T 0641/20 () of 24.8.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T064120.20230824
Datum der Entscheidung: 24 August 2023
Aktenzeichen: T 0641/20
Anmeldenummer: 10739535.2
IPC-Klasse: E05F 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MODULEINHEIT MIT SENSOREINRICHTUNG
Name des Anmelders: Huf Hülsbeck & Fürst GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Brose Fahrzeugteile GmbH & Co.
Kommanditgesellschaft, Bamberg
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention R 103(1)(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6) (2020) Sent 1
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6) (2020) Sent 2
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(1)
European Patent Convention Art 114(1)
Schlagwörter: Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 3 und 4: Neuheit - (nein)
Hilfsantrag 2: Spät eingereichter Antrag - im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen (ja)
Hilfsanträge 11 und 35: Spät eingereichter Antrag - im erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr aufrechterhalten (ja)
Hilfsanträge 11 und 35: Änderung des Beschwerdevorbringens - Ermessensausübung
Ermittlung von Amts wegen - Einspruchsverfahren
Orientierungssatz:

Die Frage, ob ein Ermessen fehlerfrei, zum Beispiel unter Berücksichtigung der richtigen Kriterien ausgeübt wurde, ist eine inhaltliche Frage materiell-rechtlicher Natur, und keine verfahrensrechtliche. Daher liegt in einer inhaltlich unrichtigen Ermessensentscheidung, die unter korrekter Anwendung der Verfahrensvorschriften des EPÜ ergangen ist, kein Verfahrensmangel im Sinne der Regel 103 (1) a) EPÜ (Entscheidungsgründe Punkt 1.4).

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0003/14
T 1002/92
T 0714/20
T 1161/20
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchs­abteilung ein, das Streitpatent zu widerrufen.

II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass

1) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung sowie gemäß den Hilfsanträgen 3 und 4 nicht neu ist, und

2) die Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 nicht in das Verfahren zugelassen werden.

III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte

- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr,

- die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung,

- hilfsweise die Aufrechterhaltung gemäß einem der Hilfsanträge 1, 2, 3, 4, 11 oder 35.

V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

1a) Moduleinheit (10) mit einer Sensor­einrichtung (11)

1aa) für eine Betätigung eines beweglichen Teils (1, 33), insbesondere einer Klappe (1) eines Kraftfahrzeugs,

1b) mit einem Trägerkörper (12), an dem die Sensoreinrichtung (11) mit wenigstens einem Sensor (21, 22, 23) angeordnet ist,

1c) um eine Detektion (3) eines Objektes (4) in wenigstens einem an das Kraftfahrzeug (2) angrenzenden Detektionsbereich (5, 6, 40) zu ermöglichen,

1d) sodass über die Detektion (3) die Betätigung des beweglichen Teils (1, 33) aktivierbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

1e) dass die Moduleinheit (10) derart als einzeln handhabbares Modul (10) ausgeführt ist, dass die Moduleinheit (10) am Kraftfahrzeug (2) befestigbar ist,

1f) wobei eine mit der Sensoreinrichtung (11) verbundene Elektrikeinheit (13)

1g) wobei die Elekrikeinheit [sic] eine Steuereinheit ist,

1f) am Trägerkörper (12) angeordnet ist.

Hilfsantrag 1 umfasst zwei unabhängige Ansprüche. Der unabhängige Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal 3a), wonach

3a) die Sensoreinrichtung (11) dazu ausgeführt ist, mit wenigstens einem Sensor (21, 22, 23) zunächst eine Referenzmessung durchzuführen, um somit Störeinflüsse, wie Witterung, Hindernisse oder dergleichen zu erfassen.

Der unabhängige Anspruch 2 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal 1j), wonach

1j) ein Sensor (21, 22, 23) der Sensoreinrichtung (11) mittels Halteelementen an der Innenseite eines Stoßfängers des Kraftfahrzeuges (2) anordenbar ist, wobei die Halteelemente als Klipse oder Rastelemente ausgestaltet sind.

Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags durch die zusätzlichen Merkmale 2a, 2b), 2c) und 2d), wonach

2a) wobei die Sensoreinrichtung (11) mindestens einen ersten (21) und einen zweiten Sensor (22) aufweist, wobei die Sensoren (21, 22) unterschiedliche Detektionsbereiche (5, 6) aufweisen

2b) wobei die Moduleinheit (10) eine am Trägerkörper (12) ausgeführte Profilierung (38) aufweist, wobei innerhalb einer innenseitigen Profilierung (38) eine Aufnahme (24) bereitgestellt ist, innerhalb der die Elektrikeinheit (13) angeordnet ist, und wobei in einer außenliegenden Profilierung (38) sich ebenfalls eine Aufnahme (24) bildet, innerhalb dieser der erste Sensor (21) angeordnet ist

2c) wobei das einzeln handhabbare Modul (10) dazu ausgeführt ist, am Heckbereich des Kraftfahrzeugs (2) befestigt zu werden, wobei entsprechende Befestigungselemente (14) an der Moduleinheit (10) vorgesehen sind, die zur Anordnung am Kraftfahrzeug (2) dienen

2d) wobei die Sensoreinrichtung (11) eine Erstreckung aufweist, die in Breitenrichtung des Kraftfahrzeugs (2) verläuft.

Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 1 durch die zusätzlichen Merkmale 3b) und 3c), wonach

3b) der Trägerkörper (12) eine Profilierung (38) aufweist, die Aufnahmen (24) für die Elektrikeinheit (13) und den zumindest einen Sensor (21, 22, 23) bereitstellt,

3c) wobei der Sensor (21, 22, 23) eine längliche Erstreckung aufweist, wobei der Sensor (21, 22, 23) flexibel ausgeführt ist.

Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 3 durch das zusätzliche Merkmal 4d), wonach

4d) ein Überprüfungsmodul (26) vorgesehen ist, das die Funktionsweise der Sensoreinrichtung (11) überprüft.

Hilfsantrag 11 umfasst zwei unabhängige Ansprüche. Der unabhängige Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Wesentlichen durch folgende zusätzliche Merkmale:

"um diese Referenzmessung zur Festlegung von Schwellwerten bei der Detektion (3) zu nutzen, wobei der Sensor (21, 22, 23) dazu ausgeführt ist, nachdem die Referenzmessung durchgeführt worden ist die Detektion (3) des Objektes (4) in dem Detektionsbereich (5, 6, 40) messtechnisch zu erfassen, um Fehlfunktionen bei der Betätigung des beweglichen Teils (1, 33) zu vermeiden, wobei die Steuereinheit dazu ausgeführt ist, den Referenzwert zu speichern."

Der unabhängige Anspruch 2 von Hilfsantrag 11 unterscheidet sich von Anspruch 2 des Hilfsantrags 1 im Wesentlichen durch folgende zusätzliche Merkmale:

"wobei die Halteelemente als Klipse ausgestaltet sind, wobei die Klipse anklebbar ausgestaltet sind, um den Sensor (21, 22, 23) stoffschlüssig zu halten, wobei formschlüssige Schlaufen oder Haltemittel an den Klipsen zur Befestigung des Sensors (21, 22, 23) vorgesehen sind."

Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag 35 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 11.

VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltung Bezug genommen:

E6: WO 2009 132766 A1

VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten ist unten in den Entscheidungsgründen erwähnt.

Entscheidungsgründe

1. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

1.1 Gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

1.2 Unter Regel 103 (1) a) EPÜ kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur dann in Betracht, wenn der Mangel verfahrensrechtlicher Natur ist, wenn also die Verfahrensvorschriften des EPÜ nicht korrekt angewandt wurden.

1.3 Die Beschwerde­führerin machte einen wesentlichen Verfahrensmangel in Bezug auf folgende Punkte geltend:

1) die Zulassung der verspätet eingereichten E6 in das Verfahren,

2) die Einführung der E4 durch die Einspruchsabteilung in das Verfahren,

3) der Hinweis der Einspruchsabteilung in ihrer Mitteilung vom 15. April 2019 unter Punkt 7, wonach sie im weiteren Verfahren darauf achten werde, ob künftige Anträge eine konvergente Weiterentwicklung darstellen,

4) die fehlende Begründung in der Mitteilung gemäß Regel 116 (1) Satz 1 EPÜ, und

5) die Nichtzulassung der Hilfsanträge 1, 2, 5 und 6 in das Verfahren.

1.4 Zulassung der E6 in das Verfahren

1.4.1 Die E6 wurde am 7. November 2018 von der Einsprechenden verspätet eingereicht und von der Einspruchsabteilung in ihrer Ermessensentscheidung in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2020 in das Verfahren zugelassen.

1.4.2 Diesbezüglich argumentierte die Beschwerdeführerin, die E6 erfülle nicht das Kriterium der prima facie Relevanz, da sie nicht offensichtlich sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 neuheitsschädlich vorwegnehme. In der Zulassung habe daher ein Ermessensfehler der Einspruchsabteilung und folglich ein wesentlicher Verfahrensmangel gelegen.

1.4.3 Die Frage, ob ein Ermessen fehlerfrei, zum Beispiel unter Berücksichtigung der richtigen Kriterien ausgeübt wurde, ist aber eine inhaltliche Frage materiell-rechtlicher Natur, und keine verfahrensrechtliche. Daher liegt in einer inhaltlich unrichtigen Ermessensentscheidung, die unter korrekter Anwendung der Verfahrensvorschriften des EPÜ ergangen ist, kein Verfahrensmangel im Sinne der Regel 103 (1) a) EPÜ.

1.4.4 Eine Verletzung der Verfahrensvorschriften des EPÜ im Zusammenhang mit dieser Ermessens­entscheidung wurde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und ist auch für die Kammer nicht ersichtlich.

1.4.5 Aus der Zulassung der E6 in das Einspruchs­verfahren ergibt sich folglich kein wesentlicher Verfahrensmangel.

1.5 Einführung der E4 in das Verfahren

1.5.1 Die E4 wurde von der Einspruchsabteilung mit ihrem Bescheid vom 28. Juni 2018 mit Verweis auf den Amtsermittlungs­grundsatz gemäß Artikel 114 (1) EPÜ von Amts wegen in das Einspruchsverfahren eingeführt.

1.5.2 Diesbezüglich argumentierte die Beschwerde­führerin, die Einspruchsabteilung habe "ihr Ermessen gemäß Artikel 114 EPÜ unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien ausgeübt und damit ihr eingeräumtes Ermessen überschritten". Ein gravierender Verfahrens­fehler liege insbesondere darin, dass die Einspruchsabteilung die Bewertung der prima facie Relevanz der E4 auf eine fehlerhafte Beurteilung ihres Offenbarungsgehalts gestützt und daher ihr Ermessen überschritten habe.

1.5.3 Artikel 114 (1) EPÜ besagt, dass in Verfahren vor dem Europäischen Patentamt das Europäische Patentamt den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Es ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt.

Die Einspruchsabteilung hat daher die Befugnis, den Sachverhalt im Einspruchsverfahren von Amts wegen zu ermitteln.

1.5.4 Bei der Ausübung dieser Befugnis unter Artikel 114 (1) EPÜ ist einerseits zu beachten, dass das Einspruchsverfahren ein streitiges Verfahren zwischen Parteien ist, die in der Regel gegenteilige Interessen vertreten, die aber Anspruch auf die gleiche Behandlung haben (G 9/91, Punkt 2, letzter Satz der Gründe). Andererseits soll die Regelung des Artikels 114 (1) EPÜ aber verhindern, dass ungültige europäische Patente aufrechterhalten werden. Daher kann gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer eine Einspruchsabteilung in Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ einen durch die Einsprechende nicht geltend gemachten Einspruchsgrund von sich aus vorbringen (vgl. G 9/91, Punkt 16 der Gründe).

Das hierfür von der Großen Beschwerdekammer festgelegte Kriterium ist, dass prima facie triftige Gründe dafür sprechen müssen, dass diese Einspruchsgründe relevant sind und der Aufrechterhaltung des Patents ganz oder teilweise entgegenstehen würden (G 9/91, Punkt 16 der Gründe).

1.5.5 Da die Einspruchsabteilung unter diesen Voraussetzungen die Befugnis hat, einen neuen, von der Einsprechenden nicht geltend gemachten Einspruchsgrund vorzubringen, muss dies erst recht für neue Tatsachen, Beweismittel und Einwände bzw. Angriffslinien gelten, die innerhalb eines bereits geltend gemachten Einspruchsgrunds vorgebracht werden. Derartiges neues Vorbringen ist jedenfalls dann möglich, wenn prima facie triftige Gründe dafür sprechen, dass es relevant ist und der Aufrechterhaltung des Patents ganz oder teilweise entgegenstehen würde (siehe auch T 1002/92, Punkt 3.2 der Gründe).

1.5.6 Die Einführung eines neuen Dokuments durch die Einspruchsabteilung kann daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel darstellen. Dies gilt zumindest dann, wenn das Kriterium der "prima facie Relevanz" dieser Einführung zugrunde liegt, wie das auch von der Einspruchsabteilung für die Einführung der E4 in das Verfahren der Fall war (Bescheid vom 28. Juni 2018; Punkt 4.3.3). Ob die Bewertung der prima facie Relevanz der E4 im Ergebnis auf eine fehlerhafte Beurteilung ihres Offenbarungsgehalts gestützt wurde, ist aus verfahrensrechtlicher Sicht unerheblich (siehe auch oben Punkt 1.4.3).

1.5.7 Im Übrigen war die Relevanz der E4 für den Ausgang des Verfahrens auch tatsächlich gegeben. Wie in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 3. ausgeführt, kam die Einspruchsabteilung nach Würdigung aller Argumente der Beteiligten zu dem Ergebnis, dass die E4 den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung neuheitsschädlich vorwegnimmt.

1.5.8 Natürlich sind auch bei der Einführung eines Dokuments in das Verfahren die verfahrensrechtlichen Grundsätze zu beachten. Insbesondere ist dabei den Beteiligten das rechtliche Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ) zu gewähren.

Vorliegend hat die Einspruchsabteilung die prima facie Relevanz der E4 für die Beurteilung der Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 bereits im genannten Bescheid vom 28. Juni 2018 unter Punkt 4.3 ausführlich erläutert und der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Gelegenheit gegeben, sich damit auseinander­zusetzen bzw. hierauf zu reagieren.

Somit wurde auch das rechtliche Gehör der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) gewahrt.

1.5.9 Aus der Einführung der E4 durch die Einspruchsabteilung in das Verfahren ergibt sich also ebenfalls kein wesentlicher Verfahrensmangel.

1.6 Hinweis der Einspruchsabteilung

1.6.1 Der geltend gemachte wesentliche Verfahrensmangel beruht nach Ansicht der Beschwerdeführerin des Weiteren auf dem Hinweis der Einspruchsabteilung in ihrer Mitteilung vom 15. April 2019 unter Punkt 7, wonach sie im weiteren Verfahren darauf achten werde, ob künftige Anträge eine konvergente Weiterentwicklung darstellen. Die Beschwerdeführerin trug vor, durch diesen Hinweis sei die Möglichkeit zur Änderung des Patents bereits in einem frühen Verfahrensstadium auf eine konvergente Weiterentwicklung beschränkt worden, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des fairen Verfahrens darstelle.

1.6.2 Der genannte Hinweis lautet wie folgt:

"Weiteres Verfahren

7 Die Patentinhaberin hat bereits zehn Hilfsanträge gestellt, wobei jeder in eine andere Richtung geht. Die Patentinhaberin wird daran erinnert, dass es nicht Sinn und Zweck des Einspruchsverfahrens ist, alle möglichen Erfindungen prüfen zu lassen. Diese Möglichkeit hat die Patentinhaberin mit den zehn bereits eingereichten Hilfsanträgen jetzt zur Genüge gehabt.

Im weiteren Verfahren wird die Einspruchsabteilung darauf achtenob künftige Anträge eine konvergente Weiterentwicklung darstellen, d. h. die Gegenstände der Hilfsanträge sollten eine zunehmende Einschränkung in Richtung eines Erfindungsgedankens erkennen lassen und nicht etwa durch Aufnahme jeweils verschiedener Merkmale Weiterentwicklungen in unterschiedliche Richtungen verfolgen."

1.6.3 Ein Verfahrensmangel könnte grundsätzlich vorliegen, wenn die Patentinhaberin de facto davon abgehalten wird, neue Anträge einzureichen, sodass die Möglichkeiten zur Änderung des Streitpatents unangemessen beschränkt wird. Der von der Einspruchsabteilung gegebene Hinweis ist aber kein solches Hindernis. Vielmehr kündigte die Einspruchsabteilung an, dass sie bei den weiteren, noch einzureichenden Anträgen auf das Kriterium der Konvergenz achten werde. Es blieb der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) aber unbenommen, weitere Anträge einzureichen und gegebenenfalls Argumente zu deren Konvergenz, oder auch zu deren Zulassung aus anderen Gründen, vorzutragen.

1.6.4 Da die Patentinhaberin (Beschwerde­führerin) bezüglich der Einreichung weiterer Anträge nicht eingeschränkt war, ist auch nicht ersichtlich, dass der Hinweis der Einspruchsabteilung einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des fairen Verfahrens darstellen könnte, und es erwächst aus dem Hinweis auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Patentinhaberin (Beschwerde­führerin).

1.6.5 Auch aus dem Hinweis der Einspruchsabteilung ergibt sich also kein wesentlicher Verfahrensmangel.

1.7 Fehlende Begründung in der Mitteilung gemäß Regel 116 (1) Satz 1 EPÜ

1.7.1 Die Beschwerdeführerin machte ferner geltend, die Einspruchsabteilung habe in ihrer Mitteilung vom 15. April 2019 sämtliche bis dahin im Verfahren befindlichen Hilfsanträge strikt als nicht patentfähig beurteilt, wobei die Beurteilung zum Teil nur pauschal erfolgt und zum Teil nicht begründet worden sei.

1.7.2 Eine Mitteilung erfüllt bereits dann die Erfordernisse der Regel 116 (1) EPÜ, wenn darin lediglich auf die Fragen hingewiesen wird, welche die Einspruchsabteilung für die zu treffende Entscheidung als erörterungs­bedürftig ansieht. Eine Begründungspflicht besteht somit bei einer Mitteilung nicht.

1.7.3 Der geltend gemachte Begründungsmangel der Mitteilung vom 15. April 2019 stellt daher keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

1.8 Nichtzulassung des Hilfsantrags 1

1.8.1 Die Beschwerdeführerin beanstandete weiter, in der Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 vom 13. November 2019 liege eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs.

1.8.2 Die Beschwerdeführerin hat diese Beanstandung jedoch nicht begründet. Daher liegt auch diesbezüglich kein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

1.9 Nichtzulassung der Hilfsanträge 2, 5 und 6

1.9.1 Bezüglich der Hilfsanträge 2, 5 und 6 argumentierte die Beschwerdeführerin, diese seien in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als Reaktion auf eine völlig unerwartete verfahrensrechtliche Entwicklung des Falles eingereicht worden und daher nicht verspätet gewesen. Deren Nichtzulassung in das Verfahren stelle daher einen Verfahrensfehler dar.

1.9.2 Die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung betreffend die Anträge der Patentinhaberin (Beschwerde­führerin) in beiden Bescheiden vom 28. Juni 2018 und 15. April 2019 war aber negativ und blieb auch während der mündlichen Verhandlung negativ. Folglich wurde die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), anders als von ihr vorgetragen, in der mündlichen Verhandlung nicht mit einer unerwarteten Entwicklung des Verfahrens konfrontiert. Daher waren die Hilfsanträge 2, 5 und 6 verspätet und ihre Zulassung lag im Ermessen der Einspruchsabteilung.

1.9.3 Wie oben ausgeführt (siehe Punkt 1.4.3), kann selbst eine inhaltlich unrichtige Ermessensentscheidung, die unter korrekter Anwendung der Verfahrensvorschriften des EPÜ ergangen ist, keinen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 103 (1) a) EPÜ begründen.

1.9.4 Bezüglich Hilfsantrag 6 trug die Beschwerdeführerin noch vor, ihr sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden, da die Einspruchsabteilung ihr Vorbringen vom 13. November 2019 nicht berücksichtigt habe, wonach sich eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Merkmalskombination des Anspruchs 1 dieses Antrags aus dem letzten Absatz der Beschreibung ergebe.

1.9.5 Das besagte Vorbringen der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) war jedoch für die Nichtzulassung des Hilfsantrags 6 nicht entscheidungserheblich. Entscheidend war stattdessen, dass nach Überzeugung der Einspruchsabteilung der Hilfsantrag 6 prima facie die bereits in Hilfsantrag 5 eingeführten neuen Probleme unter Artikel 84 EPÜ und unter Artikel 123(2) EPÜ nicht beseitigte (angefochtene Entscheidung, Punkt 9.2.2). Hierzu hatte sich die Patentinhaberin (Beschwerde­führerin) schon bei der Diskussion des Hilfsantrags 5 geäußert (Niederschrift, Seite 4, viertletzter Absatz). Das rechtliche Gehör der Patentinhaberin (Beschwerde­führerin) wurde folglich gewahrt.

1.10 Zusammenfassend liegt demnach kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 103 (1) a) EPÜ vor. Daher wird der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen.

2. Zulassung der E6 in das Beschwerdeverfahren

2.1 Die Entgegenhaltung E6 wurde von der Einspruchs­abteilung in ihrer Ermessensentscheidung in das Verfahren zugelassen. Sie ist Teil der angefochtenen Entscheidung und liegt damit dem Beschwerdeverfahren zugrunde (Artikel 12 (1) VOBK 2020).

2.2 Dem Antrag, die E6 (nachträglich) nicht in das Verfahren zuzulassen bzw. nicht in das Verfahren einzuführen, kann daher schon aus diesem Grund nicht stattgegeben werden.

2.3 Darüber hinaus hat die Einspruchsabteilung bei ihrer Ermessensentscheidung die richtigen Kriterien angewandt, nämlich die prima facie Relevanz dieses Dokuments für die Beurteilung der Neuheit der Hilfsanträge 3 und 4. Im Übrigen war die Relevanz der E6 für den Ausgang des Falls auch tatsächlich gegeben, denn die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass die E6 den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 3 und 4 neuheitsschädlich vorwegnimmt.

2.4 Der Antrag wird daher zurückgewiesen.

3. Hauptantrag - Neuheit gegenüber E6

3.1 Die E6 offenbart insbesondere in Figur 2 eine (Verweise in Klammern beziehen sich auf E6):

1a) Moduleinheit mit einer Sensoreinrichtung (Heckdiffusor 7 mit montierten Sensorelektroden 4, 5 und Sensorsteuergerät 11)

1aa) für eine Betätigung eines beweglichen Teils, insbesondere einer Klappe (Seite 10, Zeilen 7 bis 14: Heckklappe 1) eines Kraftfahrzeugs,

1b) mit einem Trägerkörper (Heckdiffusor 7), an dem die Sensoreinrichtung mit wenigstens einem Sensor (Sensorelektroden 4, 5) angeordnet ist,

1c) um eine Detektion eines Objektes (Seite 11, Zeilen 12 bis 24: Fuß) in wenigstens einem an das Kraftfahrzeug angrenzenden Detektionsbereich (Seite 11, Zeilen 12 bis 24: zwischen dem Heckdiffusor 7 und der Fahrbahn) zu ermöglichen,

1d) sodass über die Detektion die Betätigung des beweglichen Teils (Heckklappe 1) aktivierbar ist,

1e) wobei die Moduleinheit (7, 11, 4, 5) derart als einzeln handhabbares Modul ausgeführt ist, dass die Moduleinheit am Kraftfahrzeug befestigbar ist,

1f) wobei eine mit der Sensoreinrichtung verbundene Elektrikeinheit (11)

1g) wobei die Elektrikeinheit eine Steuereinheit (Seite 10, Zeilen 16 bis 22: Sensorsteuergerät 11) ist

1f) am Trägerkörper (7) angeordnet ist (Figur 2),

3.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, die E6 offenbare keine "Moduleinheit" gemäß den Merkmalen 1a) und 1e). Der Figur 2 der E6 könne insbesondere das funktionelle Merkmal "einzeln handhabbar" nicht entnommen werden.

3.3 Der im Anspruch verwendete Begriff "Moduleinheit" ist breit und umfasst auch eine Einheit aus Heckdiffusor mit daran montierten Sensorelektroden und Sensorsteuergerät, wie sie in E6 offenbart ist.

3.4 Der in Merkmal 1e) verwendete Ausdruck "einzeln handhabbar" ist vage. Doch selbst wenn er implizieren würde, dass die Moduleinheit bei der Fahrzeugmontage als eine separate Komponente "gehandhabt" und verbaut wird, ist auch dies bei dem in E6 offenbarten Heckdiffusor 7 mit den daran montierten Sensor­elektroden 4, 5 und dem Sensorsteuergerät 11 der Fall, da er ebenfalls als eine separate Komponente "gehandhabt" und verbaut werden kann.

3.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist folglich nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6.

4. Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber E6

4.1 Anspruch 1

4.1.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 umfasst das zusätzliche Merkmal 3a), wonach

3a) die Sensoreinrichtung (11) dazu ausgeführt ist, mit wenigstens einem Sensor (21, 22, 23) zunächst eine Referenzmessung durchzuführen, um somit Störeinflüsse, wie Witterung, Hindernisse oder dergleichen zu erfassen.

4.1.2 Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerde­führerin folgen wollte, wonach das Merkmal 3a) den beanspruchten Gegenstand strukturell einschränke, handelt es sich hierbei nicht um ein Unterscheidungs­merkmal gegenüber der Offenbarung der E6, wie im Folgenden dargelegt.

Die E6 offenbart bezüglich der Betätigung der Heckklappe auf den Seiten 11 bis 12, überbrückender Absatz, dass eine Hin- und Rückbewegung eines Fußes erkannt wird. Dabei wird die Rückbewegung derart durch die Elektroden erfasst,

"dass zuerst die zweite Elektrode 5 und anschließend die erste Elektrode 4 wieder die ursprüngliche Kapazität (die vor der Hinbewegung gemessene Kapazität) misst" (E6, Seite 12, Zeilen 7 bis 10, Hervorhebung hinzugefügt).

Der E6 ist damit unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass bereits vor der Hinbewegung des Fußes eine Messung der Kapazität stattfindet. Diese Messung stellt eine Referenzmessung im Sinne des Merkmals 3a) dar, denn die dabei gemessene Kapazität dient als Referenzwert, mit dem die während der Rückbewegung des Fußes gemessene Kapazität verglichen wird.

Folglich ist selbst unter der Annahme, dass das Merkmal 3a) das Vorhandensein weiterer Hardware, beispielsweise für die Speicherung des Referenzwerts oder den Vergleich zweier Messwerte, erfordert, diese Hardware auch in der E6 implizit offenbart.

4.1.3 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 1 ebenfalls nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6.

4.2 Anspruch 2

4.2.1 Anspruch 2 von Hilfsantrag 1 basiert auf Anspruch 1 des Hauptantrags und umfasst das zusätzliche Merkmal 1j), wonach

1j) ein Sensor (21, 22, 23) der Sensoreinrichtung (11) mittels Halteelementen an der Innenseite eines Stoßfängers des Kraftfahrzeuges (2) anordenbar ist, wobei die Halteelemente als Klipse oder Rastelemente ausgestaltet sind.

4.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Klipse oder Rastelemente seien Teil der beanspruchten Moduleinheit. Da die E6 keine Klipse oder Rastelemente offenbare, sei der Gegenstand des Anspruchs 2 neu.

4.2.3 Der Anspruch 2 erwähnt die Halteelemente bzw. Klipse oder Rastelemente nur in Merkmal 1j). Dort wird aber weder festgelegt, dass sie ein Teil des beanspruchten Gegenstands sind, noch wo sie sich befinden. Stattdessen definiert das Merkmal lediglich, dass der Sensor dafür geeignet sein muss, mittels solcher Halteelemente angeordnet zu werden.

Diese Eignung des Sensors ist auch bei der E6 gegeben, denn die darin offenbarten Sensorelektroden 4, 5 sind als leitungsförmige Elektroden ausgebildet (E6, Seite 6, Zeilen 12 bis 18), die ohne Weiteres mittels Halteelementen in Form von Klipsen oder Rastelementen angeordnet werden können (siehe E6, Figur 2).

4.2.4 Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 2 von Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6.

5. Hilfsantrag 2 - Zulassung

5.1 Der Hilfsantrag 2 entspricht dem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsantrag 2, der von der Einspruchsabteilung in ihrer Ermessensentscheidung nicht zugelassen wurde.

5.2 Die Entscheidung beruhte auf einer Analyse der prima facie Gewährbarkeit des Antrags im Hinblick auf Artikel 84 und 123 (2) EPÜ (angefochtene Entscheidung, Punkt 5.2). Fehler bei der Ermessensausübung wurden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.

5.3 Der Antrag wird daher nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020).

6. Hilfsantrag 3 - Neuheit gegenüber E6

6.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 1 durch die zusätzlichen Merkmale 3b) und 3c), wonach

3b) der Trägerkörper (12) eine Profilierung (38) aufweist, die Aufnahmen (24) für die Elektrikeinheit (13) und den zumindest einen Sensor (21, 22, 23) bereitstellt,

3c) wobei der Sensor (21, 22, 23) eine längliche Erstreckung aufweist, wobei der Sensor (21, 22, 23) flexibel ausgeführt ist.

6.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte mit Verweis auf Merkmal 3b), die E6 offenbare keine Profilierung, die zur Befestigung des Sensors dient.

6.3 Jedoch fordert auch der Anspruch nicht, dass die Profilierung im Trägerkörper dergestalt sein muss, dass sie die Elektrikeinheit bzw. den Sensor effektiv festhält. Ebenso wenig wird im Anspruch spezifiziert, dass die Elektrikeinheit und der Sensor jeweils in einer eigenen Aufnahme aufgenommen sein müssen.

Der Trägerkörper 7 in Figur 2 der E6 ist nicht als ebenes Bauteil ausgeführt, sondern besitzt im Querschnitt eine Profilierung, die Aufnahmen bereitstellt, in welchen sich das Sensorsteuergerät 11 und die Sensorelektroden 4, 5 befinden. Die E6 enthält damit eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals 3b).

6.4 Die in E6 offenbarten Sensorelektroden 4, 5 sind darüber hinaus als leitungsförmige Elektroden ausgebildet (E6, Seite 6, Zeilen 12 bis 18; Figur 2) und erfüllen somit auch das Merkmal 3c).

6.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 3 ist folglich ebenfalls nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6.

7. Hilfsantrag 4 - Neuheit gegenüber E6

7.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 basiert auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 und umfasst das zusätzliche Merkmal 4d), wonach

4d) ein Überprüfungsmodul (26) vorgesehen ist, das die Funktionsweise der Sensoreinrichtung (11) überprüft.

7.2 Wie von der Beschwerdeführerin zutreffend geltend gemacht, ist das Überprüfungsmodul im Sinne des Merkmals 4d) ein Teil der beanspruchten Vorrichtung.

Allerdings lässt der Anspruch offen, wie das Überprüfungsmodul strukturell ausgestaltet sein muss. Hinsichtlich der Wirkungsweise des Überprüfungsmoduls definiert der Anspruch lediglich, dass es in der Lage sein muss, die Funktionsweise der Sensoreinrichtung zu überprüfen.

Die E6 offenbart diesbezüglich auf Seite 13, Zeile 29 bis Seite 14, Zeile 4, dass die Ergebnisse einer Sensorelektrode durch eine oder mehrere andere Sensorelektroden derselben Sensoranordnung plausibilisiert werden können, so dass eine Wahrscheinlichkeit einer Fehlauslösung, oder einer nicht erfolgenden Auslösung trotz korrekt durchgeführter Fußbewegung, minimiert werden können.

Damit offenbart die E6 implizit auch die für die Plausibilisierung nötigen Mittel, das heißt ein entsprechendes Modul.

7.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, eine Plausibilisierung sei etwas anderes als eine Überprüfung. Letztere sei enger und sehe eine andere Logik vor als erstere.

Der Anspruch lässt jedoch offen, welcher Logik die Überprüfung folgt bzw. wie die Überprüfung der "Funktionsweise der Sensoreinrichtung" vonstatten geht. Daher fällt hierunter auch die Überprüfung, ob bei dem Sensor eine Fehlauslösung oder eine nicht erfolgte Auslösung trotz korrekt durchgeführter Fußbewegung vorliegt, wie in E6 offenbart.

7.4 Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 4 nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6.

8. Hilfsanträge 11 und 35 - Zulassung

8.1 Der jeweilige unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge 11 und 35 entspricht dem Anspruch 2 des im schriftlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung am 14. November 2019 eingereichten Hilfsantrags 3.

8.2 Dieser Antrag vom 14. November 2019 wurde zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zunächst noch gestellt (Niederschrift, Seite 1, zweiter Absatz), nach der Diskussion des Hilfsantrags 1 vom 14. November 2019, jedoch nicht weiterverfolgt (Niederschrift, Seite 1, letzter Absatz; Seite 2, erster Absatz; Seite 5, vorletzter und letzter Absatz).

8.3 Gemäß Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 lässt die Kammer grundsätzlich keine Anträge zu, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, nicht mehr aufrechterhalten wurden. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, zu verhindern, dass ein Patentinhaber durch die Rücknahme seiner Anträge vor der Einspruchsabteilung sich bewusst dafür entscheidet, einen Gegenstand nicht der Einspruchsabteilung zur Entscheidung vorzulegen, um ihn später erneut vor der Beschwerdekammer einzubringen (siehe auch T 1161/20, Punkt 4.1 der Gründe).

8.4 Die Hilfsanträge 11 und 35 laufen diesem Zweck des Artikels 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 zuwider. Zwar stimmt weder der vorliegende Hilfsantrag 11 noch der vorliegende Hilfsantrag 35 vollständig mit dem Hilfsantrag 3 vom 14. November 2019 überein, sodass folglich nicht der vorliegende Hilfsantrag 11 oder 35 damals nicht mehr aufrechterhalten wurde. Durch die fehlende Aufrechterhaltung des Hilfsantrags 3 vom 14. November 2019 wurde der Einspruchsabteilung jedoch die Möglichkeit genommen, über den Anspruch 2 dieses Antrags zu entscheiden, da der Gegenstand dieses Anspruchs 2 auch in keinem der anderen zur Entscheidung vorgelegten Anträge weiterverfolgt wurde.

Daher würde die Wiedereinführung von Anspruch 2 des Hilfsantrags 3 vom 14. Januar 2019 als Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 11 oder 35 effektiv dazu führen, dass der Beschwerdekammer ein Gegenstand zur Entscheidung vorgelegt wird, der einer Entscheidung der Einspruchsabteilung bewusst entzogen wurde.

8.5 Die Hilfsanträge 11 und 35 sind daher unter Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

8.6 Die Nichtzulassung der Hilfsanträge 11 und 35 in das Verfahren ergibt sich im Übrigen auch aus Artikel 13 (1) VOBK 2020. Jeder dieser neuen Anträge stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (1) Satz 1 VOBK 2020 dar, deren Zulassung im Ermessen der Kammer liegt. Bei der Ausübung ihres Ermessens kann die Kammer sowohl die sich aus Artikel 12 (4) Satz 5 VOBK 2020 ergebenden Kriterien als auch den sich aus Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 ergebenden Grundsatz berücksichtigen (Artikel 13 (1) Satz 2 VOBK 2020; siehe auch T 714/20, Punkt 3 der Gründe). Der Einspruchsabteilung wurde die Möglichkeit genommen, eine Entscheidung über den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 der vorliegenden Hilfsanträge 11 und 35 zu treffen, da dieser Gegenstand in keinem Antrag zur Entscheidung der Einspruchsabteilung vorgelegt wurde. Die Zulassung von solchen Anträgen würde zudem dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widersprechen.

8.7 Die Hilfsanträge 11 und 35 sind daher auch unter Artikel 13 (1) VOBK 2020 nicht in das Beschwerde­verfahren zuzulassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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