T 0662/20 (Präventive Wartung/BAUMER) of 5.11.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T066220.20211105
Datum der Entscheidung: 05 November 2021
Aktenzeichen: T 0662/20
Anmeldenummer: 07786592.1
IPC-Klasse: G05D 23/24
B05C 5/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Heißleimauftragssystem und Verfahren zur Regelung und Überwachung des Heißleimauftragssystems
Name des Anmelders: Baumer hhs GmbH
Name des Einsprechenden: Nordson Corporation
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - Hilfsanträge 1 bis 6.2, 7 bis 10 (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 6.4 und 6.5 (nein): naheliegende Auswahl aus zwei gleichwertigen Alternativen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/10
T 1002/92
T 1067/97
T 0962/98
T 0339/17
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem "Hilfsantrag 6.4" den Erfordernissen des EPÜ genüge.

II. In ihrer Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung unter anderem auf das folgende Dokument:

E18: US 2006/0095157 A1.

III. Sowohl die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) als auch die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.

- Die Beschwerdeführerin 1 beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Basis von Hilfsantrag 1 bzw. hilfsweise von einem der Hilfsanträge 2, 4, 5, 6, 6.1, 6.2, 6.4, 6.5, 3, 7, 8, 9 oder 10 in dieser Reihenfolge aufrechtzuerhalten.

- Die Beschwerdeführerin 2 beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

Am Ende der mündlichen Verhandlung am 5. November 2021 wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

IV. Der unabhängige Patentanspruch 9 von Hilfsantrag 1 hat den folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Regelung und Überwachung eines Heißleimauftragssystems mit einem Schmelzgerät (100), das eine Steuerung (170) enthält, und daran angeschlossenen Komponenten, wie einen oder mehreren beheizbaren Förderschläuchen und einem oder mehreren beheizbaren Auftragsventilen (300),

dadurch gekennzeichnet, dass

die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit den Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten, die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330) enthalten, welcher eingerichtet ist, die zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung erforderlichen technischen Daten zu speichern, kommuniziert."

V. Anspruch 9 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 in dem folgenden Merkmal, das an den Anspruch angehängt wurde:

", und wobei die Steuerung (107) auf Basis der gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung selbsttätig anpasst."

VI. Anspruch 9 von Hilfsantrag 3 lautet wie folgt (Weglassungen gegenüber Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 durchgestrichen und Hinzufügungen durch Unterstreichen gekennzeichnet):

"Verfahren zur Regelung und Überwachung eines Heißleimauftragssystems mit einem Schmelzgerät (100), das eine Steuerung (170) enthält, und daran angeschlossenen [deleted: Komponenten, wie] einen oder mehreren beheizbaren Förderschläuchen und einem oder mehreren beheizbaren Auftragsventilen (300), dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit den Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen beheizbaren Förderschläuchen (200) und den beheizbaren Auftragsventilen (300) [deleted: Komponenten], die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330) [deleted: enthalten, welcher eingerichtet ist, die] mit zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung erforderliche[deleted: n] technische[deleted: n] Daten [deleted: zu speichern] enthalten, kommuniziert."

VII. Anspruch 9 von Hilfsantrag 4 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 2, wobei der kennzeichnende Teil des Anspruchs wie folgt modifiziert wurde:

"... dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit den Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten, die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330) mit zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung erforderliche technische Daten enthalten, kommuniziert, und wobei die Steuerung (107) auf Basis der auf den Datenträgern (230, 330) gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung selbsttätig anpasst."

VIII. Anspruch 9 von Hilfsantrag 5 entspricht Anspruch 9 von Hilfsantrag 4, wobei lediglich das Referenzzeichen "(171)" hinter dem Begriff "Mehrzonen-Temperatur-regelung und -überwachung" eingefügt wurde.

IX. Die Präambel von Anspruch 9 von Hilfsantrag 6 entspricht Anspruch 9 von Hilfsantrag 5 mit der folgenden Ergänzung in dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs:

"... dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit den Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten, die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330) mit zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung (171) erforderliche technische Daten enthalten, kommuniziert, und wobei die Steuerung (107) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration auf Basis der auf den Datenträgern (230, 330) gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung (171) selbsttätig anpasst."

X. Anspruch 9 von Hilfsantrag 6.1 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 6. Der Anspruch enthält das folgende zusätzliche Merkmal, welches an den Anspruch angehängt wurde:

", bei dem die Steuerung (170) Daten von den angeschlossenen Komponenten erhält und diese nutzt, um die Regelung und Überwachung deren Heizkreise zu optimieren."

XI. Anspruch 9 von Hilfsantrag 6.2 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 6.1. Das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils wurde wie folgt modifiziert:

"... dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit [deleted: den] Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten ... kommuniziert".

Zudem enthält der Anspruch das folgende zusätzliche Merkmal, welches an den Anspruch angehängt wurde:

", und bei dem die Steuerung (170) Daten an die Datenträger (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten überträgt, die genutzt werden, um deren Diagnose und Wartung zu optimieren."

XII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.4 lautet wie folgt (mit einer von der Kammer verwendeten Merkmalsnummerierung):

1.1 "Heißleimauftragssystem mit

1.2 einem Schmelzgerät (100) und

1.3 daran angeschlossenen Komponenten, wie einem oder

mehreren, beheizbaren Förderschläuchen (200) sowie

einem oder mehreren beheizbaren Auftrags-

ventilen (300),

1.4 und einer Steuerung (170) des Schmelzgeräts (100),

wobei die Steuerung (170) eine Mehrzonen-Tempera-

turregelung und -überwachung (171) aufweist,

1.5 wobei die Komponenten einen maschinenlesbaren und

auch maschinenbeschreibbaren Datenträger (230,

330),

1.6 zum Speichern der zur selbsttätigen Anpassung von

Regelparametern durch die Mehrzonen-Temperatur-

regelung und -überwachung (171) erforderlichen

technischen Daten enthalten, und

1.7 dass die Steuerung (170) ausgebildet ist,

nach einem Austausch einer oder mehrerer

Komponenten auf Basis der auf dem

Datenträger (230, 330) gespeicherten technischen

Daten die Regelparameter durch die

Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung (171) selbsttätig anzupassen,

1.8 wobei die Steuerung (170) Daten von den

angeschlossenen Komponenten erhält und diese

nutzt, um die Regelung und Überwachung deren

Heizkreise zu optimieren,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.9 die Steuerung (170) Daten an die Datenträger (230,

330) in den angeschlossenen Komponenten überträgt,

1.10 die genutzt werden, um deren Diagnose

1.11 und Wartung zu optimieren."

XIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.5 lautet (mit Merkmalsnummerierung):

"9.1 Verfahren zur Regelung und Überwachung eines

Heißleimauftragssystems mit

9.2 einem Schmelzgerät (100),

9.3 das eine Steuerung (170) enthält, und

9.4 daran angeschlossenen Komponenten, wie einen

oder mehreren beheizbaren Förderschläuchen und

einem oder mehreren beheizbaren

Auftragsventilen (300), wobei die Steuerung (170)

eine Mehrzonen-Temperaturregelung und -

überwachung (171) aufweist,

9.5 wobei die Steuerung (170) bei der Initialisierung

und/oder zyklisch sowie bei Veränderung der

Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos

mit den Datenträgern (230, 330) in den

angeschlossenen Komponenten,

9.6 die jeweils einen maschinenlesbaren und

maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330)

mit zur selbsttätigen Anpassung von

Regelparametern durch die Mehrzonen-Temperatur-

regelung und -überwachung (171) erforderliche

technische Daten enthalten, kommuniziert,

9.7 und wobei die Steuerung (170) bei der

Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei

Veränderungen der Systemkonfiguration auf Basis

der auf den Datenträgern (230, 330) gespeicherten

technischen Daten die Regelparameter durch die

Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung (171) selbsttätig anpasst,

9.8 bei dem die Steuerung (170) Daten von den

angeschlossenen Komponenten erhält

9.9 und diese nutzt, um die Regelung und Überwachung

deren Heizkreise zu optimieren,

dadurch gekennzeichnet,

9.10 dass die Steuerung (170) Daten an die

Datenträger (230, 330) in den angeschlossenen

Komponenten überträgt,

9.11 die genutzt werden, um deren Diagnose

9.12 und Wartung zu optimieren."

XIV. Anspruch 9 von Hilfsantrag 7 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Regelung und Überwachung eines Heißleimauftragssystems mit einem Schmelzgerät (100), das eine Steuerung (170) enthält, und daran angeschlossenen Komponenten, umfassend einen oder mehrere beheizbare Förderschläuche und einen oder mehrere beheizbare Auftragsventile (300),

dadurch gekennzeichnet, dass

die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration drahtgebunden oder drahtlos mit den Datenträgern (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten, die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger (230, 330) mit zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung (171) erforderliche technische Daten enthalten, kommuniziert, und wobei die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration auf Basis der auf den Datenträgern (230, 330) gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperatur-regelung und -überwachung (171) selbsttätig anpasst."

XV. Anspruch 9 von Hilfsantrag 8 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 7 und enthält das folgende zusätzliche Merkmal, welches an den Anspruch angehängt wurde:

", und wobei die Steuerung (170) Daten von den angeschlossenen Komponenten erhält und diese nutzt, um die Regelung und Überwachung deren Heizkreise zu optimieren."

Zudem wurde in dem Merkmal "und wobei die Steuerung (170) bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration auf Basis der auf den Datenträgern (230, 330) gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung (171) selbsttätig anpasst," das einleitende Wort "und" gestrichen.

XVI. Anspruch 9 von Hilfsantrag 9 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 7, wobei das folgende zusätzliche Merkmal an den Anspruch angehängt wurde:

"wobei die Steuerung (170) Daten an die Datenträger (230, 330) in den angeschlossenen Komponenten überträgt, die genutzt werden, um deren Diagnose und Wartung zu optimieren."

Zudem wurde das Wort "und" wie in Anspruch 9 von Hilfsantrag 8 gestrichen.

XVII. Anspruch 9 von Hilfsantrag 10 beruht auf Anspruch 9 von Hilfsantrag 9 und enthält das zusätzliche Merkmal von Anspruch 9 von Hilfsantrag 8.

Entscheidungsgründe

1. Der Gegenstand des Streitpatents

1.1 Das Streitpatent betrifft ein Heißleimauftragssystem wie es in der Industrie verwendet wird, um Materialien oder Produkte miteinander zu verkleben. Ein solches Heißleimauftragssystem umfasst üblicherweise ein Schmelzgerät, einen oder mehrere an das Schmelzgerät angeschlossene, beheizbare Förderschläuche und Auftragsventile. Die angeschlossenen Komponenten werden über eine Heizung erwärmt und dienen zur Versorgung der Auftragsventile mit flüssigem Heißleim. Zur Einhaltung der Betriebstemperatur wird mit einem Temperatursensor die aktuelle Temperatur erfasst und an eine Steuerung gemeldet. Dabei ist es zur Optimierung des Regelverhaltens erforderlich, dass eine

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung über die Regelparameter sowie weitere technische Daten sämtlicher angeschlossener Komponenten verfügt. Es ist bekannt, die Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung derart auszugestalten, dass die Regelparameter für die verschiedenen angeschlossenen Komponenten manuell eingegeben werden können. Die manuelle Eingabe der Regelparameter ist jedoch bei einem häufigen Wechsel der Komponenten, des Heißleimtyps oder der zu verklebenden Produkte aufwendig und fehlerträchtig. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die eingesetzten Komponenten eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und der Ausfall einer Komponente zum Ausfall des gesamten Heißleimauftrags-systems führen kann (siehe Patentschrift, Absätze [0001], [0002], [0005], [0007] und [0010] bis [0012]).

Gemäß dem Streitpatent enthalten die Komponenten des Heißleimgeräts jeweils einen Datenträger, auf dem die zur selbsttätigen Anpassung der Regelparameter erforderlichen technischen Daten gespeichert werden. Durch selbsttätiges Auslesen und Verarbeitung dieser Information wird erreicht, dass nach dem Austausch einer Komponente eine Anpassung der Regelparameter durch die Regelung erfolgen kann. Zudem können Informationen wie die aufgelaufenen Betriebsstunden in den Datenträgern hinterlegt werden, damit nach einer Reparatur und beim Austausch von Komponenten diese Information zur Optimierung von Diagnose und Wartung zur Verfügung steht (siehe Patentschrift, Absätze [0017], [0021], [0022] und [0026]).

2. Hilfsanträge 1 bis 6, 6.1, 6.2 und 7 bis 10, unzulässige Erweiterung

2.1 Nach Artikel 123 (2) EPÜ darf ein Patent nicht in der Weise geändert werden, dass dessen Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen Änderungen nur im Rahmen dessen erfolgen, was die Fachperson der Gesamtheit der Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens objektiv und bezogen auf den Anmeldetag unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe z.B. G 2/10, Gründe 4.3).

Die Entnahme isolierter Merkmale aus Ausführungsformen, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart sind ("Zwischenverallgemeinerung"), ist nach Artikel 123 (2) EPÜ in der Regel nicht zulässig, falls diese Merkmale in Kombination offenbart worden sind. Nur wenn kein klar erkennbarer funktionaler oder struktureller Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen besteht, wäre eine solche Änderung gerechtfertigt (siehe z.B. T 1067/97, Gründe 2.1.3).

2.2 Im vorliegenden Fall enthält Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 das Merkmal, dass "die Steuerung ... mit den Datenträgern ... in den angeschlossenen Komponenten, die jeweils einen maschinenlesbaren und maschinenbeschreibbaren Datenträger ... enthalten, welcher eingerichtet ist, die zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung erforderlichen technischen Daten zu speichern, kommuniziert." (vgl. Merkmale 9.5 und 9.6 in Punkt XIII oben).

2.3 Eine Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung wurde lediglich in der Beschreibung und den Zeichnungen nicht jedoch in den Ansprüchen der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart (siehe Seite 2, Zeilen 15 bis 21; Seite 3, Zeilen 14 bis 25; Seite 5, Zeile 27 bis Seite 6, Zeile 4 und Figuren 1 bis 3, Referenzzeichen 171). Aus den genannten Passagen und Zeichnungen geht eindeutig hervor, dass die

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung 171 Teil der Steuerung 170 ist.

Im Gegensatz zur ursprünglichen Offenbarung nimmt Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 zwar auf die

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung Bezug; der Anspruch fordert jedoch nicht, dass die

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung Teil der Steuerung 170 ist. Nach dem Wortlaut von Anspruch 9 kann diese Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung daher sehr wohl außerhalb der Steuerung bzw. des Schmelzgeräts angeordnet sein (d.h. als externe Komponente). Die ursprüngliche Anmeldung offenbart jedoch, dass die Mehrzonen-Temperaturregelung innerhalb der Steuerung bzw. des Schmelzgeräts angeordnet ist (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 15-17: "... eine elektronische Steuerung 170, mit einer

Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung 171 ..."; Seite 7, Zeilen 21-22: "Die Steuerung 170 enthält ... Regelung und Überwachung der Heizkreise des Schmelzgeräts 100 ..."; Figur 2, Einheit 171). Wie von der Beschwerdeführerin 1 in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, ist die räumliche Anordnung der Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung innerhalb der Steuerung jedoch aus funktionalen und strukturellen Gründen notwendig, insbesondere um den Einsatz von zusätzlichen externen Verbindungsleitungen zwischen den Einheiten 170 und 171 zu vermeiden. Somit enthält Anspruch 9 technische Informationen, die die Fachperson der ursprünglichen Offenbarung nicht eindeutig und unmittelbar entnehmen würde.

2.4 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte hierzu, dass der Zusammenhang zwischen der Anpassung der Regelparameter und der Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung bereits durch Anspruch 1 umfasst sei. Gemäß der Entscheidung T 962/98 müsse eine Verallgemeinerung, um zulässig zu sein, das Ergebnis unmissverständlicher Angaben sein, die die Fachperson einer Überprüfung des Beispiels und dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen würde. Für den vorliegenden Fall bedeute das, dass die Verallgemeinerung zulässig sei, wenn aus der Ursprungsoffenbarung des Streitpatents unmissverständlich entnommen werden könne, dass die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung Teil der Steuerung sei bzw. dass die Steuerung zwangsläufig die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung umfasse. Genau dies gehe aus der Figur 2 und der entsprechenden ursprünglichen Beschreibung des Streitpatents eindeutig und unzweifelhaft hervor. Die Mehrzonen-Temperatur-regelung und -überwachung 171 sei somit eindeutig und unzweifelhaft Teil der Steuerungseinheit 170.

2.5 Dieser Interpretation der Entscheidung T 962/98 stimmt die Kammer nicht zu. Vielmehr bestätigt die Entscheidung (siehe Orientierungssatz), dass eine Zwischenverallgemeinerung nur dann zulässig ist, wenn die Fachperson aus der eingereichten Anmeldung zweifelsfrei erkennen kann, dass die in den Anspruch aufgenommenen Merkmale nicht eng mit den anderen Merkmalen der Ausführungsbeispiele verbunden sind, sondern auf den (durch die Ansprüche definierten) verallgemeinerten Zusammenhang anwendbar sind.

2.6 Es folgt, dass der Gegenstand von Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 über den Inhalt der zugrunde liegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung verstoßen die vorgenommenen Änderungen somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

2.7 Die Ansprüche 9 der Hilfsanträge 2 bis 6, 6.1, 6.2 und 7 bis 10 beziehen sich wie Anspruch 9 von Hilfsantrag 1 auf die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung ohne die räumliche Beziehung zur Steuerung zu definieren. Damit gelten die oben ausgeführten Gründe auch für diese Hilfsanträge.

2.8 Die Hilfsanträge 1 bis 6, 6.1, 6.2 und 7 bis 10 sind daher aufgrund unzulässiger Erweiterung nicht gewährbar (Artikel 123 (2) EPÜ).

3. Hilfsanträge 6.4 und 6.5, Zulassung von Dokument E18

3.1 Dokument E18 wurde mit Schreiben der Einsprechenden vom 29. Mai 2018 während des ersten Beschwerdeverfahrens (T 339/17) betreffend das vorliegende Streitpatent eingereicht. Die zuständige Kammer entschied, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an sie zurückzuverweisen, da die Kammer Anspruch 1 des Hauptantrags in einem wesentlichen Punkt anders ausgelegt hatte als die Einspruchsabteilung und infolgedessen bei der Beurteilung der Neuheit zu einem abweichenden Ergebnis gekommen war. Hinsichtlich des verspätet eingereichten Dokuments E18 befand die zuständige Beschwerdekammer (vgl. T 339/17, Gründe 4):

"Jedoch erachtet die Kammer es nicht, wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung beantragt, für sachdienlich in diesem Beschwerdeverfahren über die Zulassung der Druckschrift El8 in das Verfahren zu entscheiden und eine Entscheidung über die Zurückverweisung ganz oder teilweise abhängig vom Ergebnis der Entscheidung über die Zulassung dieser Druckschrift zu treffen. Eine solche 'bedingte' Zurückverweisung würde im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens die Einspruchsabteilung in unnötiger Weise binden, auch was die Zulässigkeit der Hilfsanträge 4 bis 10 betrifft."

3.2 Die Einspruchsabteilung entschied daraufhin im anschließenden Einspruchsverfahren, Dokument E18 in das Verfahren zuzulassen, da das Dokument prima facie hoch relevant und das verspätete Vorbringen von E18 nicht zweifelsfrei absichtlich gewesen sei (siehe Gründe 2).

3.3 Die Beschwerdeführerin 1 beantragte mit ihrer aktuellen Beschwerde, Dokument E18 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, da das verspätete Vorbringen von E18 verfahrensmissbräuchlich gewesen sei und zudem die Einspruchsabteilung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Somit beantragt sie faktisch die Nichtzulassung eines bereits von der ersten Instanz zugelassenen und damit im Verfahren befindlichen Beweismittels. Sie stützte ihren Einwand mit Verweis auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Zulassung neuer Beweismittel vor der Kammer darauf, dass die Zulassung von verspätet eingereichten Beweismitteln "unabhängig von ihrer Relevanz" zu beurteilen sei.

3.4 In dem ersten Beschwerdeverfahren (T 339/17) betreffend das vorliegende Streitpatent hatte die Kammer wie oben ausgeführt explizit darauf verzichtet, über die Zulassung von E18 zu entscheiden. Stattdessen ordnete sie aus anderen Gründen die Zurückverweisung des Falls an die Einspruchsabteilung an (siehe Punkt 3.1 oben). Damit war die Zulassung von E18 nicht nach den im Beschwerdeverfahren geltenden Grundsätzen zu beurteilen, sondern nach denen, welche von der Einspruchsabteilung herangezogen werden. Diese Grundsätze sehen eine Beurteilung nach der "prima facie"-Relevanz vor und nicht - wie von der Beschwerdeführerin 1 angeführt - "unabhängig von ihrer Relevanz" (siehe z.B. T 1002/92, Orientierungssatz I).

3.5 Die Beschwerdeführerin 1 brachte zudem vor, dass nicht belegt wurde, dass die Beschwerdeführerin 2 durch eine externe Recherchefirma auf die eigene Druckschrift E18 aufmerksam gemacht worden sei. Die Kenntnis von E18 müsse der Beschwerdeführerin 2 unabhängig von den tatsächlichen Umständen als Firma insgesamt zugerechnet werden. Weiterhin sei die Einspruchsabteilung nicht im Rahmen der Amtsermittlung in der Lage gewesen, aufzuklären, ob die Einreichung von E18 missbräuchlich gewesen sei. Dieser Nachteil müsse der Einsprechenden zugerechnet werden. Da das verfahrensmissbräuchliche Vorgehen der Einsprechenden nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien bzw. unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien ausgeübt, und damit das ihr eingeräumte Ermessen überschritten.

3.5.1 Alle Ermessensentscheidungen, welche die Organe des EPA treffen, sind prinzipiell einer gerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren zugänglich. Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen beschränkt sich diese Überprüfung jedoch darauf, zu überprüfen, ob das betreffende Organ bei der Ausübung des ihm gewährten Ermessens die richtigen Kriterien herangezogen und ihr Ermessen nicht in unangemessener Weise ausgeübt hat.

Im vorliegenden Fall kann die Kammer nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat. Insbesondere hat die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung aufgrund der prima facie-Relevanz von E18 getroffen und damit ihrer Entscheidung ein hierbei anerkanntes Kriterium zugrundegelegt. Die Einspruchsabteilung hat offensichtlich auch die Argumente der Patentinhaberin in ihrer Entscheidung berücksichtigt. Schließlich hat sie plausibel begründet, warum sie sich nach einer Abwägung der Argumente für eine Zulassung von E18 entschieden hat und warum sie - auch ohne weitere Nachweise - ein missbräuchliches Handeln der Einsprechenden ausschließt (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe 2). Die Einspruchsabteilung hat daher sehr wohl ihre Entscheidung im Rahmen ihrer zuerkannten Entscheidungskompetenz ausgeübt und hierbei keinen Verfahrensfehler begangen.

3.6 Die Kammer sieht daher keinen Grund, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Dokument E18 in das Verfahren zuzulassen, zu revidieren.

4. Hilfsantrag 6.4, erfinderische Tätigkeit

4.1 Zwischen den Beteiligten war die Auslegung der Merkmale 1.9 bis 1.11 von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.4 (siehe Punkt XII oben) strittig.

4.1.1 Die Beschwerdeführerin 2 hielt den Begriff "Optimierung" im Zusammenhang mit einer Diagnose und Wartung für vage und undefiniert. Da nicht definiert sei, welche Daten an die Datenträger in den Komponenten übertragen würden, bliebe auch offen, welche Art der Optimierung vorgenommen werde. Es fehle auch eine Angabe, in Bezug auf welches Kriterium ("genauer", "schneller", "langsamer") die Optimierung erfolge.

Eine "Datenübertragung" an einen Datenträger beinhalte nicht notwendigerweise auch die Speicherung der Daten in dem Datenträger. Vielmehr könnten die Daten unmittelbar verarbeitet oder ausgewertet werden.

Der Begriff "Wartung" sei nicht auf eine präventive Wartung beschränkt, sondern umfasse beispielsweise auch eine Reparatur oder eine "reaktive Wartung". Der Begriff sei unbestimmt, da das Streitpatent keine Angaben darüber enthalte, wie die Wartung über eine normale Wartung hinaus mit Hilfe welcher Daten optimiert werden solle.

4.1.2 Die Beschwerdeführerin 1 sah wiederum den Zweck einer "Optimierung" darin, das Risiko eines Ausfalls oder Fehlers der Anlage zu minimieren.

Die "Übertragung von Daten" an die Datenträger in den Komponenten beinhalte notwendigerweise die Speicherung in den Datenträgern, da sonst der Datenstrom "im Nichts" verlaufe. Eine direkte Verarbeitung könne ausgeschlossen werden, da die Diagnose eine "Zeitkomponente" beinhalte, also nicht direkt bei der Übertragung jedes einzelnen Datensegments vorgenommen werden könne. Selbst wenn dies der Fall wäre, müssten die Daten für die Verarbeitung zwischengespeichert werden.

Der Begriff "Wartung" sei im Gesamtzusammenhang von Anspruch 1 im Sinne einer präventiven Wartung zu verstehen.

4.1.3 Die Kammer schließt sich bezüglich der Auslegung des strittigen Begriffs "Wartung" gemäß Merkmal 1.11 der Auffassung der Beschwerdeführerin 1 an. Der Duden definiert den Begriff Wartung als "Durchführung von Arbeiten an einer technischen Anlage o. Ä., die der Erhaltung der Funktionsfähigkeit dienen". Damit ist eine Wartung von einer Reparatur zu unterscheiden, die der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit dient. Für die Fachperson auf dem Gebiet der Automatisierungs-technik ergibt sich zudem eindeutig aus dem Kontext von Anspruch 1, dass eine Optimierung der Wartung der angeschlossenen Komponenten unter Nutzung dazu geeigneter Daten beabsichtigt ist. Dies ist das übliche Vorgehen bei einer präventiven Wartung (siehe auch Absatz [0017] des Streitpatents). Die Kammer versteht den Begriff Wartung daher im Kontext von Anspruch 1 als "präventive Wartung".

Die "Optimierung" nach Merkmal 1.11 wird so verstanden, dass sie das Ziel beinhaltet, einen bestmöglichen Diagnose- und Wartungszustand zu erreichen. Es liegt in der Natur von technischen Implementierungen, dass ein im mathematischen Sinn absolutes Optimum realistischerweise nicht unbedingt erreicht wird. Eine "Verbesserung" der Diagnose bzw. Wartung wird daher vom Anspruchswortlaut umfasst. Diese Auslegung ist auch konsistent mit der von Merkmal 1.8, wonach die Steuerung Daten von den angeschlossenen Komponenten nutzt, um die Regelung und Überwachung der Heizkreise zu "optimieren". Auch bezüglich dieses Merkmals beinhaltet der Verfahrensschritt das Ziel, eine bestmögliche Regelung und Überwachung der Heizkreise zu erreichen.

Eine "Übertragung" von Daten gemäß Merkmal 1.9 beinhaltet notwendigerweise die Speicherung in den Datenträgern der angeschlossenen Komponenten. Dies ergibt sich zum einen aus technischen Notwendigkeiten, da selbst wenn die Daten unmittelbar ausgewertet würden, eine Zwischenspeicherung in den Datenträgern notwendig wäre. Zum anderen ergibt sich die Speicherung aus der beabsichtigen Verwendung zur Optimierung der Diagnose und Wartung. Eine solche Verwendung beinhaltet - wie von der Beschwerdeführerin 1 geltend gemacht - eine "Zeitkomponente", d.h. es ist hierbei notwendig, Daten über einen bestimmten Zeitraum zu erfassen und auszuwerten (siehe auch Absätze [0017], [0018] und [0022] des Streitpatents).

4.2 Die Kammer geht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall von Dokument E18 aus.

E18 zeigt ein Heißleimauftragssystem 10 mit einem Schmelzgerät 11 (Absätze [0001], [0016] und Figuren 1 und 2) und daran angeschlossenen Komponenten 14, 16, wie beheizbaren Förderschläuchen und Auftragsventilen (Absatz [0019]). Das Heißleimauftragssystem verfügt über eine Steuerung ("controller 19") mit einer Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung (Absätze [0022], [0038] und Figur 1). Die Komponenten enthalten einen maschinenlesbaren und auch maschinenbeschreibbaren Datenträger zum Speichern der zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung erforderlichen technischen Daten (Absätze [0049] bis [0051]). Weiterhin ist die Steuerung ausgebildet, nach einem Austausch einer oder mehrerer Komponenten auf Basis der auf dem Datenträger gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung selbsttätig anzupassen (Absatz [0051]). Damit erhält die Steuerung Daten von den Komponenten und nutzt diese, um die Regelung zu optimieren. E18 offenbart folglich die Merkmale 1.1 bis 1.8 von Anspruch 1. Somit werden lediglich die Merkmale 1.9 bis 1.11 nicht durch E18 vorweggenommen.

4.3 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, dass E18 zusätzlich zu den Unterscheidungsmerkmalen 1.9 bis 1.11 auch keinen Datenträger nach Merkmal 1.7 und keine Steuerung nach Merkmal 1.8 zeige. Der Datenträger von Merkmal 1.7 sei nämlich spezifisch dafür ausgebildet, die zur selbsttätigen Anpassung von Regelparametern durch eine Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung erforderlichen technischen Daten zu speichern. Zudem entspreche die Aktivierung eines "Notfall-Profils" in E18 keiner selbsttätigen Anpassung von Regelparametern gemäß Merkmal 1.7. Merkmal 1.8 erfordere zudem eine Datenübertragung von den angeschlossenen Komponenten an die Steuerung, "um die Regelung und Überwachung deren Heizkreise zu optimieren". In E18 werde ein Datensatz für einen Notfall-Modus geladen, was jedoch nicht einem optimalen Modus entspreche, bei dem die Heizkreise mit der höchstmöglichen Effizienz geregelt und überwacht werden. Außerdem sei in E18 die Steuerung dem Heißleimauftragssystem 10 zugeordnet und nicht Bestandteil des Schmelzgeräts 11. Es gebe zudem keinen Beleg dafür, dass der in Absatz [0050] von E18 offenbarte "Transponder" einen Datenträger gemäß Merkmal 1.5 aufweise. Als Alternative zu einem Transponder mit Datenträger gebe es auch die Möglichkeit eines Transponders ohne Datenträger, welcher wie ein "Repeater" funktioniere.

4.4 Die Kammer ist nicht von diesen Argumenten überzeugt. Merkmal 1.7 erfordert, "dass die Steuerung ausgebildet ist, ... auf Basis der auf dem Datenträger ... gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und

-überwachung ... selbsttätig anzupassen". Der Transponder in E18 speichert "zone equipment information indicative of the hose" und kommuniziert diese zur Steuerung (Absatz [0050]). Diese Information wird wiederum verwendet, um ein "default profile" zu aktivieren. Ein solches "default profile" besteht z.B. aus aufgezeichneten oder werksseitig eingespeicherten Regelparametern (siehe Absätze [0050], [0051], [0007] und [0008]). Die Kenndaten der angeschlossenen Komponenten werden daher - wie in Merkmal 1.7 gefordert - zur selbsttätigen Anpassung der Regelparameter verwendet. Weiterhin wird das "default profile" unter den gegebenen Bedingungen, z.B. bei einem Sensorausfall, dazu verwendet, eine unter den gegebenen Umständen bestmögliche Regelung und Überwachung der Heizkreise im Sinne von Merkmal 1.8 zu erreichen.

Merkmal 1.4 bezieht sich auf eine "Steuerung des Schmelzgeräts". Dieser Ausdruck impliziert, dass die Steuerung dem Schmelzgerät funktional zugeordnet ist. Der Ausdruck impliziert jedoch nicht, dass die Steuerung ein struktureller Bestandteil des Schmelzgeräts ist. Eine funktionale Zuordnung ist auch E18, Figur 1 und den Absätzen [0022] und [0023] entnehmbar.

Hinsichtlich der Möglichkeit, einen Transponder nur als Repeater auszuführen, verweist die Kammer auf die oben gemachten Ausführungen zur Auslegung in Punkt 4.1.3 von Merkmal 1.9, welche entsprechend für den Transponder von E18 gelten. Die Kammer schließt sich diesbezüglich auch der Argumentation in der angefochtenen Entscheidung an, wonach es technisch keinen Sinn ergeben würde, den Transponder als Repeater zu verwenden (siehe Gründe 5.2.3). Damit unterscheidet sich Anspruch 1 von E18 in der Tat nur durch die Merkmale 1.9 bis 1.11.

4.5 Die Beschwerdeführerin 1 sah den technischen Effekt der Unterscheidungsmerkmale darin, Fehler der Anlage zu vermeiden bzw. die Zuverlässigkeit des Systems zu erhöhen. Sie stimmte zu, dass die objektive technische Aufgabe darin gesehen werden könne, "eine präventive Wartung der Komponenten zu ermöglichen". Es bestand Einigkeit darüber, dass die zuständige Fachperson aus dem Gebiet der Automatisierungstechnik stammt.

4.6 Nach Dafürhalten der Beschwerdeführerin 1 ist die Bidirektionalität der Kommunikationsverbindung zum Datenträger ein entscheidender Unterschied des Gegenstands von Anspruch 1 zur Offenbarung von Dokument E18. Dementsprechend sei der beanspruchte Datenträger im Gegensatz zu dem "Transponder" von E18 auch während des Betriebs beschreibbar. Die Übermittlung von Daten an die lokalen Steuerungseinheiten ("localized controller 19'") von Figur 2 diene wie die Übermittlung von Daten an die Heizelemente nur zur Steuerung der Heizelemente, aber nicht zur Optimierung von Diagnose und Wartung (siehe z.B. Absatz [0048]). Aus E18 ergebe sich zudem keine Anregung für die Fachperson, Daten für eine präventive Wartung anders als in bekannter Weise in einem Logbuch zu speichern (siehe Streitpatent, Absatz [0017]). E18 beziehe sich gerade nicht auf die präventive Wartung des Systems, sondern auf einen Weiterbetrieb der Anlage nach Auftreten einer Störung (siehe Absatz [0007]). Dieser Weiterbetrieb werde eben durch die Zentralsteuerung 19 ausgeführt.

4.7 Konfrontiert mit der oben genannten Aufgabe, "eine präventive Wartung zu ermöglichen", würde die Fachperson, ausgehend vom System von E18 (das sich vornehmlich mit der Reaktion auf Komponentenausfälle bzw. mit dem Weiterbetrieb einer Anlage nach Auftreten einer Störung befasst), lediglich zwei Implementierungsmöglichkeiten ins Auge fassen. Da eine präventive Wartung mit einer "datenbasierten Optimierung" der Wartung der angeschlossenen Komponenten einhergeht (vgl. Auslegung nach Punkt 4.1.3 oben) würde die Fachperson angesichts der Lehre von E18 vor den beiden Alternativen stehen, entweder (i) die entsprechenden Daten, wie von der Beschwerdeführerin 1 geltend gemacht, zum Zwecke einer präventiven Wartung von den Transpondern an die Steuerung 19 zu übertragen oder (ii) diese Daten in Gegenrichtung von der Steuerung 19 an die Transponder zu senden.

Die Fachperson wüsste in diesem Zusammenhang, dass Option (i) den Vorteil der zentralen Überwachbarkeit des Systems durch eine einzige Einheit aufwiese, während Option (ii) den Vorteil implizieren würde, dass z.B. auch nach einer Reparatur bzw. eines Austauschs einer ausgefallenen Komponente die entsprechende Information zur Optimierung von Diagnose und Wartung "vor Ort" und damit dezentral zur Verfügung stünde. Die Fachperson wäre also in der Lage, zwischen beiden gleichwertigen Alternativen (zentrale bzw. dezentrale Präventivwartung) - abhängig von den praktischen Randbedingungen des jeweiligen Einsatzfalls - auszuwählen. Falls nun eine Wartung "vor Ort" gemäß Option (ii) vorzuziehen wäre, würde die Fachperson vor dem Hintergrund, dass in E18 Daten - und sei es nur zu Abfragezwecken - z.B. periodisch an die jeweiligen Transponder übertragen werden können (siehe z.B. auch Absatz [0050], letzter Satz: "... a controller interrogates the transponder ... on some periodic basis."), die dann selbstredend auch dort (zwischen)gespeichert werden würden (siehe die Auslegung von "Datenübertragung" in Punkt 4.1.3 oben oder E18, Absätze [0050] und [0051], wonach komponentenspezifische Daten auf Datenträgern gespeichert werden können) vorsehen, dass entsprechende Daten an die Datenträger ("transponder") in den angeschlossenen Komponenten ("hose") übertragen werden, die dann zur "Verbesserung" des Diagnose- und Wartungszustands genutzt werden können. Zumal es ja auch unabhängig davon zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents sehr wohl bekannt war, Betriebsdaten zum Zwecke von Diagnose und Wartung abzuspeichern (siehe auch das Streitpatent, Absatz [0017]).

Kurzum würde die Fachperson - ohne erfinderisch tätig zu werden - veranlassen, dass komponentenspezifische Daten in analoger Weise zu den komponentenspezifischen Regelparametern von E18 auf den Datenträgern der jeweiligen Komponenten abgespeichert werden, um dafür Sorge zu tragen, dass später tatsächlich die entsprechenden Daten zur Optimierung von präventiver Diagnose und Wartung "vor Ort" zur Verfügung stehen. Die Fachperson wäre daher im Rahmen seiner

Routine-Arbeiten mit keinerlei technischen Schwierigkeiten bei der naheliegenden Auswahl und Implementierung von Option (ii) konfrontiert.

4.8 Der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.4 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf E18 und dem allgemeinen Fachwissen der Fachperson auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik (Artikel 56 EPÜ).

5. Hilfsantrag 6.5, erfinderische Tätigkeit

5.1 Die Ansprüche 1 und 2 von Hilfsantrag 6.5 entsprechen den Verfahrensansprüchen 9 und 10 von Hilfsantrag 6.4. Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.5 definiert daher ein dem Heißleimauftragssystem von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.4 entsprechendes Verfahren. Zusätzlich spezifiziert der Anspruch, dass das Schmelzgerät die Steuerung enthält (Merkmal 9.3) und dass die Steuerung "bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration" mit den Datenträgern kommuniziert und auf der Basis der auf den Datenträgern gespeicherten technischen Daten die Regelparameter durch die Mehrzonen-Temperaturregelung und -überwachung selbsttätig anpasst (Merkmale 9.5 bis 9.7).

5.2 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6.5 explizit und eindeutig fordere, dass das Schmelzgerät selbst die Steuerung enthält, während die in E18 offenbarte Steuerung nicht Bestandteil des Schmelzgeräts sei. Zudem würde der Zeitpunkt der Anpassung der Regelparameter angegeben. Durch den Begriff "sowie" in dem Ausdruck "bei der Initialisierung und/oder zyklisch sowie bei Veränderungen der Systemkonfiguration" würden somit zumindest zwei Zeitpunkte festgelegt. Der erste Zeitpunkt sei "bei Veränderungen der Systemkonfiguration", während der zweite Zeitpunkt "bei der Initialisierung und/oder zyklisch" sei.

5.3 Die Kammer ist von diesen Argumenten nicht überzeugt. Der vermeintliche Unterschied der räumlichen Anordnung der Steuerung innerhalb des Schmelzgeräts beruht lediglich auf einer vom System von E18 verschiedenen Abgrenzung der Komponenten im Streitpatent. Während gemäß dem Streitpatent der beheizbare Tank 110, eine Heizung 111, eine Pumpe 120, die Steuerung 170 und weitere Komponenten Teil des Schmelzgeräts 100 sind (siehe Seite 1, Zeile 13 bis Seite 3, Zeile 21 der ursprünglichen Anmeldung) werden entsprechende Komponenten in E18 einzeln bezeichnet und lediglich als Teil eines Gesamtsystems 10 aufgeführt (siehe Absätze [0016] und [0022]). Eine etwaig andere räumliche Anordnung kann jedoch keinen synergetischen technischen Effekt gegenüber dem System von E18 implizieren.

Im Hinblick auf den zweiten mutmaßlichen Unterschied kann sich die Kammer nicht der Auslegung anschließen, dass das Wort "sowie" eine zwingend zu verwirklichende Alternative zu den beiden vorgenannten Optionen bedingt. Vielmehr lässt der Ausdruck die Auslegung zu, dass es sich insgesamt um drei alternative Ausdrücke ("bei der Initialisierung", "zyklisch" oder "bei Veränderungen der Systemkonfiguration") handelt, von denen mindestens eine Option verwirklicht sein muss, um das Merkmal im Ganzen vorwegzunehmen. Die Option einer Anpassung der Regelparameter bei Veränderung der Systemkonfiguration wird jedoch in E18 bereits offenbart (siehe Absatz [0050]).

5.4 Damit gilt die Begründung zur erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6.4 gleichermaßen für den Hilfsantrag 6.5.

5.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6.5 beruht daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf E18 und dem allgemeinen Fachwissen (Artikel 56 EPÜ).

6. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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