T 0600/20 () of 2.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T060020.20230602
Datum der Entscheidung: 02 Juni 2023
Aktenzeichen: T 0600/20
Anmeldenummer: 06022682.6
IPC-Klasse: F24C 15/02
F24C 15/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Tür für ein Gargerät und Gargerät
Name des Anmelders: Electrolux Home Products Corporation N.V.
Name des Einsprechenden: BSH Hausgeräte GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus
Änderungen - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Fachperson
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1450/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent mit der Nummer 1 918 644 betrifft eine Tür für ein Gargerät.

II. Gegen das Patent wurde basierend auf den Einspruchsgründen unter Artikel 100 a), b) und c) EPÜ Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 2 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

III. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Patentinhaberin ("Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer lauteten die Schlussanträge wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte - nachdem sie ihre Einwände gegen die Unzulässigkeit des Einspruchs ausdrücklich nicht mehr weiterverfolgt und den entsprechenden prozessualen Antrag zurückgenommen hatte - die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, sowie hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Form auf Basis eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1, 2 oder 3 aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende ("Beschwerdegegnerin") beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Die folgenden Beweismittel sind relevant für die Entscheidung.

D1: EP 0 170 910 B1

D2: EP 0 644 378 A2

D3: DE 41 16 547 C1

D4: DE 100 26 468 A1

D6: DE 38 20 572 A1

VI. Antragsfassung, soweit für diese Entscheidung relevant

a) Die Ansprüche 1, 16 und 18 des Hauptantrags lauten wie folgt (Patent wie erteilt, Merkmalsnummerierung hinzugefügt in "[]").

Anspruch 1:

"[1] Tür (1) für ein Gargerät (12)

[2] mit einer einem Garraum (17) zugewandten Innenseite (2) umfassend

[3] wenigstens eine der Innenseite (2) zugeordnete, eine Längserstreckung aufweisende Auffangvorrichtung (6) für eine Flüssigkeit,

[4] wobei die Auffangvorrichtung (6) an der Unterseite der Tür (1) angeordnet ist,

[5] dadurch gekennzeichnet, dass die Auffangvorrichtung (6) in einem Abschluss (7) an der Unterseite der Tür (1) integriert ist,

[6] wobei der Abschluss (7) an Rahmenteilen (5) der Tür (1) befestigt ist

[7] und auf der Unterseite der Tür (1) einen Innenraum der Tür (1) verschließt."

Anspruch 16:

"Tür nach einem der Ansprüche 1 bis 15, bei der die Auffangvorrichtung von der Tür abnehmbar ist."

Anspruch 18:

"Tür nach einem der Ansprüche 5 bis 16, bei der die Auffangvorrichtung (23, 24) auf die Platte (2) geklebt und/oder auf die Platte (2) aufgesteckt ist."

b) Hilfsantrag 1 entspricht dem Hauptantrag, wobei die Ansprüche 16 und 18 gestrichen wurden.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ

Die Ansprüche 16 und 18 des Hauptantrags seien entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung nicht unzulässig erweitert. In der Beschreibung seien die Verbindungsformen "löslich" sowie "gesteckt" und "geklebt" nicht als Gegensätze zu "integriert" offenbart, sondern als zusätzliche Ausführungen der integrierten Verbindung von Abschluss und Auffangvorrichtung gemäß Anspruch 1. Auch in den Ausführungsformen der Figuren 7 und 8 sei eine integrierte Bauform trotz der Verwendung der Begrifflichkeiten "aber auch" sowie "im Unterschied" denkbar. Auch sei die Auffangvorrichtung ebenfalls noch abnehmbar, wenn sie fest mit dem Abschluss verbunden sei. Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass alle Verbindungsformen lediglich als Alternativen offenbart seien, so ergebe sich aus den Ansprüchen 16 und 18 allenfalls ein Klarheitsmangel, da die Merkmale dann offensichtlich inkompatibel mit denen von Anspruch 1 seien. Ein solcher Klarheitseinwand greife für erteilte Ansprüche jedoch nicht durch.

b) Hilfsantrag 1 - Neuheit

Keine der Offenbarungen D1 bis D4 und D6 offenbarte alle Merkmale von Anspruch 1, dessen Gegenstand somit neu sei, wie die Einspruchsabteilung zu Recht ausgeführt habe. D1, D3 und D6 offenbarten nichts über den inneren Aufbau der Tür und somit auch keinen zu verschließenden Türinnenraum. Soweit die Beschwerdegegnerin argumentiere, einen Türinnenraum vorzusehen sei fachgerecht und üblich und somit implizit offenbart, werde dieses angebliche Fachwissen mit Nichtwissen bestritten. In D2 verschließe der Abschluss zumindest den Türinnenraum nicht. In D4 sei die Auffangvorrichtung zumindest nicht als integral mit einem Abschluss offenbart.

c) Hilfsantrag 1 -Erfinderische Tätigkeit

Die Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit seien von der Gegenseite nicht hinreichend substantiiert.

Die Beschwerdegegnerin habe den "Fachmann" (im Folgenden "Fachperson") nicht hinreichend definiert. Zudem sei die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung unzulässigerweise davon ausgegangen, die Fachperson ergebe sich aus dem Anspruchsgegenstand.

Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von D1 ergebe weder allgemeines Fachwissen noch die Offenbarung von D4 die Unterscheidungsmerkmale. Allgemeines Fachwissen für eine Türgestaltung mit Innenraum sei nicht nachgewiesen. D4 offenbare zwar einen entsprechenden Aufbau, die Fachperson würde jedoch allenfalls die gesamte Tür aus D4 berücksichtigen, die jedoch keine integrierte Auffangvorrichtung gemäß Merkmal [5] aufweise. Selbst wenn man einen Innenraum in der Tür von D1 vorsehe, so ergebe sich jedoch noch nicht auch Merkmal [7].

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ

Der Gegenstand der Ansprüche 16 und 18 sei gegenüber dem der ursprünglich eingereichten Anmeldung unzulässig erweitert. Die Merkmale dieser Ansprüche seien nicht mit den Merkmalen [5] und [7] von Anspruch 1 offenbart, sondern als eigenständige Alternativen.

b) Hilfsantrag 1 - Neuheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu über jede der Offenbarungen von D1 bis D4 und D6.

D1 und D3 offenbarten implizit einen Türinnenraum, der von einem Abschluss verschlossen werde. Dies sei zum Prioritätstag von D1 bzw. D3 fachüblich gewesen und entsprechend beispielsweise in D4 explizit gezeigt. Denn Gargerätetüren wiesen stets Dämmmaterial in ihrem Inneren auf, was einen mehrschichtigen Aufbau der Tür und damit einen in der Tür vorgesehenen Innenraum erfordere. Zudem könne man der Figur 1 von D1 auch eine Ausführung mit zwei Glasscheiben, die damit einen Innenraum umschlössen, entnehmen. Außerdem weise das in D1 offenbarte Hohlprofil einen Innenraum auf, der ebenfalls durch die integral angeformte Auffangvorrichtung verschlossen werde.

In D2 sei der Innenraum von dem Abschluss verschlossen, der zudem integral die Auffangvorrichtung bilde.

Da der Begriff "integriert" von Merkmal [5] auch lösbare Verbindungen eines Abschlusses mit der Gerätetür umfasse, sei auch ein derartiger Abschluss, wie ihn D4 offenbare, neuheitsschädlich.

Auch D6 offenbare eine Tür mit Innenraum, was an den in Figur 1 dargestellten Nieten zu erkennen sei. Zudem seien Türen einer solchen Dicke bereits aus Gründen der Optimierung des Materialverbrauchs aus mehreren Teilen aufgebaut, die einen Innenraum, beispielsweise für die Füllung mit Dämmmaterial, vorsähen.

c) Hilfsantrag 1 -Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von D1 beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Vorsehen eines Innenraums löse die Aufgabe der Reduzierung des Gewichts der Tür bzw. der Materialeinsparung. Diese Lösung werde aber auch schon aus allgemeinem Fachwissen nahegelegt. Auch D4 zeige eine solche Lösung. Dabei sei unschädlich, dass die Auffangvorrichtung in D4 lösbar angeordnet sei, da D1 bereits eine integrierte Ausführung offenbare.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung des Gegenstandes

Der Gegenstand der Ansprüche 16 und 18 des Hauptantrags geht über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus. Daher steht der Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegen, wie die Einspruchsabteilung zutreffend ausgeführt hat.

1.1 Gemäß Anspruch 1 ist ein Abschluss definiert, der einen Innenraum der Tür verschließt und in den eine Auffangvorrichtung integriert ist. Durch die Kombination mit den Ansprüchen 16 bzw. 18 entsteht eine Merkmalskombination für die zusätzlich gleichzeitig gilt:

- dass die Auffangvorrichtung von der Tür abnehmbar ist oder

- dass die Auffangvorrichtung auf eine Platte der Tür aufgeklebt oder gesteckt ist.

1.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert zunächst, aus dem Merkmal [5] und den Merkmalen der Ansprüche 16 und 18 ergebe sich ein eindeutiger Widerspruch, der allerdings lediglich ein Problem mangelnder Deutlichkeit unter Artikel 84 EPÜ darstelle. Eine mangelnde Deutlichkeit sei für die erteilten Ansprüche jedoch nicht zu überprüfen.

Dies überzeugt jedoch nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass trotz der Integration von Abschluss und Auffangvorrichtung letztere von der Tür abnehmbar ist, und zwar zusammen mit dem Abschluss. Auch ist eine (zusätzliche) Verbindung mit einer Platte gemäß den Merkmalen von Anspruch 18 denkbar. Die Fachperson stößt somit beim Lesen der Ansprüche nicht zwangsläufig auf einen Widerspruch, dessen einzige Lösung zur Anspruchsauslegung darin besteht, die Merkmale der Ansprüche 16 und 18 zu ignorieren.

Stattdessen ist zu überprüfen, ob die Merkmalskombination von der ursprünglichen Offenbarung umfasst ist.

1.3 In den Absätzen [0015] bis [0017] der A-Publikation sind die folgenden Ausführungsformen offenbart:

a) Die Auffangvorrichtung ist (insbesondere abnehmbar) an der Unterseite der Tür (Absatz [0015]) angeordnet.

b) Die Auffangvorrichtung ist in einen die Unterseite der Tür verschließenden Abschluss "integriert" (Absatz [0016]).

c) Die Auffangvorrichtung ist auf die Platte der Innenseite der Tür aufgesteckt oder aufgeklebt (Absatz [0017]).

1.4 Die Kammer folgt der Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung, dass die hier offenbarten Ausführungsformen a, b und c lediglich als Alternativen für die Anordnung und Befestigung der Auffangvorrichtung an der Tür offenbart sind. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die Formulierung "kann aber auch" in Absatz [0017] beziehe sich auf zusätzliche und nicht auf alternative Merkmale, überzeugt nicht. Weder ergibt sich dies aus dem üblichen Sprachverständnis, noch ist eine entsprechende Interpretation durch eine Ausführungsform oder die ursprünglich eingereichten Ansprüche gedeckt. Dies wird auch gestützt durch den in Absatz [0034] zum Ausdruck gebrachten Gegensatz ("Im Unterschied...") zwischen den Ausführungsformen b (Figuren 2, 3, 5 und 6) und c (Figuren 7 und 8 der ursprünglich eingereichten Fassung).

1.5 Die einzigen offenbarten Ausführungsformen für gesteckte oder geklebte Auffangrinnen (Figuren 7 und 8) sind zudem gerade nicht, wie von Anspruch 1 gefordert, in den die Tür verschließenden Abschluss integriert, sondern lediglich (wie auch in Absatz [0017] offenbart) an der Innenscheibe 2 befestigt. Der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Ansprüche 17 bis 19 der ursprünglich eingereichten Fassung ändert hieran nichts. Auch der ursprünglich eingereichte Anspruch 19 ist nur auf Anspruch 17 rückbezogen, und somit sind auch hier die Merkmale "gesteckt" bzw. "geklebt" (Anspruch 19) nicht gemeinsam mit den Merkmalen von Ausführungsform b) (d.h. Merkmale [5] und [7]) offenbart.

Auch aus der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 17 und 18 der ursprünglich eingereichten Fassung (Anspruch 17: "abnehmbare Auffangvorrichtung" und Anspruch 18: "in einen Abschluss an der Unterseite integriert") kann keine Merkmalskombination gemäß Anspruch 16 bzw. Anspruch 18 abgeleitet werden. Denn hier ist nicht die Befestigung des Abschlusses an Rahmenteilen der Tür gemäß Merkmal [6] oder dessen Funktion des Verschließens eines Innenraums gemäß Merkmal [7] offenbart. Entsprechendes ist lediglich in Absatz [0023] offenbart, in dem die Ausführungsform b) zusammen mit dem Merkmal [7] beschrieben ist.

1.6 Hieraus folgt auch, dass Merkmal [5] so auszulegen ist, dass die Integration von der Auffangvorrichtung und dem Abschluss (b) zumindest keine lösbaren Verbindungen (a) sowie Steck- oder Klebeverbindungen (c) umfasst.

2. Hilfsantrag 1 - Neuheit

Die Neuheit wurde seitens der Einsprechenden auf Basis jeder der Offenbarungen von D1, D2, D3, D4 und D6 bestritten.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist jedoch, wie auch die Einspruchsabteilung zutreffend entschieden hat, neu über jede dieser Offenbarungen.

2.1 Neuheit über D1

2.1.1 D1 offenbart ein Gargerät mit einer Tür (10), die an einer Leiste (8) an der Türunterseite eine Ablaufvorrichtung ("Tür-Abtropfrinne 30") aufweist (siehe Figur 1). In einer Ausführungsform kann die Ablaufvorrichtung "integral" mit der dann als "Hohlprofil" ausgebildeten Leiste (8) ausgeführt werden (siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 46) bzw. unmittelbar an die Leite angeformt sein (Anspruch 3). Auch ist die Leiste mit Rahmenteilen verbunden (siehe Figur 1; der Rahmen fasst eine Sichtöffnung ein).

Streitig war jedoch bezüglich der Merkmale [5] bis [7]:

- ob die Leiste einen Abschluss bildet, der einen Innenraum der Tür verschließt,

- ob dieser Abschluss an Rahmenteilen der Tür befestigt ist und

- ob die Tür in D1 überhaupt einen Innenraum aufweist.

2.1.2 Bezüglich des "Innenraums" finden sich in Anspruch 1 keine weiteren Merkmale zur dessen Lage oder Ausgestaltung. Die Fachperson versteht jedoch unter einem zu verschließenden Innenraum zumindest einen durch umgebende Wände definierten Raum, und nicht einen willkürlich ausgewählten Teil einer in ihrem Aufbau nicht näher beschriebenen Tür. Zwar kann der Beschwerdegegnerin insoweit gefolgt werden, dass dieser Innenraum ggf. auch mit einem festen Material (z.B. Dämmmaterial) gefüllt sein kann. Trotzdem muss dieser Raum durch technische Merkmale (umgebende Wände) eindeutig definiert sein. Letztere sind also implizit mit dem Begriff "Innenraum" mit offenbart. Dieses Verständnis deckt sich auch mit der Ausführungsform des Patents (siehe z.B. Figuren 2 und 3 und Absatz [0027]). In dieser Ausführungsform wird ein Innenraum zwischen zwei Glasscheiben (2,3) gebildet.

Dass entsprechende den Innenraum begrenzende Wände nicht explizit in Anspruch 1 definiert sind und auch der abhängigen Anspruch 5 nur lediglich eine Platte benennt, könnte allenfalls ein Mangel an Deutlichkeit sein. Ein solcher Mangel der Ansprüche in der erteilten Fassung ist jedoch einer Überprüfung unter Artikel 84 EPÜ nicht zugänglich (siehe G 3/14, Orientierungssatz).

2.1.3 D1 kann jedoch nicht so ausgelegt werden, dass die hierin offenbarte Tür zwingend implizit einen Innenraum gemäß Merkmal [7] aufweist.

Die in D1 dargestellte Tür weist einen Rahmen auf, der ein Sichtfenster umgibt (siehe Figuren 1 und 2). Darüber hinaus offenbart D1 nichts weiter zum Aufbau der Tür selbst. Soweit in D1 eine "Innenseite" genannt wird (Spalte 3, Zeilen 35 bis 42), so bezieht sich diese nicht auf ein eigenes Bauteil der Tür. Mit der Begrifflichkeit soll lediglich ausgedrückt werden, dass die Innenseite der Tür mit der "Frontseite" des Gargerätes zusammenwirkt. Auch aus den schematisch gefassten Figuren lässt sich nichts Weiteres zum inneren Aufbau der Tür ableiten.

2.1.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, es sei implizit offenbart, dass die Tür aus mindestens drei Schichten bestehe, d.h. einer Frontplatte und einer Rückplatte und, dazwischen, einem Innenraum. Dieser könne beispielsweise mit einem Dämmmaterial gefüllt oder auch leer sein. Dass ein solcher Aufbau zwingend erforderlich sei, sei zum Prioritätstag von D1 Stand der Technik gewesen und somit auch implizit in D1 offenbart. Eine Ausführung aus Vollmaterial sei wegen der Menge des einzusetzenden Materials und der mangelnden Dämmung nicht fachgerecht. Zudem sei das Vorsehen einer Dämmmaterialschicht oder eines isolierenden Zwischenraums zum Zwecke der Wärmehaltung im Gargerät inhärent notwendig. Ein entsprechender Aufbau sei beispielsweise in D4 gezeigt.

2.1.5 Diese Ausführungen überzeugen jedoch nicht. D1 macht keine Ausführungen zur Dämmfunktion oder zur Dicke der Tür. Zudem wird ein großer Teil der Tür durch das Sichtfenster gebildet, über dessen Einfassung in den Rahmen oder einer Dämmwirkung ebenfalls nichts offenbart ist. Schließlich hat die Beschwerdegegnerin auch keinerlei Nachweis allgemeinen Fachwissens zum fraglichen Zeitpunkt bezüglich eines zwingenden mehrschichtigen Aufbaus mit Innenraum für eine Gargerätetür beigebracht. D4 ist als Beleg hierfür ungeeignet, einerseits, da es als Patentdokument nicht zum Nachweis von allgemeinem Fachwissen geeignet ist, andererseits, da hierin gerade ein mehrschichtiger Aufbau mit Innenraum die Erfindungsidee darstellt (und zwar gemäß des Anmeldetags von D4 zu einem Zeitpunkt von mehr als 15 Jahren nach D1).

Somit sind für D1 auch weitere Ausführungen der Tür denkbar, die keinen Innenraum aufweisen. Hierzu gehören beispielsweise:

- dass die Tür lediglich aus einer (durchgehend soliden) Materialschicht besteht

- dass die Tür aus einem Komposit zweier Teile besteht, beispielsweise einer Glasplatte mit darauf befestigtem Rahmen, ohne dass hierzwischen ein Innenraum gebildet wird.

Auf Basis der Offenbarung von D1 kann zumindest keine dieser Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Daher ist ein zu verschließender "Innenraum" gemäß Merkmal [7] nicht unmittelbar und eindeutig in D1 offenbart.

2.1.6 Selbst wenn man davon ausginge, dass die Fachperson eine mehrschichtige Ausführungsform mit Innenraum in die Offenbarung von D1 hineinlesen würde, so wäre hiermit immer noch nicht offenbart, dass die Leiste (8) diesen Innenraum auch verschließt. Ein Innenraum könnte auch durch weitere (im Innenraum der Tür vorgesehene) Rahmenteile verschlossen sein, auf die dann der Abschluss lediglich aufgesetzt wäre.

2.1.7 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, der "Innenraum" könne auch durch die in D1 offenbarte Ausführung der Leiste (8) als Hohlprofil gebildet sein, ist ebenfalls nicht überzeugend.

Einerseits ist der kurzen diesbezüglichen Offenbarung in D1 nicht zu entnehmen, ob hiermit tatsächlich ein geschlossenes Hohlprofil beschrieben ist, an das die Ablaufvorrichtung integral angeformt ist, oder ob eine offene Ausbildung des "Hohlprofils" die Ablaufvorrichtung überhaupt erst ausbildet. Selbst wenn man jedoch von einem geschlossenen Hohlprofil als Leiste (8) ausgeht, ist das Merkmal [7] nicht offenbart. Eine Betrachtung, in der lediglich die Unterseite der als Hohlprofil (integral) ausgeführten Leiste als Abschluss ausgelegt wird, die den Innenraum des Hohlprofils verschließt, ist nicht fachgerecht, da das gesamte Hohlprofil die untere Leiste ("Abschluss") der Tür bildet.

2.2 Neuheit über D2

D2 offenbart in Figur 3 eine Gargerätetür, die einen Innenraum zwischen zwei Rahmen mit Scheiben (vgl. Figuren 1 und 2) aufweist. Zudem umfasst die Tür ein eine Ablaufvorrichtung ("collection gutter 6") bildendes Bauteil, das an der äußeren Scheibe befestigt ist und den Innenraum teilweise unten umfasst. Die innere Scheibe wird zudem nur durch wenige Haltemittel ("catches 5") gehalten (Figuren 2 und 3), wodurch der Innenraum zur Ablaufvorrichtung hin zur Kondensatsammlung geöffnet ist (vgl. auch Spalte 4, Zeilen 5 bis 18). Da die Ablaufvorrichtung auch zur inneren Scheibe hin nach außen geöffnet ist, ist ein vollständiger Abschluss des Innenraums im Sinne eines "Verschließens" dem Dokument D2 somit gerade nicht zu entnehmen. Somit ist zumindest das Merkmal [7] nicht offenbart.

2.3 Neuheit über D3

Wie in D1 ist auch in D3 nichts zum inneren Aufbau der Tür ausgeführt. Zudem ist nicht in D3 offenbart, wie die Ablaufvorrichtung ("Auffangrinne 8") an der Unterseite der Tür befestigt ist. Ausgeführt wird lediglich, diese sei "vorgesehen" (z.B. Spalte 1, erster Absatz), was sowohl lösbare als auch unlösbare Befestigungen umfasst. Damit ist jedoch auch keine in einen Abschluss "integrierte" Ablaufvorrichtung offenbart. Somit sind weder Merkmal [5] noch Merkmal [7] direkt und eindeutig in D3 offenbart.

2.4 Neuheit über D4

D4 offenbart eine Tür für ein Gargerät, in dem ein Innenraum zwischen zwei Scheiben gebildet wird. In den Figuren 11 und 12 ist eine Ablaufvorrichtung ("Ablaufrinne 12") am unteren Abschluss ("Rahmen 4") angeordnet. Dieser Abschluss ist an weiteren, den Rahmen bildende Rahmenteilen ("Dichtung 10") befestigt. D4 offenbart lediglich eine "lösbare" Befestigung der Ablaufrinne am Abschluss (Absätze [0046] und [0049]). Diese erfolgt mittels Halteschrauben (11).

Die lösbare Verbindung steht im Widerspruch zum Gegenstand von Anspruch 1, da sie keine Integration im Sinne des Merkmals [5] darstellt (siehe Punkt 1.6).

2.5 Neuheit über D6

Der D6 sind ebenfalls - wie auch bereits der D1 und D3 - keine Informationen bezüglich des inneren Aufbaus der Tür zu entnehmen. Entsprechendes folgt auch nicht aus den auf der Oberfläche 18 in Figur 1 dargestellten Punkten. Die Bedeutung dieser Punkte wird in D6 nicht erklärt. Selbst wenn man jedoch wie die Beschwerdegegnerin davon ausgeht, dass hier Verbindungsmittel wie Nieten oder Schweißpunkte dargestellt seien, ist auch damit ein Innenraum nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Denn solche Verbindungsmittel können auch auf eine einfache Verbindung einer Vor- und Rückseite der Tür ohne Innenraum hindeuten. Somit ist auch in D6 zumindest kein zu verschließender Innenraum im Sinne von Merkmal [7] unmittelbar und eindeutig offenbart.

3. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdegegnerin brachte Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit lediglich ausgehend von D1 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen und, unabhängig davon, in Kombination mit der Lehre von D4 vor. Die hinreichende Substantiierung dieser Einwände bestreitet die Beschwerdeführerin.

Entgegen der angefochtenen Entscheidung kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Hinblick auf diese Einwände auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.1 Substantiierung der Einwände

Die Beschwerdeführerin bemängelt insoweit eine insgesamt nicht hinreichende Substantiierung der Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit, dass die Beschwerdegegnerin den "Fachmann" (im Folgenden "Fachperson") nicht hinreichend definiert habe. Zudem rügt sie, dass die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung unzulässigerweise davon ausgegangen sei, die Fachperson ergebe sich aus dem Anspruchsgegenstand, und verweist zum Verständnis des Begriffs auf den Leitsatz der Entscheidung T 1450/16.

Hinsichtlich beider Einwände folgt die Kammer aus den im Folgenden dargelegten Gründen nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin. Entsprechend ist der Einwand substantiell zu diskutieren.

3.1.1 Zunächst ist gemäß ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der Substantiierung eines Vorbringens nicht auf die Begründetheit der Einwände abzustellen, vielmehr ist lediglich notwendig, dass ein diskutierfähiger Fall etabliert wird (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10.Auflage, 2022, IV.C.2.2.8.d).

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass bereits zur Auslegung der Patentansprüche die vorherige Definition der Fachperson notwendig sei. Dies steht aber gerade im Widerspruch zur Argumentation der Beschwerdeführerin, dass sich die Fachperson erst aus der Betrachtung der technischen Aufgabe ergebe. Beide Fachpersonen können also nicht die gleiche fiktive Person mit den gleichen Kenntnissen sein (vgl. hierzu auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung; T 1450/16, insbesondere Gründe 2.1.4).

3.1.2 Bei der Bestimmung der Fachperson ist nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf die jeweilige technische Aufgabe abzustellen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a.a.O., I.D.8.1.1). Jedoch ist eine unzutreffende oder auch lediglich implizite (d.h. über die Aufgabe erfolgte) Bestimmung der Fachperson durch einen Beteiligten kein Substantiierungs-, sondern allenfalls ein Begründetheitsmangel.

3.1.3 Zudem hat die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung sowohl ein Unterscheidungsmerkmal benannt ([7]) als auch mit der Bereitstellung einer "Alternative" bereits eine Aufgabe. Die Beurteilung der hinreichenden Substantiierung ist nicht an die Frage der Stichhaltigkeit des Vorbringens gebunden. Erforderlich ist lediglich, dass der Einwand objektiv verständlich ist, was hier der Fall ist.

3.2 D1 als Ausgangspunkt

Die Eignung von D1 als Ausgangspunkt ist unstreitig. Wie zuvor ausgeführt, offenbart D1 keinen durch den Abschluss verschlossenen Innenraum und die hierdurch implizit definierten Seitenwände gemäß der Merkmale [5] bis [7] (siehe Punkt 2.1).

3.3 Technische Aufgabe

In der angefochtenen Entscheidung kommt die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, es sei naheliegend, einen Innenraum in der Tür von D1 mit einem Abschluss zu verschließen. Somit setzte die Einspruchsabteilung einen Innenraum als in D1 offenbart voraus und sah die technische Aufgabe lediglich in der "Ausgestaltung" des "integrierten Abschlusselements". Diese Aufgabe ist jedoch im Lichte des jetzt festgestellten Unterscheidungsmerkmals "Innenraum" nicht zutreffend.

Das Patent selbst macht keine Angaben zur Aufgabe des Innenraums oder des Verschlusses des Innenraums durch den Abschluss. Die Beschwerdegegnerin sieht die technische Aufgabe darin, die Tür so zu gestalten, dass diese leicht sei und Material eingespart werden könne.

Da sich diese Aufgabe für die Unterscheidungsmerkmale eignet, wird sie als objektive technische Aufgabe der folgenden Überprüfung zugrunde gelegt.

3.4 Weder allgemeines Fachwissen noch die Lehre von D4 führen jedoch zu der Lösung gemäß Anspruch 1.

3.4.1 Die Beschwerdegegnerin hatte schon bezüglich des Neuheitseinwandes keinen Nachweis für ein allgemeines Fachwissen erbracht, dass zum Prioritätstag von D1 Gargerätetüren fachüblich unter Ausbildung eines Innenraumes aufgebaut waren (siehe Punkt 2.1.3). Sie kann dieses angebliche Fachwissen somit auch nicht zum Nachweis mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend machen.

Zudem führt auch die Annahme eines solchen Fachwissens nicht zum Gegenstand von Anspruch 1. Denn wie ebenfalls zuvor ausgeführt (Punkt 2.1.6), ist es auch dann nicht zwingend, dass der Abschluss aus D1 einen solchen Innenraum auch verschließt. Somit kommt man, selbst allgemeines Fachwissen unterstellend, lediglich mittels einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise zum Gegenstand von Anspruch 1.

3.4.2 Auch die Lehre von D4 führt nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.

Zunächst ist festzustellen, dass sich in D4 kein Hinweis findet, der zur Lösung der technischen Aufgabe führt. Materialersparnis oder geringes Gewicht als Auslegungsziele für die Tür werden in D4 nicht thematisiert. Zudem ist der Offenbarung von D4 auch sonst nicht zu entnehmen, dass diese Aufgaben gelöst werden könnten. Ein Vergleich der Türen von D1 und D4 bezüglich Gewicht oder Materialersparnis fällt nicht zwangsläufig zu Gunsten von D4 aus. Hierzu fehlen Angaben beispielsweise zu den verwendeten Materialien und Materialstärken.

Selbst wenn die Fachperson jedoch D4 berücksichtigen sollte, so würde sie aufgrund des Fehlens jeglicher Informationen über den inneren Aufbau in D1 allenfalls das gesamte Türenkonzept gemäß D4 (siehe z.B. Figuren 11 und 12) übernehmen.

Dies führt jedoch ebenfalls nicht zum Gegenstand von Anspruch 1. Denn die in D4 offenbarte Ofentür weist die Merkmale von Anspruch 1 mit der einzigen Ausnahme auf, dass die Ablaufvorrichtung lediglich lösbar mit dem Abschluss verbunden ist (vgl. Punkt 2.4). Zwar weist D1 als Ausgangspunkt sowohl lösbare als auch integrale Ausführungen der Ablaufvorrichtung mit dem Abschluss auf (vgl. Spalte 3, Zeilen 13 bis 46). Jedoch lehrt D4 ausschließlich, eine lösbare Verbindung zu verwenden. Die Ablaufvorrichtung in D4 wieder integral zu gestalten, würde einen weiteren Schritt erfordern. Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin jedoch nichts vorgetragen.

4. Die vorgenommenen Änderungen der Beschreibung zur Anpassung an die Ansprüche von Hilfsantrag 1 sind unstreitig gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung:

Spalten 1 bis 9, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2023

- Ansprüche:

1 bis 18 des Hilfsantrags 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung,

- Figuren 1 bis 6 der Patentschrift.

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