gemäß Anspruch 1 - realisiert. Entsprechendes würde die Fachperson daher auch für ein Becken gemäß D2 als zusätzliche Verstärkung vorsehen.
Zudem nennt D1 eine Vielzahl von alternativen Ausführungsformen für die Faserverstärkung, ohne dass diese durch spezifische Eigenschaften voneinander abgegrenzt werden (siehe D1, Absatz [0007]: "die Faserverstärkung kann die Form von einzelnen Fasern, Faservliesen, Fasermatten, Fasergeweben oder ähnlichen Gebilden aufweisen").
Selbst wenn die Fachperson, entgegen der Offenbarung von D1, in Betracht ziehen sollte, eine Faserverstärkung gemäß D1 in die Kunststoffmatrix des Beckenformteils einzubinden, führt dies nicht zur Erfindung. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Fachperson aus diesen verschiedenen Möglichkeiten nun gerade das Gewebe aussuchen sollte.
All dies führt zudem ohnehin nicht zu Merkmal c).
4.6 Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale b) und c) in Verbindung mit D13
D13 ist auf Leichtbau-Formteile im "Verkehrswesen" gerichtet, und zwar im Wesentlichen unter der Verwendung von Mineralschäumen als Füllstoff, die andere Brucheigenschaften aufweisen. Daher liegt eine Anwendung der Lehre von D13 für ein Beckenformteil gemäß D2 für die Fachperson nicht nahe.
Selbst wenn jedoch die Fachperson die Lehre von D13 berücksichtigen würde, führte dies nicht in offensichtlicher Weise zur Erfindung. Zwar offenbart Anspruch 2 von D13 Vliese, Gestricke, Gewebe und Gewirke als gleichwertige Alternativen. Dies gibt der Fachperson aber keine Motivation, das Gestrick oder das ggf. das Vlies oder das Faserverbundmaterial in D2 gegen ein Gewebe auszutauschen, um dessen Bruchsicherheit zu verbessern.
Zudem gibt auch D13 keinen Hinweis auf Merkmal c).
4.7 Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale b) und c) in Verbindung mit D14
D14 betrifft die Verstärkung einer Kunststoffmatrix ggf. mit Füllstoffen (Absatz [0051]) - und zwar allgemein zur Herstellung von Formteilen (Absatz [0004]) - mit unidirektionalen Naturfasern, insbesondere auch Geweben (Absatz [0026]). Das Ziel ist die Verbesserung der Festigkeitseigenschaften.
Zwar scheint dies auf eine Formteilstruktur im Sinne der Merkmale [1.2], [1.4], [1.6] und [1.7] hinzudeuten.
Selbst wenn jedoch die Fachperson das Gewebe (beispielsweise als Ersatz für das Vlies in D2 in Betracht ziehen würde, findet sich zumindest kein Hinweis zu Merkmal c) in D14.
4.8 Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale b) und c) in Verbindung mit D15
D15 betrifft die Verstärkung eines Kompositwerkstoffes aus dem Bauwesen oder der Automobilindustrie mit guter Schallabsorptionsfähigkeit, umfassend eine mit Wirrfasern gefüllte thermoplastische Kunststoffmatrix, die Luftporen enthält. Hierzu werden Streifen aus unidirektionalen Fasern beispielsweise in Form von "Gittergeweben" ein- oder beidseitig in die Oberfläche mittels erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur in die thermoplastische Kunststoffmatrix "eingeprägt" (Seite 5, letzter Absatz). Dies erfolgt nicht vollflächig, sondern dort, "wo im Bauteil später Verstärkungen gebraucht werden. Der Beschwerdeführerin kann soweit zugestimmt werden, dass dies eine Anordnung der Gewebe auf nur einem kleinen Teil der Fläche im Sinne von Merkmal [1.5] lehrt.
Die Kammer ist jedoch bereits nicht überzeugt, dass die Fachperson allein aufgrund der in D15 gestellten Aufgabe, die Schallabsorptionseigenschaften mit den Festigkeitseigenschaften optimiert abzustimmen, dieses Dokument überhaupt zur Lösung der hier zu betrachtenden technischen Aufgabe heranziehen würde. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
Zudem kommt die Fachperson selbst unter Berücksichtigung der Lehre von D15 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1. Denn dieser fordert, dass die Fasern in den Kompositwerkstoff einerseits einpolymerisiert und nicht (thermisch) eingepresst werden (Merkmale [1.4] und [1.5]), und andererseits von einer Schicht ausgehärteten Bindemittels abgedeckt sein sollen (Merkmal [1.7]), was durch das Einpressen nicht für alle Fasern erfüllt ist (vgl. D15, Figuren 3 und 4 und Seite 7, Zeilen 18 bis 25: "obersten Verstärkungsfasern VF sichtbar").
4.9 Da bereits die Merkmale b) und c) in Kombination auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, kann die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit bezüglich Merkmal a) dahin gestellt bleiben.
Die Kammer merkt dennoch an, dass im Hinblick auf die in D2 herausgestellten optischen Eigenschaften des Gestrickes unter Verwendung einer transparenten Sichtseite die Verwendung von Füllstoffen zumindest nicht anregen.
4.10 Daher beruht der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Da keiner der Einspruchsgründe gegen das erteilte Patent durchgreift, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Zulassung der mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. November 2023 vorgebrachten, von der Beschwerdegegnerin als verspätet vorgebracht gerügten und in dieser Entscheidung dennoch zugunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigten, letztlich aber erfolglos gebliebenen Argumente kann daher dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für die Zulassung von allein auf die abhängigen Ansprüche gerichteten Angriffslinien.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.