T 0423/20 (Glaskorrosion/BASF) of 17.1.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T042320.20230117
Datum der Entscheidung: 17 Januar 2023
Aktenzeichen: T 0423/20
Anmeldenummer: 12762614.1
IPC-Klasse: C11D 3/00
C11D 3/20
C11D 3/33
C11D 3/37
C11D 3/39
C11D 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 329 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FORMULIERUNGEN, IHRE VERWENDUNG ALS ODER ZUR HERSTELLUNG VON GESCHIRRSPÜLMITTELN UND IHRE HERSTELLUNG
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Reckitt Benckiser Finish B.V.
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0967/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 768 935 zurückzuweisen. Anspruch 1 wie erteilt hat den folgenden Wortlaut:

"1. Formulierung, die frei ist von Phosphaten und Polyphosphaten, enthaltend

(A) mindestens eine Verbindung, gewählt aus Aminocarboxylaten und Polyaminocarboxylaten, und

(B) mindestens ein Ethylenimin-Homopolymer,

(C) Natriumcitrat und

(D) mindestens eine Verbindung, gewählt aus Alkalimetallpercarbonat, Alkalimetallperborat und Alkalimetallpersulfat."

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, das Streitpatent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2 (WO 2010/020765 A1) vollständig zu widerrufen.

III. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin drei Hilfsanträge ein. Ferner wurde der bereits im Prüfungsverfahren eingereichte Versuchsbericht D11 und der bereits im Einspruchsverfahren eingereichte Versuchsbericht D10 erneut eingereicht.

IV. Am 17. Januar 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Beschwerdegegnerin brachte unter anderem vor, Dokument D2 lege den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge unter Berücksichtigung von D3 (EP 1 721 962) nicht nahe.

V. Die abschließenden Anträge der Parteien waren wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1-3, eingereicht bzw. erneut eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Wie im Folgenden ausgeführt wird, ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

1.1 Die Erfindung betrifft Formulierungen zur Verhinderung von Glaskorrosion beim Geschirrspülen (Absatz 0002-0008 des Patents).

1.2 Nach der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit von einem Stand der Technik ausgegangen werden, der auf den gleichen Zweck bzw. auf die gleiche Wirkung abzielt wie die Erfindung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10te Auflage, I.D.3.2.). Dies ist bei dem Dokument D2 (Anspruch 1, Zusammenfassung) und damit insbesondere auch bei den konkreten Formulierungen der Ausführungsbeispiele 1-3 der Fall, denn hier werden jeweils Geschirrspülmittel offenbart, die im Hinblick auf die Verringerung der Glaskorrosion optimiert sind.

1.3 Die Parteien stimmen darin überein, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von den Formulierungen der Beispiele 1-3 jeweils dadurch unterscheidet, dass diese als komplexierenden Gerüststoff Phosphat anstelle von Aminocarboxylat enthalten (D2: Tabelle 1 in Verbindung mit Seite 18, Zeile 1-5, Seite 19, Zeile 1-5 und Seite 21, Zeile 14-18).

1.4 Das Streitpatent stellt sich die Aufgabe, Geschirrspülformulierungen zur Verfügung zu stellen, die Glaskorrosion verhindern (Absatz 0008). D2 stellt sich die gleiche Aufgabe (Seite 5, Zeile 13-18, Anspruch 1-3) und es wurde von der Beschwerdegegnerin weder vorgetragen, dass anspruchsgemäße Formulierungen gegenüber den bekannten Verbindungen eine verbesserte Wirkung aufweisen, noch sieht die Kammer Hinweise auf eine solche Verbesserung. Auf den Prüfbericht D10 ist die Beschwerdegegnerin weder in ihrer schriftlichen Eingabe noch während der mündlichen Verhandlung eingegangen. Gleiches gilt für die Versuchsergebnisse im Streitpatent. Was den Prüfbericht D11 angeht, so hat die Beschwerdegegnerin zwar in allgemeiner Form auf diesen verwiesen (Beschwerdeerwiderung, Seite 3, viertletzter Absatz), aber sie hat nicht vorgebracht, dass D11 einen technischen Effekt gegenüber den Formulierungen gemäß Beispiel 1-3 von D2 zeigen würde.

Somit muss die Aufgabe umformuliert werden als das Bereitstellen einer weiteren Formulierung zur Verhinderung von Glaskorrosion. Dem hat die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.

1.5 Die Kammer ist zum Schluss gekommen, dass die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung naheliegend ist, denn D2 offenbart selbst (Seite 5, Zeile 13-18), dass Polyimin im Rahmen der Erfindung der D2 sowohl in Verbindung mit Phosphaten als auch mit Aminocarboxylaten zur Verminderung von Glaskorrosion eingesetzt werden kann. Es ist somit naheliegend, eine alternative Formulierung dadurch zur Verfügung zu stellen, dass in den Formulierungen der Beispiele 1-3 Natriumtripolyphosphat durch ein geeignetes Aminocarboxylat wie z.B. MGDA ersetzt wird. Der Fachmann würde somit ausgehend von Beispiel 1, 2 oder 3 und unter Anwendung der Lehre von Seite 5 zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, ohne dafür erfinderisch tätig werden zu müssen.

1.6 Dagegen hat die Beschwerdegegnerin vorgebracht, der Fachmann würde nicht von Beispiel 1-3 ausgehen, sondern von Beispiel 4, denn diese Formulierung sei einerseits phosphatfrei und enthalte andererseits bereits ein Aminocarboxylat.

Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, denn Beispiel 4 ist kein besserer Ausgangspunkt als die Beispiele 1-3.

Alle vier Beispiele erfüllen offensichtlich gleichermaßen die oben genannte Grundbedingung (Punkt 1.2), auf den gleichen Zweck bzw. auf die gleiche Wirkung wie die Erfindung abzuzielen.

Was die technischen Merkmale angeht, liegt Beispiel 4 ebenfalls nicht näher an der Erfindung als die Beispiele 1-3, denn in beiden Fällen werden zwei Merkmale nicht offenbart: Beispiel 4 enthält weder Citrat noch Bleichmittel und offenbart somit nicht die Merkmale (C) und (D), während die Beispiele 1-3 wie oben ausgeführt Merkmal (A) sowie das negative Merkmal "phosphatfrei" nicht offenbaren.

Somit eignen sich alle vier Beispiele gleichermaßen als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. In einem solchen Fall ist ein beanspruchter Gegenstand bereits dann nicht erfinderisch, wenn er von einem der möglichen Ausgangspunkte nahegelegt wird

(T 0967/97, Leitsatz). Da dies gezeigt wurde, ist es irrelevant, ob der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von Beispiel 4 ggf. ebenfalls nahegelegt wird oder nicht.

1.7 Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgebracht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auch dann nicht naheliegend sei, wenn von Beispiel 1-3 ausgegangen würde, denn es genüge nicht, dass der Fachmann eine Veränderung hätte vornehmen können, sondern es müsse gezeigt werden, dass er sie unter den gegebenen Umständen auch vorgenommen hätte ("could/would approach"). Dies sei vorliegend nicht der Fall.

In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin weiter auf D3, Absatz 0010-0013. Dieses Dokument rate von dem Einsatz von Aminocarboxylaten ab, da dieser zu verstärkter Glaskorrosion führe. Vor diesem Hintergrund sei der Ersatz von Phosphat durch ein Aminocarboxylat nicht naheliegend.

Diese Argumente überzeugen jedoch nicht. Was zunächst das auf D3 aufbauende Argument angeht, so ist ein einzelnes Patentdokument nicht in der Lage, das Vorliegen eines technischen Vorurteils nachzuweisen. (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10te Auflage, I.D.10.2.). Außerdem lehrt D2 auf Seite 5 ausdrücklich, dass Aminocarboxylate zumindest dann, wenn sie mit Polyethyleniminen zusammen verwendet werden, zur Verringerung von Glaskorrosion eingesetzt werden können. Somit wäre der Fachmann von einem Austausch von Phosphat mit Aminocarboxylat nicht abgehalten, selbst wenn er die Lehre von D3 in Betracht gezogen hätte.

Auch der Hinweis auf den "could/would approach" geht ins Leere, denn die Passage auf Seite 5 von D2 offenbart ausdrücklich, dass im Rahmen der Erfindung, d.h. zur Verhinderung von Glaskorrosion, sowohl Phosphat als auch Aminocarboxylat eingesetzt werden kann, so dass vor dem Hintergrund der Aufgabe (siehe Punkt 1.4) der Austausch dieser Komponenten naheliegend ist.

1.8 Das Argument der Beschwerdegegnerin, D2 offenbare nicht, dass Phosphate durch Aminocarboxylate 1:1 ersetzbar seien, überzeugt ebenfalls nicht, denn die obige Argumentation beruht nicht notwendigerweise auf der Annahme eines 1:1-Austausches, sondern lediglich auf einem Austausch an sich. Aus den dargelegten Gründen entnimmt der Fachmann der Passage auf Seite 5 der D2 eindeutig, dass im Rahmen der Erfindung als komplexierender Gerüststoff sowohl Phosphat als auch Aminocarboxylat eingesetzt werden kann, so dass ein Austausch der beiden Verbindungen naheliegend ist. Mit diesem Austausch gelangt der Fachmann ohne weiteres zum Gegenstand des Anspruchs, auch wenn die konkret zu verwendende optimale Menge an Aminocarboxylat eventuell in Routineversuchen noch angepasst bzw. ermittelt werden muss.

1.9 Die Kammer teilt auch nicht der Ansicht der Beschwerdegegnerin, nach der der Fachmann durch die schlechtere Korrosionsinhibierung der Formulierung nach Beispiel 4 davon abgehalten wird, die Phosphate in Beispiel 1-3 durch Aminocarboxylate zu ersetzten, denn die Formulierungen aus Beispiel 1-3 einerseits und Beispiel 4 andererseits unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. So enthält die Formulierung der Beispiele 1-3 37 Gew.-% Carbonat, Bicarbonat und Percarbonat, wohingegen gemäß Beispiel 4 nur 9 Gew-% Carbonat enthalten sind, d.h. es wird viel weniger Carbonat verwendet und das Bleichmittel Percarbonat fehlt hier ganz. Dafür enthält diese Formulierung ein Acrylsäurecopolymer, welches in Beispiel 1-3 fehlt, um nur einen weiteren Unterschied anzuführen. Letztendlich liegen hier zwei grundlegend verschiedene Spülmitteltypen vor, so dass der Fachmann keinen Grund gehabt hätte, den schlechteren Korrosionsschutz von Beispiel 4 auf die Verwendung von Aminocarboxylat zurückzuführen.

1.10 Aus diesen Gründen ist der Hauptantrag nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).

2. Hilfsantrag 1

Anspruch 1 dieses Antrags ist gegenüber dem Hauptantrag unverändert. Da die Beschwerdegegnerin weder im schriftlichen Verfahren noch während der mündlichen Verhandlung zur erfinderischen Tätigkeit dieses Antrags über den Hauptantrag hinausgehende Argumente vorgebracht hat, ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der Antrag aus den gleichen Gründen nicht gewährbar ist (Artikel 56 EPÜ).

3. Hilfsantrag 2

3.1 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2 und 8 und hat den folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag sind unterstrichen):

"1. Formulierung, die frei ist von Phosphaten und Polyphosphaten, enthaltend

(A) insgesamt im Bereich von 1 bis 50 Gew.-% mindestens eine Verbindung, gewählt aus Aminocarboxylaten und Polyaminocarboxylaten, und

(B) insgesamt im Bereich von 0,05 bis 2 Gew.-% mindestens ein Ethylenimin-Homopolymer,

(C) im Bereich von 1 bis 50 Gew.-% Natriumcitrat und

(D) insgesamt im Bereich von 0,5 bis 15 Gew.-% mindestens einer Verbindung, gewählt aus Alkalimetallpercarbonat, Alkalimetallperborat und Alkalimetallpersulfat, bezogen jeweils auf Feststoffgehalt der betreffenden Formulierung."

3.2 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, der beanspruchte Gehalt für das Aminocarboxylat (A) stelle gegenüber den Beispielen 1-3 ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dar. Ein solcher Gehalt sei auch nicht naheliegend, denn der Fachmann würde sich beim Austausch von Phosphat mit Aminocarboxylat an der Formulierung von Beispiel 4 orientieren, die einen höheren Anteil von Aminocarboxylat aufweise. Somit sei der Gegenstand von Anspruch 1 erfinderisch gegenüber D2.

Dieses Argument ist nicht überzeugend, denn wie oben bereits ausgeführt (Punkt 1.9), handelt es sich bei den Formulierungen gemäß Beispiel 1-3 einerseits und gemäß Beispiel 4 andererseits um grundverschiedene Spülmittelformulierungen, die sich in vielfacher Hinsicht voneinander unterscheiden, was die Art der Komponenten und der verwendeten Massenanteile angeht, so dass der Fachmann keinen Grund gehabt hätte, sich bezüglich des Anteils an MGDA an Beispiel 4 zu orientieren. Vielmehr ist der logische Ausgangspunkt für einen Austausch der in den Beispielen 1-3 verwendete Anteil von 45 Gew.-% an Phosphat, d.h. der Komponente, die gemäß der Lehre von Seite 5 durch Aminocarboxylat ausgetauscht werden soll. Dieser Anteil liegt im beanspruchten Bereich für die Komponente A.

Wie oben bereits dargelegt, lehrt D2 zwar nicht ausdrücklich, dass Phosphate und Aminocarboxylate notwendigerweise 1:1 austauschbar sind, aber D2 lehrt auch nichts Gegenteiliges, so dass ein 1:1-Tausch zumindest einen naheliegenden Ausgangspunkt für weitere Routineversuche für eventuelle Optimierungen darstellt. Somit würde der Fachmann zum beanspruchten Gegenstand gelangen, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen (Artikel 56 EPÜ).

4. Hilfsantrag 3

Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags ist gegenüber dem zweiten Hilfsantrag unverändert. Da die Beschwerdegegnerin keine Argumente zur erfinderischen Tätigkeit vorgebracht hat, die über den zweiten Hilfsantrag hinausgehen, ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der Antrag aus den gleichen Gründen nicht gewährbar ist (Artikel 56 EPÜ).

5. Da keiner der vorliegenden Anträge gewährbar ist, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation