T 0337/20 (Markierwagen/BEAMRIDER) of 14.9.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T033720.20220914
Datum der Entscheidung: 14 September 2022
Aktenzeichen: T 0337/20
Anmeldenummer: 16155829.1
IPC-Klasse: G05D 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Markierwagen und -verfahren
Name des Anmelders: Beamrider Limited
Name des Einsprechenden: SWOZI AG
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6) Sent 1
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(8)
Schlagwörter: Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja): Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Patentinhaberin
Unzulässige Erweiterung gegenüber der Stammanmeldung - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 8 und 11 (ja): unzulässige Zwischenverallgemeinerung
Zulassung von Anspruchsänderungen - Hilfsanträge 9 und 10 (nein): im erstinstanzlichen Verfahren korrekterweise nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0003/90
T 0166/17
T 1428/17
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass Anspruch 1 sowohl des Hauptantrags als auch der elf Hilfsanträge gegen Artikel 76 (1) EPÜ verstoße.

II. Der folgende Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1: WO 2006/013386 A2.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, ein Patent in geänderter Fassung unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage eines Hauptantrags bzw. eines von elf Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten. Sowohl der Hauptantrag als auch die elf Hilfsanträge sind mit den entsprechenden Anträgen der angefochtenen Entscheidung identisch.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. In einer Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 wurden die Beteiligten über die vorläufige Ansicht der Kammer informiert, dass die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sei.

VI. In Reaktion auf die Mitteilung der Kammer teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht beabsichtigt, an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

VII. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin abgesetzt.

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet (mit einer von der Kammer vorgenommenen Merkmalsgliederung):

a) "Ein von einer Bedienperson steuerbarer Markierwagen zur Erzeugung einer bodengebundenen Neumarkierung (M,M'), insbesondere eines Sportfeldes (SF), entlang einer gewünschten Markierungslinie, welcher

b) eine Ausbringungseinheit (1a,1b,1e,1d,1e,1f,1g,1h,1i,1j) mit einem Auslass für Markiersubstanz zur Erzeugung der genannten Markierung (M,M'),

c) eine Pumpeinrichtung zum Transportieren der Markiersubstanz zum Auslass,

und

d) eine Ausbringungssteuereinheit zur Bereitstellung van Steueranweisungen für die Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

e) der Markierwagen eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen, quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens aufweist,

f) wobei Abweichungen der Querposition des Auslasses van der gewünschten Markierungslinie durch die genannte definierte Verschiebung fortlaufend korrigierbar sind."

IX. Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass der Ausdruck "Neumarkierung" in Merkmal a) durch den Ausdruck

- "Initialmarkierung" (Hilfsantrag 1) bzw.

- "Erstmarkierung" (Hilfsantrag 2) bzw.

- "Neu*markierung" (Hilfsantrag 3) ersetzt wurde.

X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt ersetzt wurde:

"Mittel zum Erfassen der Orientierung der Ausbringungssteuereinheit relativ zur Referenzebene (RE) aufweist, wobei mittels der Ausbringungssteuereinheit

- die Lage der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zur Referenzebene (RE) feststellbar ist, und

- Steueranweisungen für die Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) zur Lagekorrektur bereitstellbar sind, und

eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen, quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens,

wobei Abweichungen der Lage** des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie durch die genannte definierte Verschiebung fortlaufend korrigierbar sind."

XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 umfasst alle Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 und enthält zudem am Ende folgendes Merkmal:

"wobei die Ausbringungssteuereinheit derart konfiguriert ist, dass bei einem Erreichen eines zuvor festgelegten Grenzwertes einer Querverschiebung bzw. einer Winkeleinstellung der Ausbringungseinheit, ein automatisches Anhalten der Markierung, insbesondere durch automatisches Anhalten der Pumpeinrichtung, ausführbar ist."

XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt ersetzt wurde:

"der Markierwagen

einen Strahlungssensor (2) zum Empfang eines elektromagnetischen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') aufweist, wobei die Ausbringungssteuereinheit derart ausgebildet ist, dass die Steueranweisungen anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lt, lg, lh, li, lj) bereitstellbar sind und

eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen, quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens aufweist, wobei Abweichungen der Lage des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie durch die genannte definierte Verschiebung fortlaufend korrigierbar sind."

XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt ersetzt wurde:

"der Markierwagen

einen Strahlungssensor (2) zum Empfang eines elektromagnetischen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') aufweist, wobei die Ausbringungssteuereinheit derart ausgebildet ist, dass die Steueranweisungen anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) bereitstellbar sind und

eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen, quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens aufweist, wobei Abweichungen der Lage** des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie durch die genannte definierte Verschiebung fortlaufend korrigierbar sind,

wobei der Strahlungssensor (2) derart ausgebildet ist, dass anhand des empfangenen Referenzsignals (RS, RS',RS",RS''') die Position der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zu einer mittels des Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') festgelegten Referenzebene (RE) ableitbar ist."

XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt ersetzt wurde:

"der Markierwagen

einen Strahlungssensor (2) zum Empfang eines elektromagnetischen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') aufweist, wobei die Ausbringungssteuereinheit derart ausgebildet ist, dass die Steueranweisungen anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld , le, lf, lg, lh, li, lj) bereitstellbar sind, wobei der Strahlungssensor (2) derart ausgebildet ist, dass anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS'',RS''') die Position der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zu einer mittels des Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') festgelegten Referenzebene (RE) ableitbar ist,

eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen, quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens aufweist, wobei Abweichungen der Lage** des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie durch die genannte definierte Verschiebung fortlaufend korrigierbar sind,

Mittel zum Erfassen der Orientierung der Ausbringungssteuereinheit relativ zur Referenzebene (RE) aufweist, wobei mittels der Ausbringungssteuereinheit

- die Lage der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zur Referenzebene (RE) feststellbar ist, und

- Steueranweisungen für die Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) zur Lagekorrektur bereitstellbar sind."

XV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt ersetzt wurde:

"der Markierwagen einen Strahlungssensor (2) zum Empfang eines elektromagnetischen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') aufweist, wobei die Ausbringungssteuereinheit derart ausgebildet ist, dass die Steueranweisungen anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS''') der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) bereitstellbar sind, wobei der Strahlungs-sensor (2) derart ausgebildet ist, dass anhand des empfangenen Referenzsignals (RS,RS',RS",RS"[sic]) die Position der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zu einer mittels des Referenzsignals (RS,RS',RS",RS"[sic]) festgelegten Referenzebene (RE) ableitbar ist,

Mittel zum Erfassen der Orientierung der Ausbringungssteuereinheit relativ zur Referenzebene (RE) aufweist, wobei mittels der Ausbringungssteuereinheit

- die Lage der Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) relativ zur Referenzebene (RE) feststellbar ist, und

- Steueranweisungen für die Ausbringungseinheit (la, lb, lc, ld, le, lf, lg, lh, li, lj) zur Lagekorrektur bereitstellbar sind, und

eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Lagekorrektur des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen aufweist, wobei Abweichungen der Position der gewünschten Markierungslinie quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens durch die genannte definierte Lagekorrektur fortlaufend korrigierbar sind."

XVI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 dadurch, dass der letzte Absatz wie folgt ersetzt wurde (Unterstreichung durch die Kammer):

"eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Lagekorrektur des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen aufweist, wobei die Lagekorrektur die Position und die Orientierung umfasst, und wobei Abweichungen der Position der gewünschten Markierungslinie quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens durch die genannte definierte Lagekorrektur fortlaufend korrigierbar sind".

XVII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 dadurch, dass der letzte Absatz wie folgt ersetzt wurde (der für die vorliegende Entscheidung relevante Wortlaut wurde von der Kammer unterstrichen):

"eine Aktuatorvorrichtung zur definierten Verschiebung des Auslasses quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens, und zur definierten Lagekorrektur des Auslasses, anhand der genannten Steueranweisungen aufweist, wobei die Lagekorrektur die Position und die Orientierung umfasst, und wobei Abweichungen der der [sic] Lage des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie quer zur Fahrtrichtung des Markierwagens durch die genannte definierte Lagekorrektur fortlaufend korrigierbar sind".

Entscheidungsgründe

1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Ankündigung eines Verfahrensbeteiligten, an einer anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen (siehe Punkt VI oben), mit der Rücknahme des Antrags auf eine solche mündliche Verhandlung gleichzusetzen (siehe z.B. T 3/90, OJ 1992, 737, Gründe, Punkt 1).

1.2 Folglich konnte im vorliegenden Fall die mündliche Verhandlung abgesetzt werden (vgl. auch T 166/17, Gründe 1) und eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen (Artikel 12 (8) VOBK 2020).

2. Hintergrund des Streitpatents

Die dem Streitpatent zugrunde liegende Erfindung betrifft Markierarbeiten mit Hilfe eines Markierwagens, wobei bodengebundene Markierungen zum Festlegen von Spiel- und Sportfeldern Verwendung finden. Die Erfindung versucht diese Markierarbeiten im Hinblick auf Genauigkeit, Zeitbedarf und Handhabungs-freundlichkeit zu verbessern. Insbesondere sollten dabei "neigungsbedingte Fehler" kompensiert werden.

Dafür wird der Markierwagen W3 (vgl. Fig. 3A des Streitpatents, unten wiedergegeben) mit folgenden Elementen vorgesehen:

- einem Strahlungssensor 5, der ein von einem Laser bereitgestelltes Referenzsignal detektiert, sodass die Position des Strahlungssensors ermitteln werden kann;

- Mittel zum Erfassen der Orientierung oder Neigung der Ausbringungseinheit 1d für die Markiersubstanz des Markierwagens,

wobei die "Ausbringungseinheit 1d" lageverstellbar auf einer Schiene S am Wagen ausgeführt ist.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

3. Hauptantrag: Anspruch 1 - unzulässige Erweiterung (Artikel 76 (1) EPÜ)

3.1 Die Kammer teilt die Ansicht der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das Weglassen verschiedener Merkmale auf unzulässige Weise gegenüber der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ("ursprüngliche Stammanmeldung" im Folgenden) erweitert wurde. Diese Merkmale sind wie folgt:

1) ein auf der Ausbringungseinheit anbringbarer Strahlungssensor zum Empfang eines elektromagnetischen Referenzsignals, wobei der Strahlungssensor derart ausgebildet ist, dass anhand des empfangenen Referenzsignals die Position der Ausbringungseinheit relativ zu einer mittels des Referenzsignals festgelegten Referenzebene ableitbar ist (siehe Anspruch 1 der ursprünglichen Stammanmeldung sowie Gründe 3.4 und 3.8 der angefochtenen Entscheidung);

2) Mittel zum Erfassen der Orientierung der Ausbringungs(steuer)einheit relativ zur Referenzebene (siehe Anspruch 1 zusammen mit S. 3, Z. 32 bis S. 4, Z. 28 der ursprünglichen Stammanmeldung sowie Gründe 3.9 und 3.10 der angefochtenen Entscheidung);

3) eine definierte Verstellung/Verkippung des Auslasses um eine Längs- und Querachse des Markierwagens (siehe S. 6, Z. 15 bis 21 und S. 16, Z. 17 bis 19 der ursprünglichen Stammanmeldung sowie Gründe 3.14 der angefochtenen Entscheidung).

Die Kammer weist insbesondere darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung einzelne Merkmale normalerweise nicht von den restlichen Merkmalen eines bestimmten Ausführungsbeispiels isoliert werden dürfen, es sei denn, es liegt zwischen dem einzelnen Merkmal und den restlichen Merkmalen kein klar erkennbarer funktioneller oder struktureller Zusammenhang vor (siehe z. B. T 1428/17, Gründe 1.4, hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ). Für Merkmale 1) bis 3) ist jedoch in der ursprünglichen Stammanmeldung ein solcher Zusammenhang mit den Merkmalen e) und f) eindeutig offenbart:

3.1.1 Bezüglich Merkmal 1) ist die Kammer mit der Ansicht der Einspruchsabteilung einverstanden, dass das Korrigieren von Abweichungen der Querposition des Auslasses von der gewünschten Markierungslinie nach Merkmal f) mittels der in Merkmal e) definierten Verschiebung durch eine absolute (z. B. aufgrund GPS-Daten) oder eine odometrische Positionsbestimmung erfolgen kann. Dagegen wird die Positionsbestimmung der ursprünglichen Stammanmeldung ausschließlich über den Strahlungssensor nach Merkmal 1) durchgeführt (siehe S. 3, Z. 19 bis S. 4, Z. 14 der ursprünglichen Stammanmeldung sowie Gründe 3.3 und 3.5 bis 3.7 der angefochtenen Entscheidung). Der Strahlungssensor aus Merkmal 1) steht demnach zumindest funktionell mit Merkmal f) in engem Zusammenhang.

3.1.2 Mit Bezug auf Merkmal 2) weist die Einspruchsabteilung richtigerweise darauf hin, dass die in der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung auf Seite 2, Zeilen 30 bis 33 vorgesehene Berücksichtigung von Unebenheiten im Gelände ohne die Mittel zum Erfassen der Orientierung nicht möglich ist (siehe Gründe 3.10 der angefochtenen Entscheidung). Entsprechend werden in der ursprünglichen Stammanmeldung die Ausdrücke "Position" und "Orientierung" bzw. "Neigung" durchgehend in einem Zusammenhang erwähnt. Mithin würde der fachkundige Leser auch für das Merkmal 2) zumindest eine funktionelle Verbindung mit der Position der Ausbringungs(steuer)einheit, insbesondere der Querposition des Auslasses und deren Abweichung von der gewünschten Markierungslinie nach Merkmal f), erkennen

3.1.3 Hinsichtlich Merkmal 3) stimmt die Kammer der in Gründe 3.16 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Feststellung zu, dass der ursprünglichen Stammanmeldung kein unmittelbarer und eindeutiger Hinweis auf eine "Aktuatorvorrichtung" zur definierten Verschiebung des Auslasses nach Merkmal e), um lediglich die Querposition des Auslasses wie in Merkmal f) zu korrigieren, entnehmbar ist.

Vielmehr wird dort auf Seite 6, Zeilen 15 bis 21 und Seite 16, Zeilen 17 bis 19 eine Aktuatorvorrichtung offenbart, welche eine definierte Verschiebung des Auslasses quer zur Fahrtrichtung des Markiergeräts sowie eine definierte Verstellung/Verkippung des Auslasses um eine Längs- und Querachse des Geräts ermöglicht. So kann je nach Position des Auslasses eine durch Unebenheiten des Geländes hervorgerufene abweichende Neigung der Ausbringungseinheit korrigiert werden. Die Verstellung/Verkippung nach Merkmal 3) ist demnach zumindest funktionell mit der Verschiebung des Merkmals e) eng verbunden.

3.2 Der Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach die in der angefochtenen Entscheidung angegebene Begründung schon allein durch die dort vorgenommene irreführende Auswahl von D1 als Ausgangspunkt für die Auslegung der vorliegenden Stammanmeldung gänzlich zurückzuweisen sei, kann die Kammer nicht zustimmen. Wie von der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung vorgebracht (siehe Gründe 3.16 der angefochtenen Entscheidung) muss hinsichtlich Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ überprüft werden, welchen Gegenstand der fachkundige Leser der ursprünglichen Stammanmeldung auf unmittelbare und eindeutige Weise entnehmen würde. Aus den in Punkten 3.1.1 bis 3.1.3 oben angeführten Gründen wird durch das Weglassen der Merkmale 1) bis 3) jedoch in der Tat ein Gegenstand hinzugefügt, der über den Inhalt der ursprünglichen Stammanmeldung hinausgeht.

3.3 Gleiches trifft auf das Argument der Beschwerdeführerin zu, dass der Ausdruck "Lage" in der in Verbindung mit Figur 3D der ursprünglichen Stammanmeldung beschriebenen "Aktuatorvorrrichtung 8' zur Lageeinstellung der Ausbringungseinheit 1f" angeblich lediglich eine Begrifflichkeit im Sinne von "Position" anstatt "Position und Orientierung" vermitteln würde. Der fachkundige Leser würde aufgrund der auf Seite 18, Zeilen 18 bis 30 der ursprünglichen Stammanmeldung angegebenen Beschreibung von Figur 3D unmittelbar verstehen, dass sowohl die Ergebnisse des die Position bestimmenden optischen Detektors 4 als auch diejenigen des die Orientierung bestimmenden Neigungssensors 6'' in die für die Bereitstellung von Anweisungen zur Steuerung der besagten Lageeinstellung erforderliche Relativlage-Bestimmung der Ausbringungseinheit 1f einfließen müssen. Wie oben in Punkt 3.1.3 bereits erwähnt kann mithin die Position allein die Relativlage nicht bestimmen. Sie kann vielmehr zusammen mit der Orientierung zu den für die geeignete Steuerung erforderlichen Anweisungen führen. Zwischen Position und Orientierung besteht somit auch hier ein eindeutiger funktioneller Zusammenhang, sodass die Position nicht als Einzelmerkmal isoliert betrachtet werden kann.

3.4 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt demnach nicht das Erfordernis von Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ.

4. Hilfsanträge 1 bis 8 und 11: unzulässige Erweiterung (Artikel 76 (1) EPÜ)

Die Hilfsanträge 1 bis 8 und 11 sind nicht gewährbar. Sie erfüllen nicht das Erfordernis von Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ:

4.1 Das Ersetzen in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 des Ausdrucks "Neumarkierung" in Merkmal a) durch die Ausdrücke "Initialmarkierung", "Erstmarkierung" bzw. "Neu*markierung" (siehe Punkt IX oben) behebt keinen der unter Punkt 3 mit Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags erhobenen Einwände. Dies wurde auch bereits in Gründe 5.1 der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Die Beschwerdeführerin hat bezüglich der Gewährbarkeit der Hilfsanträge 1 bis 3 im Beschwerdeverfahren auch keine konkreten Argumente vorgebracht.

4.2 Die mit Bezug auf Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 bis 8 vorgenommenen Änderungen (siehe Punkte X bis XIV oben) können die in Punkt 3.1 oben beanstandete unzulässige Zwischenverallgemeinerung bezüglich Merkmal 3) nicht ausräumen, wie auch bereits in Gründe 5.1 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde. Auch hier wurden seitens der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren keine zusätzlichen Gegenargumente geltend gemacht.

4.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 würde nach Ansicht der Einspruchsabteilung die Erfordernisse bezüglich Klarheit und Knappheit des Artikels 84 Satz 2 EPÜ bzw. das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllen (siehe Gründe 9.1 bis 9.4 der angefochtenen Entscheidung). Die Beschwerdeführerin hat hierbei keine Argumente vorgebracht, wieso die Einspruchsabteilung hier nicht korrekt entschieden habe. Die Kammer merkt daher nur der Vollständigkeit halber mit Bezug auf den unterstrichenen Wortlaut in Punkt XVII oben an, dass die von der Einspruchsabteilung in Gründe 9.1 der angefochtenen Entscheidung herangezogene Auslegung, wonach sich die beiden Zweckbestimmungen "zur definierten Verschiebung des Auslasses quer zur Fahrtrichtung" und "zur definierten Lagekorrektur des Auslasses [...] die Position und Orientierung umfasst" auf zwei unterschiedliche Eigenschaften der Aktuatorvorrichtung bezögen, nicht nur für den fachkundigen Leser nachvollziehbar wäre, sondern auch, dass dafür in der ursprünglichen Stammanmeldung keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung zu erkennen ist (Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ).

5. Hilfsanträge 9 und 10: Zulassung

5.1 Die Hilfsanträge 9 und 10 wurden aufgrund fehlender eindeutiger Gewährbarkeit nach Artikel 123 (3) EPÜ von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen (siehe Gründe 6.2 bis 6.6 und 7.1 der angefochtenen Entscheidung). Die Beschwerdeführerin hat sich hierzu nicht geäußert. Auch die Kammer sieht keinen Grund, die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung zu revidieren.

5.2 Die Hilfsanträge 9 und 10 werden somit nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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