European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T094520.20231211 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Dezember 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0945/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14196365.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | G08B 17/107 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Offener Streulichtrauchmelder, insbesondere mit einer Sidelooker-LED | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Schweiz AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hekatron Vertriebs GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - unzulässig hinzugefügte Sachverhalte Einspruchsgründe - Hauptantrag (nein) Einspruchsgründe - Neuheit Einspruchsgründe - Hauptantrag (ja) Einspruchsgründe - Erfinderische Tätigkeit Einspruchsgründe - Hauptantrag (ja) Spät eingereichte Beweismittel - wären bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja) Spät eingereichte Beweismittel - im erstinstanzlichen Verfahren zugelassen (nein) Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 20. Januar 2020, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 3 029 647 zurückgewiesen worden ist.
II. Die Kammer nimmt Bezug auf die folgenden Dokumente:
F1 |JP 2007-309755 |
F1T|Espacenet Maschinenübersetzung von F1|
E3 |DE 10 2007 045 018 A1 |
III. Mit Mitteilung vom 14. September 2023 teilte die Kammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Meinung mit, der zufolge kein Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenzustehen schien.
IV. Am 11. Dezember 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte
als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen,
oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
Während der mündlichen Verhandlung erläuterte die Beschwerdeführerin ihre Argumentation bezüglich unzulässig hinzugefügter Sachverhalte unter anderem anhand einer Zeichnung, welche sie im Laufe ihrer Ausführungen in Powerpoint anfertigte und über die Zoom-Funktion "Bildschirm teilen" zeigte.
Ebenfalls während der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie am Einwand wegen mangelnder Neuheit gegenüber Dokument E4, welches die Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen hatte, nicht mehr festhalte und auch einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht mehr geltend mache.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung) lautet folgendermaßen:
a1.1|"Streulichtrauchmelder, mit einer Gehäuseschale (2) und einem daran aufgenommenen Schaltungsträger (3), |
a1.2|wobei auf dem Schaltungsträger (3) zumindest ein Lichtsender (4) und ein Lichtempfänger (5) angeordnet sind, |
a1.3|wobei der Schaltungsträger (3) eine der Gehäuseschale (2) gegenüberliegende Innenseite (IS) und eine der Innenseite (IS) gegenüberliegende Außenseite (AS) aufweist,|
a1.4|wobei der Lichtsender (4) zum Aussenden eines Lichtbündels (L) mit einem Richtungsstrahl (RS) ausgebildet ist, |
a1.5|wobei der Lichtsender (4) und der Lichtempfänger (5) in einer Streulichtanordnung angeordnet sind, und |
a1.6|wobei ein Teil der Wegstrecke des Richtungsstrahls (RS) zwischen Lichtsender (4) und dem Streulichtvolumen (M) parallel zur Außenseite (AS) des Schaltungsträgers (3) verläuft,dadurch gekennzeichnet,|
a1.7|dass die Streulichtanordnung zur Rauchdetektion in einem außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegenden Streulichtvolumen (M) vorgesehen ist." |
Die Kammer übernimmt hier die Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin aus der Beschwerdebegründung.
Die erteilten Ansprüche 2 bis 16 sind von Anspruch 1 abhängig.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 99 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Das Streitpatent enthält keine Gegenstände, die über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hinausgehen. Daher steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen.
2.2 Die fraglichen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 sind die folgenden:
"wobei der Lichtsender (4) und der Lichtempfänger (5) in einer Streulichtanordnung angeordnet sind",
sowie
"dadurch gekennzeichnet, dass die Streulicht-anordnung zur Rauchdetektion in einem außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegenden Streulichtvolumen (M) vorgesehen ist."
Demgegenüber lauten die fraglichen Merkmale in Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht folgendermaßen:
"wobei der Lichtsender (4) und der Lichtempfänger (5) in einer Streulichtanordnung mit einem außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegenden Streulichtvolumen (M) angeordnet sind"
2.3 Der ursprüngliche Anspruch 1 definiert also eine Streulichtanordnung, die unter anderem den Lichtsender und -empfänger, sowie ein Streulichtvolumen umfasst, wobei das Streulichtvolumen außerhalb des Streulichtrauchmelders angeordnet ist.
2.4 Der Anspruchswortlaut des erteilten Anspruchs 1 lässt nach Ansicht der Beschwerdeführerin drei Auslegungen zu. Die Kammer folgt zwar grundsätzlich der Auffassung, die auch in der Entscheidung T 1791/16 vertreten wurde und wonach, wenn ein Anspruchswortlaut zwei technisch sinnvolle Auslegungsvarianten zulässt, aus Gründen der Rechtssicherheit beide ursprünglich offenbart sein müssen, siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022 ("RdBK"), II.E.1.3.9, insbesondere d) und e). Allerdings gilt weiterhin das Prinzip, dass Auslegungen eines Anspruchs, die technisch unsinnig sind oder zu inneren Widersprüchen führen, nicht berücksichtigt werden müssen. Letzteres ist bei den durch die Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Auslegungen, welche unzulässig hinzugefügte Sachverhalte enthalten sollen, der Fall.
2.5 Bei der ersten Auslegung, die die Beschwerdegegnerin vertritt, kann der Teilsatz
"zur Rauchdetektion in einem außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegenden Streulichtvolumen (M)"
als eine Beschreibung der technischen Wirkung der Streulichtanordnung aufgefasst werden. Die Streulichtanordnung hat demnach die Wirkung, in einem Streulichtvolumen, welches im Freien außerhalb des Streulichtmelders liegt, Rauch zu detektieren. Diese Auslegung ist frei von inneren Widersprüchen und enthält auch keine Sachverhalte, die über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgehen, wie auch die Beschwerdeführerin nicht anzweifelte.
2.6 In der Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin geltend, der Anspruchswortlaut könne gemäß einer zweiten Auslegung verstanden werden. Dieser zufolge sei die gesamte Streulichtanordnung in einem außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegenden Streulichtvolumen vorgesehen. Dies würde im Hinblick auf das weitere Merkmal des erteilten Anspruchs 1 bedeuten, dass auch der Lichtsender und -empfänger außerhalb des Streulichtrauchmelders im Streulichtvolumen im Freien angeordnet sind. Des Weiteren wäre das Verhältnis der im ursprünglichen Anspruch 1 definierten Elemente Streulichtanordnung und Streulichtvolumen durch den geänderten Satzbau verändert. Ursprünglich war das Streulichtvolumen Teil der Streulichtanordnung, wohingegen nach Änderung die Streulichtanordnung in einem Streulichtvolumen angeordnet ist, was bedeuten würde, das Streulichtvolumen wäre nun nicht mehr Teil der Streulichtanordnung.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die zweite Auslegung sei technisch sinnvoll und stelle im im Hinblick auf den anspruchsgemäß an der Außenseite des Schaltungsträgers parallel geführten Richtungsstrahl ein technisch legitimes Verständnis des Anspruchswortlauts dar. Die Beschwerdegegnerin vertritt hingegen die Auffassung, die zweite Auslegung sei technisch nicht sinnvoll. Eine fachkundige Person würde die zweite Auslegung daher nicht berücksichtigen. Das Streulichtvolumen könne in körperlich-physischer Hinsicht nicht Bestandteil des Streulichtrauchmelders selbst sein, sondern es werde lediglich geometrisch in Bezug zum Streulichtrauchmelder gesetzt. Allerdings gehörten der Lichtsender- und empfänger als Bestandteil körperlich zum Streulichtrauchmelder.
2.7 Nach Ansicht der Kammer würde die zweite Auslegungsvariante zu einem inneren Widerspruch führen, da aus ihr folgen würde, dass Lichtsender und -empfänger nicht Teil des Rauchmelders seien, was wiederum im inneren Widerspruch zum Merkmal a1.2 stünde, aus dem hervorgeht, dass der Lichtsender und -empfänger Bestandteil des Streulichtrauchmelders sind.
Es erscheint der Kammer nicht möglich, Bestandteile eines Rauchmelders außerhalb des Rauchmelders anzuordnen, denn Orte, an denen sich Bestandteile des Rauchmelders befinden, sind per definitionem nicht außerhalb des Rauchmelders. Die Auslegungsart der Beschwerdeführerin kann derart paraphrasiert werden, dass der Rauchmelder "teilweise außerhalb von sich selbst" angeordnet sein könne. Die Beschwerdeführerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung auf Seite 3, letzter Absatz, den tatsächlichen Anspruchswortlaut subtil, aber dennoch entscheidend um, wenn sie dort paraphrasiert, die Streulichtanordnung sei in einem außerhalb des Gehäuses liegenden Streulichtvolumen vorgesehen. Die physikalische Begrenzung des Streulichtrauchmelders ist aber nicht durch die äußeren Grenzen des Gehäuses gegeben.
2.8 Während der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin eine dritte Auslegung des Anspruchswortlauts anhand der Skizze vor, welche in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung dargestellt ist.
Dieser Vortrag wurde von der Beschwerdegegnerin als verspätet gerügt. Da er im Ergebnis keinen Erfolg hat, kann die Frage der Zulassung dahingestellt bleiben.
Dieser dritten Auslegungsart zufolge schließe der Anspruchswortlaut nicht aus, dass der Lichtsender 4 und Lichtempfänger (5,6) nicht Elemente der Streulichtanordnung seien, da im Anspruch nicht von Streulichtsendern und Streulichtempfängern die Rede sei. Vielmehr verlange der Anspruchswortlaut nur, dass die Lichtsender und -empfänger innerhalb der Streulichtanordnung, welche zum Beispiel durch weitere Streulichtsender (14) und Streulichtempfänger (15) gebildet sein könnten, angeordnet seien. Dabei könne der anspruchsgemäße Lichtsender (4) und Lichtempfänger (5,6) als Durchlicht-Anordnung, zum Beispiel zur Detektion von Fliegen im Streuvolumen ausgebildet sein. Anspruchsgemäß seien Lichtsender und -empfänger in der Streulichtanordnung angeordnet, sie bildeten diese aber nicht. Wenn diese Elemente als in der Gehäuseschale angeordnet anzusehen seien, könne man auch nicht davon sprechen, dass sie die Gehäuseschale bildeten. Der Anspruchswortlaut bedeute daher nur, dass Lichtsender und -empfänger räumlich innerhalb einer Streulichtanordnung lägen, aber nicht die Elemente darstellen, aus denen die Streulichtanordnung gebildet werde.
Die Beschwerdegegnerin entgegnete, dass der Begriff "in einer Streulichtanordnung" nicht räumlich sondern funktional zu verstehen sei. Es handele sich um einen gängigen Begriff bei der Anspruchsformulierung, der die Anordnung von Lichtsender und -empfänger festlege.
2.9 Die Kammer ist nicht überzeugt, dass eine fachkundige Person den Anspruchswortlaut im Sinne der dritten Auslegungsart der Beschwerdeführerin verstehen würde.
Eine fachkundige Person würde das Merkmal "wobei der Lichtsender (4) und der Lichtempfänger (5) in einer Streulichtanordnung angeordnet sind" nicht räumlich oder geometrisch verstehen. Ein Streulichtanordnung ist nämlich ein Gebilde, dem nicht objektiv eine Begrenzung zugeordnet werden kann. Zwar ist es in Einzelfällen denkbar, beispielsweise, wenn viereckige Bretter zu einem Würfel angeordnet werden, dass eine Anordnung auch objektiv eine Umgrenzung definiert. Dies hängt allerdings von der Art der Elemente ab, welche die Anordnung bilden. Die Beschwerdeführerin führte schriftlich auf Seite 2 des Schreibens vom 14. November 2023 selbst aus, eine Streulichtanordnung bestehe aus einem Streulichtsender und einem Streulichtempfänger und einem Streuvolumen. Bei diesen die Anordnung bildenden Elementen kann objektiv keine Begrenzung festgelegt werden. Die Beschwerdeführerin tut dies aber stillschweigend in ihrer Skizze, indem sie die Elemente, welche die Streulichtanordnung bilden, radial außerhalb der Lichtsender (4) und -empfänger (5,6) anordnete. Allerdings ist die von der Beschwerdeführerin stillschweigend angenommene Begrenzung eine willkürliche gedachte Linie, die mit gleicher Berechtigung auch anders gezogen werden kann, beispielsweise kreuzförmig entlang der Strahlengänge.
Entgegen dieser Sichtweise würde eine fachkundige Person den Anspruchswortlaut nur so verstehen, dass der Lichtsender und Lichtempfänger derart angeordnet sind, dass sie eine Streulichtanordnung bilden, auch wenn dies im Anspruchswortlaut nicht explizit so formuliert ist. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Elemente nicht explizit als "Streulichtsender" und "Streulichtempfänger" bezeichnet sind.
2.10 Die Kammer kann auch in dem Wort "vorgesehen" anstelle von "angeordnet" keinen unzulässig hinzugefügten Sachverhalt erkennen. Dieser Begriff bezeichnet lediglich die bestimmungsgemäße Funktion der Anordnung.
2.11 Im Ergebnis kann also Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) ohne innere Widersprüche und objektiv nur auf diejenige Art ausgelegt werden, die auch die Beschwerdeführerin als ursprünglich offenbart ansieht.
3. Hauptantrag - Artikel 100 a), 52 (1), 54 (1) und (2) EPÜ, Neuheit gegenüber Dokument E3
3.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ist neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E3.
3.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass sämtliche Merkmale von Anspruch 1, insbesondere die Merkmale a1.6 und a1.7, in Dokument E3 offenbart seien.
3.3 Bezüglich des zumindest teilweise zur Außenseite des Schaltungsträgers parallelen Richtungsstrahles gemäß Merkmal a1.6 verwies sie auf die Figur 1.
Der Beschwerdeführerin zufolge sei dort der Strahlengang durch die Strahlungsleitvorrichtungen abgebildet. Schriftlich trug die Beschwerdeführerin vor, es sei in Figur 1 der E3 kein Richtungsstrahl zu erkennen. Es sei aber klar, dass sich zumindest ein Richtungsstrahl ergebe, der parallel zum Träger verlaufe. Mündlich trug die Beschwerdeführerin weiter vor, der in Figur 1 abgebildete Strahlengang könne in Teilstrahlengänge zerlegt werden. Zunächst werde das Licht von der LED (3) in Normalenrichtung zur Montageoberfläche (4) abgestrahlt, dann an der Innenseite (14) der Strahlungsleitvorrichtung reflektiert und dann an der Austrittsfläche (11) gebrochen und auf das Messvolumen (1) fokussiert. Der mittlere der drei abgebildeten Strahlen sei nahezu identisch zum Richtungsstrahl dieses Lichtbündels. Man könne der Figur 1 entnehmen, dass das Messvolumen (1) auf derselben Höhe über der Montageoberfläche liege wie der Reflexionspunkt des mittleren Strahls an der inneren Fläche der Strahlungsleitvorrichtung. Daher sei der Richtungsstrahl in diesem Abschnitt parallel zum Träger.
3.4 Nach Auffassung der Kammer ist Dokument E3 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass Figur 1 oder 3 eine geometrisch korrekte Abbildung des Strahlenganges ist. Vielmehr handelt es sich bei diesen Figuren um schematische Skizzen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass die Achse 15 in den Figuren 1 und 3 lediglich eine Symmetrieachse der Strahlungsleitvorrichtung darstellt. Allerdings trägt die Beschwerdeführerin selbst einerseits schriftlich vor, der Figur 1 sei kein Richtungsstrahl zu entnehmen, greift dann aber andererseits willkürlich einen Lichtstrahl aus dem schematisch skizzierten Lichtbündel heraus und setzt diesen mit dem Richtungsstrahl gleich. Dies ist widersprüchlich. Des Weiteren ordnete sie mündlich zwei Abschnitten des Strahlenganges, nämlich von der internen Reflexion in der Strahlungsleitvorrichtung bis zur Austrittsfläche (11) und von letzterer bis zum Messvolumen (1), lediglich einen einzigen gedanklichen Richtungsstrahl zu, der dann anhand der schematischen Skizze in Figur 1 parallel zum Schaltungsträger sein soll. Dies ist unzulässig. Die genannten Abschnitte haben unterschiedliche Richtungsstrahlen, deren Lage relativ zum Schaltungsträger nicht als parallel hervorgeht. In ihrer Argumentation wählt die Beschwerdeführerin willkürlich Teilabschnitte aus, und ordnet diesen einen "gemittelten" Richtungsstrahl zu. Dies berücksichtigt den tatsächlichen Strahlengang ebenso wenig wie die Achse 15. Daher geht Merkmal a1.6 nicht unmittelbar und eindeutig aus E3 hervor.
3.5 Bezüglich Merkmal a1.7, nach dem das Streulichtvolumen im Freien außerhalb des Streulichtrauchmelders vorgesehen ist, vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, die Abdeckung (61), welche in Figur 6 von E3 gezeigt sei, könne die Form eines Bügels oder Tunnels haben.
Die Figur 6 könne nicht als zweidimensionale Schnittzeichnung verstanden werden, da die Strahlungsleitvorrichtungen (10) und (40) perspektivisch gezeigt seien. Die Aufsichtkante der Abdeckung (61) sei auch nicht schraffiert dargestellt. E3 offenbare nicht unmittelbar und eindeutig, dass das Messvolumen (1) nicht vor der Aufsichtkante der Abdeckung (61) im Freien liege.
Dies sei auch durch die übrige Offenbarung der E3 gestützt. Die Aufgabe der E3 sei es nämlich gemäß Absatz [0006], eine niedrige Versetzung, also einen geringen parasitären Streulichthintergrund, zu ermöglichen. Dies sei aber genau das Ziel offener Streulichtmelder, bei denen das Streulichtvolumen im Freien liege. Ferner gehe aus dem Satz "61 ist eine Abdeckung, die fluiddurchlässig und durchlässig für Rauchpartikel ist, aber leichte Abschirmungs-eigenschaften hat, soweit diese erforderlich sind, um Fehlerfassungen zu vermeiden" des Absatzes [0048] hervor, dass die Abdeckung lediglich optional sei, nicht jedoch, welche Abmessung oder Form die Abdeckung aufweise. Selbst wenn lediglich die Abschirmungseigenschaften der Abschirmung optional seien, so könne diese bei "auf Null reduzierter" Abschirmeigenschaft das Messvolumen weder optisch noch mechanisch abschirmen. Laut Absatz [0049] von E3 seien die Strahlungsleitvorrichtungen beschichtet, um Fremdlicht fernzuhalten, was ebenso auf eine fehlende Abdeckung hindeute. Des Weiteren müsse der Begriff "im Freien" breit interpretiert werden. Falls die Abdeckung nicht das komplette Streuvolumen umschließe, weise der Melder auch ein "außerhalb des Streulichtrauchmelders im Freien liegendes Streulichtvolumen" auf, da dieses Messvolumen im Freien und außerhalb der Abdeckung liege.
3.6 Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass dem Dokument E3 das Merkmal a1.6, wonach das Streulichtvolumen außerhalb des Rauchmelders im Freien vorgesehen ist, nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
Zunächst wiederholte die Beschwerdeführerin mehrmals, es sei E3 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass das Streuvolumen nicht außerhalb der Abdeckung im Freien liegt. Es obliegt jedoch im vorliegenden Fall der beschwerdeführenden Einsprechenden darzulegen, dass das anspruchsgemäße Merkmal dem Dokument E3 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Das Argument der Beschwerdeführerin kommt der Forderung nach einer Beweislastumkehr gleich, die nicht gerechtfertigt ist.
Dokument E3 enthält keinen Hinweis darauf, dass die Figur 6 mehr als eine schematische Skizze darstellen soll. Figuren in Patenten unterliegen nicht Normen für technische Zeichnungen. Eine fehlende Schraffur der Sichtkante der Abdeckung (61) in Figur 6 ist daher kein ausreichendes Anzeichen, dass hier keine Schnittkante gezeigt ist. Des Weiteren ist es üblich, dass in Zeichnungen nur ausgewählte Elemente als Schnitt gezeigt werden. In Figur 6 erscheint es wahrscheinlich, dass lediglich die Abdeckung im Schnitt gezeigt ist, um den perspektivischen Blick auf das Innere frei zu geben. Selbst wenn die Ansichtskante der Abdeckung (61) in Figur 6 keine Schnittkante darstellen würde, so ginge immer noch nicht unmittelbar und eindeutig hervor, ob das Streuvolumen unter der Abdeckung oder außerhalb im Freien liegen würde. Die Beschwerdeführerin spekuliert hier nur, dass von oben betrachtet die Abdeckung nur die Strahlungsleitvorrichtungen (10) und (40), nicht jedoch das Messvolumen (1) überdeckt.
Auch aus der Beschreibung geht nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass das Messvolumen (1) im Freien liegt. Das Problem der Versetzung, also eines ungewollten Strahlungshintergrundes, entsteht gerade durch die Unterbringung der optischen Komponenten in einem Gehäuse, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend in der mündlichen Verhandlung darlegte. Der Lösungsansatz gemäß Dokument E3 ist es, das Licht des Senders durch die Strahlungsleitvorrichtung in das Messvolumen zu fokussieren und dann über die abbildenden Eigenschaften der zweiten Strahlungsleitvorrichtung in den Empfänger abzubilden. So wird parasitäres Streulicht trotz der geringen Baugröße unterdrückt. Von einer Verlagerung des Messvolumens ins Freie ist nirgends in E3 die Rede.
Aus Absatz [0048] geht nicht hervor, dass die Abdeckung optional ist, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend in der Beschwerdeerwiderung auf Seite 3 geltend machte. Aus dem Plural im Nebensatz "soweit diese erforderlich sind" geht klar hervor, dass die Abschirmungs-eigenschaften, nicht jedoch die Abdeckung selbst, optional sind. Die Abschirmungseigenschaften betreffen nach dem Wortsinn die optische Undurchlässigkeit für Fremdlicht. Mechanischer Schutz ist durch den Begriff "Abschirmeigenschaft" nicht gemeint. Aus der Optionalität der Abschirmeigenschaft folgt daher nicht die Abwesenheit der Abdeckung insgesamt. Zu Recht verwies die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung auf Seite 3 auch auf den Anspruch 24 der E3, nach dem das Gehäuse (4,61) die "erwähnten Elemente", also unter anderem das genannte Messvolumen (1), aufnimmt.
Auch aus der gemäß Absatz [0049] vorhandenen Lichtabschirmungssubstanz, welche außen auf der Strahlleitvorrichtung (10, 40) aufgebracht sein kann, um den Eintritt von Fremdlicht zu verhindern, lässt sich nicht schließen, dass das Messvolumen im Freien liegt. Auch bei Vorhandensein einer umschließenden Abdeckung kann Fremdlicht eindringen, zum Beispiel durch die notwendig vorhandenen Öffnungen in der Abdeckung, um diese fluid- und partikeldurchlässig zu gestalten, oder durch Mehrfachreflexionen innerhalb der Abdeckung.
4. Zulassung der Dokumente F1 und F1T und darauf basierende Einwände
4.1 Die Kammer ist zu dem Ergebnis gekommen, Dokument F1 (und seine Übersetzung F1T), welches von der beschwerdeführenden Einsprechenden mit der Beschwerdebegründung erstmals vorgelegt wurde, nicht in das Verfahren zuzulassen, Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020.
4.2 Sowohl die Neuheit als auch die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 wurden im Einspruchsverfahren diskutiert. Die Kammer kann hierbei keinerlei überraschende Wendung im Verfahrensverlauf erkennen.
4.3 Die Beschwerdeführerin trug diesbezüglich vor, ihr sei das Dokument F1 im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren noch nicht bekannt gewesen. Das Dokument sei auch nicht im Recherchebericht genannt gewesen, was belege, dass es schwierig aufzufinden sei. Das Dokument F1 ist jedoch eine japanische Patentschrift, die dieselbe IPC Klasse G08B 17/107 aufweist wie das Streitpatent. Darüber hinaus ist die Einsprechende ein auf dem Gebiet der F1 und des Streitpatents tätiges Unternehmen. Daher wäre es von der Beschwerdeführerin als Einsprechenden zu erwarten gewesen, alle diesbezüglichen Beweismittel und Einwände innerhalb der Frist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ, spätestens aber im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens vorzulegen.
5. Hauptantrag - Artikel 100 a), 52 (1), 56 EPÜ, erfinderische Tätigkeit hinsichtlich E3 und Fachwissen
5.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht gegenüber Dokument E3 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen einer fachkundigen Person auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.2 Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, dass die Parallelführung des Richtungsstrahles zwischen Lichtsender und Streulichtvolumen zumindest nicht die Aufgabe löse, die Bauhöhe des Streulichtrauchmelders zu verringern. Dazu wären weitere Merkmale, wie die Bauhöhe des Ringes und der Gehäuseschale notwendig, auf die der Anspruch aber nicht eingeschränkt sei. Auch bei E3 ergebe sich durch die angebliche Parallelführung keine technische Wirkung bezüglich der Bauhöhe. Diese sei vielmehr durch die Höhe der Strahlungsleit-vorrichtung bestimmt.
Des Weiteren sei einer fachkundigen Person bekannt, dass die Abdeckung eines Rauchmelders das Eindringen von Rauch in das Messvolumen einschränken könne. Aus E3 ergebe sich schon der Hinweis, dass an Teilen des Melders Strahlung das Lichtsenders reflektiert werden und so zu einer unerwünschten Streustrahlung führen könne. Durch ein Messvolumen im Freien werde die Aufgabe gelöst, eine niedrige Versetzung herbeizuführen und den Eintritt von Rauch zu erleichtern. Diese Aufgabe könne dadurch gelöst werden, alle Teile, an denen parasitäre Streuung auftreten könne, wegzulassen. Die Abdeckung der E3 müsse sogar nur so modifiziert werden, dass sie nur die Strahlungsleitvorrichtungen bedeckt. Sie müsse ja keinen vollständigen Schutz bereitstellen, zum Beispiel für die Schaltungs-bausteine. Hier genüge auch eine Dekorfolie. Streulichtrauchmelder, bei denen das Messvolumen im Freien liege, seien aus dem Stand der Technik bereits bekannt.
5.3 Die Kammer ist nicht vom Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt.
Die Wahl des Ausgangspunktes im Stand der Technik legt Grenzen fest, innerhalb derer eine Weiterentwicklung als offensichtlich betrachtet werden kann.
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin lässt sich E3 nicht entnehmen, dass dort die Gehäuseabdeckung lediglich optional sei. Vielmehr ist aus den oben genannten Gründen in E3 ein geschlossener Rauchmelder offenbart. Die Kammer verweist zusätzlich noch auf die Textpassage in Absatz [0015], nach der die konkaven Reflektorabschnitte der Strahlungsleitvorrichtung durch Gehäuseabschnitte gebildet sein können.
Die Beschwerdegegnerin führte schriftlich zu Recht aus, dass die Streulichtdetektion im Freien erhebliche zusätzliche Maßnahmen wie Tageslichtfilterung und Signalmodulation erfordere. Dazu biete ein Gehäuse bekannte Vorteile wie zum Beispiel mechanischen Schutz und Insektenfilterwirkung.
Daher ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass das Dokument E3 ein erfolgsversprechender Ausgangspunkt ist. Jegliche Weiterentwicklung des in E3 offenbarten Rauchmelders, die als offensichtlich bezeichnet werden kann, wäre weiterhin ein geschlossener Rauchmelder mit Abdeckung.
Aufgrund der unüberzeugenden Wahl des Ausgangspunktes sind die identifizierten Aufgaben und die Bewertung ihrer Lösungen durch die Beschwerdeführerin in den Augen der Kammer nicht realistisch. Der Beschwerdeführerin zufolge nähme es eine fachkundige Person ohne Weiteres hin, auf die bekannten Vorteile einer Abdeckung wie Insekten- und Fremdlichtfilterung zu verzichten, um dafür den Raucheintritt zu verbessern. Allerdings scheinen geschlossene Rauchmelder eine weitverbreitete Bauform zu sein, und der Raucheintritt durch Öffnungen in der Abdeckung, wie sie auch in E3 beschrieben sind, realistischerweise kein Problem darzustellen. Die Kammer kann zwar der Sicht zustimmen, dass interne Reflexionen innerhalb eines Gehäuses zu einer Versetzung führen können, aber der zentrale Teil der Lehre der E3 beschäftigt sich gerade damit, wie man die Versetzung in geschlossenen Rauchmeldern beherrschen kann. Der Vortrag, eine fachkundige Person hätte zwar die Maßnahmen, wie die Strahlleitungsvorrichtungen, gemäß der zentralen Lehre der E3 implementiert, welche darauf abzielen, die Versetzung zu beherrschen, nur um davon ausgehend doch die Gehäuseabdeckung wegzulassen, ist von einer rückschauenden Betrachtung geprägt.
Insofern kann es dahinstehen, welche Aufgabe durch den Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt im Detail gelöst wird. Denn um zu dem Schluss zu gelangen, dass sein Gegenstand offensichtlich gewesen sei, müsste die Grundkonstruktion des Rauchmelders der E3 durch Elemente einer alternativen Grundkonstruktion ergänzt werden.
6. Im Ergebnis steht daher auch der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.