T 1117/20 () of 16.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T111720.20230616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2023
Aktenzeichen: T 1117/20
Anmeldenummer: 16000259.8
IPC-Klasse: A47L 5/14
A01G 1/12
E01H 1/08
F01P 5/02
B08B 5/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SAUG-/BLASGERÄT
Name des Anmelders: Andreas Stihl AG & Co. KG
Name des Einsprechenden: Stanley Black & Decker, Inc.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Neuheit - implizite Offenbarung
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2214/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

In dieser hatte die Einspruchsabteilung unter anderem festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, und der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem damaligen Hilfsantrag 1 nicht neu sei.

II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 hat sich die Kammer vorläufig der Auffassung der Einspruchsabteilung zum Hauptantrag angeschlossen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den mit Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2 schien der Kammer nicht neu, der gemäß Hilfsantrag 2 überdies unzulässig erweitert zu sein.

III. Am 16. Juni 2023 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz unter Beteiligung beider Parteien statt.

IV. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag, mit Schreiben vom 8. November 2018 (wieder) eingereicht, hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge 1 oder 2, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, oder gemäß Hilfsantrag 3, mit Schreiben vom 20. April 2023 eingereicht.

Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (Hervorhebung der gegenüber der erteilten Fassung zusätzlich enthaltenen Merkmale durch die Kammer):

"Saug-/Blasgerät mit einem Gebläse (5), das im Saugbetrieb einen Saugluftstrom durch ein Saugrohr (2) des Saug-/Blasgeräts (1, 41, 81) ansaugt, wobei das Gebläse (5) von einem Antriebsmotor angetrieben ist, wobei die Strömungsrichtung (9) des Saugluftstroms von einer Ansaugöffnung (8) des Saugrohrs (2) zum Gebläse (5) gerichtet ist, wobei das Saug-/Blasgerät (1) eine Umschalteinrichtung (6, 36, 56, 86) zur Umschaltung zwischen Saugbetrieb und Blasbetrieb aufweist, wobei das Gebläse (5) im Blasbetrieb einen Blasluftstrom durch das Saugrohr (2) fördert, dessen Strömungsrichtung (10) von dem Gebläse (5) zu der Ansaugöffnung (8) gerichtet ist, und wobei das Saug-/Blasgerät (1, 41, 81) eine Austrittsöffnung (15, 55) für Sammelgut umfasst, die im Saugbetrieb stromab des Saugrohrs (2) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass die Umschalteinrichtung (6, 36, 56, 86) die Drehrichtung (23, 24) des Gebläses (5) umschaltet."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat gegenüber Anspruchs 1 des Hauptantrags die folgenden zusätzlichen Merkmale (Hervorhebung durch die Kammer):

" ... einen Blasluftstrom durch das Saugrohr (2) fördert, dessen Strömungsrichtung (10) von dem Gebläse (5) zu der Ansaugöffnung (8) gerichtet ist, wobei das Saug-/Blasgerät (1, 41, 81) eine Eintrittsöffnung (13, 53) aufweist, die im Blasbetrieb stromauf des Saugrohrs (2) angeordnet ist und durch die das Gebläse (5) im Blasbetrieb Luft ansaugt und wobei das Saug-/Blasgerät (1, 41, 81) eine Austrittsöffnung (15, 55) für Sammelgut umfasst,

dadurch gekennzeichnet, dass das Gebläse (5) ein Axialgebläse mit mindestens einem Gebläserad (12) ist und dass die Umschalteinrichtung (6, 36, 56, 86) die Drehrichtung (23, 24) des Gebläses (5) umschaltet.".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hat gegenüber Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 die folgenden zusätzlichen Merkmale (Hervorhebung durch die Kammer):

" ... dadurch gekennzeichnet, dass das Gebläse (5) ein Axialgebläse mit mindestens einem Gebläserad (12) ist, dass die Eintrittsöffnung (13, 53) an der der Ansaugöffnung (8) abgewandt liegenden Seite des Saugrohrs (2) angeordnet ist, und dass die Umschalteinrichtung (6, 36, 56, 86)die Drehrichtung (23, 24) des Gebläses (5) umschaltet."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hat gegenüber Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 die folgenden zusätzlichen Merkmale (Hervorhebung durch die Kammer):

" ... dadurch gekennzeichnet, dass das Gebläse (5) ein Axialgebläse mit mindestens einem Gebläserad (12) ist, dass das Gebläse (5) in dem Saugrohr (2) angeordnet ist, dass die Eintrittsöffnung (13, 53) an der der Ansaugöffnung (8) abgewandt liegenden Seite des Saugrohrs (2) angeordnet ist, dass die Eintrittsöffnung (13) mit einem Gitter (14) abgedeckt ist, um das Einsaugen größerer Elemente in das Saugrohr (2) zu vermeiden, und dass die Umschalteinrichtung (6, 36, 56, 86) die Drehrichtung (23, 24) des Gebläses (5) umschaltet.

VI. Nachfolgend wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E9: WO 2006/120377 A1

E10: WO 2009/144257 A1.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

In der veröffentlichten Anmeldung sind die Merkmale einer Austrittsöffnung unabhängig von denen einer Eintrittsöffnung offenbart.

Beim Sauggebläse nach E9 ist weder die Lage einer Eintrittsöffnung im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 gezeigt, noch ein Axialgebläse implizit vorhanden.

Hilfsantrag 3 stellt eine Reaktion auf einen erstmals von der Beschwerdekammer erhobenen Einwand gegen Hilfsantrag 2 dar und sollte unter diesen außergewöhnlichen Umständen nach Artikel 13(2) VOBK zugelassen werden. Zu dem räumt er offensichtlich alle Einwände gegen Hilfsantrag 2 aus.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin-Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Eine Eintrittsöffnung muss bei einem Saug-/Blasgerät schon aus logischen Gründen vorhanden sein, sobald eine Austrittsöffnung in Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommen wird.

Der Fachmann kann E9 sinnvollerweise nur so verstehen, dass sie die Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 vorwegnehme. Insbesondere entfalten die breit funktional formulierten Merkmale der Öffnungen keine wirkliche einschränkende Wirkung.

Die Überprüfung von Anspruchsänderungen im Beschwerdeverfahren durch eine Kammer ist kein außergewöhnlicher, sondern ein zu erwartender Umstand. Einwände der Einsprechenden hinsichtlich Klarheit und erfinderischer Tätigkeit sind von der Patentinhaberin für den neu vorgelegten Hilfsantrags 3 weder diskutiert, noch behoben worden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Das Patent und sein technischer Hintergrund

Das Patent betrifft ein Saug-/ Blasgerät, insbesondere einen Laubsauger, der zugleich Laubbläser ist. Durch eine Ansaugöffnung an einem freien Ende eines Saugrohrs werden im Saugbetrieb Luft, Blätter etc. von einem Gebläse angesaugt und durch eine Austrittsöffnung wieder abgegeben, z.B. an eine Sammeleinrichtung. Im Blasbetrieb wird Luft durch eine Eintrittsöffnung von dem in anderer Drehrichtung betriebenen Gebläse angesaugt und über Saugrohr und Ansaugöffnung wieder ausgestoßen. Eine Umkehrung der Strömungsrichtung wird also durch eine Richtungsänderung eines Axialgebläses mithilfe einer Umschalteinrichtung veranlasst, Absätze [0006] und [0008]. Aufgabe der Erfindung soll eine einfache Gestaltung eines solchen Saug-/Blasgeräts sein, Absatz [0004].

3. Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

3.1 Die dem Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der erteilten Fassung hinzugefügten Merkmale bezüglich einer Austrittsöffnung entstammen wortgleich dem ursprünglichen Anspruch 9. Dieser ist auf den ursprünglichen Anspruch 8 rückbezogen, der entsprechende Merkmale einer Eintrittsöffnung enthält.

Das Argument der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, wonach der ursprüngliche Anspruch 9 nur "aus formalen Gründen" auf den ursprünglichen Anspruch 8 rückbezogen sein muss, da sich der folgende Anspruch 10 sowohl auf Eintritts-, als auch Austrittsöffnung bezieht, überzeugt die Kammer nicht. Anspruch 9 hätte sich ohne weiteres auch auf einen der vorhergehenden Ansprüche rückbeziehen können statt nur auf Anspruch 8, und Anspruch 10 dann auf ein Saug-/Blasgerät "nach den Ansprüchen 8 und 9" gerichtet werden können.

Gemäß der Anspruchsstruktur setzt also das Vorhandensein einer Austrittsöffnung zunächst das einer Eintrittsöffnung voraus. In dieser Allgemeinheit dürfte dies dem Fachmann, einem Diplomingenieur mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet von motorgetriebenen Geräten für Haus und Garten, ohnehin bewusst sein. Um einen Blas- und Saugbetrieb überhaupt zu gewährleisten, bedarf es generell einer Eintrittsöffnung, die im Blasbetrieb stromauf des Gebläses liegt, und einer Austrittsöffnung, die im Saugbetrieb stromab des Gebläses liegt. Dabei sind Eintritts- und Austrittsöffnung in den Ansprüchen 8 und 9 funktional im Betrieb definierte Merkmale, können also beide auch in einer strukturellen Öffnung realisiert sein, die im Blasbetrieb als Eintrittsöffnung fungiert und im Saugbetrieb als Austrittsöffnung. Vor diesem Hintergrund besteht die in den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9 enthaltene zusätzliche technische Information hauptsächlich in der Angabe der relativen Lage der Öffnungen zum Saugrohr, nämlich nicht im Saugrohr, sondern vor dem Ende des Saugrohrs, das dessen Ansaugöffnung gegenüber liegt. Wenn dies für die Austrittsöffnung nach Anspruch 9 der Fall ist, soll es offensichtlich für die Eintrittsöffnung nach Anspruch 8 genauso gelten.

Der ursprüngliche Anspruch 9 selbst bildet demnach keine vollständige Offenbarungsgrundlage für die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen. Denn letzterer hat ein Saug-/Blasgerät zum Gegenstand, das zwar eine Austrittsöffnung außerhalb des Saugrohrs, aber nicht zwingend eine solche Eintrittsöffnung aufweist. Daher ist zu prüfen, ob es andernorts innerhalb der Gesamtoffenbarung der ursprünglichen Anmeldung eine solche Grundlage gibt.

3.2 Hierfür kommt Absatz [0008] der veröffentlichten Anmeldung in Frage, der die Merkmale der abhängigen Ansprüche 8 und 9 aufgreift.

Dort werden Eintritts- und Austrittsöffnungen zunächst in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen gleichermaßen als "vorteilhaft" eingeführt. Dadurch wird zwar einerseits die Abhängigkeit des Anspruchs 9 vom Anspruch 8 nicht durch eine entsprechenden Formulierung hervorgehoben und bestätigt, wie z.B. dass das Saug-/Blasgerät desweiteren eine Austrittsöffnung außerhalb des Saugrohrs umfasst, also als optionales vorteilhaftes Merkmal zur bereits vorher eingeführten Eintrittsöffnung außerhalb des Saugrohrs. Andererseits stehen die beiden Sätze jedoch auch nicht in offenem Widerspruch zu dieser Abhängigkeit, denn sie stellen beide Öffnungen nicht als eindeutig voneinander unabhängige Merkmale dar, z.B. mit einer Formulierung wie "desweiteren oder alternativ".

Im nächsten Satz wird dann aus der jeweils als vorteilhaft präsentierten Positionierung einer Eintrittsöffnung und einer Austrittsöffnung außerhalb des Saugrohrs gefolgert, dass "demnach" weiter "vorteilhaft" das Saugrohr mit drei Öffnungen versehen ist, nämlich der bereits früher eingeführten Ansaugöffnung, einer Eintrittsöffnung sowie einer Austrittsöffnung. Diese Merkmalskombination entspricht dem in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiel, bei dem Eintritts- und Austrittsöffnung 13, 15 nicht nur funktional, sondern auch strukturell unterschiedliche Öffnungen sind. Sie ist eine vom ursprünglichen Anspruch 9 ebenfalls abgedeckte, aber im Vergleich zu einer bloßen Kombination der Ansprüche 8 und 9 eingeschränkte Alternative. Eine breitere Alternative als durch diese Kombination vorgegeben, nämlich wie jetzt beansprucht ohne außerhalb des Saugrohrs gelegener Eintrittsöffnung, ist hingegen auch hier nicht durch eine entsprechende Ausdrucksweise gestützt, obwohl dies, falls beabsichtigt, ohne weiteres möglich gewesen wäre, z.B.: "mindestens zwei Öffnungen, nämlich die Ansaugöffnung sowie eine Eintritts- und/oder eine Austrittsöffnung".

3.3 Wie oben dargelegt, steht vorliegend im Gegensatz zu den Fällen, die die Grundlage für die von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin erwähnte ständige Rechtssprechung bilden (siehe RSdBK, 10. Auflage, II.E.1.3.2), eine semantische Auslegung das Absatzes [0008] weder in Konflikt mit dem fachmännischen Verständnis wie in T 99/13 (Entscheidungsgrund 3.5), noch mit der Anspruchsstruktur wie in T 2619/11 (in der übrigens semantisch ausgelegt wird, Entscheidungsgründe 2.7 - 2.9).

Wenn die Austrittsöffnung gemäß dem ursprünglichen Anspruch 9 außerhalb des Saugrohrs angeordnet ist, soll dies offensichtlich für die Eintrittsöffnung nach dem ursprünglichen Anspruch 8 genauso gelten. Dieser Sachverhalt ist technisch weder problematisch, noch zweideutig, noch in Widerspruch zum übrigen Offenbarungsgehalt der veröffentlichten Anmeldung. Da der Fachmann ein Techniker ist und kein Patentanwalt, ist für ihn lediglich maßgeblich, dass diese Einschränkung technisch klar definiert und im Rahmen der Gesamtoffenbarung technisch schlüssig ist, nicht ob sie von Vor- oder Nachteil für den Schutzumfang ist.

3.4 Aus alledem schließt die Kammer, dass die ursprüngliche Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig ein von Anspruch 1 umfasstes Saug-/Blasgerät mit einer Austrittsöffnung offenbart, das keine Eintrittsöffnung aufweist, die im Blasbetrieb stromauf des Saugrohrs angeordnet ist. Daher geht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag entgegen der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinaus.

4. Zulassung der Dokumente E9 - E11 sowie der Hilfsanträge 1 und 2

4.1 In Punkt 4 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK hat sich die Kammer wie folgt zum Antrag der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin geäußert, die im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden als Reaktion auf geänderte Anträge eingereichten Dokumente E9 - E11 nicht zum Verfahren zuzulassen:

"Die Einspruchsabteilung hat E9 - E11 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ zum Verfahren zugelassen, da sie sie als prima facie relevant betrachtete. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin wendet sich nun gegen diese Zulassung. Die Kammer bemerkt zuerst, dass ihr keine Rechtsgrundlage bekannt ist, wonach die Zulassung von Dokumenten, auf denen die Einspruchsentscheidung beruht, rückgängig gemacht werden kann. Im übrigen vermag sie auch keine Fehler in der Ermessensausübung durch die Einspruchsabteilung zu erkennen. Die Abteilung scheint die richtigen Kriterien (prima facie Relevanz) angewandt und die Parteien dazu gehört zu haben (Abschnitte 3.1, 3.2, 6.2 des Protokolls).

Die Einspruchabteilung scheint somit die Dokumente E9 - E11 nicht ermessensfehlerhaft zugelassen zu haben."

4.2 Die Zulassung der Hilfsanträge hat die Kammer in Punkt 5 dieser Mitteilung aus folgenden Gründen vorläufig in Aussicht gestellt.

"Die erstmals mit Beschwerdebegründung von der Patentinhaberin vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2 stellen Änderungen im Sinne von Artikel 12(2), (4) VOBK dar, deren Zulassung zum Beschwerdeverfahren dem Ermessen der Kammer unterliegt.

Wie bereits oben in Punkt 3.2 erwähnt und von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin vorgetragen, ist eine Beanstandung hinsichtlich einer unzulässigen Erweiterung erstmals in der mündlichen Verhandlung erhoben worden. In dieser hatte die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin dann nicht mit einer Korrektur bzw. Ergänzung fehlender Merkmale reagiert, sondern einen anders gelagerten Hilfsantrag 3 vorgelegt, dem statt des strittigen Merkmals "Austrittsöffnung" nur Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 6 und 7 hinzugefügt worden waren, um vor allem auch den Erfordernissen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu genügen.

In Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist nun das von der Einspruchabteilung als in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und früherem Hilfsantrag 2 als fehlend angesehene Merkmal "Eintrittsöffnung" ergänzt worden. Dadurch scheint der festgestellte Mangel einer unzulässigen Erweiterung zunächst behoben worden zu sein.

Da die Hilfsanträge 1 und 2 somit eine zeitnahe, legitime und wenig komplexe Änderung in Reaktion auf die Einspruchsentscheidung zu sein scheinen, beabsichtigt die Kammer derzeit, sie zum Verfahren zuzulassen."

4.3 Da beide Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung von einer Stellungnahme hierzu absahen, blieb die Kammer bei ihrer Auffassung, dass die Dokumente E9 - E11 Bestandteil des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens sind, und ließ die Hilfsanträge 1 und 2 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK zum Verfahren zu.

5. Hilfsantrag 1 - Neuheit

5.1 E9 befasst sich mit einer Schneidevorrichtung, durch die ein Saug- oder Saug-/Blasgerät als Trimmer verwendbar ist (siehe Seite 1, vorletzter Absatz - Seite 2, erster Absatz; Seite 4, vorletzter Absatz). Ein Sauggerät 2, das auch als Rasensauger, Rasenbläser, Laubbläser oder Laubsauger bezeichnet werden kann, ist in Fig. 1 dargestellt, Seite 4, fünftletzter vollständiger Absatz. In der anschließenden Textpassage bis Seite 5, erster Absatz ist es folgendermaßen beschrieben:

Es weist ein Saugrohr 6 mit einer Ansaugöffnung an seinem offenen Ende auf, das mit seinem gegenüberliegenden Ende mit einem Gehäuse 4 verbunden ist. Im Gehäuse 4 befinden sich ein Gebläse und ein Motor. Seitlich weist das Gehäuse 4 einen Rohrstutzen auf, der auf einer Seite über eine seitliche Austrittsöffnung 8 für Sammelgut an einen mittleren, mit einem Haltegriff 5 versehenen Gehäuseteil anschließt und auf der anderen Seite eine Anschlusskupplung 20 zur Verbindung mit einem Sammelbehälter 10 aufweist. Dass der Rohrstutzen Teil des Gehäuses 4 ist, ergibt sich daraus, dass der Sammelbehälter 10 als über die Anschlusskupplung 20 mit dem Gehäuse 4 verbunden dargestellt ist ("collection system 10 is connected to the housing 4 by a port coupling 20"). Im Saugbetrieb liegt die Austrittsöffnung 8 stromab des Saugrohrs 6.

5.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin ist die im vorletzten Absatz auf Seite 4 getroffene Aussage über die Umkehr der Gebläselaufrichtung, um das Sauggerät auch als Blasgerät betreiben zu können, nicht speziell auf das in Fig. 1 gezeigte Sauggerät gemünzt, sondern weist auf eine allgemein bestehende Möglichkeit hin. Dies ergäbe sich zum einen aus der allgemein gehaltenen Formulierung, dass "oft die Richtung des Gebläses geändert werden kann", zum anderen daraus, dass die Schneidvorrichtung der E9 ja gerade bei verschiedenen Saug- oder Saug-/Blasgeräten nachrüstbar sein soll.

Für die Kammer wird dem Fachmann in der Figur 1 der E9, aber ein Gerät gezeigt, das in verschiedenen Varianten vorliegen und jeweils ein Basisgerät für die Schneidevorrichtung bilden kann, ohne dass sich deswegen seine grundlegende Gestaltung ändert. Entsprechend wird es eingangs seiner Beschreibung mit einer Anzahl verschiedener Bezeichnungen belegt, sowohl als Sauger, als auch als Bläser (siehe oben Punkt 5.1). Auch kann das mit Schaufeln ausgestattete Gebläse entweder von einem Elektro- oder einem Benzinmotor angetrieben werden. Schließlich ist der bewusste vorletzte Absatz auf Seite 4 mitten in die Beschreibung der übrigen Merkmale des in Fig. 1 dargestellten Geräts eingebettet. Folgerichtig bezieht er sich ausdrücklich auf das (vorher eingeführte) Gebläse, nicht auf ein Gebläse, und erläutert die umgekehrte Arbeitsweise als Blasgerät anhand des gleichen Saugrohrs mit dem Bezugszeichen 6 aus Fig. 1.

5.3 Dieser Absatz ist also auf das in Fig. 1 gezeigte Saug-/Blasgerät zu lesen. Ihm zufolge kann die Drehrichtung des Gebläses geändert werden ("... the direction of the fan can be changed, so as to ... operate as a blower... "). Nach Verständnis der Kammer umfasst der Begriff "fan" (Gebläse) in diesem Zusammenhang realistischerweise nur zwei Möglichkeiten: ein Axial- oder Radialgebläse. Mit einem Radialgebläse, bei dem Luft axial angesaugt, aber tangential zum Lüfterrad wieder abgegeben wird, wäre eine solche Umkehrung der Strömungsrichtung allein durch Laufrichtungsänderung des Lüfterrads nicht möglich. Deshalb schließt die Kammer aus dieser Angabe auf Seite 4 der E3, dass das Gebläse dort ein Axialgebläse ist und dass eine Umschaltvorrichtung vorhanden sein muss, um die Umkehrung zu ermöglichen.

Zunächst kann die Kammer keine andere technisch sinnvolle Lesart des Ausdrucks "the direction of the fan can be changed" erkennen, als dass er sich auf die Drehrichtung des Gebläses bezieht. Durch Änderung der Drehrichtung lässt sich unmittelbar und einfach das nachfolgend erwähnte Ziel realisieren, einen Druck-, also Blasluftstroms anstelle des typischerweise zum Einsaugen genutzten Unterdruck- bzw. Saugluftstromes bereitzustellen. Dass ein Benutzer dafür das Gehäuse 4 öffnen und die Richtung des Gebläses im Sinne seiner Einbauorientierung selbst ändern soll, kann vernünftigerweise ausgeschlossen werden, allein schon aus Haftungs- und Gewährleistungsgründen.

Dem Fachmann ist durchaus bewusst, dass bei dem Gerät der Fig. 1, in dessen Gehäuse 4 die Luft um 90° umgelenkt werden muss, ein Radialgebläse, bei dem Luft axial ein- und tangential austritt, prinzipiell von Vorteil wäre. Dies gilt jedoch nur, wenn das Gerät allein als Sauggerät fungiert. Ein Drehrichtungswechsel, der nach E9 bei einem Saug-/Blasgerät erforderlich ist, um die obige Zielsetzung zu erreichen, ist bei einem Radialgebläse nämlich nicht möglich.

5.4 Nach der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin erkennt der Fachmann eine alternative Möglichkeit, um das in Fig. 1 gezeigte Sauggerät auch im Blasbetrieb verwenden zu können, ohne dass hierfür zwingend ein Axialgebläse vorhanden sein muss. Das Saugrohr 6 und der Sammelbehälter 10 könnten beide vom Gehäuse abgezogen werden. Darauf würde die Anschlussöffnung für das Saugrohr mit dem in Fig. 1 zu sehenden, kreisrunden Lamellengitter abgedeckt und bilde so eine vor eingesaugten Fremdkörpern geschützte Eintrittsöffnung. Mithilfe der Anschlusskupplung 20 würde statt des Sammelbehälters 10 ein zweites Saugrohr für den Blasbetrieb mit dem Gehäuse 4 verbunden werden.

Es mag sein, dass solche Geräte-Sets mit verschiedenen Anschlussteilen schon lange im Handel erhältlich und dem Fachmann geläufig sind. Durch den Umbau des Geräts mit einem solchen Set wird die Richtung des Gebläses aber nicht umgekehrt, wie in der genannten Passage auf Seite 4 der E3 eindeutig angegeben. Somit sieht der Fachmann eine solche alternative Ausgestaltung nicht durch diese Passage offenbart. Bei normaler Lesart versteht er diese so, wie es dort klar beschrieben ist: die Richtung des Gebläses wird umgekehrt.

5.5 Unstreitig ist, dass der Sammelbehälter 10 des in Fig. 1 gezeigten Geräts 2 von der Anschlusskupplung abgezogen werden muss, wenn das Gerät im Blasbetrieb arbeiten soll. Weil, wie oben erörtert, eine Luftstromumkehr laut E9 über einen Drehrichtungswechsel des Gebläses erreicht wird, wird im Blasbetrieb dann Luft durch das mit der Anschlusskupplung 20 versehene Ende des Rohrstutzens eingesaugt, dort wo in Fig. 1 auch das Bezugszeichen 20 seine Bezugslinie hat. Dieses offene Ende des Rohrstutzens bildet somit eine Eintrittsöffnung im Sinne des Anspruchs 1.

Anspruch 1 ist, wie oben in den Punkten 3.1 und 3.2 dargelegt, nicht auf das Vorhandensein dreier strukturell unterschiedlicher Öffnungen beschränkt, sondern Eintritts- und Austrittsöffnung können strukturell auch zusammenfallen. Deshalb kann die Eintrittsöffnung in E9, Fig. 1 auch in dem im Saugbetrieb als Austrittsöffnung fungierenden "side port" 8 gesehen werden.

5.6 Da E9 somit eindeutig und unmittelbar ein Saug-/Blasgerät mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 offenbart, ist dessen Gegenstand nicht neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ.

6. Hilfsantrag 2 - Neuheit

6.1 Gemäß Anspruch 1 ist die Eintrittsöffnung an der der Ansaugöffnung abgewandt liegenden Seite angeordnet. Dies bedeutet nicht, dass die Eintrittsöffnung dort unmittelbar anschließt. Auch im Ausführungsbeispiel des Patents ist zwischen Saugrohr 2 und Eintrittsöffnung 14 ein Ventil 17 angeordnet, das das Saugrohr 2 im Blasbetrieb über einen Rohrabschnitt 21 mit der Eintrittsöffnung 14 verbindet, siehe Absatz [0013], Fig. 1, 4.

Ebenso ist beim Saug-/Blasgerät der E9 die Eintrittsöffnung 8 oder 20 unter Zwischenschaltung des Gehäuses 4 am der Ansaugöffnung abgewandten Ende des Saugrohrs 6 angeordnet, Fig. 1.

Auch die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet nicht, dass die Position der Anschlusskupplung 20 in Fig. 1 der E9 an der der Ansaugöffnung des Saugrohrs abgewandten Seite gelegen ist. Dieses Merkmal wurde laut Absatz [091] ihrer Beschwerdebegründung zur Abgrenzung gegen E10 eingeführt.

6.2 Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 2 nicht neu gegenüber der Offenbarung der E9.

7. Hilfsantrag 3 - Zulassung

7.1 Hilfsantrag 3 wurde von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin mit ihrem Schreiben vom 20. April 2023 als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK eingereicht worden. In dieser hatte die Kammer die folgenden vorläufigen Einwände gegen Hilfsantrag 2 erhoben:

"Hilfsantrag 2 - Klarheit und unzulässige Erweiterung

Die Kammer hat gegenwärtig keine Schwierigkeit, die Bedeutung des hinzugefügten Merkmals zu verstehen, Artikel 84 EPÜ. Insbesondere scheint es ausgeschlossen, dass es sich bei den erwähnten Seite um gegenüberliegende Seiten einer zylindrischen Gehäusewand handelt. Es sollte klar sein, dass sich eine Ansaugöffnung im Saugbetrieb endseitig am Saugrohr befindet.

Das in Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal stammt aus der ursprünglichen Beschreibung, Ende des Absatzes [0012], und betrifft die relative Anordnung der Einlassöffnung 13 zum Saugrohr 2 bzw. zur Ansaugöffnung 8. Die Absätze [0011] und [0012] beschreiben ein bestimmtes, in Fig. 1 der Anmeldung dargestelltes Ausführungsbeispiel. Fraglich scheint, ob die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 aus diesem Zusammenhang isoliert werden können. Beispielsweise ist im vorherigen Satz des Absatzes [0012] ein Gitter 14 erwähnt, nicht jedoch in Anspruch 1. Wesentlich scheint vor allem, dass in diesem Ausführungsbeispiel das Gebläse 5 im Saugrohr 2 angeordnet ist, wie in Absatz [0011] beschrieben, damit bei der beanspruchten relativen Anordnung der Öffnungen ein Umschalten zwischen Saug- und Blasbetrieb überhaupt möglich ist. Auch dieses Merkmal findet sich nicht in Anspruch 1.

Daher scheint der Gegenstand des Anspruch 1 nicht von der ursprünglichen Offenbarung abgedeckt zu sein, sondern eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darzustellen, Artikel 123(2) EPÜ.

Hilfsantrag 2 - Neuheit

Wie oben in Punkt 4 erläutert, scheint sich gemäß E9 die Eintrittsöffnung in einem der Rohrstutzen des Gehäuses 4 zu befinden. Das Gehäuse 4 wiederum schließt unmittelbar an die Seite des Saugrohrs 6 an, die der der Austrittsöffnung abgewandt liegt. Dass die Eintrittsöffnung im Saugrohr selbst oder an einem freien Ende des Saugrohrs ausgebildet ist, scheint nicht beansprucht zu sein.

Daher scheint auch das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 aus E9 bekannt und dessen Gegenstand nicht neu gegenüber der Offenbarung der E9 zu sein."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthält die in der Mitteilung erwähnten zusätzlichen Merkmale hinsichtlich des Gitters 14 und der Anordnung des Gebläses im Saugrohr.

7.2 Gemäß Artikel 13(2) VOBK bleibt Hilfsantrag 3 mit dem solchermaßen geänderten Anspruch 1 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn es wurden stichhaltige Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aufgezeigt.

7.2.1 Anders als die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin sieht die Kammer es weder als außergewöhnlichen Umstand an, dass sie den erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsantrag 2 auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ überprüft, noch, dass sie hierbei zu einer vorläufig negativen Beurteilung kommt. Wie die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin anerkennt, ist die Kammer verpflichtet, von Amts wegen geänderte Unterlagen auf die Voraussetzungen des Artikels 123(2) EPÜ zu prüfen, so dass dies im Gegenteil eher als äußerst gewöhnlicher Umstand gelten sollte, RSdBK, 10. Auflage, V.A.3.2.3k). Einen Neuheitseinwand ausgehend von E9 hatte die Beschwerdeführerin-Einsprechende bereits in Absatz 45 ihres Schreibens vom 23. November 2020 gegen Hilfsantrag 1 erhoben und für Hilfsantrag 2 nur wegen Unklarheit vorläufig zurückgestellt (Absatz 59). Wie oben in Punkt 6.1 erwähnt, ging die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin wohl selbst davon aus, dass das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hinzugefügte Merkmal lediglich Neuheit gegenüber E10, aber nicht gegen E9 herstellen könnte. Deshalb musste sie damit rechnen, dass bei der Überprüfung ihres neuen Hilfsantrags 2 von der Kammer entsprechende Mängel festgestellt und Einwände erhoben werden.

7.2.2 Würde ein durch eine im Beschwerdeverfahren erfolgte Änderung eines Antrags verursachter Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ, der durch die Kammer vorläufig festgestellt wird, als außergewöhnlicher Umstand bereits die Zulassung eines weiteren geänderten Antrags rechtfertigen, mit dem unter Umständen erfolglos versucht würde, diesen Mangel zu beheben, oder andere Mängel eingeführt würden, wären geänderte Anträge kaskadenartig so lange zuzulassen, bis sie die Erfordernisse des EPÜ erfüllten. Dies stünde nicht in Einklang mit dem eigentlichen Zweck des Beschwerdeverfahrens, der Überprüfung einer erstinstanzlichen Entscheidung, wie auch in T 2214/15, Entscheidungsgründe 5.4, 1.Absatz erörtert.

7.2.3 Im Hinblick auf den zentralen Aspekt der Verfahrensökonomie können außergewöhnliche Umstände auch dann vorliegen, wenn unmittelbar ersichtlich ist, dass die Änderungen zu einem gewährbaren Antrag führen, also die bestehenden Einwände vollständig ausräumen, RSdBK, 10. Auflage V.A.4.5.4a), letzter Absatz. Dies trifft vorliegend aber auch nicht zu. Selbst wenn durch die Änderung in Hilfsantrag 3 Neuheit gegenüber der Offenbarung der E9 hergestellt würde, macht die Beschwerdeführerin-Einsprechende nach wie vor mangelnde erfinderische Tätigkeit ausgehend von E9 als nächstem Stand der Technik geltend. Ins Gewicht fällt hier zudem, dass die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin mit Einreichung des Hilfsantrags 3 zwar angibt, die Änderungen räumten die in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK enthaltenen Einwände unter Artikel 123(2) und 54 EPÜ aus, aber nichts dazu vorträgt, aus welchen Gründen der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E9 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Ihr diesbezüglicher Sachvortrag ist somit nicht vollständig und ermöglichte keine entsprechende Vorbereitung der Kammer auf die Diskussion dieser Frage in der mündlichen Verhandlung.

7.3 Aus den vorstehenden Gründen hat die Kammer Hilfsantrag 3 nicht zum Verfahren zugelassen, Artikel 13(2) VOBK.

8. Ergebnis

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Patentinhaberin letztlich erfolglos gegen den Befund der Einspruchsabteilung, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus. Da sie den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen ehemaligen Hilfsantrag 1 im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt, ist die entsprechende Entscheidung der Einspruchsabteilung auf Aufrechterhaltung des Patents im Umfang dieses ehemaligen Hilfsantrags 1 aufzuheben. Dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 nicht neu ist, und Hilfsantrag 3 unter Artikel 13(2) VOBK nicht zum Verfahren zugelassen wurde, führt schließlich zu dem von der ebenfalls beschwerdeführenden Einsprechenden beantragten Widerruf des Patents.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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