European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T091220.20220505 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Mai 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0912/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10165551.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 13/00 A61K 8/02 A61L 15/22 A61L 15/28 A61L 27/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schichtförmige perforierte Biomatrices | ||||||||
Name des Anmelders: | MedSkin Solutions Dr. Suwelack AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Paul Hartmann AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Verletzung des rechtlichen Gehörs (nein) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag 1 (nein) Spät eingereichte Anträge - Hilfsanträge 2 und 3 hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Beschwerde gegen den Widerruf des Europäischen Patents 2 394 617 durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung. Zudem wurde die Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen. Weiter beantragte sie, die Hilfsanträge 2 und 3 nicht ins Verfahren zuzulassen sowie der Beschwerdeführerin die der Beschwerdegegnerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens entstehenden Kosten aufzuerlegen.
III. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der Verhandlung wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer informiert. Die Kammer legte darin inter alia dar, dass
- die Beschwerde zulässig sei,
- sie keinen Grund für eine Kostenverteilung zu Gunsten der Einsprechenden sehe,
- sie keinen Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung erkenne und keinen Grund für eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr sehe,
- die Gegenstände des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu zu sein scheinen,
- sie beabsichtige, Hilfsanträge 2 und 3 nicht ins Verfahren zuzulassen.
IV. In der Folge kündigte die Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom 10. März 2022 an, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und zog ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
V. Mit Schreiben vom 28. März 2022 nahm die Beschwergegnerin die Anträge,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, und
der Beschwerdeführerin die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens entstandenen Kosten aufzuerlegen,
zurück.
VI. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung abgesagt und die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen.
VII. Folgendes Dokument ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
D3 US 2010/0049326 Al
VIII. Der Wortlaut des Hauptantrags lautet:
"1. Schichtförmige Biomatrix (1) aus einem Trägermaterial, umfassend Proteine, die aus regelmäßig geometrisch geformten, gleichmäßig angeordneten Teilstücken (2), die durch kontinuierliche, über die Fläche der schichtförmigen Biomatrix verlaufende durchgehenden Perforationen (3) abtrennbar miteinander verbunden sind, gebildet wird, und die durch Abtrennung von einem oder mehrerer Teilsegmente variabler Größe und Form, die aus mindestens einem der regelmäßig geformten Teilstücke (2) gebildet werden, entlang der Perforationen (3) hinsichtlich ihrer Größe, Form und/oder Ausgestaltung variierbar ist."
IX. Der Wortlaut vom Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Hauptantrags in dem das Trägermaterial Collagen (statt Proteine im allgemein) umfasst.
X. Der Wortlaut vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des Hilfsantrags 1 in dem das Trägermaterial "überwiegend" Collagen umfasst.
XI. Der Wortlaut vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet:
"Schichtförmige Biomatrix (1) aus einem Trägermaterial, umfassend überwiegend Collagen, die aus regelmäßig geometrisch geformten, gleichmäßig angeordneten Teilstücken (2), die durch kontinuierliche, über die Fläche, einem Punkt des äußeren Randes der Biomatrix zu einem diesem gegenüberliegenden weiteren Punkt des äußeren Randes der schichtförmigen Biomatrix verlaufende durchgehenden Perforationen (3) abtrennbar miteinander verbunden sind, gebildet wird, und die durch Abtrennung von einem oder mehrerer Teilsegmente variabler Größe und Form, die aus mindestens einem der regelmäßig geformten Teilstücke (2) gebildet werden, entlang der Perforationen (3) hinsichtlich ihrer Größe, Form und/oder Ausgestaltung variierbar ist."
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Beschwerdegebühr solle in voller Höhe zurückgezahlt werden.
Die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung sei rechtlich willkürlich, weil sie keinerlei inhaltliche Prüfung vornehme.
Die Einspruchsabteilung habe ihre Meinung bezüglich der Relevanz der D3 zwischen den "ersten" Verfahren, das mit der Aufhebung der Entscheidung endete (T 807/17), und dem daran anschließenden "zweiten" Teil des Einspruchsverfahrens geändert, ohne dies zu begründen. Im "ersten" Verfahren habe sie die Meinung vertreten, dass D3 nicht eindeutig alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare. Im "zweiten" Verfahren habe Sie in der vorläufigen Meinung D3 jedoch als neuheitsschädliche betrachtet, ohne anzugeben, wo die einzelnen Merkmale in D3 offenbart werden. Dies stelle jedoch keine inhaltliche Prüfung dar. Zunächst hätte die Einspruchsabteilung jedenfalls prüfen sollen, ob der auf D3 basierende Einwand als verspätet anzusehen sei. Zudem habe sie die Argumente der Patentinhaberin in keiner Weise berücksichtigt. Dieses Vorgehen sei als willkürlich anzusehen und habe das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung entspreche nicht den Begründungserfordernissen der Regel 111 EPÜ.
Angesichts des willkürlichen und widersprüchlichen Vorgehens der Einspruchsabteilung habe die Beschwerdeführerin in Reaktion auf ihre vorläufige Meinung keine weiteren Argumente vorgebracht bzw. nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.
Hauptantrag - Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu. Die Entgegenhaltung D3 offenbare keine organische Biomatrix.
Die Teilstücke in Figur 3 der D3 seien nicht gleichmäßig angeordnet und die in D3 offenbarten Perforationen seien auch nicht durchgängig und endeten vor der Mitte.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu. Collagen sei in der Biomatrix nicht verwendet worden. Collagen werde im Absatz [0072] der D3 nur als Zusatz erwähnt und mache somit nicht das Stützmaterial aus.
XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin könne nicht durch die vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung erfolgen, siehe Regel 116 EPÜ ("Mit der Ladung weist das Europäische Patentamt auf die Fragen hin, die es für die zu treffende Entscheidung als erörterungsbedürftig ansieht"). Zur Frage der Berücksichtigung von D3 durch die Einspruchsabteilung sei zu bemerken, dass entsprechende auf D3 basierende Einwände mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit bereits im Einspruchsschriftsatz erhoben worden seien.
Hauptantrag - Neuheit
Die D3 offenbare in Absatz [0072], dass dem Trägermaterial Collagen, ein Protein, zugesetzt werden könne, womit das Merkmal "Trägermaterial umfassend Proteine" offenbart sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Die D3 offenbare im Absatz [0072], dass dem Trägermaterial Collagen zugesetzt werden könne. Somit sei das hinzugefügte Merkmal "Collagen" auch aus D3 bekannt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu.
Zulässigkeit der Hilfsanträge 2 und 3
Es sei nicht ersichtlich, noch sei vorgetragen worden, weshalb diese Anträge nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht worden sind bzw. aus welchen Gründen diese Anträge erst zum jetzigen Zeitpunkt gestellt worden sind.
Eine Zulassung der Hilfsanträge 2 und 3 würde die Einsprechende benachteiligen, da ihr damit die Möglichkeit auf eine erstinstanzliche Entscheidung genommen würde. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin diese Anträge nicht im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht hat und auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen habe, seien verfahrensrechtliche Entscheidungen, die nicht zulasten der Einsprechenden gehen dürfen.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensfehler und Rückzahlung der Beschwerdegebühr
1.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Einspruchsabteilung willkürlich vorgegangen, da sie die Entgegenhaltung D3 nun - nachdem in einem Beschwerdeverfahren bereits eine Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben wurde - erstmals in ihrer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung als neuheitsschädlich angesehen habe, obgleich sie bisher eine andere Auffassung vertreten habe. Zudem habe sie weder die Argumente der Patentinhaberin berücksichtigt noch eine inhaltliche Prüfung vorgenommen, wodurch sie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt und die Anforderungen an eine Begründung nach Regel 111 EPÜ nicht erfüllt habe.
1.2 Dieses Vorbringen überzeugt aus den folgenden Gründen nicht. Zunächst ist zu bemerken, dass eine Bindung der Einspruchsabteilung an eine von ihr in einer vorhergehenden Mitteilung geäußerten Meinung nicht besteht. In einem Einspruchsverfahren werden Argumente von den Parteien auch im Hinblick auf vorläufige Auffassungen der Einspruchsabteilung im Schriftwechsel in der Regel weiterentwickelt. Dies kann natürlich auch dazu führen, dass Entgegenhaltungen, wie im vorläufigen Fall D3, einer unterschiedlichen technischen Beurteilung unterliegen. Der Umstand, dass der auf D3 beruhende Neuheitseinwand einer Neubewertung unterworfen war, spricht per se nicht für ein willkürliches Vorgehen durch die Einspruchsabteilung. Zudem wäre eine Neubewertung dieses Einwandes durch die Einspruchsabteilung auch nach einer Diskussion im Rahmen einer mündlichen Verhandlung möglich gewesen. Eine Bindungswirkung der Einspruchsabteilung an ihre vorläufigen Meinung würde eine Durchführung einer mündlichen Verhandlung überflüssig machen. Ein solches Verständnis des Einspruchsverfahrens entspricht nicht dem Konzept eines zweiseitigen Verfahrens. Am Rande ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin auch zu bemerken, dass ein entsprechender Einwand bereits im Einspruchsschriftsatz enthalten war, sodass auch keine Zulässigkeitsprüfung vorgenommen werden musste.
1.3 Zum Einwand, dass die Einspruchsabteilung keine inhaltliche Prüfung hinsichtlich des auf D3 beruhenden Neuheitseinwandes vorgenommen habe, merkt die Kammer Folgendes an: Im Einspruchsverfahren wurde lediglich bestritten, dass Collagen in D3 ein Zusatz sei, während die im Anspruch 1 definierte Biomatrix aus Proteinen besteht. Zudem wurde in Frage gestellt, ob die in D3 offenbarten "Wedges" den im Anspruch 1 definierten" regelmäßig geometrisch geformten, gleichmäßig angeordneten Teilstücken, die durch kontinuierliche, über die Fläche der schichtförmigen Biomatrix verlaufende durchgehenden Perforationen abtrennbar miteinander verbunden sind", entsprechen (siehe Seite 2 des Schreibens vom 28. Juni 2019).
Die Diskussion betraf keine weiteren Merkmale des Anspruchs 1 und somit musste sich die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung mit keinen weiteren Merkmalen des Anspruchs befassen. Diese Merkmale wurden auch in der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung behandelt (siehe Punkt 8.1.1.2 der Ladung vom 18. Juli 2019).
Wenn die Einspruchsabteilung keine Bedenken hinsichtlich anderer Merkmale hat und keine abweichenden Argumente der Parteien vorliegen, besteht kein Anlass für weitere Ausführungen. Es besteht daher weder ein Mangel inhaltlicher Prüfung, noch liegt ein Begründungsmangel vor. In Reaktion auf die Mitteilung der Einspruchsabteilung, worin sie ihre vorläufige Auffassung dargelegt hat, erfolgte keine weitere inhaltliche Stellungnahme, vielmehr nahm sie mit Schreiben vom 8. August 2019 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und ersuchte um eine schriftliche Entscheidung. Da die Beschwerdeführerin mit der vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung offenbar nicht einverstanden gewesen ist, wäre es jedoch ihre Aufgabe gewesen, ihren Standpunkt im schriftlichen Wege oder im Rahmen der mündlichen Verhandlung darzulegen. Da demnach keine weiteren inhaltlichen Ausführungen vorlagen, konnte sich die Einspruchsabteilung in ihrer Begründung der Entscheidung daher auf ihre vorläufige Auffassung stützen und diese bestätigen. Weder liegt demnach ein Begründungsmangel vor, noch kann darin ein willkürliches Vorgehen der Einspruchsabteilung gesehen werden. Da die Einspruchsabteilung das Vorbringen der Beschwerdeführerin bei der Abfassung der Entscheidung hinreichend berücksichtigt hat, liegt nach Auffassung der Kammer auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
1.4 Zu der zitierten Entscheidung T 278/00 ist anzumerken, dass diese eine unzulängliche Begründung betraf. Wie jedoch oben ausgeführt, hat die Einspruchsabteilung sowohl ihre vorläufige Auffassung als auch ihre Entscheidung ausreichend begründet. Die zitierte Entscheidung ist somit nicht einschlägig. Der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass die Argumente der Patentinhaberin im Punkt 2.1.2 der Entscheidungsgründe wiedergegeben und im Punkt 2.1.3 der Entscheidung abgehandelt wurden.
1.5 Da somit kein erstinstanzlicher Verfahrensfehler vorliegt sind die Voraussetzungen für eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103(1)(a) EPÜ jedenfalls nicht gegeben.
2. Hauptantrag - Neuheit
2.1.1 D3 offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1.
2.1.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die Entgegenhaltung D3 keine organische Biomatrix offenbare. Eine Biomatrix sei ein 100 % natürliches, im Labor getestetes, industrielles Absorptionsmittel, das ungiftig und nicht auslaugend sei und in seinem natürlichen Zustand bereits biologisch abgebaut sei. Die inhärente Kapillarwirkung bewirke eine starke Dochtwirkung.
Außerdem verwende D3 Knochenmaterial, dessen größter Teil anorganische Substanzen darstellen. Die Salze Calciumflourid, Calciumkarbonat, Calciumphosphat, Calciumchlorid und Magnesiumphosphat gäben dem Knochen Stabilität und Festigkeit. Zusammenfassend also bestehe das Gerüst in D3 aus anorganischem Material. Das Protein in D3 mag ,,zwischen diesem" Stützmaterial vorliegen. Das Gerüst (Biomatrix) hingegen in Anspruch 1 bestehe aus Proteinen.
2.1.3 Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht. Der Anspruch 1 definiert weder ein Absorptionsmittel noch eine Kapillarwirkung.
Absatz [0053] (siehe letzter Satz) der D3 lautet "The bone particles may be obtained from cortical, cancellous and/or corticocancellous bone which may be of autogenous, allogenic, transgenic, and/or xenogenic origin", d.h. die Knochenpartikel haben einen biologischen Ursprung. Das Implantat in D3 ist somit als Biomatrix anzusehen.
Selbst wenn das nicht der Fall wäre, spricht der Zusatz von Materialien aus "biological origin" (siehe Absatz [0063]) sowie "collagen sponges" für eine organische Matrix. Somit offenbart D3 eine Biomatrix.
Es wird an dieser Stelle angemerkt, dass Absatz [0038] des Streitpatents eine Biomatrix als eine aus einem "im wesentlichen biokompatiblen" Trägermaterial gebildete Auflage bezeichnet. Die Auflage muss somit nicht ausschließlich aus Materialen biologischen Ursprungs gefertigt werden.
2.2 Die Beschwerdeführerin trug auch vor, dass die Teilstücke in D3 nicht gleichmäßig angeordnet seien. Jedoch findet die Kammer, dass die Teilstücke 38 in D3, Figur 3 gleich groß und in radialer Richtung gleichmäßig verteilt und somit gleichmäßig angeordnet sind.
2.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte auch, dass die in D3 offenbarten Perforationen nicht durchgängig seien und vor der Mitte endeten. Somit offenbare D3 nicht, dass entlang der Perforationen eine Abtrennung geschehe. D3 offenbare auch nicht, dass Größe und Form variierbar seien.
Nach Auffassung der Kammer entnimmt der Fachmann aus der nicht kontinuierlichen Umfangslinie des brüchigen Segments 39 jedoch eindeutig, dass diese Reißlinien entspricht. Auch Absatz [0044] der D3 beschreibt wie die Segmente 38 entfernt werden können, falls ein kleinerer Kegel erwünscht sei, wofür man durchgängige Perforationen benötigt. Letztlich muss das brüchige ringförmige Segment 39 gebrochen werden, um den Radius des Kegels zu verkleinern. Somit offenbart D3 auch, dass die Größe und Form des Kegels variierbar ist.
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis der Neuheit nach Artikel 54 (1) und (2) EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1 - Neuheit
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Hauptantrags dadurch, dass das Trägermaterial Collagen (statt Proteine im Allgemeinen) umfasst.
3.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass Collagen nicht in der Biomatrix verwendet werde. Collagen werde im Absatz [0072] der D3 nur als Zusatz erwähnt und mache somit nicht das Stützmaterial aus.
Die Kammer stimmt dieser Auffassung nicht zu. Im Absatz [0072] der D3 ist zwar vorgesehen, dass dem Trägermaterial Collagen zugesetzt werden kann. Jedoch wird eine solche Kombination von Knochenmaterial mit Collagen vom Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen. Wenn dem Knochenmaterial, das dem im Anspruch 1 definierten Trägermaterial entspricht, Collagen zugesetzt wird, dann entsteht eine Kombination aus beiden. Diese Kombination bildet ein Trägermaterial, das Collagen umfasst, wie im Anspruch 1 definiert ist.
3.3 D3 offenbart somit das hinzugefügte Merkmal. Da alle Merkmale von Anspruch 1 aus D3 bekannt sind, ist das Erfordernis der Neuheit nach Artikel 54 (1) und (2) EPÜ nicht erfüllt. Der Hilfsantrag 1 der Beschwerdeführerin ist folglich nicht gewährbar.
4. Zulassung der Hilfsanträge 2 und 3
4.1 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 besteht das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens in der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung. Das Beschwerdevorbringen ist daher auf jene Anträge zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen. Nach Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 lässt die Kammer Anträge, Tatsachen, Einwände oder Beweismittel nicht zu, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung.
4.2 Mit ihre Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin die neuen Hilfsanträge 2 und 3 ein, die keine Entsprechung im Einspruchsverfahren haben.
4.3 Bei der Beurteilung der Frage, ob entsprechende Anträge bereits im Rahmen des Einspruchsverfahren hätten gestellt werden müssen, ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung inhaltlich nichts weiter ausgeführt hat, vielmehr hat sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen und um eine baldige schriftliche Entscheidung ersucht.
4.4 Wie die Kammer bereits im Punkt 5.2 ihrer vorläufigen Meinung mitgeteilt hat, hatte die Beschwerdeführerin somit die Entscheidung getroffen, auf die Möglichkeit, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör im erstinstanzlichen Verfahren weiter auszuüben, zu verzichten. Hierzu hat die Patentinhaberin vorgetragen, dass ihr angesichts des willkürlichen Vorgehens der Einspruchsabteilung nicht zuzumuten gewesen sei, einen weiteren Aufwand zu tätigen. Die Kammer hat ihre gegenteilige Auffassung hierzu unter Punkt 1 oben dargelegt. Zudem ist zu bemerken, dass ein Beschwerdeverfahren nicht einfach einen alternativen Weg zur Verhandlung und Entscheidung über einen Einspruch darstellt und es den Beteiligten nicht frei steht, ihre Sache in die zweite Instanz zu verlagern und so die Kammer entweder zu einem Ersturteil über die kritischen Fragen oder zur Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zu zwingen. Der Beschwerdeführerin diese Freiheit einzuräumen, liefe einem ordnungsgemäßen und effizienten Verfahren zuwider. Es oblag daher der Beschwerdeführerin, entsprechende Anträge in Reaktion auf die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung, d.h. im erstinstanzlichen Verfahren, einzureichen.
4.5 Die Kammer hat daher ihr Ermessen unter Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
5. Da kein Antrag im Verfahren ist, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, bzw. auf dessen Grundlage das Patent aufrechterhalten werden könnte, bleibt die Beschwerde erfolglos und muss zurückgewiesen werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen