European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T091920.20230920 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 September 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0919/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05813264.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 49/42 B65G 51/03 B65G 17/18 B65G 47/244 B65G 47/14 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Transport und zur Sortierung von Vorformlingen | ||||||||
Name des Anmelders: | KHS GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Krones AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (nein) Zulassung - Hilfsanträge 1, 2, 3a, 4a (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1, 2, 3a, 4a (nein) Zulassung - Hilfsanträge 3b, 3c, 4b, 4c (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 827 798 (das Patent) zu widerrufen.
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 c) EPÜ gestützt worden.
III. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erging am 11. Mai 2022. Am 20. September 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer als Videokonferenz statt.
IV. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag oder hilfsweise gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1, 2, 3a, 3b, 3c, 4a, 4b und 4c.
Ferner wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers beantragt.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Folgende Dokumente sind relevant für die vorliegende Entscheidung:
D1: EP 0 452 857 A1;
D2: JPH 11-291331 A;
D2a: Deutsche Übersetzung des Dokuments D2;
D8: JPH 09-39110 A;
D8a: Deutsche Übersetzung des Dokuments D8;
D18: WO 97/35791 A1;
D22: "Blasformen von Kunststoffhohlkörpern",
M. Thielen, K. Hartwig, P. Gust, 2006, Carl
Hanser Verlag GmbH & Co. KG,
ISBN: 3-446-22671-0, Kapitel 3,
"Steckblasformen", Seiten 166 bis 193.
VI. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 10 des Hauptantrags lautet wie folgt (die von der Beschwerdegegnerin verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"1. [M1] Verfahren zum Transport von Vorformlingen (1) zu einer Einrichtung zur Blasformung von Behältern (2) [M2] sowie zur Erzeugung eines Staudruckes der Vorformlinge (1) im Eingangsbereich dieser Einrichtung zur Blasformung von Behältern (2), [M3] in der die Vorformlinge (1) nach einer thermischen Konditionierung innerhalb mindestens einer Blasform (4) von einer Reckstange (11) gereckt und durch Blasdruckeinwirkung in Behälter (2) umgeformt werden, dadurch gekennzeichnet, daß [M4] die Vorformlinge (1) entlang einer Transportbahn zwischen einer Sortiereinrichtung (45) für die Vorformlinge (1) und einem Gehäuse der Blasmaschine und [M5] somit vor einer Heizstrecke (24) [M6] im wesentlichen in einer horizontalen Richtung transportiert werden, [M7] wobei die Vorschubkraft für den Transport der Vorformlinge (1) und somit der Staudruck durch eine Druckluftströmung erzeugt wird, [M8] wobei die horizontale Transportbahn für die Vorformlinge zwischen dem Gehäuse der Blasmaschine und der Sortiereinrichtung angeordnet und hierdurch der Abstand zwischen der Sortiereinrichtung und der Blasmaschine überbrückt wird."
"10. [M10.1] Vorrichtung zum Transport von Vorformlingen (1) sowie zur Erzeugung eines Staudruckes der Vorformlinge (1) im Eingangsbereich einer Einrichtung zur Blasformung von Behältern (2), der die Vorformlinge (1) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, daß [M10.2] eine Transportbahn für die Vorformlinge (1) im wesentlichen horizontal zwischen einer Sortiereinrichtung (45) für die Vorformlinge (1) und einem Gehäuse der Blasmaschine angeordnet ist, [M10.3] wobei eine Ausströmöffnung (50) für eine die Vorformlinge (1) beaufschlagende Gasströmung über einen Versorgungskanal (49) mit mindestens einer Gasströmungsquelle (41) verbunden ist, und [M10.4] wobei die Ausströmöffnung zur Erzeugung einer Vorschubkraft für den Transport der Vorformlinge (1) und somit zur Erzeugung des Staudruckes durch eine Druckluftströmung angeordnet und ausgerichtet ist, [M10.5] wobei die horizontale Transportbahn für die Vorformlinge zwischen dem Gehäuse der Blasmaschine und der Sortiereinrichtung (45) und hierdurch den Abstand zwischen der Sortiereinrichtung und der Blasmaschine überbrückend angeordnet ist."
VII. Hilfsanträge
Die Nummerierung der Merkmale wurde teilweise seitens der Kammer ergänzt.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber dem des Hauptantrags am Ende um das Merkmal "[M9] wobei das Verfahren als Teil eines Zweistufenverfahrens ausgeführt wird." ergänzt. Dem Anspruch 10 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber dem Anspruch 10 des Hauptantrags folgendes Merkmal hinzugefügt: "[M10.7] wobei die Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1 angeordnet und ausgebildet ist."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M9 und M10 ergänzt, wobei das Merkmal M10 folgendermaßen lautet: "[M10] und wobei die Sortiereinrichtung ausgeführt ist, ungeordnet einem Vorrat entnommene Vorformlinge mit einer gleichen räumlichen Orientierung zu versehen.". Dem Vorrichtungsanspruch 10 sind die entsprechenden Merkmale M10.7 und M10.6 hinzugefügt, wobei M10.6 folgendermaßen lautet: "[M10.6] und wobei die Sortiereinrichtung ausgeführt ist, ungeordnet einem Vorrat entnommene Vorformlinge mit einer gleichen räumlichen Orientierung zu versehen."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M9, M10, M11 ergänzt, wobei das Merkmal M11 folgendermaßen lautet: "[M11] wobei die Sortiereinrichtung hierzu als Rotary-Sorter oder als Rollensortierer ausgeführt ist." Dem Vorrichtungsanspruch 10 sind die entsprechenden Merkmale M10.7, M10.6, M10.8 hinzugefügt, wobei das Merkmal M10.8 folgendermaßen lautet: "[M10.8] wobei die Sortiereinrichtung hierzu als Rotary-Sorter oder als Rollensortierer ausgeführt ist."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3b ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M9 und M11, und der Vorrichtungsanspruch 10 um die entsprechenden Merkmale M10.7 und M10.8 ergänzt.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3c ist gegenüber dem des Hauptantrags um das Merkmal M11, und der Vorrichtungsanspruch 10 um das entsprechende Merkmal M10.8 ergänzt.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4a ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M9, M10, M11, M12 ergänzt, wobei das Merkmal M12 folgendermaßen lautet: "[M12] wobei die Gasströmung durch mindestens ein in einer Führungseinrichtung (42) positioniertes Einlegeteil (59) in Richtung auf die Vorformlinge (1) geleitet wird." Dem Vorrichtungsanspruch 9 sind die entsprechenden Merkmale M10.7, M10.6, M10.8, M10.9 hinzugefügt, wobei das Merkmal M10.9 folgendermaßen lautet: "[M10.9] wobei im Bereich der Führungseinrichtung (42) mindestens ein die Ausströmöffnung begrenzendes Einlegeteil (59) angeordnet ist."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4b ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M9, M11 und M12 ergänzt, und der Vorrichtungsanspruch 9 um die entsprechenden Merkmale M10.7, M10.8, M10.9.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4c ist gegenüber dem des Hauptantrags um die Merkmale M11 und M12 ergänzt, und der Vorrichtungsanspruch 9 um die entsprechenden Merkmale M10.8 und M10.9.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gemachten Sachvortrags der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Seiten 188 und 189 und insbesondere des Bildes 3.21 des Dokuments D22
Es handle sich hierbei lediglich um eine nähere Erläuterung des in der Beschwerdebegründung enthaltenen Vorbringens, dass die Vorformlinge in der Spritzgießmaschine bereits sortiert und ausgerichtet hergestellt würden. Im Vergleich dazu liege daher in dem in der mündlichen Verhandlung gemachten Sachvortrag keine Änderung des Beschwerdevorbringens vor. Daher stelle sich die Frage der Zulassung nicht.
Hauptantrag - Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 10 gegenüber dem Dokument D2/D2a
Eine Sortiereinrichtung sei im vorliegenden Fachgebiet immer mit einem Zweistufenverfahren verbunden, bei dem aus einem ungeordneten Vorrat Vorformlinge entnommen werden müssten. Hierfür würden insbesondere Rollensortierer und Rotary-Sorter eingesetzt (siehe Dokument D22, Kapitel 3.4; Patent, Absätze [0011] und [0012]). Im Kapitel 3.4.2 des Dokuments D22 werde explizit ausgeführt, dass die Preformzuführung bei allen Maschinentypen identisch sei. Die Preforms würden aus einer Schütte über einen Steilförderer in einen Rollensortierer gefördert.
Eine fachunübliche breitere Auslegung des Begriffs der "Sortiereinrichtung" sei erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erfolgt. Eine Mindestvoraussetzung für eine Sortierung sei, dass unterschiedlich ausgerichtete Vorformlinge vorlägen. Von einer Sortierung sei ein bloßer Transfer und eine bloße Handhabung zu unterscheiden. Um als Sortierung bezeichnet werden zu können, müsse ein Schritt der Ordnungserhöhung stattfinden. Beim Einstufenverfahren sei keine Sortiereinrichtung erforderlich, da die Vorformlinge in der Spritzgießmaschine bereits orientiert hergestellt würden und gleich ausgerichtet seien (siehe Dokument D22, Bild 3.21). Das Dokument D2/D2a erwähne zwar eine Spritzgießvorrichtung, aber keinerlei Sortierung.
Ferner fordere der Anspruch 10 des Hauptantrags eine Anordnung der horizontalen Transportbahn gemäß Merkmal M10.5, wonach die Transportbahn zwischen dem Gehäuse der Blasmaschine und der Sortiereinrichtung und dabei den Abstand zwischen der Sortiereinrichtung und der Blasmaschine überbrückend angeordnet ist. Dies werde aus den Figuren 3 und 5 des Patents deutlich. Figur 3 des Patents zeige eine Blasformmaschine mit einer Vorformlingseingabe 26, die zwar Bestandteil der Blasmaschine sei, aber aus dem Gehäuse der Blasmaschine herausrage. Im Gegensatz dazu schließe die erfindungsgemäße Transportbahn 40 gemäß der Figur 5 des Patents direkt ohne weitere Vorformlingseingabe an das Gehäuse der Blasmaschine 44 an. Im Dokument D2/D2a sei der Anschluss der Transportbahn weder für die Sortiereinrichtung gezeigt, da keine offenbart werde, noch für das Gehäuse der Blasmaschine, da die Transportbahn im Dokument D2/D2a an den Reinraum anschließe. Ein Reinraum sei dort ein Zimmer und könne nicht als Gehäuse der Blasmaschine betrachtet werden. Dass eine Vorformlingseingabe, wie sie in Figur 3 des Patents gezeigt werde, fachüblich sei, werde durch die Offenbarung des Dokuments D1, Spalte 5, Zeilen 50 bis 53 untermauert. Fachüblich sei, dass die Transportbahn bis zur Vorformlingseingabe reiche, nicht jedoch, dass die Transportbahn direkt an das Gehäuse anschließe. Es liege daher nahe, dass die Blasmaschine des Dokuments D2/D2a auch eine Vorformlingseingabe aufweise und somit die Merkmale M10.2 und M10.5 nicht offenbart seien.
Ein weiterer Unterschied liege im Merkmal M10.4, da das Vorhandensein eines Luftförderers an sich nicht unbedingt auch offenbare, dass ein Staudruck erzeugt werde.
Daher seien die Merkmale M10.2, M10.4 und M10.5 nicht vom Dokument D2/D2a vorweggenommen, und der Gegenstand des Anspruchs 10 des Hauptantrags sei neu gegenüber dem Dokument D2/D2a.
Zulassung der Hilfsanträge 1, 2, 3a, 3b, 3c, 4a, 4b und 4c
Der Neuheitseinwand ausgehend vom Dokument D2/D2a sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geltend gemacht worden. Ferner sei erst in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 37) klar geworden, inwiefern das Dokument D2/D2a eine Sortiereinrichtung zeige. Daher hätten die Hilfsanträge 1, 2, 3a, 3b, 3c, 4a, 4b und 4c nicht früher eingereicht werden können. Sie seien mit der Beschwerdebegründung und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht worden. Es werde auch auf die Entscheidung T 141/20 verwiesen.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend vom Dokument D2/D2a. Der Anspruch sei nunmehr explizit auf ein Zweistufenverfahren eingeschränkt. Das Dokument D2/D2a zeige unbestritten ein Einstufenverfahren. Das Einstufenverfahren sei im Dokument D2/D2a gewählt worden, um einen keimfreien Transport von der Vorformlings-Spritzgießvorrichtung zur Blasformmaschine sicherzustellen. Auch wenn Ein- und Zweistufenverfahren und deren Vor- und Nachteile allgemein bekannt seien (siehe Dokument D22, Kapitel 3.4 und 3.5), so hätte der Fachmann ausgehend vom Einstufenverfahren des Dokuments D2/D2a keinerlei Veranlassung gehabt, hiervon abzuweichen. Erstens würde der Fachmann nicht auf den keimfreien Transport der Vorformlinge verzichten, der nur beim Einstufenverfahren ohne großen Aufwand realisiert werden könne, und zweitens würde er auch keine größeren apparatetechnischen Veränderungen vornehmen, wie z.B. eine geeignete Sortiereinrichtung auswählen. Da sich der Fachmann im Dokument D2/D2a bereits für das Einstufenverfahren entschieden habe, würde er ohne rückschauende Betrachtungsweise nicht davon abweichen.
Sollte der Fachmann ausgehend vom Dokument D2/D2a vor die objektive technische Aufgabe gestellt sein, den Durchsatz zu erhöhen, der im Einstufenverfahren durch die Spritzgießvorrichtung beschränkt sei, so hätte der Fachmann die Möglichkeit eine zweite oder dritte Spritzgießvorrichtung vorzusehen, wie dies beispielsweise im Dokument D8 der Fall sei.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 würde sich noch weiter vom Dokument D2/D2a abgrenzen, wodurch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 umso eindeutiger erfinderisch sei. Es werde nochmals verdeutlicht, dass eine Sortiereinrichtung erforderlich sei, bei der die Vorformlinge aus einem ungeordneten Vorrat entnommen werden. Zwar sei es für ein Zweistufenverfahren naheliegend, eine derartige Sortiereinrichtung zu verwenden, nicht jedoch ausgehend vom Einstufenverfahren des Dokuments D2/D2a. Insbesondere könnten die Vorformlinge direkt nach dem Spritzgießen nicht in einem ungeordneten Vorrat abgelegt werden, da die Vorformlinge noch nicht ausreichend verfestigt seien. Die für den Hilfsantrag 1 vorgebrachten Argumente gälten analog. Das Hindernis, ausgehend vom Dokument D2/D2a zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 zu gelangen, wäre noch größer.
Hilfsantrag 3a - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a werde gegenüber Dokument D2/D2a durch die Auswahl eines Rotary-Sorters oder Rollensortierers zusätzlich abgegrenzt. Bezüglich der Abgrenzung zum Dokument D2/D2a und der erfinderischen Tätigkeit gälten die gleichen Argumente wie für die Hilfsanträge 1 und 2. Zusätzlich bestünde ein synergistischer Effekt zu der horizontalen Transportbahn, insbesondere da die Sortiereinrichtungen Teil der Aufgabe seien, die Bauhöhe zu reduzieren. Im Absatz [0013] des Patents werde die Fördermenge explizit mit der Vermeidung hoher Bauhöhen verknüpft: "Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren der einleitend genannten Art derart zu verbessern, daß eine Zuführung der Vorformlinge zur Blasmaschine auch bei großen Fördermengen unter Vermeidung sehr hoher Bauhöhen erfolgen kann." Der Vorteil des Rotary-Sorters liege in seiner geringen Bauhöhe (siehe Patent, Absatz [0011]). Trotz einer großen Bauhöhe sei der Vorteil des Rollensortierers dessen hohe Sortierleistung (siehe Patent, Absatz [0012]). Es gäbe auch andere Sortiereinrichtungen, wie beispielsweise die im Dokument D1 gezeigte.
Ein Rollensortierer sei im Patent in Figur 5 und in den Absätzen [0070] und [0071] offenbart, ein Rotary-Sorter in der Figur 15 und im Absatz [0103]. Dort würden auch die vorteilhaften Wirkungen im Zusammenhang mit der horizontalen Transportbahn beschrieben. Auf Grund der großen Bauhöhe würde der Rollensortierer nicht im Reinraum des Dokuments D2/D2a angeordnet werden.
Aus den oben genannten Gründen liege keine willkürliche Auswahl aus allgemein bekannten Sortiereinrichtungen vor. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 4a - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und dem Dokument D18
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a sei nicht nahegelegt ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und der Lehre des Dokuments D18. Das anspruchsgemäße Einlegeteil sei insbesondere durch den Begriff "Einlegen" definiert, was impliziere, dass es eingelegt und daher auch wieder herausnehmbar sei. Die Einlegeteile seien insbesondere im Absatz [0076] und der Figur 7 des Patents beschrieben. Der technische Effekt des Einlegeteils liege gemäß Absatz [0079] des Patents darin, dass die Vorschubkräfte gleichmäßig aufgebracht werden könnten, wozu die Anzahl der Ausströmöffnungen etwa der Anzahl der innerhalb der Führungseinrichtung befindlichen Vorformlinge entspreche. So wäre zum Beispiel bei der Verwendung großer Vorformlinge ein anderes Einlegeteil zu verwenden als bei der Förderung von kleinen Vorformlingen. Folglich sei die objektive technische Aufgabe, den Staudruck in Abhängigkeit von der Vorformlingsgeometrie einzustellen. Der Fachmann hätte das Dokument D18 nicht in Betracht gezogen, da sich das Dokument D18 nicht mit dieser Aufgabe beschäftige. Das Dokument D18 offenbare nicht den Transport von spritzgegossenen Vorformlingen, sondern von Dosen (siehe Dokument D18, Figur 7). Ferner zeige das Dokument D18 keinen sterilen Transport. Selbst wenn der Fachmann das Dokument D18 berücksichtigt hätte, so wäre er nicht zu der beanspruchten Lösung gelangt, da das dem anspruchsgemäßen Einlegeteil entsprechende Bauteil des Dokuments D18 fest verbaut sei.
IX. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Nichtzulassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gemachten Sachvortrags der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Seiten 188 und 189 und insbesondere des Bildes 3.21 des Dokuments D22
Das Bild 3.21 des Dokuments D22 sei in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erstmals zitiert und erläutert worden, weshalb dieser Vortrag eine Änderung des Vorbringens darstelle und nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen sei.
Hauptantrag - fehlende Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 10 gegenüber dem Dokument D2/D2a
Unter einer Sortiereinrichtung sei jede Einrichtung zu verstehen, mit der eine Umsortierung/Umordnung erfolge. Zur Auslegung des Begriffs "Sortiereinrichtung" werde auch auf die zum Bild 3.21 des Dokuments D22 gehörige Beschreibung auf den Seiten 188 und 189 verwiesen, dort sei eine Umordnung/Umsortierung erforderlich. Diese ergebe sich bereits aus den unterschiedlichen Zykluszeiten der Spritzgießvorrichtung und der Blasmaschine. Auch im Dokument D8/D8a, das ein Einstufenverfahren zeige, erfolge eine Umsortierung, nämlich von einer zweidimensionalen Matrix in eine eindimensionale linienförmige Anordnung.
Da der Anspruchswortlaut keine Definition einer Sortiereinrichtung enthalte, müsse der Begriff der Sortiereinrichtung breit ausgelegt werden. Die im Absatz [0011] des Patents aufgeführten Merkmale stünden nicht im Anspruch und seien daher nicht limitierend.
Der Anspruch 10 des Hauptantrags sei entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin auch nicht implizit auf ein Zweistufenverfahren beschränkt. Im Absatz [0007] des Patents würden sowohl Einstufen- als auch Zweistufenverfahren beschrieben. Absatz [0011] des Patents beschreibe, dass den Zuführschienen typischerweise ein Sortierer für die Vorformlinge vorgeschaltet sei. Absatz [0013] des Patents beschreibe die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die darin liege, ein Verfahren der einleitend genannten Art derart zu verbessern, dass die Zuführung der Vorformlinge zur Blasmaschine auch bei großen Fördermengen unter Vermeidung sehr hoher Bauhöhen erfolgen könne. Ein Verfahren der einleitend genannten Art umfasse somit Ein- und Zweistufenverfahren.
Gemäß den obigen Ausführungen sei somit im Dokument D2/D2a, auch wenn es ein Einstufenverfahren zeige, eine Sortiereinrichtung implizit offenbart.
Bezüglich des Gehäuses werde darauf hingewiesen, dass das Patent das Gehäuse nicht näher spezifiziere. In den von der Beschwerdeführerin genannten Figuren 3 und 5 des Patents sei das Gehäuse nicht bezeichnet. Aus dem vorliegenden Anspruch gehe nur hervor, dass die Transportbahn zwischen der Sortiereinrichtung und dem Gehäuse der Blasmaschine angeordnet sei. Welche Merkmale das Gehäuse aufweise, ob eine Vorformlingseingabe oder Zuführschienen vorhanden seien, und ob diese Teil des Gehäuses oder der Blasmaschine seien, werde im Patent nicht definiert und auch nicht beansprucht. Vielmehr könne aus dem erteilten abhängigen Anspruch 8 gefolgert werden, dass auch im Patent Zuführschienen vorhanden seien.
Laut Absatz [0009] des Dokuments D2/D2a befinde sich die Blasmaschine im Reinraum 3, also in einem Gehäuse. In Absatz [0010] des Dokuments D2/D2a werde der Transport von der Spritzgießvorrichtung zur Blasformvorrichtung offenbart. Damit seien die Merkmale M10.2 und M10.5 vorweggenommen.
Auch das Merkmal M10.4 sei offenbart, da die Erzeugung eines Staudrucks abhängig von der Anzahl der Vorformlinge und den Betriebsparametern sei und durch den Luftförderer erzeugt werden könne.
Der Gegenstand des Anspruchs 10 des Hauptantrags sei somit nicht neu gegenüber dem Dokument D2/D2a.
Nichtzulassung der Hilfsanträge 1, 2, 3a, 3b, 3c, 4a, 4b und 4c
Die Hilfsanträge 1, 2, 3a, 3b, 3c, 4a, 4b und 4c hätten bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren eingereicht werden können und müssen, so dass diese Hilfsanträge nach Artikel 12 (6) VOBK 2020 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen seien. Das Dokument D2/D2a sei in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bezüglich Neuheit diskutiert worden und die Beschwerdeführerin (damals: Einsprechende) sei über die Gründe informiert worden (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Seite 6 oben und viertletzter Absatz). Es werde bestätigt, dass der Neuheitseinwand im Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hilfsantrags 1 (jetzt: Hauptantrag) gegenüber dem Dokument D2/D2a erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebracht worden sei.
Hilfsantrag 1 - fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Ein- und Zweistufenverfahren und deren Vor- und Nachteile seien allgemein bekannt. Es bestehe keine Wechselwirkung zwischen einem Ein- oder Zweistufenverfahren einerseits und der horizontalen Transportbahn oder dem Streckblasverfahren andererseits. Im Hinblick auf das Zweistufenverfahren bestehe die erste Teilaufgabe darin, ein alternatives Verfahren zum Zuführen der Vorformlinge anzugeben. Hinsichtlich der Reckstange liege die weitere Teilaufgabe darin, ein geeignetes Blasformverfahren bereitzustellen. Beide Teilaufgaben könnten unabhängig voneinander und in naheliegender Weise gelöst werden. Es sei gängige Rechtsprechung, dass eine Auswahl aus allgemein bekannten Alternativen keine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Dies gelte auch für eine mehrfache Auswahl, wie sie in der Entscheidung T 1984/15 erwähnt werde (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, ("Rechtsprechung"), I.D.9.21.9). Der keimfreie Transport sei auch in einem Zweistufenverfahren zu realisieren. Eventuelle Kontaminationsprobleme ergäben sich nicht nur beim Einsatz einer Reckstange, sondern auch durch die Druckluft beim Blasformen und spielten bei der Auswahl daher keine Rolle. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 sei daher nicht erfinderisch gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.
Hilfsantrag 2 - fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Aus denselben Gründen wie für den Hilfsantrag 1 beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ein Zweistufenverfahren werde durch eine Trennung der Herstellungsprozesse des Spritzgießens und des Blasformens realisiert. Dies impliziere eine Zuführung der spritzgegossenen Vorformlinge über einen ungeordneten Vorrat. Die Aussage der Beschwerdeführerin, dass die Vorformlinge direkt nach dem Spritzgießen nicht in einem ungeordneten Vorrat abgelegt werden könnten, sei nicht korrekt und außerdem nicht relevant, da das Spritzgießen der Vorformlinge nicht Bestandteil des beanspruchten Verfahrens sei.
Hilfsantrag 3a - fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Es handle sich auch hier um eine nicht erfinderische Auswahl, da die Sortiereinrichtungen des Rollensortierers und des Rotary-Sorters allgemein bekannt seien (siehe Patent, Absätze [0011] und [0012]). Das Patent beschreibe keine über die allgemeinen bekannten Vorteile hinausgehenden spezifischen technischen Wirkungen in Zusammenhang mit der horizontalen Transportbahn. Im Absatz [0017] des Patents werde lediglich erwähnt, dass sich diese als besonders vorteilhaft erweise, ohne konkret besondere Vorteile zu nennen.
Die Auswahl einer spezifischen Sortiereinrichtung aus einer zur Verfügung stehenden beschränkten Anzahl möglicher Sortiereinrichtungen, deren Vor- und Nachteile dem Fachmann hinlänglich bekannt seien, könne nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a ebenso wie der des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nicht erfinderisch gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.
Hilfsantrag 4a - fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und dem Dokument D18
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a sei nicht erfinderisch ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und dem Dokument D18. Das hinzugefügte Merkmal des mindestens einen in einer Führungseinrichtung positionierten Einlegeteils zur Leitung der Gasströmung in Richtung auf die Vorformlinge sei aus dem Dokument D18 (siehe Dokument D18, Figur 1: 36 und Figur 7) bekannt und werde dort für den gleichen Zweck eingesetzt. Das Einlegeteil werde im Patent im Absatz [0076] als preiswertes Stanzteil aus Streifenblech beschrieben. Die objektive technische Aufgabe sei daher, auf preiswerte Weise die Luftführung zu realisieren. Da sich das Dokument D18 mit dem Transport von Hohlkörpern beschäftige und einen Transport mit Druckluft offenbare, hätte der Fachmann dieses Dokument berücksichtigt.
Dokument D18 zeige ebenso wie das Patent ein Einlegeteil, das sowohl im Patent (siehe Patent, Figur 6: 52) als auch im Dokument D18 (siehe Dokument D18, Figur 8: 136a und 137 und Figur 9: Längsbohrungen) verschraubt sei.
Mit den anderen unterscheidenden Merkmalen gäbe es keine Synergie, weshalb unabhängige Teilaufgaben zu lösen seien. Diesbezüglich werde auf die Argumentation hinsichtlich der Hilfsanträge 1, 2 und 3a verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokuments D22 und des dazugehörigen in der Beschwerdebegründung gemachten Sachvortrags
In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2020 hat die Kammer entschieden, den von der Beschwerdeführerin erstmals mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Fachbuchauszug D22 und den dazu in der Beschwerdebegründung gemachten Sachvortrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Diesbezüglich gab es seitens der Beschwerdegegnerin keine Einwände.
2. Zulassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gemachten Sachvortrags der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Seiten 188 und 189 und insbesondere des Bildes 3.21 des Dokuments D22
Die Beschwerdeführerin hat zur Untermauerung ihres in der Beschwerdebegründung gemachten Vortrags (siehe Beschwerdebegründung, Punkt III. 4. d)), dass die typische Funktion einer Sortiereinrichtung von einer Spritzgießvorrichtung gar nicht ausgeführt werde, da die Vorformlinge unmittelbar nach deren Herstellung bereits ausgerichtet und orientiert vorlägen, in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer insbesondere auf das Bild 3.21 des Dokuments D22 verwiesen. Die Beschwerdegegnerin erachtete diesen mündlichen Vortrag als neu und trug vor, dass er gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen sei.
Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass der von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gemachte Sachvortrag unter Bezugnahme auf das Dokument D22, insbesondere auf die Seiten 188 und 189 und das Bild 3.21 des Dokuments D22, keine Änderung des Beschwerdevorbringens i.S.d. Artikels 13 VOBK 2020 beinhaltet, sondern eine Ausgestaltung des bereits in der Beschwerdebegründung gemachten und in das Beschwerdeverfahren zugelassenen Sachvortrags darstellt. Damit ist der Artikel 13 VOBK 2020 diesbezüglich nicht anzuwenden. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die mündlichen Ausführungen nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht ins Verfahren zuzulassen, kann daher nicht stattgegeben werden.
3. Auslegung des Anspruchswortlauts
Anspruch 10 des Hauptantrags betrifft eine Vorrichtung zum Transport von Vorformlingen, in der eine Transportbahn für die Vorformlinge im Wesentlichen horizontal zwischen einer Sortiereinrichtung für die Vorformlinge und einem Gehäuse der Blasmaschine angeordnet ist (Merkmal M10.2), und wobei die horizontale Transportbahn für die Vorformlinge zwischen dem Gehäuse der Blasmaschine und der Sortiereinrichtung und hierdurch den Abstand zwischen der Sortiereinrichtung und der Blasmaschine überbrückend angeordnet ist (Merkmal M10.5). Die Auslegung der Begriffe "Sortiereinrichtung" und "Gehäuse" ist streitig. Ferner ist die Interpretation des Merkmals M10.4 streitig, insbesondere der Teil, wonach die Ausströmöffnung zur Erzeugung des Staudrucks durch eine Druckluftströmung angeordnet und ausgerichtet ist.
3.1 In Bezug auf den Begriff "Sortiereinrichtung" im Kontext der vorliegenden Erfindung folgt die Kammer der Beschwerdeführerin insoweit, als dass für Zweistufenverfahren zwingend eine Sortiereinrichtung erforderlich ist und dass bei Zweistufenverfahren die Vorformlinge ungeordnet einem Vorrat entnommen werden. Allerdings kann die Kammer der Beschwerdeführerin weder zustimmen, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags auf ein Zweistufenverfahren eingeschränkt ist, noch dass eine Sortiereinrichtung ausschließlich dazu dient, ungeordnet einem Vorrat entnommene Vorformlinge mit einer gleichen räumlichen Orientierung zu versehen, wie dies im Absatz [0011] des Patents offenbart ist. Da die im Absatz [0011] und Figur 5 des Patents offenbarten Ausgestaltungsmerkmale nicht Bestandteil des Anspruchs sind, können diese nicht zur Abgrenzung seines Gegenstands herangezogen werden. Der Begriff der "Sortiereinrichtung" ist daher nach fachmännischem Verständnis breiter zu interpretieren. Wie auch die Einspruchsabteilung und die Beschwerdegegnerin versteht die Kammer im vorliegenden Fall jede Vorrichtung zur Umsortierung oder Umorientierung der Vorformlinge als eine Sortiereinrichtung (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkte 33 und 37). Der Behauptung der Beschwerdeführerin, dass in einer Spritzgießvorrichtung die Vorformlinge bereits sortiert und ausgerichtet hergestellt würden und somit im Einstufenverfahren keine Sortiereinrichtung erforderlich sei, kann die Kammer in dieser Allgemeinheit nicht folgen. Die Tatsache, dass auch im Einstufenverfahren eine Umsortierung/Umordnung erforderlich sein kann, wurde von der Beschwerdegegnerin mit Verweis auf das Dokument D8, wo die spritzgegossenen Vorformlinge von einer Vorrichtung von einer zweidimensionalen Matrixanordnung in eine eindimensionale, linienförmige Anordnung überführt werden, überzeugend dargelegt. Dies kann auch nicht aufgrund des Dokuments D22 in Frage gestellt werden. Die im Bild 3.21 des Dokuments D22 gezeigte Skizze, auf die sich die Beschwerdeführerin bezieht, scheint zwar schematisch eine gerichtete Ausgabe und Weiterverarbeitung des Vorformlings zu zeigen, aus dem zugehörigen Text erfährt man jedoch Folgendes: "Bei dem in Bild 3.20 und 3.21 dargestellten Maschinenkonzept stehen einem 8-fach Spritzgießwerkzeug vier Blasstationen gegenüber. Nach dem Spritzen von acht Preforms werden diese entformt und von einer Entnahmekassette aus dem Bereich der Schließeinheit entfernt, um den nächsten Spritzzyklus starten zu können. Die entnommenen Preforms werden nun in einen Zwischenspeicher abgesetzt. Ihre Temperatur an der Außenhaut ist unter die Glastemperatur abgekühlt, während sie im Inneren der Wand noch eine höhere Temperatur haben. Die Kompensation dieser Temperaturunterschiede erfolgt in diesem Zwischenspeicher. Hier verweilen die Preforms bis zum Ausgleich des inneren Temperaturprofils und werden dann paarweise mittels Greifer in ein im Blaszyklus taktendes Blasrad übergeben." Dies bestätigt, dass auch im Einstufenverfahren unter anderem auf Grund der unterschiedlichen Zykluszeiten der Spritzgießmaschine und der Blasmaschine eine direkte Übergabe der Vorformlinge ohne Sortierung/Umordnung nicht notwendigerweise erfolgt.
3.2 Hinsichtlich der Interpretation des Begriffes "Gehäuse" folgt die Kammer der Auslegung der Beschwerdegegnerin, die diesem Begriff die dem Duden zu entnehmende Bedeutung zu Grunde legt, nämlich die einer festen, schützenden Umhüllung.
Für die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass es fachüblich sei, dass die aus dem Gehäuse herausragenden Einlaufschienen, also die Vorformlingseingabe, Bestandteil der Blasmaschine seien, und somit die Erfindung auch darin liege, dass sich die Transportbahn ohne derartige Einlaufschienen direkt an das Gehäuse der Blasmaschine anschließe, findet sich keine Grundlage im Patent. Auch der Verweis auf das als Beleg für das allgemeine Fachwissen genannte Dokument D1, Spalte 5, Zeilen 38 bis 53 hilft hier nicht weiter, insbesondere da dort drei verschiedene Möglichkeiten aufgeführt sind, wie der Förderer 10 an die Blasmaschine angeschlossen sein kann: über einen Luftförderer, ein "index wheel" oder Zuführscheinen der Blasmaschine.
3.3 Nach Meinung der Kammer ist das Merkmal M10.4 des unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 10 nicht darauf beschränkt, dass durch die Luftströmung auch tatsächlich ein Staudruck erzeugt wird, sondern lediglich darauf, dass diese Vorrichtung dazu geeignet ist. Ob diese tatsächlich einen Staudrucks erzeugt, hängt von Betriebsparametern ab und kann daher für den Vorrichtungsanspruch 10 nicht limitierend wirken. Das Merkmal M10.4 ist zwangsläufig erfüllt, wenn die Vorschubkraft durch eine Luftströmung bewirkt wird beziehungsweise bewirkt werden kann.
4. Hauptantrag - Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 10 gegenüber dem Dokument D2/D2a (Artikel 54 EPÜ)
4.1 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob im Dokument D2/D2a die Merkmale M10.2, M10.5 und M10.4 offenbart sind, insbesondere, ob das Dokument D2/D2a eine anspruchsgemäße Sortiereinrichtung zeigt, ob die Transportbahn den Abstand zwischen der Sortiereinrichtung und dem Gehäuse überbrückend angeordnet ist und ob die Druckluftströmung zur Erzeugung des Staudrucks angeordnet und ausgerichtet ist.
4.2 Auf Grund der obigen Auslegung des Begriffes "Sortiereinrichtung" muss im Dokument D2/D2a notwendigerweise zwischen der Spritzgießmaschine des Dokuments D2/D2a (Dokument D2, Figur 1: 2) und der Transportbahn (Dokument D2, Figur 1: 7) eine Umsortierung stattfinden und deshalb eine Sortiereinrichtung vorhanden sein. Gemäß der obigen Auslegung des Begriffes "Gehäuse" im Sinne einer festen, schützenden Umhüllung wird der Reinraum im Dokument D2 (siehe Dokument D2, Figur 1: 3) als anspruchsgemäßes Gehäuse betrachtet. Somit sind die Merkmale M10.2 und M10.5 im Dokument D2/D2a offenbart.
Im Dokument D2/D2a werden die Vorformlinge mit dem horizontalen keimfreien Luftförderer von der Spritzgießvorrichtung 2 zu der Blasformungsvorrichtung 4 transportiert (siehe Dokument D2/D2a, Absatz [0010]; Figur 1). Dass die Transportbahn den Abstand zum Gehäuse der Blasformmaschine überbrückend angeordnet ist, geht aus Absatz [0011] des Dokuments D2/D2a hervor: "Als Nächstes werden diese Vorformlinge P durch die Vorrichtung für den keimfreien Transport 7 keimfrei zum Reinraum 3 transportiert und durch die Blasformungsvorrichtung 4 innerhalb dieses Reinraums durch Blasformen ausgeformt." Da das Dokument D2/D2a einen Luftförderer offenbart (siehe Dokument D2/D2a, Absätze [0003] und [0010] sowie Figuren 1 und 4), der zur Erzeugung eines Staudrucks geeignet ist, ist auf Grund der obigen Auslegung des Merkmals M10.4 dieses Merkmal ebenfalls neuheitsschädlich vorweggenommen.
4.3 Schlussfolgerung der Kammer hinsichtlich Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 10 des Hauptantrags gegenüber dem Dokument D2/D2a
Der Gegenstand des Anspruchs 10 des Hauptantrags ist nicht neu gegenüber dem Dokument D2/D2a (Artikel 54 EPÜ).
5. Zulassung der Hilfsanträge 1, 2, 3a und 4a
Zusammen mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin unter anderem erstmals die Hilfsanträge 1, 2, 3a und 4a eingereicht und dies als eine angemessene Reaktion auf die Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a gerechtfertigt. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Hilfsanträge gemäß Artikel 12 (4) und (6) VOBK 2020 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Es ist unbestritten, dass der letztlich erfolgreiche, auf das Dokument D2/D2a gestützte Neuheitseinwand gegen den Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hilfsantrags 1 im Einspruchsverfahren, der dem vorliegenden Hauptantrag entspricht, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geltend gemacht wurde. Obwohl die Beschwerdeführerin noch im Einspruchsverfahren versucht hat, mit neuen Hilfsanträgen auf diesen erstmals erhobenen Einwand zu reagieren, ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass sich die Beschwerdeführerin erst nach Erhalt und in Kenntnis der schriftlichen Begründung der angefochtenen Entscheidung in der Lage sah, in ihrer Beschwerdebegründung vollumfänglich darauf einzugehen und mit der Vorlage der neuen Hilfsanträge angemessene Rückzugspositionen zu definieren. Daher hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2020 entschieden, die Hilfsanträge 1, 2, 3a und 4a in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
6. Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (Artikel 56 EPÜ)
6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber dem des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf ein Zweistufenverfahren beschränkt. Die Kammer betrachtet in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin das Dokument D2/D2a als möglichen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Es ist unbestritten, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 vom Dokument D2/D2a darin unterscheidet, dass es sich um ein Zweistufenverfahren handelt und dass das Blasformen mittels einer Reckstange erfolgt.
6.2 Das Unterscheidungsmerkmal des Zweistufenverfahrens betrifft die Verfahrenschritte stromaufwärts des eigentlichen Blasvorgangs, während der Einsatz der Reckstange in einem Streckblasverfahren den Blasvorgang selbst betrifft. Beide unterscheidenden Merkmale wirken folglich nicht synergistisch zusammen und lösen daher unabhängige Teilaufgaben.
6.3 Die erste objektive technische Aufgabe liegt darin, ein alternatives Verfahren zum Zuführen der Vorformlinge anzugeben. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass Ein- und Zweistufenverfahren auf dem vorliegenden Fachgebiet allgemein bekannt sind (siehe Patent, Absatz [0007] und Dokument D22) und jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. Beim Einstufenverfahren ist beispielsweise die Verknüpfung der Spritzgießvorrichtung mit der Blasformmaschine auf Grund der unterschiedlichen Zykluszeiten beim Spritzgießen und beim Blasformen nachteilig. Auch bringen Störungen in einer der beiden Maschinen auch die andere zum Stillstand. Hierbei sind Zweistufenverfahren deutlich flexibler, da das Spritzgießen und das Blasformen unabhängig voneinander optimiert werden können. Allerdings sind Einstufenverfahren in hygienischer und energetischer Hinsicht den Zweistufenverfahren überlegen. Ferner ist beim Einstufenverfahren im Gegensatz zum Zweistufenverfahren keine Zwischenlagerung erforderlich. Diese und weitere Vor- und Nachteile der beiden Verfahren sind dem Fachmann allgemein bekannt (siehe Dokument D22; Dokument D2/D2a, Absätze [0004], [0005]).
Eine Auswahl eines dieser beiden bekannten Verfahren kann daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Die Kammer verweist auf die gängige Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung, I.D.9.21.9), wonach eine Auswahl aus einer Anzahl (im vorliegenden Fall: zwei) möglicher Lösungen nicht erfinderisch sein kann, wenn sie nicht in einer bislang unbekannten technischen Wirkung begründet liegt, durch die sich die beanspruchte Lösung von den anderen Lösungen unterscheidet. Dies wird auch in der Entscheidung T 148/10 bestätigt, wo in Punkt 1.9 der Entscheidungsgründe feststellt wird, dass der Fachmann kein erfinderisches Zutun benötigt, um aus bekannten Alternativen eine Auswahl zu treffen. Der Fachmann sei in der Lage, die Vor- und Nachteile seiner Auswahl zu berücksichtigen, und würde diese gegeneinander abwägen (siehe auch Rechtsprechung, I.D.4.5.).
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann ausgehend vom Dokument D2/D2a, dessen Ziel ein keimfreier Transport von der Spritzgießvorrichtung bis zur Blasmaschine und Abfüllanlage ist, keinerlei Veranlassung gehabt hätte, vom Einstufenverfahren abzuweichen, überzeugt die Kammer aus den obigen Gründen nicht. Ferner lässt sich ein keimfreier Transport grundsätzlich auch in einem Zweistufenverfahren realisieren, wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat.
Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann nicht nur das Zweistufenverfahren, sondern auch eine entsprechende Sortieranlage auswählen müsse, die die Vorformlinge aus einem ungeordneten Vorrat entnimmt, greift nicht, da - wie die Beschwerdeführerin selbst im Kontext des Hauptantrags argumentiert hat - derartige Sortiereinrichtungen inhärent mit einem Zweistufenverfahren verbunden sind.
6.4 Die zweite unabhängige Teilaufgabe besteht darin, ein geeignetes Blasformverfahren bereitzustellen. Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass es sowohl reine Blasverfahren als auch Streckblasverfahren, in denen beim Blasvorgang zusätzlich eine Reckstange eingesetzt wird, gibt, wobei für die meisten Anwendungen letzteres zum Einsatz kommt. Beide Varianten sind mit bekannten Vor- und Nachteilen verbunden. Ebenso wie bei der Wahl des Ein- oder Zweistufenverfahrens liegt auch hier eine nicht erfinderische Auswahl aus zwei dem Fachmann bekannten Möglichkeiten vor.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Verwendung einer Reckstange zu Kontaminationsproblemen führen könne, ist nicht stichhaltig, da Kontaminationsprobleme grundsätzlich zu vermeiden sind und daher bei der Auswahl keine Rolle spielen.
Die Kammer kann auch keine rückschauende Betrachtungsweise erkennen, da hinsichtlich der Lösung beider Teilaufgaben alle möglichen Alternativen zum allgemeinen Fachwissen gehören und keine unerwartete oder unbekannte technische Wirkung beinhalten.
6.5 Schlussfolgerung der Kammer hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist nicht erfinderisch ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (Artikel 56 EPÜ).
7. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
7.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist gegenüber dem des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 eingeschränkt durch eine Sortiereinrichtung, die ausgeführt ist, ungeordnet einem Vorrat entnommene Vorformlinge mit einer gleichen räumlichen Orientierung zu versehen. Selbst wenn dieses Merkmal entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht ein implizites Merkmal des Zweistufenverfahrens, sondern eine weitere Einschränkung des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 darstellen würde, so wäre es - wie die Beschwerdeführerin selbst dargelegt hat - auf dem vorliegenden Fachgebiet inhärent mit dem beanspruchten Zweistufenverfahren verbunden. Daher gelten die gleichen Erwägungen, die oben für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 dargelegt wurden. Ferner wird darauf hingewiesen, dass derartige Sortierverfahren aus dem Stand der Technik allgemein bekannt sind (siehe Patent, Absatz [0011]), so dass auch hier ohne Vorliegen einer speziellen technischen Wirkung nach der oben genannten gängigen Rechtsprechung keine erfinderische Auswahl begründet sein kann. Gemäß der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidung T 1984/15 (siehe Punkt 4.5 der Entscheidungsgründe) gehört auch eine mehrmalige Auswahl aus allgemein bekannten Lösungsansätzen zum routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns zur Bereitstellung einer alternativen Lösung (siehe Rechtsprechung, I.D.9.21.9 und I.D.4.5.).
7.2 Schlussfolgerung der Kammer hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist nicht erfinderisch ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (Artikel 56 EPÜ).
8. Hilfsantrag 3a - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
8.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a wird gegenüber dem des Hilfsantrags 2 weiter eingeschränkt, indem die Sortiereinrichtung als Rotary-Sorter oder als Rollensortierer ausgeführt ist. Bei beiden alternativ beanspruchten Sortiereinrichtungen handelt es sich um allgemein bekannte Vorrichtungen mit allgemein bekannten Vor- und Nachteilen, was auch im Patent so dargestellt ist (siehe Patent, Absätze [0011] und [0012]). Im Patent ist ein Rollensortierer in Figur 5 und in den zugehörigen Absätzen [0070] und [0071] beschrieben. Ein Rotary-Sorter ist in den Figuren 15 bis 19 und den Absätzen [0103] bis [0119] offenbart. Allgemein sind Rollensortierer auch im Dokument D22 im Zusammenhang mit dem Zweistufenverfahren beschrieben (siehe Dokument D22, Kapitel 3.4.2): "Die Preformzuführung ist bei allen Maschinentypen identisch. Die Preforms werden aus einer Schütte über einen Steilförderer in einen Rollensortierer gefördert."
8.2 Die Beschwerdeführerin unterscheidet bei ihrer Argumentation zwischen dem Rotary-Sorter und dem Rollensortierer. Für den Rotary-Sorter verweist sie auf dessen geringe Bauhöhe (siehe Patent, Absatz [0011]) und für den Rollensortierer auf dessen große Bauhöhe bei gleichzeitig hohem Durchsatz (siehe Patent, Absätze [0012] und [0013]) und argumentiert, dass diese Sortiereinrichtungen folglich einen Beitrag zu der im Patent formulierten Aufgabe leisteten, ein Verfahren so zu verbessern, dass eine Zuführung der Vorformlinge zur Blasmaschine auch bei großen Fördermengen unter Vermeidung sehr hoher Bauhöhen erfolgen könne (siehe Patent, Absatz [0013]).
8.3 Die Kammer stellt fest, dass die beanspruchten Alternativen des Rollensortierers und des Rotary-Sorters entweder einen Beitrag zur Bauhöhe oder zum Durchsatz der Anlage leisten sollen. Diese jeweiligen Vorteile eines Rollensortierers oder eines Rotary-Sorters sind aber im Kontext des Zweistufenverfahrens allgemein bekannt. Das Dokument D22 beispielsweise erwähnt explizit Rollensortierer als typische Sortiereinrichtung. Es ist nicht ersichtlich, wie die Aufnahme beider alternativen Sortiereinrichtungen in allgemeiner Form in den Anspruch 1 unter diesen Umständen eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.
8.4 Schlussfolgerung der Kammer hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a ist nicht erfinderisch ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (Artikel 56 EPÜ).
9. Nichtzulassung der Hilfsanträge 3b und 3c
Im Anspruch 1 der erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 3b und 3c sind im Vergleich zum Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a Merkmale gestrichen, weshalb der Gegenstand des breiteren Anspruchs 1 der Hilfsanträge 3b und 3c prima facie aus den gleichen Gründen, wie oben für den Hilfsantrag 3a dargelegt, nicht erfinderisch ist. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2020 hat die Kammer entschieden, die Hilfsanträge 3b und 3c nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
10. Hilfsantrag 4a - erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und dem Dokument D18
10.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a wird gegenüber dem des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a weiter eingeschränkt durch das Merkmal, dass die Gasströmung durch mindestens ein in einer Führungseinrichtung (42) positioniertes Einlegeteil (59) in Richtung auf die Vorformlinge (1) geleitet wird.
10.2 Das im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4a im Vergleich zum Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a hinzugefügte Merkmal des mindestens einen in einer Führungseinrichtung positionierten Einlegeteils zur Leitung der Gasströmung in Richtung auf die Vorformlinge ist aus dem Dokument D2/D2a nicht bekannt. Mit den anderen unterscheidenden Merkmalen, nämlich dem Zweistufenverfahren (siehe Hilfsantrag 1), der Sortiereinrichtung, die ausgeführt ist, ungeordnet einem Vorrat entnommene Vorformlinge mit einer gleichen räumlichen Orientierung zu versehen (siehe Hilfsantrag 2) und der Ausbildung als Rotary-Sorter oder Rollensortierer (siehe Hilfsantrag 3a), gibt es keine Synergie, weshalb auch in Bezug auf das in einer Führungseinrichtung positionierte Einlegeteil eine unabhängige Teilaufgabe zu definieren ist.
10.3 Das Merkmal des mindestens einen in einer Führungseinrichtung positionierten Einlegeteils zur Leitung der Gasströmung in Richtung auf die Vorformlinge hat den technischen Effekt, die Gasströmung in Richtung auf die Vorformlinge zu leiten. Im Absatz [0076] des Patents wird das Einlegeteil als preiswertes Stanzteil beschrieben. Im Absatz [0079] des Patents wird offenbart, dass es zur gleichmäßigen Aufbringung von Vorschubkräften zweckmäßig sei, wenn die Anzahl der Ausströmöffnungen der Anzahl der innerhalb der Führungseinrichtung befindlichen Vorformlinge entspricht. Darauf basiert die Beschwerdeführerin ihre Formulierung der objektiven technischen Aufgabe auf, die darin liegen solle, den Staudruck in Abhängigkeit von der Vorformlingsgeometrie einzustellen. Diese Aufgabe wird nach Meinung der Kammer von den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a jedoch nicht gelöst, da das Einlegeteil in diesem Anspruch nicht näher spezifiziert ist. Daher kommt die allgemeinere, von der Beschwerdegegnerin formulierte Aufgabenstellung zum Tragen, ein Verfahren zu finden, bei dem die Gasströmung auf preiswerte Weise gelenkt wird.
10.4 Der Fachmann hätte ausgehend von Dokument D2/D2a das Dokument D18 berücksichtigt, da beide Dokumente eine Luftförderung betreffen und somit aus dem gleichen Fachgebiet stammen. In den Figuren 7 und 8 des Dokuments D18 sind - wie die Beschwerdeführerin zu Recht angeführt hat - Dosen abgebildet. Das Dokument D18 beschäftigt sich aber allgemein mit Hohlkörpern mit und ohne Kragen (siehe Dokument D18, Seite 1, "Field of the Invention"). Unabhängig von der Frage des keimfreien Transports betrifft das Dokument D18 Einlegeteile zur Führung des Gasstroms bei der Luftförderung von Behältern auf einer Transportbahn.
10.5 Das Dokument D18 offenbart unbestritten ein einfaches Einlegeteil zur Leitung der Gasströmung in Richtung auf die zu transportierenden Hohlkörper (siehe Dokument D18, Figur 1: 36 und Figur 7). Damit ist die Lösung für die die Lenkung der Gasströmung betreffende Teilaufgabe bereits für den gleichen Zweck aus dem Stand der Technik bekannt. Ob das Einlegeteil nur eingelegt wird - wie die Beschwerdeführerin behauptet - oder verschraubt ist, spielt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle. Für eine derartig enge Auslegung des Begriffs "Einlegeteil", wie von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen, findet sich weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung eine Grundlage. Die unten dargestellte Figur 6 des Patents widerspricht dieser Auslegung sogar, da dort das Einlegeteil 52 offenbar verschraubt ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 6 des Patents mit dem Einlegeteil 52
10.6 Schlussfolgerung der Kammer hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4a ist nicht erfinderisch ausgehend vom Dokument D2/D2a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und in Kombination mit dem Dokument D18 (Artikel 56 EPÜ).
11. Nichtzulassung der Hilfsanträge 4b und 4c
Im Anspruch 1 der erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 4b und 4c wurden im Vergleich zum Anspruch 1 des Hilfsantrags 4a Merkmale gestrichen, weshalb der Gegenstand des breiteren Anspruchs 1 der Hilfsanträge 4b und 4c prima facie aus den gleichen Gründen, wie oben für den Hilfsantrag 4a dargelegt, nicht erfinderisch ist. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2020 hat die Kammer entschieden, die Hilfsanträge 4b und 4c nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
12. Schlussfolgerung
Da keinem der Anträge der Beschwerdeführerin stattgegeben werden kann, kann ihre Beschwerde keinen Erfolg haben.
13. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 103 (1) a) EPÜ)
Gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ wird die Beschwerdegebühr in voller Höhe zurückgezahlt, wenn der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Da die Kammer der Beschwerde nicht stattgibt, ist eine der zwingenden Voraussetzungen für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) a) EPÜ nicht erfüllt, so dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr schon aus diesem Grund nicht stattgegeben werden kann. Ob der von der Beschwerdeführerin behauptete wesentliche Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt, kann daher für die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorliegend dahingestellt bleiben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.