T 0624/20 () of 27.2.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T062420.20240227
Datum der Entscheidung: 27 Februar 2024
Aktenzeichen: T 0624/20
Anmeldenummer: 13005208.7
IPC-Klasse: B01J 14/00
C07C 201/16
C07C 205/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtungen zur Aufreinigung von Nitrierprodukten
Name des Anmelders: Josef Meissner GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Covestro Deutschland AG
Noram International Limited
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 772 304 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurden Einsprüche eingelegt auf der Grundlage des Artikels 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sowie unter Artikel 100(b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit.

III. Es wird auf das folgende Dokument verwiesen:

D13: EP 0 771 783 A1

IV. Die Einspruchsabteilung erachtete den im erteilten Patent beanspruchten Gegenstand als für den Fachmann ausführbar offenbart (Artikel 100(b) EPÜ). Ihrer Ansicht nach sei jedoch die Vorrichtung nach Anspruch 1 des erteilten Patents sowie des Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13 (Artikel 100(a) und 54 EPÜ). Der im Hilfsantrag 2 beanspruchte Gegenstand erfülle sowohl das Erfordernis der Neuheit gegenüber der Offenbarung der von den Einsprechenden herangezogenen Dokumenten als auch des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100(a) und 56 EPÜ).

V. Gegen diese Entscheidung wurden von beiden Einsprechenden sowie von der Patentinhaberin Beschwerden eingelegt. Die Beschwerden der beiden Einsprechenden wurden im Laufe der am 27. Februar 2024 durchgeführten mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

VI. Die Patentinhaberin begründet ihre Beschwerde damit, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung dahingehend fehlerhaft, Neuheit der Vorrichtungen gemäß des erteilten Patents sowie des ersten Hilfsantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13 nicht anzuerkennen (Artikel 54 EPÜ). Zudem beruhten die beanspruchten Gegenstände auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK informierte die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Auffassung der Rechts- und Sachlage. Insbesondere teilte sie ihnen darin mit, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1, wie von der Einspruchsabteilung festgestellt, gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13 nicht neu zu sein scheine (Artikel 54 EPÜ).

VIII. Der Hauptantrag hat zwei unabhängige Ansprüche (Patent wie erteilt). Der für die vorliegende Entscheidung relevante Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung (Anlage) zur Entfernung von Verunreinigungen aus bei der Nitrierung von nitrierbaren aromatischen Verbindungen nach Abtrennung der Nitrierendsäure anfallenden nitrierten Rohprodukten durch Behandlung mit einem Waschmedium, wobei die Vorrichtung die folgenden Einrichtungen aufweist:

a) mindestens eine Dispergiereinrichtung, insbesondere mindestens ein Mischorgan, zum Inkontaktbringen und Emulgieren von aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits und Waschmedium andererseits;

b) stromabwärts zur Dispergiereinrichtung angeordnet, einen Rohrreaktor zur Einspeisung der in de Dispergiereinrichtung erzeugten Emulsion von aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits und Waschmedium andererseits, wobei der Rohrreaktor derart ausgebildet ist, dass während des Durchtritts der Emulsion durch den Rohrreaktor eine Entfernung der in den nitrierten Rohprodukten anfänglich vorhandenen Verunreinigungen ermöglicht wird und/oder dass während des Durchtritts der Emulsion durch den Rohrreaktor die in den nitrierten Rohprodukten anfänglich vorhandenen Verunreinigungen in das Waschmedium überführt und/oder neutralisiert werden; und

c) stromabwärts zum Rohrreaktor angeordnet, eine Scheideeinrichtung (Scheider) zur Abtrennung der von der den Verunreinigungen befreiten nitrierten Produkte vom Waschmedium."

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das nachstehend hervorgehobene Merkmal:

"1. Vorrichtung (Anlage) zur Entfernung von Verunreinigungen (...), wobei die Vorrichtung die folgenden Einrichtungen aufweist:

a) mindestens eine Dispergiereinrichtung, (...);

b) stromabwärts zur Dispergiereinrichtung angeordnet, einen Rohrreaktor zur Einspeisung der in de Dispergiereinrichtung erzeugten Emulsion von aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits und Waschmedium andererseits, wobei (...) werden, wobei der Rohrreaktor mit Mischelementen zum Eintrag zusätzlicher Mischenenergie ausgestattet ist; und

c) stromabwärts zum Rohrreaktor angeordnet (...)."

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) brachte im Wesentlichen folgendes vor:

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13. Sie unterscheide sich von der im Dokument D13 offenbarten Anlage insbesondere dadurch, dass die anspruchsgemäße Einrichtung b) als Rohrreaktor dermaßen ausgestaltet sei, dass die im Anspruch genannten technischen Wirkungen hergerufen würden. Derartige Wirkungen seien dem Dokument D13 nicht zu entnehmen. Darüber hinaus offenbare D13 auch keine Anlage, die über eine dem Rohrreaktor vorgeschaltete Dispergiereinrichtung verfüge. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei zudem dadurch eingeschränkt, dass der Rohrreaktor der beanspruchten Anlage über Mischelemente zum Eintrag zusätzlicher Mischenergie ausgestattet sei. Zwar seien Mischelemente im D13 offenbart, allerdings müsse der Fachmann eine Mehrfachauswahl aus der Offenbarung des Dokuments D13 treffen, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin liege die Beweispflicht um einen Mangel an Neuheit nachzuweisen bei den Beschwerdegegnerinnen.

XI. Die Beschwerdegegnerinnen-Einsprechenden 1 und 2 (nachfolgend die Einsprechenden 1 und 2) brachten im Wesentlichen folgendes vor:

Die beanspruchte Anlage sei nicht neu gegenüber der im Dokument D13 offenbarten Nitrieranlage. Es reiche aus, dass die Anlage gemäß D13 dazu geeignet sei, die im Anspruch angegebenen technischen Wirkungen hervorzurufen. Eine diesbezüglich explizite Offenbarung sei nicht notwendig, da eine Anlage als solche beansprucht werde. Auch das zusätzliche Merkmal gemäß Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 werde im D13 offenbart, und zwar eindeutig in Kombination mit den anderen Merkmalen. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen obliege es der Beschwerdeführerin, nachzuweisen, dass mit der in D13 offenbarten Anlage die im Anspruch 1 der beiden Anträge der Beschwerdeführerin genannten technischen Wirkungen nicht erreicht werden könnten. In Ermangelung eines solchen Nachweises könne Neuheit nicht festgestellt werden.

XII. Die Schlussanträge der Parteien sind wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt

- die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten,

- hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Hilfsanträge 1 bis 15, wobei Hilfsantrag 2 der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung entspricht,

- die Dokumente D45 und D45a nicht ins Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechenden 1 und 2) beantragen die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig.

Hauptantrag der Patentinhaberin (Patent wie erteilt)

Neuheit (Artikel 100(a) und 54 EPÜ)

2. Die Einspruchsabteilung stellte in ihrer Entscheidung fest, dass die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu sei gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin liege Neuheit jedoch insbesondere deshalb vor, weil die in D13 offenbarte Vorrichtung keinen Rohrreaktor im Sinne des Streitpatents aufweise. Ein Rohrreaktor gemäß Streitpatent zeichne sich nämlich dadurch aus, dass er die anspruchsgemäßen funktionalen Merkmale aufweise. Diese seien im D13 nicht offenbart. Zudem werde im D13 auch keine Vorrichtung offenbart, die über eine dem Rohrreaktor vorgeschaltete Dispergiereinrichtung zum Inkontaktbringen und Emulgieren von aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits, und Waschmedium andererseits, verfüge.

3. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt aus folgenden Gründen nicht:

3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf eine "Vorrichtung zur Entfernung von Verunreinigungen aus bei der Nitrierung von nitrierbaren aromatischen Verbindungen nach Abtrennung der Nitrierendsäure anfallenden nitrierten Produkten durch Behandlung mit einem Waschmedium ...". Die Vorrichtung umfasst, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, drei aufeinanderfolgende Bestandteile, nämlich a) mindestens eine Dispergiereinrichtung, b) stromabwärts hierzu einen Rohrreaktor, und c) stromabwärts hierzu eine Scheideeinrichtung. Jeder dieser Bestandteile wird insbesondere auch durch funktionale Merkmale definiert.

3.2 Dokument D13 offenbart ein Verfahren zur Aromatennitrierung und eine hierzu verwendete Anlage (siehe Spalte 7, Zeilen 6 bis 53). Diese Anlage wird auf demselben technischen Gebiet wie die beanspruchte Vorrichtung verwendet, sie eignet sich, wie nachstehend gezeigt, auch zur Entfernung von Verunreinigungen aus bei der Nitrierung von Aromaten erhaltenen nitrierten Produkten. Sie weist insbesondere die drei aufeinanderfolgenden Bestandteile gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags auf:

Die in Figur 3 des Dokuments D3 offenbarte Anlage umfasst eine Mischeinrichtung 21 (siehe Spalte 7, Zeilen 19 bis 20), eine Ringspaltmischer 1 mit nachfolgendem Rohrreaktor 8 (siehe Spalte 7, Zeilen 37 und 38), und einen Scheider 19 (siehe Spalte 7, Zeile 48). Die Bauteile Ringspaltmischer, Rohrreaktor und Scheider sind hintereinander angeordnet.

3.3 Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, im Dokument D13 werde keine Mischeinrichtung offenbart, die das funktionale Merkmal des Anspruchs 1, Teil a), aufweise. Hierzu müsse die Dispergiereinrichtung nämlich neben dem Inkontaktbringen aufzureinigender Rohprodukte einerseits und Waschmedium andererseits auch dem Emulgieren derselben dienen.

3.4 Die Kammer stellt hierzu fest, dass Dokument D13 in Zeile 38 der Spalte 7 offenbart, dass im Ringspaltmischer 1 eine Dispersion erzeugt wird. Dass es sich dabei um eine Emulsion, also eine Dispersion aus zwei flüssigen Phasen handelt, wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Zudem geht aus dem Streitpatent selbst hervor, dass die Dispergiereinrichtung besonders bevorzugt ein Strahlmischer ist (s. Absatz [0047] des Streitpatents). Unstrittig zwischen den Parteien war, dass es sich bei dem Ringspaltmischer gemäß D13 um einen derartigen Strahlmischer handle.

3.5 Die im Dokument D13 offenbarte Vorrichtung weist somit eine Dispergiereinrichtung auf, die "... zum Inkontaktbringen und Emulgieren von aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits und Waschmedium andererseits ..." geeignet ist.

3.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, die gemäß Schritt a) des Anspruchs gebildete Emulsion müsse auch während des Durchtritts durch den Rohrreaktor aufrechterhalten bleiben. Dies werde im Dokument D13 jedoch nicht offenbart.

3.7 Dokument D13 offenbart jedoch, dass der "... Rohrreaktor 8 so ausgelegt (sei), dass die im Ringspaltmischer 1 erzeugte Dispersion erhalten bleibt ..." (siehe die Zeilen 37 bis 39 der Spalte 7 sowie die Zeilen 48 bis 56 der Spalte 6). Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt daher nicht.

3.8 Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass im Dokument D13 kein Rohrreaktor gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart werde. Insbesondere sei dem Dokument das funktionale Merkmal des Entfernens von Verunreinigungen während des Durchtritts der Emulsion durch den Rohrreaktor gemäß Anspruch 1, Teil b), nicht zu entnehmen. Zwar werde im Absatz [0095] des Streitpatents offenbart, dass der für die Aufreinigung zum Einsatz kommende Rohrreaktor gleichermaßen bei der vorangehenden Nitrierung als Reaktionsbehältnis eingesetzt werden könne. Dies sei jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass jedweder zur Nitrierung von Aromaten eingesetzte Rohrreaktor zwangsläufig die unter Punkt b) des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale aufweise, und sich damit zur Reinigung von Nitrierprodukten eigne. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Verwendungen eines Rohrreaktors für die Produktion nitrierter Aromaten einerseits, und das Waschen der anfallenden nitrierten Rohprodukte andererseits, eine unterschiedliche Ausgestaltung des jeweils verwendeten Rohrreaktoren erfordere. Dies ergebe sich bereits daraus, dass andere Phasen- bzw. Emulsionsverhältnisse erforderlich seien. Falls eine zur Aromatennitrierung erzeugte Emulsion eines Verfahrens gemäß Dokument D13 während ihres Durchtritts durch den für die Reaktion verwendeten Rohrreaktor aufrechterhalten bleibe, müsse dies nicht zwangsweise auch für eine zum Waschen gebildete Emulsion gelten. Ziel des Waschvorgangs sei ja unter anderem die Verwendung einer möglichst geringen Menge an Waschlösung. Dies spiele jedoch bei der Nitrierung keine Rolle. Auch sei davon auszugehen, dass für die beiden unterschiedlichen Prozesse - Nitrierung und Waschen - unterschiedliche Energieeinträge nötig seien. Somit sei nicht davon auszugehen, dass ein im Dokument D13 zur Nitrierung eingesetzter Rohrreaktor zwingend zum Waschen ausgelegt sei. Die Beschwerdeführerin brachte im Weiteren vor, dass zum Nachweis eines Neuheitsmangels die Beweislast bei der Einsprechenden liege.

3.9 Dieses Vorbringen überzeugt nicht.

Zunächst ist festzustellen, dass im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag der Begriff "Rohrreaktor" lediglich hinsichtlich seiner Eignung gekennzeichnet ist, dass bestimmte technische Wirkungen erzielt werden können. Während des Durchtritts der zuvor gebildeten Emulsion aus nitrierten Rohprodukten und Waschmedium durch den Rohrreaktor sollen anfänglich vorhandene Verunreinigungen entfernt werden, und/oder in das Waschmedium überführt werden, und/oder neutralisiert werden. Der anspruchsgemäß eingesetzte Reaktor muss also derart gestaltet und dafür geeignet sein, dass diese Wirkungen eintreten können.

Erläuterungen zu verwendbaren Rohrreaktoren finden sich im Absatz [0095] des Streitpatents. Insbesondere wird dort offenbart, dass der "... erfindungsgemäß für die Aufreinigung zum Einsatz kommende Rohrreaktor (...) gleichermaßen bei der vorangehenden Nitrierung als Reaktionsbehältnis eingesetzt werden (kann), so dass keine zusätzliche Apparatur für die Aufarbeitung der nitrierten Rohprodukte eingesetzt zu werden braucht."

Bei dem im Dokument D13 offenbarten Rohrreaktor handelt es sich um einen derartigen, zur Nitrierung eingesetzten Rohrreaktor. Konkrete Gründe, warum gerade dieses Behältnis - trotz den Angaben des Absatzes [0095] des Streitpatents - nicht für die anspruchsgemäße Reinigung verwendet werden kann, wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen. Das von ihr hierzu angeführte Vorbringen bezog sich lediglich darauf, dass der Rohrreaktor in geeigneter Art ausgestaltet sein müsse, ohne jedoch darauf einzugehen, worin derartige Ausgestaltungen konkret bestehen müssen. Somit kann die Kammer nur zu dem Schluss kommen, das der im Dokument D13 offenbarte Rohrreaktor dafür geeignet ist, die anspruchsgemäß angegebenen technischen Wirkungen hervorzurufen.

3.10 Dieser Folgerung kann auch das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entgegenstehen.

Zwar scheint es durchaus möglich, dass die für die jeweiligen Verwendungen - Nitrierung bzw. Entfernung von Verunreinigungen - eingesetzten Rohrreaktoren in unterschiedlicher Weise optimiert werden können.

Dies steht jedoch insbesondere dem im vorstehend angeführten Absatz [0095] offenbarten Vorteil der Verwendung eines Rohrreaktors, der auch als Reaktionsbehältnis zur vorangehenden Nitrierung verwendet werden kann, entgegen. Auch sind etwaige derartige Ausgestaltungen nicht Bestandteil des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Somit ist nicht davon auszugehen, dass mit dem im Dokument D13 offenbarte Rohrreaktor die im Anspruch genannten technischen Wirkungen nicht erreicht werden können.

3.11 Dasselbe gilt für die auf die Phasen- bzw. Emulsionsverhältnisse bezüglich Nitrierungsreaktion und Entfernung von Verunreinigungen gerichtete Argumentation. Insbesondere wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, welche konkreten Anlagenbestandteile der im Dokument D13 offenbarten Vorrichtung dazu führen sollten, dass der Rohrreaktor nicht dazu geeignet sein sollte, die anspruchsgemäßen Wirkungen hervorzurufen. Ein Phasenverhältnis ist kein Merkmal des Anspruchs 1. In der Beschreibung des Streitpatents wird diesbezüglich zudem offenbart, das Phasenverhältnis sei zum Erreichen besonders guter Ergebnisse zwischen aufzureinigenden nitrierten Rohprodukten einerseits und Waschmedium andererseits im Bereich von 25 : 1 bis 1 : 5 einzustellen (siehe Absatz [0062]). Gemäß Spalte 5, Zeilen 35 und 36 des Dokuments D13 ist auch die darin offenbarte Anlage für ein in diesem Bereich liegendes Phasenverhältnis geeignet, nämlich für das Verhältnis von Mischsäure zu Aromat im Bereich von 1 : 2 bis 10 : 1.

3.12 Schließlich kommt die Kammer Gründen auch hinsichtlich etwaiger unterschiedlicher Energieeinträge in den im Dokument D13 offenbarten Rohrreaktor und eines anspruchsgemäß zu verwendenden Rohrreaktors nicht zu dem Schluss, dass der Rohreaktor gemäß D13 nicht dazu geeignet sein sollte, die anspruchsgemäßen Wirkungen hervorzurufen.

3.13 Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags muss der Rohrreaktor, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgebracht, nicht dazu geeignet sein, Verunreinigungen vollständig zu entfernen. Auch erfordert Anspruch 1 nicht zwingend eine Entfernung von Verunreinigungen, da es sich dabei nur um eine von drei möglichen technischen Wirkungen handelt, zu denen der Rohrreaktor geeignet sein muss. Insbesondere genügt beispielsweise bereits eine Eignung zur Überführung von Verunreinigungen ins Waschmedium. Dies erfolgt jedoch bereits beim Durchführen einer mit einem im Dokument D13 offenbarten Dispergiereinrichtung erzeugten Emulsion von Nitrierrohprodukt und Waschmedium durch den Rohrreaktor.

3.14 Von der Beschwerdeführerin wurde im Weiteren vorgebracht, im Dokument D13 werde nicht gezeigt, dass der darin offenbarte Rohrreaktor derart eingesetzt werde, dass die technischen Wirkungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags tatsächlich hervorgerufen würden.

3.15 Die Kammer stellt hierzu fest, dass sich Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf ein Verfahren oder die Verwendung eines Rohrreaktors für einen bestimmten Zweck bezieht, sondern auf eine Vorrichtung, die einen Rohrreaktor umfasst, der dazu geeignet ist, die angegebenen technischen Wirkungen hervorzurufen. Da dies, wie vorstehend dargelegt, der Fall ist, kann dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen.

3.16 Die Parteien vertraten auch unterschiedliche Standpunkte bezüglich der Beweislast. Die Beschwerdeführerin sah die Beschwerdegegnerinnen in der Pflicht, nachzuweisen, dass der im Dokument D13 offenbarte Rohrreaktor dazu geeignet sei, die im Anspruch genannten technischen Wirkungen hervorzurufen, also die anspruchsgemäßen Verfahrensschritte zu ermöglichen. Da dies nicht nachgewiesen worden sei, müsse Neuheit anerkannt werden. Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, es sei nicht ersichtlich, warum die Vorrichtung aus D13 nicht dazu geeignet sein sollte. Falls dies der Fall sein sollte, läge die Beweislast bei der Patentinhaberin.

3.17 Die Kammer ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall keine der Parteien eine formelle Beweislast für die Frage der Neuheit trägt, zumal es sich bei der Neuheit gegenüber dem herangezogenen Stand der Technik nicht um eine beweisbedürftige Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage handelt. Diese Frage fällt schon deshalb in die alleinige Zuständigkeit der Kammer, weil sie die Auslegung des Patentanspruchs voraussetzt. Dementsprechend steht es der Kammer frei, diese Frage auf der Grundlage einer allgemeinen freien Beweiswürdigung im Lichte der von den Parteien vorgebrachten Tatsachen und Argumente zu entscheiden. Daher gelangt die Kammer durch Abwägung der Argumente der Parteien zu der Auffassung, dass der im Dokument D13 offenbarte Rohrreaktor dafür geeignet ist, die unter Punkt b) des Anspruchs 1 genannten technischen Wirkungen hervorzurufen.

3.18 Die Kammer gelangt daher zudem Schluss, dass die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags auch stromabwärts zur Dispergiereinrichtung einen Rohrreaktor aufweist, der "... derart ausgebildet ist, dass während des Durchtritts der Emulsion durch den Rohrreaktor eine Entfernung der in den nitrierten Rohprodukten anfänglich vorhandenen Verunreinigungen ermöglicht wird und/oder dass während des Durchtritts der Emulsion durch den Rohrreaktor die in den nitrierten Rohprodukten anfänglich vorhandenen Verunreinigungen in das Waschmedium überführt und/oder neutralisiert werden ...".

3.19 Dass im Dokument D13 auch eine stromabwärts zum Rohrreaktor angeordnete Scheideeinrichtung aufweist, wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Wie vorstehend angeführt, wird dieses Merkmal in Abbildung 3 sowie den Zeilen 46 bis 48 der Spalte 7 offenbart.

4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass im Dokument D13 eine Vorrichtung offenbart wird, die neben den strukturellen Merkmalen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags auch dessen funktionale Merkmale in Kombination umfasst. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu, und der Antrag aus diesem Grund nicht gewährbar (Artikel 100(a) und 54 EPÜ). Weitere von den Beschwerdegegnerinnen vorgebrachte Einwände gegen die Gewährbarkeit des Hauptantrags können daher unberücksichtigt bleiben.

Hilfsantrag 1

Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

5. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Rohrreaktor der Einrichtung b) der beanspruchten Anlage "... mit Mischelementen zum Eintrag zusätzlicher Mischenergie ausgestattet ist ...".

6. Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, Dokument D13 offenbare Mischelemente nicht im Zusammenhang mit einem Reaktor der in Spalte 7 offenbarten Ausführungsform. Ausgehend von D13 sei vielmehr eine Mehrfachauswahl erforderlich, um zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zu gelangen.

7. Die Einsprechenden machten geltend, der Fachmann werde die Mischelemente als zum Rohrreaktor gehörend verstehen, eine Auswahl aus einer Liste oder eine Mehrfachauswahl liege daher nicht vor. Vielmehr werde, wie bereits von der Einspruchsabteilung festgestellt, auch eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Dokument D13 offenbart.

8. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen an. Dokument D13 offenbart in den Zeilen 48 bis 56 der Spalte 6, dass in einen Rohrreaktor ohne Rückvermischung oder auch in eine Rührkesselkaskade als Dispersion eingespeistes Gemisch aufrechterhalten bleibe durch Turbulenz, zusätzliche statische Mischelemente oder Rühren. Gemäß dem in Spalte 7 offenbarten Ausführungsbeispiel ist der Rohrreaktor so ausgelegt, dass die im Ringspaltmischer erzeugte Dispersion erhalten bleibt (siehe die Zeilen 37 bis 39). Um zum anspruchsgemäßen Gegenstand zu gelangen, ist daher eine einzige Auswahl aus der Offenbarung der Spalte 6, Zeilen 48 bis 56 zu tätigen, nämlich die Auswahl statischer Mischelemente als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Dispersion. Die Aufnahme dieses zusätzlichen Merkmals in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 kann deshalb keine Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13 begründen.

9. Somit wird im Dokument D13 auch eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 offenbart. Die beanspruchte Vorrichtung ist daher ebenfalls nicht neu, und der Antrag aus diesem Grund nicht gewährbar (Artikel 54 EPÜ).

10. Da weder der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags, noch der des Hilfsantrags 1 neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D13 ist, und diese Anträge nicht gewährbar sind (Artikel 54 EPÜ), kann die Beschwerde der Patentinhaberin keinen Erfolg haben.

11. Die Beschwerden der beiden Einsprechenden wurden zurückgenommen. Somit ist die Patentinhaberin alleinige Beschwerdeführerin, und die Fassung des Patents gemäß der angefochtenen Zwischenentscheidung, also basierend auf dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrag 2, ist daher nicht in Frage zu stellen (siehe G 9/92, Leitsatz I).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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