T 0953/20 (WACKER CHEMIE / CARBAMATOORGANOSILANE) of 20.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T095320.20230620
Datum der Entscheidung: 20 Juni 2023
Aktenzeichen: T 0953/20
Anmeldenummer: 14771839.9
IPC-Klasse: C07F 7/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON CARBAMATOORGANOSILANEN
Name des Anmelders: Wacker Chemie AG
Name des Einsprechenden: Momentive Performance Materials, Inc.
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention R 106
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja)
Änderung nach Ladung - Hauptantrag zugelassen (ja)
Hauptantrag - unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Rügepflicht - Einwand erhoben (ja)
Rügepflicht - Einwand zurückgewiesen
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0042/17
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden ("Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent Nr. 3 046 925 ("Streitpatent") in geänderter Fassung in Form des Hauptantrags, dessen Ansprüche mit Schriftsatz vom 11. Juli 2018 eingereicht wurden, und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen (CS) der allgemeinen Formel (3),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

bei dem ein Aminoorganosilan (AS) der allgemeinen Formel (4),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

mit einem Dialkylcarbonat (DAC) der allgemeinen Formel (5),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in Gegenwart eines basischen Katalysators (K) umgesetzt wird, wobei

R**(1), R**(3), R**(4) und R**(5) gleich oder verschieden sein können und jeweils einen einwertigen, unsubstituierten oder substituierten Kohlenwasserstoffrest darstellen,

R**(2) einen zweiwertigen, unsubstituierten oder substituierten Kohlenwasserstoffrest darstellt, und

x einen Wert 1, 2 oder 3 bedeutet,

bei dem es während der Reaktion eine Periode (P1) gibt, in der die Reaktionstemperatur für die Dauer von mindestens 30 Minuten in einem Bereich von 35 bis 65 °C liegt, und es eine zeitlich später liegende Reaktionsperiode (P2) gibt, in der die Reaktionstemperatur zwischen 70 und 130 °C und mindestens 10 °C höher liegt als während der Periode (P1) liegt."

III. Der Einspruch gegen das Streitpatent wurde auf die Gründe der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ gestützt. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Beweismittel eingereicht.

D1: US 5,218,133

D2: US 6,673,954

D7: Zusammenstellung von Literaturzitaten zum Thema: "Vervollständigung von exothermen Reaktionen durch Nachheizen"

Erklärung von Prof. Ganter vom 4. September 2019

Erklärung von Dr. Stanjek vom 19. September 2019

IV. Die Einspruchsabteilung kam zu folgendem Schluss:

- Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

- Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegendem Stand der Technik.

V. In ihrer Beschwerdebegründung vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass Anspruch 1 gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße. Der Anspruchsgegenstand sei ferner nicht erfinderisch ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegendem Stand der Technik. Sie stützte ihre Argumente hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit unter anderem auf einen neu eingereichten Versuchsbericht (Anlage zur Beschwerdebegründung).

VI. In ihrer Beschwerdeerwiderung vertrat die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") hingegen die Ansicht, dass der im Hauptantrag beanspruchte Gegenstand die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfülle. Außerdem beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegendem Stand der Technik. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit stützte die Beschwerdegegnerin ihre Argumente unter anderem auf neu eingereichten Ausführungen zu D7 (Anlage 1 der Beschwerdeerwiderung).

VII. Die Parteien wurden antragsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020. In dieser Mitteilung äußerte die Kammer unter anderem die vorläufige Meinung, dass der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierte Gegenstand die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle.

VIII. Mit Schriftsatz vom 12. April 2023, eingegangen am 13. April 2023, erwiderte die Beschwerdegegnerin auf die Mitteilung der Kammer und reichte unter anderem Anspruchssätze der zwei neuen Hilfsanträge 2 und 3 ein.

IX. Mit einem darauffolgenden Schriftsatz nahm die Beschwerdeführerin zum Schriftsatz der Beschwerdegegnerin Stellung.

X. Am 20. Juni 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer in Anwesenheit beider Parteien als Videokonferenz statt. Während der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdeführerin folgenden Einwand geltend: "Wir rügen die Zulassung der neuen Hilfsanträge 2 und 3 unter Artikel 113 (1) EPÜ. Die mit Schriftsatz vom 12. April 2023 und damit erst zwei Monate vor dem Verhandlungstermin eingereichten Hilfsanträge werfen neue rechtliche und sachliche Fragen auf, die wir innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ausreichend klären konnten. Aus diesem Grund beanstanden wir die Verletzung unseres rechtlichen Gehörs unter Artikel 113 (1) EPÜ". Dieser Einwand wurde von der Kammer zurückgewiesen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdegegnerin den mit Schriftsatz vom 12. April 2023 eingereichten Hilfsantrag 2 zu ihrem Hauptantrag. Sie nahm ihre vormals höherrangigen Anträge zurück.

XI. Anträge

Die abschließenden Anträge der Parteien, die für die Entscheidung relevant sind, lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents. Außerdem beantragte sie, den mit Schriftsatz vom 12. April 2023 als Hilfsantrag 2 eingereichten Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit Schriftsatz vom 12. April 2023 als Hilfsantrag 2 eingereichten Hauptantrags.

XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Ausführungen der Beschwerdeführerin werden nachfolgend zusammengefasst. Weitere Einzelheiten sind den nachstehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen.

Zulassung des Hauptantrags zum Verfahren:

- Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei für die Zulassung des Hauptantrags einschlägig. Es lägen keine außergewöhnliche Umstände vor, die die Zulassung des Hauptantrags rechtfertigten.

Artikel 123 (2) EPÜ:

- Die im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierte Kombination der Temperaturbereiche während der Reaktionsperioden P1 und P2 mit der im Anspruch angegebenen Temperaturdifferenz sei in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Erfinderische Tätigkeit:

- Entweder das Dokument D1 oder das Dokument D2 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

- Ausgehend von D1 liege die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens mit einem leicht höheren Umsatz.

- Die beanspruchte Lösung sei naheliegend im Lichte von D1 selbst und/oder des allgemeinen Fachwissens, siehe diesbezüglich D7 und die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Prof. Ganter.

- Ausgehend von D2 liege die objektive technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens.

- Die beanspruchte Lösung sei naheliegend im Lichte von D2 selbst, D1 und/oder des allgemeinen Fachwissens, siehe diesbezüglich die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Prof. Ganter.

Rechtliches Gehör:

- Die Zulassung des Hauptantrags habe neue Fragen hinsichtlich der Offenbarung der vorgenommenen Änderungen in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung so wie deren Implikationen für die erfinderische Tätigkeit aufgeworfen.

- Die Beschwerdeführerin habe nicht genug Zeit gehabt, um zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Ihr rechtliches Gehör sei somit verletzt worden.

XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Ausführungen der Beschwerdegegnerin werden nachfolgend zusammengefasst. Einzelheiten sind den nachstehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen.

Zulassung des Hauptantrags:

- In ihrer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung habe die Kammer neue Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ erhoben.

- Die Beschwerdegegnerin habe so rasch wie möglich auf diese Einwände reagiert und neue Hilfsanträge eingereicht. Insbesondere die im Anspruch 1 gemäß dem eingereichten Hilfsantrag 2, jetzt Hauptantrag, vorgenommenen Änderungen räumten die neuen Einwände der Kammer aus. Es lägen somit außergewöhnliche Umstände vor, die die Zulassung des Hauptantrags rechtfertigten.

Artikel 123 (2) EPÜ:

- Die in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierte Kombination der Temperaturbereiche während der Reaktionsperioden P1 und P2 mit der im Anspruch angegebenen Temperaturdifferenz sei in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung, insbesondere im Anspruch 5 in Kombination mit dem dritten Absatz auf Seite 7 unmittelbar und eindeutig offenbart.

Erfinderische Tätigkeit:

- Entweder das Dokument D1 oder das Dokument D2 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

- Ausgehend von D1 liege die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens mit einem höherem Umsatz.

- Die beanspruchte Lösung sei erfinderisch im Lichte von D1 selbst, oder von D1 in Kombination mit D2 und dem allgemeinen Fachwissen, siehe diesbezüglich die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Dr. Stanjek. Auch D7 könne die erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen.

- Ausgehend von D2 liege die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens.

- Die beanspruchte Lösung sei erfinderisch im Lichte von D2 selbst, oder von D2 in Kombination mit D1 und/oder des allgemeinen Fachwissens, siehe diesbezüglich die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Dr. Stanjek.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schriftsatz vom 12. April 2023) - Zulassung zum Verfahren

1. Der Hauptantrag wurde von der Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 12. April 2023, d.h. mehr als zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung, als neuer Hilfsantrag 2 eingereicht.

1.1 Die Beschwerdeführerin beantragte, diesen Antrag nicht zum Verfahren zuzulassen. Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei für die Beurteilung der Zulassung einschlägig.

1.1.1 Sie führte aus, es lägen keine außergewöhnliche Umstände vor, die die Zulassung des spät eingereichten Hauptantrags rechtfertigten. Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrags seien von der Beschwerdeführerin schon vor der Einspruchsabteilung erhoben und in der Beschwerdebegründung wiederholt worden. Daher hätte die Beschwerdegegnerin den jetzigen Hauptantrag spätestens mit der Beschwerdeerwiderung einreichen müssen. Im Lichte der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände sei nicht überraschend, dass die vorläufige Meinung der Kammer hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ für die Beschwerdegegnerin negativ gewesen sei. Auch stelle die Tatsache, dass diese vorläufige Meinung der Kammer sich von der Entscheidung der Einspruchsabteilung unterscheide, keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Diesbezüglich verwies die Beschwerdeführerin auf die Veröffentlichung Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, Seite 1614, Punkt h) und insbesondere auf die dort angeführte Entscheidung T 42/17. Die Beschwerdeführerin bemängelte außerdem die Tatsache, dass sie den jetzigen Hauptantrag nicht direkt von der Beschwerdegegnerin erhalten habe, sondern lediglich durch das EPA, so dass die Beschwerdegegnerin sich nicht bemüht habe, den neuen Antrag der Beschwerdeführerin so schnell wie möglich zukommen zu lassen. Zudem sei der diesen Antrag begleitende Schriftsatz auf Deutsch verfasst worden, was eine zusätzliche zeitaufwendige Übersetzung in die englische Sprache erfordert habe. Aus diesem Grund fühlte sich die Beschwerdeführerin vom späten Einreichen des jetzigen Hauptantrags benachteiligt.

1.1.2 Die Beschwerdeführerin war ferner der Ansicht, dass die in Anspruch 1 gemäß dem jetzigen Hauptantrag enthaltenen Änderungen neue Fragen hinsichtlich der Abgrenzung zum Stand der Technik und daher der erfinderischen Tätigkeit, insbesondere aufgrund der höheren Temperaturuntergrenze sowie der neuen Temperaturdifferenz, aufwarfen. Es sei auch nicht prima facie evident, dass die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt seien. Somit sei die Zulassung des Hauptantrags der Verfahrensökonomie abträglich.

Die Kammer merkt an, dass diese Einwände auf die in Artikel 13 (1) VOBK 2020 genannten Kriterien abstellen.

1.2 Die Kammer hat aufgrund folgender Erwägungen entschieden, den Hauptantrag gemäß Artikel 13 (2) und (1) VOBK, anwendbar gemäß Artikel 24 und 25 VOBK, zum Verfahren zuzulassen.

1.2.1 Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Antrags (Punkt II oben) enthielt folgende Änderungen (a) und (b) gegenüber Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung:

a) Die Temperatur in der ersten Reaktionsperiode P1 liegt in einem Bereich von 35 bis 65 °C. Im ursprünglichen Anspruch 1 lag diese Temperatur zwischen 35 und 80 °C.

b) Der im ursprünglichen Anspruch 1 lediglich durch die Temperaturdifferenz zur Temperatur während der Periode P1 definierte Bereich der Temperatur in der zweiten Reaktionsperiode P2 wurde als ein Bereich von 70 bis 130 °C spezifiziert.

1.2.2 In der Beschwerdebegründung (Seite 4) machte die Beschwerdeführerin folgende Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ geltend:

- Es sei bereits zweifelhaft, ob die Wahl des Temperaturbereichs während der ersten Reaktionsperiode P1 von 35 bis 65°C an sich in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart sei.

- Ferner sei die Kombination der Temperaturbereiche in den Perioden P1 und P2 in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Sie resultiere aus einer Auswahl aus zwei Listen.

- Außerdem sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung der in Anspruch 1 aufgenommene Temperaturbereich von 70 bis 130 °C in P2 nur im Zusammenhang mit einer höheren Temperaturdifferenz zwischen P1 und P2 von mindestens 15°C, vorzugsweise mindestens 20°C, offenbart. Diese Merkmale - Bereich und Temperaturdifferenz - seien in der ursprünglich eingereichten Anmeldung eindeutig miteinander verknüpft, da die Wahl eines bestimmten höheren Temperaturbereichs in P2 auch Auswirkungen auf die erforderliche Temperaturdifferenz habe.

Die gleichen Einwände wurden von der Beschwerdeführerin vor der Einspruchsabteilung erhoben (siehe die angefochtene Entscheidung, Punkt 3.1.2).

1.2.3 In ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 (siehe Punkte 5.3.2 und 5.3.4) erhob die Kammer allerdings zwei zusätzliche Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ in Bezug auf Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Antrags:

- Die aufgenommene Temperaturobergrenze von 65°C während P1 werde auf Seite 7, Zeilen 3 bis 8 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur in Kombination mit einer Temperaturuntergrenze, die höher als die im Anspruch 1 genannten 35°C ist, offenbart. Zumindest sei eine Auswahl der Untergrenze des breiten in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf Seite 3 offenbarten Temperaturbereiches sowie eine Auswahl einer der auf Seite 7 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarten Obergrenzen notwendig, um zum in Anspruch 1 für die Reaktionsperiode P1 genannten Temperaturbereich von 35 bis 65°C zu gelangen.

- Die in Anspruch 1 definierte gesamte Kombination einer Temperatur während P1 zwischen 35 und 65°C mit einer Temperatur während P2 zwischen 70 und 130°C, die mindestens 10°C höher als in P1 liegt, resultiere mindestens aus einer Dreifachauswahl, nämlich die beiden oben hinsichtlich der Reaktionsperiode P1 angesprochenen beiden Auswahlen sowie die Auswahl des auf Seite 7 offenbarten Temperaturbereiches von 70 bis 130 °C für die Reaktionsperiode P2.

1.2.4 Diese Einwände durch die Kammer unterscheiden sich substantiell von den oben genannten von der Beschwerdeführerin vor der Einspruchsabteilung und in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Einwände (a) und (b). Sie waren erstmals in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 gegen den von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Antrag erhoben worden und die Beschwerdegegnerin konnte nicht zwangsläufig mit diesen neuen Einwänden rechnen. Diese neuen Einwände seitens der Kammer stellen daher außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 dar, auf die die Beschwerdegegnerin adäquat und umgehend reagiert hat.

1.2.5 In Anbetracht der im jetzigen Hauptantrag vorgenommen Änderungen wurden die Bedenken der Kammer unter Artikel 123 (2) EPÜ schon auf Basis einer prima facie Beurteilung ausgeräumt (zur Begründung in der Sache siehe nachfolgend Abschnitt 2 mit Unterpunkten). Außerdem war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer über die Zulassung nicht ersichtlich, dass eine Zulassung des jetzigen Hauptantrags neue Fragen bezüglich der Abgrenzung zum Stand der Technik aufwerfen würde, geschweige denn solche, auf die sich die Beschwerdeführerin nicht hätte angemessen vorbereiten können. Im Schriftsatz vom 12. April 2023 hatte die Beschwerdegegnerin nämlich u.a. mitgeteilt, dass ihre Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit zum Antrag, der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet worden war, mutatis mutandis für die mit diesem Schriftsatz eingereichten Anträge, darunter der jetzige Hauptantrag, gelte (siehe Schriftsatz vom 12. April 2023, Seite 19, letzter Absatz). Somit sah die Kammer die Zulassung dieses Antrags auch als nicht der Verfahrensökonomie abträglich an.

1.2.6 Wie oben ausgeführt stimmt die Kammer ferner mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass sie rasch auf die oben genannten neuen Einwände der Kammer unter anderem in Form des jetzigen Hauptantrags reagiert hat. Selbst wenn die Beschwerdegegnerin diesen Antrag der Beschwerdeführerin nicht direkt zugeleitet hat, hat das EPA ihn zusammen mit dem begleitenden Schriftsatz, am 18. April 2023, d.h. nur zwei Arbeitstage später, und damit mehr als zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdeführerin übermittelt. Dies ergibt sich aus der öffentlichen Akte, die über die Webseite des Europäischen Patentregisters online eingesehen werden kann, und wurde während der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Außerdem stellt die Tatsache, dass der den jetzigen Hauptantrag begleitende Schriftsatz auf Deutsch verfasst wurde, keinen besonderen zusätzlichen Aufwand für die Beschwerdeführerin dar, weil Deutsch die Verfahrenssprache ist, und in dieser die Beschwerdegegnerin im gesamten Beschwerdeverfahren vorgetragen hat.

1.2.7 Eine aus der Zulassung des jetzigen Hauptantrags resultierende Benachteiligung der Beschwerdeführerin ist daher nicht ersichtlich. In der Tat hat auch die Beschwerdeführerin in ihrem dem Einreichen des jetzigen Hauptantrags folgenden Schriftsatz vom 19. Mai 2023 sowie in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Ausführungen zur Frage der Zulassung u.a. des damaligen Hilfsantrags 2, jetzt Hauptantrag, in Bezug auf die ihr für die Vorbereitung einer Erwiderung zur Verfügung stehende Zeit nichts eingewandt.

1.3 Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung kann ihr Vorbringen, dass der Antrag nicht zuzulassen sei, nicht unterstützen. In der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung T 42/17 (Punkte 4.3 und 4.4 der Gründe) rechtfertigte die Patentinhaberin das Einreichen neuer Hilfsanträge nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit dem Argument, dass diese Hilfsanträge eine Reaktion auf die in der vorläufigen Meinung der Kammer erhobenen Einwände darstellten, da diese Meinung von der Auffassung der Einspruchsabteilung abwich. Die zuständige Kammer folgte diesem Argument nicht, da die Einwände bereits vor der Einspruchsabteilung erörtert und von der Einsprechenden in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin erwähnt worden waren. Laut der zuständigen Kammer musste die Patentinhaberin daher damit rechnen, dass die Kammer eine vorläufige Stellungnahme abgeben könnte, die von der Stellungnahme der Einspruchsabteilung abweichen würde. Die Patentinhaberin hatte nicht nachgewiesen, dass die vorläufige Stellungnahme der Kammer einen Einwand enthielt, der zuvor noch nie erhoben worden war.

1.4 Wie oben ausgeführt, unterscheidet sich die Sache im vorliegenden Fall grundlegend von der der Entscheidung T 42/17 zugrundeliegenden Situation. Insbesondere hat die Kammer, wie oben dargestellt, im vorliegenden Fall in ihrer in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 abgegebenen vorläufigen Meinung neue Einwände erhoben, die vorher nicht im Verfahren vorgebracht worden waren. Die Gründe für die Nichtzulassung der Hilfsanträge in der Entscheidung T 42/17 sind daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

1.5 Aus den oben genannten Gründen entschied die Kammer unter Berücksichtigung des Artikels 13, Absätze (1) und (2), VOBK 2020, den mit Schriftsatz vom 12. April 2023 als Hilfsantrag 2 eingereichten Hauptantrag zum Verfahren zuzulassen.

Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schriftsatz vom 12. April 2023) - Anspruch 1 - Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ

2. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt, wobei die Änderungen zu Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung von der Kammer hervorgehoben wurden (identischer Text wurde teilweise der Kürze halber weggelassen):

"1. Verfahren zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen (CS)... bei dem es während der Reaktion eine Periode (P1) gibt, in der die Reaktionstemperatur für die Dauer von mindestens 30 Minuten in einem Bereich von [deleted: 35] 45 bis [deleted: 80] 65 °C liegt, und es eine zeitlich später liegende Reaktionsperiode (P2) gibt, in der die Reaktionstemperatur zwischen 70 und 130 °C und mindestens [deleted: 10 ]15 °C höher liegt als während der Periode (P1)."

2.1 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass die beanspruchte Kombination der Temperaturbereiche während P1 und P2 mit der angegebenen Temperaturdifferenz zwischen P1 und P2 in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht individualisiert offenbart sei. Der von der Beschwerdegegnerin genannte ursprüngliche Anspruch 5 offenbare zwar einen Temperaturbereich während P1 von 45 bis 65 °C, dies jedoch nur in Kombination mit einer Temperaturdifferenz von 10 °C. Um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, seien mehrere Auswahlen aus verschiedenen Listen notwendig. Die in Anspruch 1 definierte Kombination stelle lediglich eine aus der Vielzahl von Permutationen der in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbarten Möglichkeiten für die oben genannten Merkmale dar. Ein Hinweis auf die ausgewählte Kombination liege in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht vor.

2.2 Diese Argumente sind nicht überzeugend.

2.2.1 Der ursprüngliche Anspruch 5 definiert ein Verfahren gemäß ursprünglichem Anspruch 1, bei dem die Temperatur während der Reaktionsperiode P1 bei 45 °C bis 65 °C liegt, so wie im Anspruch 1 des Hauptantrags gefordert. Diese Ausführungsform des beanspruchten Verfahrens ist daher individualisiert und somit unmittelbar und eindeutig in Anspruch 5 der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart.

2.2.2 Diese Ausführungsform enthält allerdings noch keine Angabe bezüglich der Temperatur während P2. Es wird lediglich eine Temperaturdifferenz zwischen P1 und P2 von mindestens 10 °C definiert (siehe ursprünglicher Anspruch 1, von dem der ursprüngliche Anspruch 5 abhängig ist).

2.2.3 Dieser im ursprünglichen Anspruch 5 unmittelbar und eindeutig offenbarten Ausführungsform des Verfahrens wurde im Anspruch 1 des Hauptantrags die konkrete Angabe der Temperatur während P2 hinzugefügt. Die einzige Stelle der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, wo der Temperaturbereich während P2 offenbart ist, ist Seite 7, dritter Absatz. Hier ist jedoch der bevorzugte in Anspruch 1 eingeführte Temperaturbereich von 70 bis 130 °C nur in Kombination mit einer bevorzugten Temperaturdifferenz zwischen P1 und P2 von mindestens 15 °C offenbart. Um eine Zwischenverallgemeinerung dieser Kombination zu vermeiden, wurden daher beide auf Seite 7, dritter Absatz, offenbarten Merkmale im Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommen. Dabei wurde der Argumentation der Beschwerdeführerin hinsichtlich des früheren von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrags gefolgt (siehe Punkt 1.2.2 oben).

2.2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag resultiert somit aus der Kombination der konkreten im ursprünglichen Anspruch 5 offenbarten Ausführungsform mit der im Text der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung befindlichen Offenbarung des Temperaturbereiches während P2 und der damit untrennbar verbundenen Temperaturdifferenz zwischen P1 und P2 von mindestens 15 °C.

2.3 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.

2.4 Aus den vorigen Überlegungen ist ferner erkennbar, dass der Hauptantrag die unter dem obigen Punkt 1.2.3 ausgedrückten Bedenken der Kammer unter Artikel 123 (2) EPÜ hinsichtlich des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrags schon auf der Basis einer prima facie Beurteilung ausräumte. In der Tat ist keine Doppelauswahl mehr nötig, um zum Temperaturbereich während P1 zu gelangen. Die einzige Auswahl, die notwendig ist, ist die des Temperaturbereiches während P2 zwischen 70 und 130 °C, der auf Seite 7, dritter Absatz, der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung als bevorzugt in Kombination mit der bevorzugten Temperaturdifferenz von 15 °C offenbart ist.

Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schriftsatz vom 12. April 2023) - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ

3. Der nächstliegende Stand der Technik

Im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung (Seite 11, Punkt 5.1) haben beide Parteien Dokument D1 oder Dokument D2 als den nächstliegenden Stand der Technik angesehen.

Dokument D1

3.1 D1 (Spalte 1, Zeilen 53 bis 61) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen, bei dem ein Aminoorganosilan mit einem Dialkylcarbonat in Gegenwart eines basischen Katalysators umgesetzt wird. Gemäß D1 (Spalte 6, Zeilen 22 bis 28) liegt die Temperatur der Reaktion zwischen dem Aminoorganosilan und dem Dialkylcarbonat zwischen 10 und 120°C, vorzugsweise zwischen 25 und 80°C, und besonders bevorzugt zwischen 20 und 60°C.

Beispiel 3 von D1 (Spalte 11) offenbart ein Verfahren, bei dem Dimethylcarbonat einer Mischung von Aminopropyltrimethoxysilan und Natriummethanolat bei 45°C zudosiert wird. Nach 4,5 Stunden (diese Reaktionsperiode entspricht P1 nach Anspruch 1) wird die Temperatur der Mischung auf 50°C erhöht und 2,5 Stunden lang gehalten (diese Reaktionsperiode entspricht P2 nach Anspruch 1).

In Beispiel 4 der D1 wird ein ähnliches Verfahren offenbart, wobei die Temperatur erst bei 40°C 3 Stunden lang gehalten wird, dann auf 35°C gesenkt und 4 Stunden lang gehalten, und dann auf 50°C erhöht und 4 Stunden lang gehalten wird.

3.2 Die Unterscheidungsmerkmale

Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sich vom Verfahren von D1 dadurch unterscheidet, dass die Temperatur in der zweiten Reaktionsperiode P2 zwischen 70 und 130°C liegt. Wie oben erwähnt, beträgt diese Temperatur gemäß den Beispielen 3 und 4 der D1 lediglich 50°C.

3.3 Die objektive technische Aufgabe

3.3.1 In ihren Ausführungen unter Punkt 3.2.1.2.1 der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin die Ansicht vertreten, dass die im Streitpatent enthaltenen Beispiele und Vergleichsbeispiele sowie die mit Schriftsatz vom 27. Februar 2019 von der Beschwerdegegnerin eingereichten Versuche keine technische Wirkung des oben genannten Unterscheidungsmerkmals zeigen könnten. Dies liege daran, dass kein Vergleichsbeispiel des Streitpatents der Lehre der D1 entspreche. Sie führte ferner aus, dass die Dauer der Reaktionsperiode P1 ein wesentliches Merkmal des erfindungsgemäßen Verfahrens sei. Dauere P1 zu lang, könne ein Reaktivitätsverlust nicht vermieden werden, so dass die Erhöhung der Temperatur in P2 zur Vermeidung eben dieses Reaktivitätsverlustes nutzlos sei. Da die Dauer der P1 in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht definiert sei, werde die von der Einspruchsabteilung formulierte technische Aufgabe (Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens, bei dem ein Reaktivitätsabfall vermieden wird und die Reaktionszeit bis zur vollständigen Umsetzung verkürzt wird; siehe angefochtene Entscheidung, Seite 22, Punkt 5.3.18) nicht über die gesamte Breite des Anspruchs gelöst. Im Lichte der von der Beschwerdegegnerin berücksichtigten Beispiele könne die objektive technische Aufgabe daher lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens liegen (Seite 9 der Beschwerdebegründung, letzter Absatz vor Punkt 3.2.1.2.2).

3.3.2 In Abweichung hierzu vertrat die Beschwerdeführerin allerdings in ihren Ausführungen unter Punkt 3.2.1.2.2 der Beschwerdebegründung gleichzeitig die Auffassung, dass ihre neu mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuche 1 bis 4 (Anlage der Beschwerdebegründung) zeigten, dass die technische Wirkung des oben genannten Unterscheidungsmerkmals eine leichte Erhöhung des Umsatzes des Aminosilans sei. Im Lichte dieser Versuche hat die Beschwerdeführerin die objektive technische Aufgabe als die Bereitstellung eines Verfahrens mit einem leicht höherem Umsatz formuliert. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin diese Formulierung zwar wiederholt. Sie hat jedoch ausgeführt, dass diese technische Aufgabe nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1 gelöst werde. Dies liege daran, dass weder die Dauer der Reaktionsperiode P1 noch die Menge des im Verfahren eingesetzten Katalysators in Anspruch 1 angegeben werden. Dauere P1 lang genug, so sei der Umsatz des Aminosilans schon nach P1 vollständig, so dass die Erhöhung der Temperatur in P2 nicht mehr zum Umsatz des Aminosilans beitrage. Ähnliches gelte hinsichtlich der Katalysatormenge. Setze man eine geringe Katalysatormenge ein, die anspruchsgemäß abgedeckt sei, erreiche man keinen vollständigen Umsatz des Aminosilans und löse damit die von der Beschwerdegegnerin genannte Aufgabe nicht. Hierbei bezog sich die Beschwerdeführerin auf die als Anlage zur Beschwerdebegründung eingereichten Versuche 1 bis 4. Diese zeigten, dass eine höhere Katalysatormenge zu einer niedrigeren Restmenge an Aminosilan am Ende der Reaktion führe.

3.3.3 Die Kammer merkt diesbezüglich an, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuche 1 bis 4 tatsächlich zeigen, dass das anspruchsgemäße Verfahren einen höheren Umsatz des Aminosilans gegenüber einem Verfahren gemäß D1 bewirkt, siehe die Tabelle auf Seite 2 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuchsberichts: Versuche 1 und 3 sind gemäß D1; Versuche 2 und 4 gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Ergebnisse zeigen, dass bei einem anspruchsgemäßen Verfahren die Restmenge an Aminosilan weniger als die Hälfte gegenüber der bei einem Verfahren nach D1 erhaltenen Restmenge beträgt. Ferner zeigen Beispiele 1 und 2 des Streitpatents (Seite 6 und Tabelle auf Seite 7), bzw. die entsprechenden Passagen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, dass das anspruchsgemäße Verfahren einen vollständigen Umsatz des Aminosilans innerhalb einer gesamten Reaktionszeit von 3 Stunden ermöglicht. Im Gegensatz dazu zeigen Versuche 1 und 3 der Beschwerdeführerin, die die Lehre der D1 darstellen, dass die Restmenge des Aminosilans nach einer gesamten Reaktionszeit von 7 Stunden noch 2,68 % bzw. 4,83 % beträgt. Somit ist mit dem Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unzweifelhaft ein höherer Umsatz des Aminosilans verbunden. Daher liegt die objektive technische Aufgabe, ausgehend von D1, in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen mit höherem Umsatz.

3.3.4 Die Kammer folgt diesbezüglich dem Argument der Beschwerdeführerin nicht, dass diese technische Aufgabe vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht über die gesamte Anspruchsbreite gelöst wird. Selbst wenn anspruchsgemäß die Dauer von P1 beliebig lang sein kann, so dass der Umsatz des Aminosilans schon nach P1 vollständig ist, wird mit dem beanspruchten Verfahren noch immer ein höherer Umsatz (nämlich 100%) im Vergleich zu D1 erreicht. Die oben formulierte objektive technische Aufgabe wird somit gelöst. Die Tatsache, dass in diesem Fall die Temperaturerhöhung während P2 zu keinem weiteren Umsatz führen würde, ist bezüglich der Lösung der oben formulierten objektiven technischen Aufgabe durch den beanspruchten Gegenstand unerheblich. Hinsichtlich des Arguments der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Katalysatormenge stellt die Kammer fest, dass dieses Argument auf Versuchen basiert, die sich nicht durch das Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1 unterscheiden, sondern durch die Katalysatormenge (vgl. Versuche 1 und 3 sowie Versuche 2 und 4, die als Anlage zur Beschwerdebegründung eingereicht wurden). Nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern können Vergleichsversuche zum Nachweis bzw. zum Verneinen einer für die erfinderische Tätigkeit vorgebrachten technischen Wirkung jedoch nur benutzt werden, wenn sich diese Vergleichsversuche lediglich durch das Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik unterscheiden. Aus diesem Grund sind die Vergleiche zwischen den Versuchen 1 und 3 bzw. 2 und 4, die als Anlage zur Beschwerdebegründung eingereicht wurden, für die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe nicht relevant.

3.4 Naheliegen der Lösung

3.4.1 Bezüglich des Naheliegens der Lösung hat die Beschwerdeführerin auf Spalte 6 von D1 verwiesen, wo eine Temperatur bis 120°C für die Reaktion offenbart sei. Sie hat ferner auf die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Prof. Ganter verwiesen, nach der D1 lehre, dass die Reaktion leicht exotherm sei. Es gehöre daher zum Allgemeinwissen des Fachmanns, die Reaktion aus thermodynamischen Gründen bei einer niedrigeren Temperatur zu beginnen und später die Temperatur zu erhöhen, beispielsweise auf die in D1 genannten 120 °C, um die Reaktion abzuschließen, die sonst aus kinetischen Gründen nicht vollständig ablaufen würde. Die Durchführung des Endstadiums einer solchen Reaktion bei höheren Temperaturen sei gängige Praxis, um eine vollständige Umsetzung zu gewährleisten. Stelle der Fachmann nach dem ersten Stadium der Reaktion fest, dass das Reaktionsprodukt noch nicht umgesetztes Ausgangsmaterial enthält, sei es eine naheliegende Maßnahme, die Temperatur in der zweiten Reaktionsperiode weiter zu erhöhen, um den Umsatz des Ausgangsmaterials, in diesem Fall des Aminosilans, zu vervollständigen. Außerdem sei eine solche Verfahrensführung in D1 selbst offenbart. Diesbezüglich verwies die Beschwerdeführerin auf Spalte 10 von D1, wo ein Verfahren offenbart sei, bei dem nach einer Reaktionszeit von 3 Stunden bei Raumtemperatur die Temperatur der Reaktionsmischung auf 50 °C erhöht werde, um die Reaktion zu vervollständigen. Die Temperaturdifferenz betrage 25 °C, so wie von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gefordert. Die Beschwerdeführerin verwies ferner auf Beispiel 3 von D1, gemäß dem Methanol als Reaktionsprodukt angegeben werde. Der Siedepunkt von Methanol betrage etwa 64.7 °C. Um dieses Produkt zu entfernen, hätte der Fachmann die Temperatur oberhalb dessen Siedepunkts erhöht, und wäre somit zu einer Temperatur gelangt, die innerhalb des in Anspruch 1 für die Temperatur während P2 angegebenen Bereiches liege. Für den Fachmann hätte die Lösung daher nahegelegen. Die Beschwerdeführerin war zudem der Ansicht, dass eine zweistufige Verfahrensführung bei exothermen Reaktionen dem Fachmann bekannt gewesen sei. Sie verwies diesbezüglich auf D7, worin verschiedene Literaturstellen zitiert seien, die diese Verfahrensführung offenbarten. Ausgehend von D1 wäre der Fachmann daher in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangt.

3.4.2 Die Kammer erachtet diese Argumente als nicht überzeugend.

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass, ausgehend von den Beispielen 3 und 4 von D1 (siehe oben), der mit der Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe befasste Fachmann eine Vielzahl von Optionen zur Verfügung hatte, um den Umsatz des Aminosilans zu erhöhen. Neben einer Erhöhung der Temperatur nur in der zweiten Reaktionsstufe hätte der Fachmann zum Beispiel eine Erhöhung der Temperatur im gesamten Verfahren, eine Veränderung des Verfahrendrucks, der Reaktionszeit, der Dosierung und Mengen der Reaktanden in Betracht gezogen. Außerdem lehrt D1 in Spalte 6, Zeilen 23 bis 28 und 32 bis 35, dass die Reaktionstemperatur besonders bevorzugt maximal 60 °C beträgt, und dass sich bei hohen Temperaturen unerwünschte Nebenprodukte wie Amine und Wasser bilden. Somit lehrt D1 sogar von einer anspruchsgemäßen Temperatur während P2 von 70 bis 130 °C weg. Tatsächlich wird auch das von der Beschwerdeführerin angesprochene in Spalte 10, Zeilen 13 bis 42 von D1 offenbarte Verfahren bei maximal 50 °C durchgeführt. Um Methanol als Produkt des in Beispiel 3 von D1 beschriebenen Verfahrens zu entfernen, hätte der Fachmann schließlich eher den Druck der Reaktion gesenkt, d.h. ein leichtes Vakuum eingesetzt, statt die Temperatur oberhalb von 60 °C zu erhöhen, was, wie oben erwähnt, laut D1 zu unerwünschten Produkten führen würde.

Die Kammer teilt zudem die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann einen Hinweis in D2 fand, der ihn veranlasst hätte, das gesamte Verfahren bei einer in Vergleich zu D1 höheren Temperatur durchzuführen. So bezieht sich D2, das mehr als zehn Jahre nach D1 veröffentlicht wurde, in Spalte 3, Zeilen 15 bis 30, auf das Verfahren von D1 und lehrt folgendes: "In contrast to the process described in U.S. Pal. No. 5,218,133 [D1], supra, in which aminoorganosilane is combined with a mixture of dimethyl carbonate (an organocarbonate ester) and a basic catalyst such as sodium methoxide (an alcoholate) at ambient temperature with the temperature of the reaction medium being increased only in the terminal phase of the reaction, the process of the present invention combines the organocarbonate with a mixture of aminoorganosilane and basic catalyst and does so with either the organocarbonate, the mixture of aminoorganosilane and basic catalyst or both being at elevated temperature at the time they are combined. As a result of this order of addition of the components of the reaction medium and the initially elevated temperature of at least the organocarbonate reactant or the mixture of the aminoorganosilane and basic catalyst, the process of this invention results in significantly increased production of the desired carbamate product" [Übersetzung durch die Kammer: Im Gegensatz zu dem obigen in D1 beschriebenen Verfahren, bei dem Aminoorganosilan mit einer Mischung aus Dimethylcarbonat (einem Organocarbonatester) und einem basischen Katalysator wie Natriummethoxid (einem Alkoholat) bei Raumtemperatur gemischt wird, wobei die Temperatur des Reaktionsmediums nur in der Endphase der Reaktion erhöht wird, kombiniert das Verfahren der vorliegenden Erfindung das Organocarbonat mit einem Gemisch aus Aminoorganosilan und basischem Katalysator, so dass entweder das Organocarbonat, das Gemisch aus Aminoorganosilan und basischem Katalysator oder beide zum Zeitpunkt der Zusammenfügung bei erhöhter Temperatur vorliegen. Aufgrund dieser Reihenfolge der Zugabe der Komponenten des Reaktionsmediums und der anfänglich erhöhten Temperatur zumindest des Organocarbonat-Reaktanten oder der Mischung aus Aminoorganosilan und basischem Katalysator führt das erfindungsgemäße Verfahren zu einer deutlich erhöhten Produktion des gewünschten Carbamatprodukts](Text in eckigen Klammern und Hervorhebung durch die Kammer). Mit anderen Worten schlug D2 dem Fachmann vor, die Temperatur des gesamten Verfahrens zu erhöhen, um eine bessere Ausbeute von Carbamatoorganosilanen gegenüber D1 zu erreichen. Schon in Spalte 2, Zeilen 16 bis 21 verweist D2 auf D1, und es wurde festgestellt, dass das Verfahren von D1 zu unerwünschten Nebenprodukten und somit zu einer reduzierten Ausbeute von Carbamatoorganosilanen führte. Auch alle Beispiele von D2 (siehe unten) offenbaren Verfahren zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen, bei denen die Temperatur während der gesamten Reaktion über 80 °C beträgt.

Auch hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin angeführten D7 teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdegegnerin. Keine der in D7 zitierten Literaturstellen offenbart ein Verfahren, bei dem ein zweistufiges Temperaturprofil angewendet wird, um den Umsatz des Verfahrens zu erhöhen. Außerdem zeigt keines der in D7 genannten Beispiele die Herstellung von Carbamatoorganosilanen. D7 bezieht sich hingegen auf Grignard-Reaktionen, die ausschließlich aus Sicherheitsgründen bei niedrigerer Temperatur gestartet werden, weil in diesem Fall eine ausbleibende Temperaturerhöhung ein gefährliches Nicht-Anspringen der Reaktion anzeigt. Es werden auch Reaktionen erwähnt, in denen mit hochreaktiven bzw. explosiven Reagenzien wie z.B. Diazoverbindungen gearbeitet wird, weshalb die entsprechenden Reaktionsmischungen erst dann hochgeheizt werden, wenn diese Reagenzien weitgehend abreagiert sind. Weiterhin sind in D7 mehrstufige Reaktionsfolgen genannt, bei denen mindestens zwei unterschiedliche Reaktionen hintereinander durchgeführt werden. Hier ist direkt einsichtig, dass die beiden nacheinander durchgeführten Reaktionen unterschiedliche Bedingungen, d.h. auch unterschiedliche Temperaturen benötigen. Daher zeigt D7 höchstens, dass im Falle von beispielsweise Sicherheitsbedenken eine Reaktion mit der erfindungsgemäßen zweistufigen Temperaturführung durchzuführen ist. Solche Sicherheitsbedenken liegen jedoch für das anspruchsgemäße Verfahren nicht vor.

Die Kammer stimmt ferner der am 19. September 2019 vor der Einspruchsabteilung eingereichten Erklärung von Dr. Stanjek zu, gemäß der der Fachmann auf der Grundlage der Thermodynamik und der Kinetik gegen Ende einer exothermen Reaktion die Temperatur eher senken und nicht erhöhen würde. In der Tat wird gerade durch eine Senkung der Temperatur die Bildung von unerwünschten Nebenprodukten vermieden, die sich durch Weiterreaktion der Reaktionsprodukte bilden, und das Gleichgewicht der Reaktion in Richtung der gewünschten Produkte verschoben.

3.5 Aus den oben genannten Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass ausgehend von D1 der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Dokument D2

3.6 D2 (Spalte 2, Zeile 32, bis Spalte 3, Zeile 13) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Carbamatoorganosilanen, bei dem ein Aminoorganosilan mit einem Organocarbonat in Gegenwart eines basischen Katalysators umgesetzt wird. Gemäß D2 (Spalte 5, Zeilen 8 bis 13) wird das Verfahren so durchgeführt, dass sich die Mischung aus Aminoorganosilan und basischem Katalysator, das Organocarbonat oder beide zum Zeitpunkt ihrer Kombination bei erhöhter Temperatur, vorzugsweise 50 bis 150°C und noch bevorzugter 70 bis 110°C, befinden. Laut D2 (Spalte 5, Zeilen 1 bis 7) bewirkt die Verfahrensführung bei hohen Temperaturen nicht nur eine erhöhte Ausbeute von Carbamatoorganosilanen, sondern auch die Verminderung der Bildung von Nebenprodukten ("heavies" in D2).

Beispiele 1 bis 7 der D2 (Spalten 6 bis 8) offenbaren ein Verfahren, bei dem Aminopropyltrimethoxysilan mit Dimethylcarbonat in Gegenwart von Natriummethanolat umgesetzt wird. Die Temperatur während der Reaktion beträgt 100°C (Beispiel 1), 83°C (Beispiel 2) und 80°C (Beispiele 3, 6 und 7). Gemäß den Beispielen 4 und 5 wird hingegen die Temperatur erst eine Stunde lang bei 80°C gehalten und dann auf 100°C erhöht und eine weitere Stunde lang gehalten.

3.7 Die Unterscheidungsmerkmale

Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag von dem Verfahren der D2 durch eine erste Reaktionsperiode P1 unterscheidet, während der die Temperatur in einem im Vergleich zu den in D2 offenbarten Temperaturen niedrigeren Bereich, nämlich zwischen 45 und 65 °C, liegt.

3.8 Die objektive technische Aufgabe

3.8.1 Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die im Streitpatent enthaltenen Beispiele und Vergleichsbeispiele sowie die mit Schriftsatz vom 27. Februar 2019 von der Beschwerdegegnerin eingereichten Versuche keine technische Wirkung des oben genannten Unterscheidungsmerkmals nachweisen könnten. Dies liege daran, dass kein Vergleichsbeispiel der Lehre der D2 entspreche. Insbesondere zeige Beispiel 4 von D2 eine zweistufige Temperaturführung des Verfahrens und sei daher als Ausgangspunkt besonders geeignet. Es sei keine technische Wirkung des beanspruchten Verfahrens gegenüber diesem Beispiel von D2 festgestellt worden.

3.8.2 Die Beschwerdeführerin führte ferner aus, dass gemäß den Beispielen 4 und 5 der D2 die gesamte Reaktionszeit lediglich 2 Stunden betrage, wobei in Beispiel 2 des Streitpatents, in dem die gleiche Dosierreihenfolge der Reaktanden wie in diesen Beispielen der D2 angewendet wurde, die Reaktionszeit 3 Stunden betrage. Beispiele 6 und 7 der D2 zeigten ferner, dass bei einer konstanten Temperatur von 80°C (diese Temperatur liegt in dem in Anspruch 1 für die Reaktionsperiode P2 genannten Temperaturbereich) keine Restmenge von Aminosilan am Ende der Reaktion vorhanden sei. Auch Beispiele 1 und 2 der D2 zeigten, dass bei einer konstanten Temperatur von 100°C (dies entspricht ebenfalls einer Temperatur, die in dem in Anspruch 1 für die Reaktionsperiode P2 genannten Temperaturbereich liegt) eine sehr niedrige Restmenge von Aminosilan am Ende der Reaktion vorhanden sei.

3.8.3 Infolgedessen formulierte die Beschwerdeführerin die objektive technische Aufgabe als die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens.

3.8.4 Die Kammer teilt hingegen die Auffassung der Beschwerdegegnerin, nach der eine technische Wirkung des oben genannten Unterscheidungsmerkmals aus dem Vergleich von Beispiel 1 gemäß Streitpatent bzw. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung mit Beispiel 6 der D2 erkennbar ist. Die Verfahrensführung dieser Beispiele ist praktisch identisch bis auf das Unterscheidungsmerkmal zwischen Anspruchsgegenstand und D2. Insbesondere wird während der Reaktionsperiode P1 in Beispiel 1 des Streitpatents bzw. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung die Temperatur der Reaktionsmischung eine Stunde lang auf anspruchsgemäßen 55°C gehalten, während in Beispiel 6 der D2 die Temperatur konstant auf 80 °C gehalten wird. In beiden Beispielen liegt am Ende der Reaktion kein Aminosilan mehr vor. Allerdings wurde in Beispiel 1 des Streitpatents bzw. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung im Vergleich zum Beispiel 6 der D2 nur halb so viel Katalysator eingesetzt, was, wie in Absatz [0004] des Streitpatents bzw. auf Seite 1, Zeilen 21 ff. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, ausgeführt, einen wichtigen Vorteil darstellt, da nämlich infolge der geringeren Katalysatormenge eine weniger große Katalysatormenge vor der Aufarbeitung der Rohproduktmischung neutralisiert werden muss, und entsprechend weniger einen zusätzlichen Filtrationsschritt erforderlich machende Metallsalze anfallen.

3.8.5 Zudem wird in Beispiel 1 des Streitpatents bzw. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ein Produkt in einer Reinheit von 98,4% und einer Ausbeute bezogen auf das eingesetzte Amin von >99% erhalten, wohingegen in Beispiel 6 von D2 5,9% an unerwünschten Nebenprodukten ("uneluted heavies" in D2) entstehen.

3.8.6 Ferner unterscheiden sich auch die Beispiele 1 und 3 von den Beispielen 2 und 7 gemäß Patent bzw. der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (siehe Tabelle 1) nur im Unterscheidungsmerkmal des Anspruchsgegenstandes gegenüber D2. Insbesondere ist in den Beispielen 1 und 2 eine Reaktionsperiode vorhanden, während der die Temperatur der Reaktionsmischung eine Stunde lang auf anspruchsgemäßen 55 C gehalten wird. Im Gegensatz dazu wird die Temperatur in den Beispielen 3 und 7 konstant auf 80 °C gehalten. Letzteres entspricht der Temperaturführung in den Beispielen 3, 6 und 7 von D2. Die Ergebnisse zeigen, dass, obwohl nach der ersten Reaktionsperiode P1 die Restmenge am Aminosilan im anspruchsgemäßen Verfahren der Beispiele 1 und 2 höher als in den nicht anspruchsgemäßen Beispielen 3 und 7 ist (vgl. 15.2% vs. 9.1% für die Beispiele 1 und 3 und 5.6% vs. 5.2% für die Beispiele 2 und 7), diese Restmenge in der zweiten Reaktionsperiode P2 der anspruchsgemäßen Beispiele komplett verschwindet. In den die Lehre der D2 widerspiegelnden Beispielen 3 und 7 beträgt die Restmenge am Aminosilan am Ende der zweiten Reaktionsperiode hingegen 8.3% bzw. 4.8%.

3.8.7 Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist die Kammer überzeugt, dass das oben genannte Unterscheidungsmerkmal eine Verbesserung des Verfahrens im Bezug auf den benötigten Katalysatorgehalt, die Konzentration der gebildeten Nebenprodukte und den Umsatz des Aminosilans bewirkt.

3.8.8 Selbst wenn keines der von der Beschwerdegegnerin durchgeführten Vergleichsbeispiele dem Beispiel 4 von D2 entspricht, bei dem eine zweistufige Temperaturführung angewandt wird (erst 80°C und dann 100 °C), sieht die Kammer keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die obigen Verbesserungen auch gegenüber Beispiel 4 von D2 erzielt werden. So liefert Beispiel 4 der D2 im Vergleich zu den oben genannten Beispielen 3, 6 und 7 dieses Dokumentes (vgl. die Tabellen in den Spalten 6 und 7 von D2, wobei A-1110 das Aminosilan darstellt) hinsichtlich der Restmenge des Aminosilans und der Konzentration der gebildeten Nebenprodukte deutlich schlechtere Ergebnisse.

3.8.9 Aus diesem Grund teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens liegt.

3.9 Naheliegen der Lösung

3.9.1 Die Beschwerdeführerin hat auf die vor der Einspruchsabteilung eingereichte Erklärung von Prof. Ganter verwiesen und ausgeführt, dass die beanspruchte Lösung im Lichte des allgemeinen Fachwissens naheliegend sei. Um die Nebenprodukte der D2 zu vermeiden, würde der Fachmann erst die Temperatur der exothermen Reaktion reduzieren, wodurch die Bildung von Nebenprodukten verhindert werde, während höhere Temperaturen in einer späteren Stufe eine vollständige Umsetzung gewährleisten und eine hohe Ausbeute des gewünschten Produkts in hoher Reinheit liefern würden. Diese Vorgehensweise sei für exotherme Reaktionen üblich. Außerdem sei dies im Einklang mit der Lehre der D1 sowie der D2 selbst, die in Spalte 5 eine Temperatur von 50 bis 150°C offenbare.

3.9.2 Die Kammer erachtet diese Argumente als nicht überzeugend und teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann in D2 keinen Hinweis gefunden hätte, dass eine Senkung der Reaktionstemperatur, geschweige denn eine Senkung der Reaktionstemperatur nur zum Reaktionsbeginn (in der Terminologie des Anspruchs 1: P1), zu irgendeiner Verbesserung des Verfahrens führen würde.

3.9.3 Wie oben ausgeführt, lehrt D2 nämlich, das gesamte Verfahren bei ein und derselben Temperatur durchzuführen, die vorzugsweise zwischen 70 und 110 °C liegt (Spalte 5, Zeilen 8 bis 14), d.h. außerhalb des für die Reaktionsperiode P1 in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angegebenen Temperaturbereichs. In der Tat liefern Beispiele 4 und 5 von D2, bei denen eine zweistufige Temperaturführung angewandt wurde, die schlechtesten Ergebnisse (siehe oben). D2 selbst rät somit dem Fachmann von einer zweistufigen Verfahrensführung ab.

3.9.4 Die Kammer stimmt ferner der vor der Einspruchsabteilung eingereichten Erklärung von Dr. Stanjek (Seite 4, 5. Absatz bis Seite 7, 2. Absatz) zu, dass unerwünschte Nebenreaktionen vor allem am Ende der Reaktion auftreten. Somit hätte der Fachmann, wenn überhaupt, die Reaktionstemperatur höchstens am Reaktionsende, nicht aber am Reaktionsbeginn abgesenkt.

3.9.5 Die Kammer sieht zudem auch keinen Grund, weshalb der von D2 ausgehende und mit der Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe befasste Fachmann D1 in Betracht gezogen hätte. Wie oben angemerkt, wird die Verfahrensführung von D1 in D2 nämlich kritisiert. Ferner wäre der Fachmann, wenn er die Verfahrensführung der D2 durch die der D1 ersetzt hätte, aus den oben genannten Gründen nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangt.

3.9.6 Nach dem Dafürhalten der Kammer wäre somit der von D2 ausgehende Fachmann nur durch eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise zum Anspruchsgegenstand gelangt.

3.10 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch ausgehend von D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Schlussfolgerung

4. Keiner der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände gegen den Hauptantrag ist überzeugend. Der Hauptantrag ist somit gewährbar.

Rüge der Beschwerdeführerin - Einwand zur Verletzung des rechtlichen Gehörs - Artikel 113 (1) EPÜ

5. Während der mündlichen Verhandlung und nachdem die Kammer ihre Schlussfolgerung verkündet hatte, dass der zum Verfahren zugelassene Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt, hat die Beschwerdeführerin eine durch die Zulassung des Hauptantrages verursachte Verletzung ihres rechtlichen Gehörs gemäß Regel 106 EPÜ gerügt. Sie erhob den folgenden Einwand: "Wir rügen die Zulassung der neuen Hilfsanträge 2 und 3 unter Artikel 113 (1) EPÜ. Die mit Schriftsatz vom 12. April 2023 und damit erst zwei Monate vor dem Verhandlungstermin eingereichten Hilfsanträge werfen neue rechtliche und sachliche Fragen auf, die wir innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ausreichend klären konnten. Aus diesem Grund beanstanden wir die Verletzung unseres rechtlichen Gehörs unter Artikel 113 (1) EPÜ".

5.1 Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die Zulassung des Hauptantrags im Lichte der in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen neue Fragen hinsichtlich der Basis dieser Änderungen in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung und der Abgrenzung zum Stand der Technik und daher der erfinderischen Tätigkeit aufwarf. Der Hauptantrag sei nur zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2 eingereicht worden. Diese Zeit sei zu kurz gewesen, um die technischen Implikationen dieser neuen Fragen ausreichend prüfen zu können. Aus diesem Grund sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden.

5.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass ihr rechtliches Gehör verletzt worden sei, aus den folgenden Gründen nicht.

5.2.1 Den Parteien wurde in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit gegeben, zur Frage der Zulassung der damaligen Hilfsanträge 2 und 3, darunter der jetzige Hauptantrag, vorzutragen. Die Kammer hat die Aspekte, die von den Parteien hierzu schriftlich sowie während der Zulassungsdiskussion mündlich vorgebracht wurden, in Betracht gezogen und entsprechend gewürdigt.

5.2.2 Den Vortrag der Beschwerdeführerin, dass sie nicht ausreichend Zeit zur Verfügung gehabt hätte, um sich auf diese geänderten Anträge vorbereiten zu können, konnte die Kammer allerdings bei ihrer Zulassungsentscheidung nicht berücksichtigen, da dieser erst nach Verkündung der Entscheidung der Kammer, die Anträge zuzulassen, erfolgt war. Der während der Diskussion der Zulassung der Anträge tatsächlich erfolgte Vortrag der Beschwerdeführerin, nämlich dahingehend, dass das späte Einreichen aus den oben unter Punkt 1.1.1 und 1.1.2 genannten Gründen nachteilig war und die Anträge neue Fragen aufwerfen würden, deutete aus Sicht der Kammer vor dem Hintergrund, dass immerhin zwei Monate bis zur mündlichen Verhandlung verfügbar waren, nicht darauf hin, dass die sich mit den neuen Anträgen konfrontiert sehende Beschwerdeführerin sich nicht auch auf diese Anträge inhaltlich hätte ausreichend vorbereiten können.

5.2.3 Hätte die Beschwerdeführerin dies rechtzeitig vorgebracht, wäre die Kammer in die Lage versetzt worden, diesen weitergehenden Vortrag ebenfalls in die Würdigung einzubeziehen. Durch Zurückhalten dieses Vortrags war dies der Kammer allerdings nicht ermöglicht worden. In Reaktion auf Bemerkungen seitens der Kammer in der mündlichen Verhandlung, weshalb der Vortrag nicht schon früher erfolgt war, erklärte die Beschwerdeführerin, dass "sie sich auf die Nichtzulassung der Hilfsanträge 2 und 3 eingelassen habe" (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, Seite 6, zweiter Absatz).

5.2.4 Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin den Einwand dahingehend, dass sie nicht ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die damaligen Hilfsanträge 2 und 3, darunter der jetzige Hauptantrag, gehabt hätte, bereits bei der Diskussion der Zulassung dieser Anträge hätte ausdrücklich vorbringen sollen. Gelegenheit hierzu hätte bestanden.

5.2.5 Diesbezüglich merkt die Kammer an, dass der Vorsitzende der Kammer vor der Beratung, die zur Entscheidung, den damaligen Hilfsantrag 2, jetzt Hauptantrag, zuzulassen, geführt hat, explizit darauf hingewiesen hat, dass die Kammer über die Zulassung dieses Antrages beraten würde. Die Beschwerdeführerin musste daher damit rechnen, dass nach der Beratung eine Entscheidung zur Zulassung des jetzigen Hauptantrages verkündet werden würde.

5.2.6 Weiterhin ist die Kammer aufgrund nachfolgender Erwägungen der Ansicht, dass sie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung des jetzigen Hauptantrags, vormals Hilfsantrag 2, nicht verletzt hat.

5.2.7 So war für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass oder inwieweit die Zulassung des Hauptantrags "neue rechtliche und sachliche Fragen" (siehe Niederschrift, Seite 5, vorletzter Absatz) im Zusammenhang mit den in dem Antrag durchgeführten Änderungen und deren Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung aufgeworfen hat. Die Beschwerdeführerin konnte in der mündlichen Verhandlung auch auf Nachfrage der Kammer nicht spezifizieren, um welche Fragen es sich handelte.

5.2.8 Selbst wenn im Zusammenhang mit den Änderungen und deren Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung neue technische oder rechtliche Fragen aufgeworfen worden sein sollten, war für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin mehr als die bis zur mündlichen Verhandlung zur Verfügung gestandene Zeit benötigt hätte, um zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. So wurde der Anspruchssatz des jetzigen Hauptantrags mehr als zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und hat die Kammer zu keinem Zeitpunkt signalisiert, dass dieser Antrag nicht zugelassen würde. Die Beschwerdeführerin konnte sich daher nicht auf eine Nichtzulassung des Antrags verlassen und hätte sich entsprechend bereits vor der Verhandlung mit sich auf die Änderungen und deren Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung beziehenden technischen oder rechtlichen Fragen befassen müssen.

5.2.9 Zudem hat die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt eine Unterbrechung bzw. Verschiebung der mündlichen Verhandlung beantragt, um sich zu irgendwelchen Fragen, die im Zusammenhang mit den Änderungen und deren Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung stehen, vorzubereiten.

5.2.10 Auch hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit des im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierten Gegenstandes hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie nicht ausreichend Zeit hatte, um zu den vorgenommenen Änderungen Stellung zu nehmen. Auch in dieser Hinsicht konnte sie jedoch auf Nachfrage der Kammer nicht spezifizieren, welche neuen Implikationen die in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vorgenommenen Änderungen für die erfinderische Tätigkeit hätten. Im Gegensatz dazu hat die Beschwerdeführerin explizit ausgeführt, dass für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem jetzigen Hauptantrag die gleichen Einwände gelten wie diejenigen, die sie gegen den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrag in der Beschwerdebegründung erhoben hatte.

5.2.11 In der Tat hat die Beschwerdeführerin während der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt beanstandet, dass die Beschwerdegegnerin ein neues Vorbringen in Bezug auf die in Anspruch 1 gemäß dem jetzigen Hauptantrag vorgenommenen Änderungen eingeführt hätte. Und dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kammer der Beschwerdeführerin zuvor anheimgestellt hatte, im Laufe der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit gegebenenfalls einen Antrag auf Nichtzulassung zu erheben, wenn sie den Eindruck habe, sie sei auf das betreffende Vorbringen der Beschwerdegegnerin nicht vorbereitet. Zudem hat die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt eine Unterbrechung bzw. Verschiebung der mündlichen Verhandlung beantragt, um zu neuen Fragen hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit infolge der in Anspruch 1 gemäß dem jetzigen Hauptantrag vorgenommenen Änderungen Stellung zu nehmen.

5.2.12 Ferner gilt auch hier analog zu den Ausführungen in Punkt 5.2.8, dass die Beschwerdeführerin Gelegenheit hatte, sich nach der Einreichung des jetzigen Hauptantrages mit den Änderungen und deren Implikationen für die erfinderische Tätigkeit auseinanderzusetzen.

5.2.13 Es war daher für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Zulassung des Hauptantrags neue Fragen hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit aufgeworfen hat. Diesbezüglich entsprach nämlich das Vorbringen beider Parteien während der mündlichen Verhandlung ihren Sachvorträgen, die sie im schriftlichen Verfahren in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hauptantrag eingereicht haben. Noch viel weniger war für die Kammer ersichtlich, dass Fragen aufgeworfen wurden, zu denen sich die Beschwerdeführerin im Rahmen der ihr nach Einreichung des jetzigen Hauptantrages zur Verfügung gestandenen Zeit nicht hätte ausreichend vorbereiten können.

5.3 Aus diesem Grund hat die Kammer entschieden, den Einwand der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer durch die Zulassung des mit Schriftsatz vom 12. April 2023 als Hilfsantrag 2 eingereichten Hauptantrags, verursachten Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 des mit Schriftsatz vom 12. April 2023 eingereichten Hilfsantrags 2, jetzt Hauptantrag, und einer dazu anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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