T 0172/20 () of 3.2.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T017220.20230203
Datum der Entscheidung: 03 Februar 2023
Aktenzeichen: T 0172/20
Anmeldenummer: 14758946.9
IPC-Klasse: C08G 75/23
C08G 65/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: POLYARYLENETHERSULFON-POLYMERE FÜR MEMBRANANWENDUNGEN
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Solvay Specialty Polymers USA, LLC
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
RPBA2020 Art 012(4)
RPBA2020 Art 012(6)
Schlagwörter: Neuheit - implizite Offenbarung
Neuheit - Beweislast
Neuheit - (ja)
Beweismittel - Maßstab bei der Beweiswürdigung
Erfinderische Tätigkeit - Verbesserung nicht glaubhaft
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Lösung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0131/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 3 044 249 in geändertem Umfang auf Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2019, und einer geänderten Beschreibung.

II. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung beruhte außerdem auf den geänderten Ansprüchen eines Hauptantrags, der während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde.

III. Die Ansprüche 1 bis 3 des Hauptantrags lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Polyarylenethersulfon-Polymers durch Umsetzen eines Reaktionsgemischs (RG) enthaltend die Komponenten:

(A1) eine Dihalogenkomponente, die mehr als 99 Gew.-% einer Dihalogenverbindung ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 4,4'-Dichlordiphenylsulfon und 4,4'-Difluordiphenylsulfon enthält, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (A1) im Reaktionsgemisch (RG),

(B1) eine Dihydroxykomponente, die mehr als 99 Gew.-% Bisphenol A enthält, bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (B1) im Reaktionsgemisch (RG),

(C) eine Karbonatkomponente, die mehr als 99 Gew.-% Kaliumcarbonat, das eine volumengemittelte Partikelgröße von 20 nm bis < 25 mym aufweist, enthält, bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (C) im Reaktionsgemisch (RG), und

(D) ein aprotisches polares Lösungsmittel, das mehr als 99 Gew.-% eines aprotischen polaren Lösungsmittels ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus N-Methyl-2-Pyrrolidon und N-Ethyl-2-Pyrrolidon enthält, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (D) im Reaktionsgemisch (RG),

wobei das Reaktionsgemisch (RG)

i) neben den Dihalogenverbindungen der Komponente (A1) keine weiteren Dihalogenverbindungen enthält, und

ii) neben der Dihydroxyverbindung der Komponente (B1) keine weiteren Dihydroxyverbindungen enthält."

"2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Kaliumcarbonat eine volumengemittelte Partikelgröße im Bereich von 20 nm bis 15 mym aufweist."

"3. Polyarylenethersulfon-Polymer erhältlich nach einem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 2, wobei die Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis <= 4 liegt, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard."

Der Hilfsantrag 1 enthielt nur die Verfahrensansprüche 1 und 2.

IV. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen:

A4: US 5,279,739

A5: Broschüre der BASF, "Ultrason® - A versatile material for the production of tailor-made membranes"

A20: Erklärung von Prof. Dr. Weber und experimentelle Ergebnisse (16. Oktober 2018)

V. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, soweit sie für die vorliegende Beschwerde relevant ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag sei neu gegenüber dem Dokument A5. Insbesondere offenbare A5 kein Polyarylenethersulfon-Polymer (PSU) mit einer Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis <= 4, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie (GPC) mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat (PMMA) als Standard.

b) A5 sei der nächstliegende Stand der Technik für Anspruch 3 des Hauptantrags. Der Gegenstand des Anspruchs 3 unterscheide sich von der Offenbarung von A5 dadurch, dass die Polydispersität des PSU mittels GPC gegen engverteiltes PMMA als Standard und Dimethylacetamid als Lösungsmittel gemessen werde, wohingegen die Messung der Polydispersität in A5 in THF gegen Polystyrol (PS) als Standard durchgeführt werde. Das zu lösende Problem sei die Bereitstellung eines weiteren Polymers. Der Fachmann hätte in A5 den Hinweis gefunden, dass ein PSU zur Herstellung von Membranen eine ähnliche Polydispersität haben solle, wie die Polydispersität des Polyethersulfon-Polymers (PESU) gemessen mittels GPC gegen engverteiltes PMMA als Standard und Dimethylacetamid als Lösungsmittel. Außerdem erhalte der Fachmann vom Dokument A4 die technische Lehre, die Polydispersität der PSU zu verringern, um die Eigenschaften von Ultrafiltration-Membranen zu optimieren. Daher sei Anspruch 3 nicht erfinderisch gegenüber A5 allein oder in Kombination mit A4.

c) Der Hilfsantrag 1, der nur die Verfahrensansprüche 1 und 2 enthalte, erfülle die Erfordernisse des EPÜ.

VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) reichte mit der Beschwerdebegründung sechs Anspruchssätze als Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 5 sowie folgende Beweismittel ein:

A21: eidesstattliche Versicherung Prof. Dr. Martin Weber (18. März 2020)

A22: Übersichtstabelle mit epsilon-Bruchwerten.

VII. Eine mündliche Verhandlung fand am 3. Februar 2023 statt.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 4 allesamt mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

X. Der Hauptantrag entsprach dem Hauptantrag der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt III.).

Der Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags entsprach dem Anspruch 3 des Hauptantrags mit dem Zusatz, dass "das Polyarylenethersulfon-Polymer ein gewichtsmittleres Molekulargewichts (sic) (Mw) im Bereich von 15 000 bis 120 000 g/mol aufweist, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard" (Hervorhebungen an dieser Stelle und im Folgenden durch die Kammer).

Der Anspruch 3 des 2. Hilfsantrags entsprach dem Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags, wobei das gewichtsmittlere Molekulargewicht (Mw) im Bereich von 18 000 bis 100 000 g/mol lag.

Der Anspruch 3 des 3. Hilfsantrags entsprach dem Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags, wobei das Verfahren zur Herstellung des Polyarylenethersulfon-Polymers weiter präzisiert wurde. Dieser Anspruch lautete wie folgt:

"3. Polyarylenethersulfon-Polymer erhältlich nach einem Verfahren zur Herstellung eines Polyarylenethersulfon-Polymers durch Umsetzen eines Reaktionsgemischs (RG) bestehend aus den Komponenten:

(A1) eine Dihalogenkomponente, die aus 4,4'-Dichlordiphenylsulfon besteht,

(B1) eine Dihydroxykomponente, die aus Bisphenol A besteht,

(C) eine Karbonatkomponente, die mehr als 99 Gew.-% Kaliumcarbonat, das eine volumengemittelte Partikelgröße von 20 nm bis < 25 mym aufweist, enthält, bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (C) im Reaktionsgemisch (RG), und

(D) ein aprotisches polares Lösungsmittel, das mehr als 99 Gew.-% eines aprotischen polaren Lösungsmittels ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus N-Methyl-2-Pyrrolidon und N-Ethyl-2-Pyrrolidon enthält, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Komponente (D) im Reaktionsgemisch (RG),

wobei die Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis <= 4 liegt, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard, wobei das Polyarylenethersulfon-Polymer ein gewichtsmittleres Molekulargewicht (Mw) im Bereich von 15 000 bis 120 000 g/mol aufweist, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard."

Der Anspruch 3 des 4. Hilfsantrags entsprach dem Anspruch 3 des 3. Hilfsantrags, wobei das gewichtsmittlere Molekulargewicht (Mw) im Bereich von 18 000 bis 100 000 g/mol lag.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Zusammenfassend brachte die Beschwerdeführerin vor:

a) Hauptantrag

Der Gegenstand von Anspruch 3 sei neu gegenüber A5 und erfinderisch ausgehend von A5 als nächstliegendem Stand der Technik.

b) Hilfsanträge 1 bis 4

Der Gegenstand von Anspruch 3 dieser Hilfsanträge sei erfinderisch gegenüber A5 als nächstliegendem Stand der Technik.

XII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Die Beschwerdegegnerin trug folgende Einwände vor:

a) Hauptantrag

Der Gegenstand von Anspruch 3 sei weder neu gegenüber A5 noch erfinderisch ausgehend von A5 als nächstliegendem Stand der Technik.

b) Hilfsanträge 1 bis 4

Der Gegenstand von Anspruch 3 dieser Hilfsanträge sei nicht erfinderisch gegenüber A5 als nächstliegendem Stand der Technik.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass die in A5 beschriebenen kommerziellen PSU-Polymere Ultrason® S 3010 und Ultrason® S 6010 die Neuheit des Anspruchs 3 vorwegnehmen würden (siehe A5, Seite 4, linke Spalte, erster Absatz). Die Polydispersität (Mw/Mn) dieser Ultrason® Produkte betrage 3,5 bzw. 3,7 gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Tetrahydrofuran (THF) als Lösungsmittel und gegen Polystyrol (PS) als Standard (siehe A5, Seite 5, Tabelle). Obwohl die Messmethode für die Polydispersität gemäß Anspruch 3 ein anderes Lösungsmittel (Dimethylacetamid statt THF) und einen anderen Standard (PMMA statt PS) verwende, ergäben sich keine Unterschiede im Produkt. Mit anderen Worten, die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass die PSU-Polymere nicht neu sein können, nur weil eine andere Messmethode zur Bestimmung der Polydispersität verwendet werde. Außerdem seien die PSU von A5 für die Herstellung von Membranen geeignet, was für eine Polydispersität von weniger als 4 spreche (siehe Streitpatent, Absatz [0011]). Ferner vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass im Hinblick auf die Polydispersität eine Beweislastumkehr eingetreten sei. Die Polydispersität sei nämlich ein unüblicher Parameter. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung T 0131/03, sei es deswegen Aufgabe der Beschwerdeführerin als Patentinhaberin nachzuweisen, dass die anspruchsgemäße Polydispersität ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber A5 darstelle.

1.2 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass A5 kein PSU-Polymer mit einer Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis <= 4, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes PMMA als Standard, offenbare. Die Beschwerdegegnerin habe nicht gezeigt, dass die PSU-Polymere Ultrason® S 3010 und Ultrason® S 6010 durch eine anspruchsgemäße Polydispersität charakterisiert seien.

1.3 Die Kammer kann sich der Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin aus folgenden Gründen nicht anschließen:

1.3.1 Zuerst geht es um die Frage der Beweislast. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Polydispersität ein unüblicher Parameter sei. Die Patentinhaberin trage daher die Beweislast dafür, dass die Polydispersität ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber A5 darstelle.

1.3.2 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern tragen die Verfahrensbeteiligten jeweils die Beweislast für die von ihnen geltend gemachten Tatsachen (siehe Rechtsprechung, 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt I.C.3.5.1). Die Beweislast für fehlende Neuheit obliegt somit in der Regel der Einsprechende (d.h. der Beschwerdegegnerin). Eine Ausnahme von dieser Regel wäre gegeben, wenn das Polymer nach Anspruch 3 durch einen ungewöhnlichen Parameter definiert wäre (siehe Rechtsprechung, supra, Abschnitt I.C.5.2.3). Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Polydispersität ein durchaus üblicher Parameter zur Charakterisierung von Polymeren ist, wie A5 zeigt (siehe A5, Seite 5, Tabelle). Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Beschwerdegegnerin die Beweislast dafür trägt, zu zeigen, dass die PSU-Polymere von A5 durch eine anspruchsgemäße Polydispersität gekennzeichnet sind.

Die Beschwerdegegnerin verwies auf die Entscheidung T 0131/03, ohne zu erläutern, inwieweit diese auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Die Kammer ist der Ansicht, dass diese Entscheidung, der oben zitierten Rechtsprechung folgend, einen Fall betrifft, in dem ein unüblicher Parameter als einschränkendes Merkmal verwendet wird (siehe Orientierungssatz von T 0131/03). Dies ist jedoch bei Anspruch 3 des Hauptantrags aus den oben dargelegten Gründen nicht der Fall.

1.3.3 Weiter geht es um die Frage der Neuheit von Anspruch 3 gegenüber A5. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der beanspruchte Gegenstand unmittelbar und eindeutig aus dem Stand der Technik ergeben, damit auf fehlende Neuheit geschlossen werden kann. Mit anderen Worten, es muss außer Zweifel stehen - und nicht nur wahrscheinlich sein -, dass der beanspruchte Gegenstand im Stand der Technik unmittelbar und eindeutig offenbart wurde (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, Abschnitt I.C.4.1).

1.3.4 Im vorliegenden Fall offenbart A5 zwei PSU-Polymere ("Ultrason® S3010" und "Ultrason® S6010"), die dadurch charakterisiert werden, dass ihre Polydispersität respektiv 3.5 und 3.7 beträgt, wobei die Polydispersität

mittels Gelpermeationschromatographie (GPC) mit THF als Lösungsmittel und gegen Polystyrol (PS) als Standard

gemessen wurde (siehe A5, Seite 5).

1.3.5 Die Polydispersität dieser PSU gemessen mittels der in Anspruch 3 definierte Methode ist jedoch in A5 nicht offenbart. Hierzu stimmt die Kammer mit der Einspruchsabteilung darin überein, dass die Messmethode einen Einfluss auf das Molekulargewicht und damit auf die Polydispersität der PSU haben kann (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt II.2.5.2.2). Schließlich wird darauf hingewiesen, dass die Patentanmelder aus Gründen der Klarheit üblicherweise aufgefordert werden, die Methode zur Messung eines Parameters in den Ansprüchen anzugeben (siehe Rechtsprechung, supra, Abschnitt II.A.3.5). Somit geht die Rechtsprechung in der Regel davon aus, dass die Messmethode einen Einfluss auf die Ergebnisse haben kann.

1.3.6 Da die in A5 angegebenen Polydispersitätswerte (3,5 und 3,7) relativ nahe an der in Anspruch 3 definierten Obergrenze (<4) liegen, kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Polydispersität der PSU der A5 einen Wert von 2,0 bis kleiner oder gleich 4 aufweisen würde, wenn sie mittels GPC gegen engverteiltes PMMA (statt PS) als Standard und Dimethylacetamid (statt THF) als Lösungsmittel gemessen würde. Insbesondere hat die Beschwerdegegnerin (die die Beweislast für die Frage fehlender Neuheit trägt) keine Beweise vorgelegt, die diese Zweifel entkräften.

1.3.7 Selbst wenn das Streitpatent lehrt, dass PSU-Polymere mit Polydispersitäten (Q) von > 4 zur Herstellung von Membranen nur bedingt geeignet seien, werden besagte PSU trotzdem nicht komplett ausgeschlossen (siehe Absatz [0011] des Streitpatents). Es kann deshalb nicht mit Sicherheit daraus geschlossen werden, dass die PSU von A5 eine anspruchsgemäße Polydispersität aufweisen müssen, nur weil diese PSU in Membranen eingesetzt werden.

1.3.8 Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass A5 nicht unmittelbar und eindeutig ein PSU-Polymer offenbart, das durch eine Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis < 4 gekennzeichnet ist, gemessen durch Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes PMMA als Standard. Der Gegenstand von Anspruch 3 ist somit neu gegenüber A5.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Parteien und die Einspruchsabteilung haben A5 als nächstliegenden Stand der Technik gewählt. Die Kammer sieht keinen Anlass von dieser Wahl abzuweichen.

2.2 Unterscheidungsmerkmal

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit vertraten die Parteien die Auffassung, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 3 von den PSU-Polymeren "Ultrason® S3010" und "Ultrason® S6010" der A5 dadurch unterscheidet, dass das PSU-Polymer

"eine Polydispersität (Mw/Mn) im Bereich von 2,0 bis <= 4, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard"

aufweist.

Die Kammer hat ebenfalls keinen Grund von dieser Sicht abzuweichen (hierzu wird lediglich auf die Beurteilung der Neuheit verwiesen).

2.3 Technische Aufgabe

Strittig ist jedoch die Frage, ob ein technischer Effekt gegenüber den PSU-Polymeren von A5 vorliegt.

2.3.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die technische Aufgabe darin besteht, verbesserte PSU-Polymere bereitzustellen, die insbesondere bei der Verarbeitung zu Hohlfasermembranen verbesserte mechanische Eigenschaften aufweisen. Insbesondere sei in A20 und A22 gezeigt, dass PSU-Polymere gemäß Anspruch 3 höhere epsilon-Bruchwerte besitzen als die PSU-Polymere der Vergleichsbeispiele V12 und V15, die jeweils die PSU-Polymere "Ultrason® S3010" und "Ultrason® S6010" repräsentieren (siehe Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. Januar 2023, Seite 6, vierter und fünfter Absatz; A22, Tabelle).

2.3.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass die Dokumente A20 bis A22 nicht genügend Informationen enthalten, um beurteilen zu können, ob die Vergleichsbeispiele V12 und V15 tatsächlich repräsentativ für die PSU-Polymere von A5 sind. In der Abwesenheit von geeigneten Vergleichsbeispielen sei das zu lösende Problem gegenüber A5 lediglich die Bereitstellung eines alternativen PSU-Polymers.

2.3.3 Für die Kammer stellt sich deshalb zuerst die Frage, ob die Vergleichsbeispiele V12 und V15 tatsächlich die Polymere "Ultrason® S3010" und "Ultrason® S6010" repräsentieren.

a) Im vorliegenden Fall haben die Parteien keinen direkten Vergleich mit "Ultrason® S3010" oder "Ultrason® S6010" bereitgestellt. Stattdessen hat die Beschwerdeführerin u.a. die Vergleichsbeispiele V12 und V15 vorgelegt, die einen solchen Vergleich ermöglichen würden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Vergleichsbeispiele V11 und V13 ebenfalls genannt wurden (als Vergleich zu "Ultrason® S6010"). Diese spielen jedoch bei der folgenden Beurteilung des Sachverhalts keine zusätzliche Rolle.

b) Da ein direkter Vergleich mit Ultrason®-Materialien nicht zur Verfügung steht, muss die Kammer die Frage beantworten, inwieweit die Vergleichsbeispiele V12 und V15 tatsächlich "Ultrason® S3010" und "Ultrason® S6010" repräsentieren.

c) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die im Dokument A5 beworbenen Verkaufsprodukte Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 unter Verwendung von Kaliumkarbonat mit einer volumengemittelten Partikelgröße im Bereich von 28 bis 50 mym hergestellt würden (siehe A21, vorletzter Absatz). Die PSU-Polymere der Vergleichsbeispiele V12 und V15 würden unter Verwendung von Kaliumkarbonat mit einer volumengemittelten Partikelgröße von ca. 35 mym hergestellt und seien somit mit Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 direkt vergleichbar. Darüber hinaus würden die übrigen Verfahrensparameter der Vergleichsbeispiele aus Dokument A22 zur Herstellung der PSU-Polymere den Verfahrensparametern zur Herstellung der PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 des Dokuments A5 entsprechen. Ferner sei die Viskositätszahl (VZ) der Vergleichsbeispiele V12 und V15 fast identisch zu den VZ der Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 (siehe A22, Tabelle und A5, Seite 5, Tabelle).

d) Die Kammer stellt jedoch fest, dass die PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 kommerzielle Produkte der Beschwerdeführerin sind. Die Kenntnis darüber, wie diese Produkte hergestellt wurden, unterliegt somit allein der Verfügungsmacht und dem Wissen der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdegegnerin und die Kammer haben insbesondere keine Möglichkeit zu wissen, unter welchen Verfahrensbedingungen und insbesondere mit welchem Kaliumkarbonat (wenn Kaliumkarbonat benutzt wurde) diese PSU-Polymere hergestellt wurden. Somit liegen für die Beantwortung der vorliegenden Frage (ob die Vergleichsbeispiele V12 und V15 für Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 repräsentativ sind) alle Beweismittel in der Sphäre der Beschwerdeführerin.

e) Nach ständiger Rechtsprechung ist, wenn alle Beweismittel im Einflussbereich einer Partei liegen, ein strenger Beweismaßstab anzulegen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, III.G.4.3.2 b)). Es gilt das Prinzip eines "lückenlosen" Nachweises ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit"). Im vorliegenden Fall muss der Nachweis über das Herstellungsverfahren der PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht werden.

f) Die Beschwerdeführerin hat jedoch lediglich eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach die Verkaufsprodukte Ultrason® S 3010 und 6010 unter Verwendung von Kaliumcarbonat mit einer volumengemittelten Partikelgröße D[4,3] im Bereich von 28 bis 50 mym hergestellt worden seien (siehe A21). Auch wenn die Kammer dies nicht in Frage stellt, reicht dies allein nicht aus, um einen lückenlosen Nachweis über das vollständige Herstellungsverfahren der PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 zu erbringen. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, welche anderen Verfahrensbedingungen und -schritte für die Herstellung dieser Produkte verwendet wurden. Diese Lücke kann auch nicht durch den bloßen Hinweis in der Beschwerdebegründung gefüllt werden, dass die übrigen Verfahrensparameter der Vergleichsbeispiele aus dem Dokument A22 zur Herstellung der PSU-Polymere den Verfahrensparametern zur Herstellung der PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 "entsprechen".

g) Für die Kammer ist daher nicht hinreichend belegt, dass das Verfahren zur Herstellung der PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 dem Herstellungsverfahren der Vergleichsbeispiele von A22 entspricht.

h) Die Beschwerdeführerin hat ferner argumentiert, dass die VZ der Vergleichsbeispiele V12 und V15 fast identisch zu den VZ der Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 sei. Hierzu schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass die Identität der VZ alleine nicht genügt, um eine Identität der Polymere zu gewährleisten. Es ist nämlich in A22 erkennbar, dass PSU-Polymere mit identischer VZ trotzdem unterschiedlichen Eigenschaften besitzen (siehe Beispiele V1 und 7). Es ist also nicht glaubhaft, dass die Vergleichsbeispiele V12 und V15 den Polymeren Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 entsprechen, nur weil die VZ nahezu identisch sind.

i) Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es nicht hinreichend belegt ist, dass die in A20 und A22 vorgelegten Vergleichsbeispiele die PSU-Polymere Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 repräsentieren.

2.3.4 In Ermangelung geeigneter Vergleichsbeispiele mit den PSU-Polymeren von A5, muss die Kammer zu dem Schluss kommen, dass ein technischer Effekt gegenüber den Produkten Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 nicht glaubhaft gemacht wurde. Die objektive technische Aufgabe besteht also darin, ein alternatives PSU-Polymer bereitzustellen.

2.4 Naheliegen der Lösung

Es bleibt zu beurteilen, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für den Fachmann naheliegend gewesen wäre.

2.4.1 In Einklang mit der angefochtenen Entscheidung, vertritt die Beschwerdegegnerin die Meinung, dass es aus A5 oder A4 offensichtlich sei, die Polydispersität der PSU-Polymere zwischen 2 und 4 einzustellen.

2.4.2 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass A5 und A4 die Lösung der gestellten Aufgabe aus folgenden Gründen nicht nahelegen:

i) Ausgehend von Dokument A5 erhalte der Fachmann keinen Hinweis auf die Lösung der zugrunde liegenden objektiven technischen Aufgabe.

ii) A4 betreffe keine Hohlfasermembranen.

iii) Die in A4 gestellte Aufgabe bestehe darin, die Chlorbeständigkeit von Kompositflachmembranen zu verbessern. Außerdem lasse A4 keine Rückschlüsse auf die mechanischen Eigenschaften des modifizierten PSU-Polymers zu.

iv) A4 betreffe kein anspruchsgemäßes PSU-Polymer sondern Polyethersulfonpolymere (PESU-Polymere).

v) Das Verfahren von A4 sei nur für Polysulfonpolymere mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht von 43 000 g/mol bis 54 000 g/mol geeignet. Würde der Fachmann dennoch die Lehre von A4 auf die Produkte Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 gemäß Dokument A5 anwenden, so würde im Fall von Ultrason® S3010, das ein zahlenmittleres Molekulargewicht von ca. 15 000 g/mol aufweise, kein PSU-Polymer übrig bleiben. Gleiches gelte für das PSU-Polymer Ultrason® S6010 mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht von ca. 16 000 g/mol. Das in A4 offenbarte Verfahren sei somit unwirtschaftlich und für die kommerzielle großtechnische Herstellung von PSU-Polymeren nicht geeignet.

2.4.3 Die Kammer kann sich der Argumentationslinie der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht anschließen.

Wie bereits erwähnt, besteht die zu lösende Aufgabe lediglich darin, ein alternatives PSU-Polymer bereitzustellen. Der Fachmann hätte also Dokumente, die sich mit alternativen PSU-Polymeren befassen, in Betracht gezogen.

Aus A5 weiß der Fachmann, dass andere Polysulfonpolymere mit einer Polydispersität von 2 bis 4 (gemessen mittels GPC gegen PMMA als Standard und Dimethylacetamid als Lösungsmittel) für Membranen geeignet sind (siehe A5, Seite 5, Ultrason® E und Ultrason® P Polymere). Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Fachmann ausgehend von A5 in der Lage gewesen wäre, ein PSU-Polymer mit der anspruchsgemäßen Polydispersität bereitzustellen.

A4 offenbart ein Verfahren, das dem Fachmann ermöglicht, z.B. durch fraktionierte Fällung das Molekulargewicht von Polymeren zu erhöhen und dabei die Polydispersität zu reduzieren (siehe A4, Spalte 5, Zeilen 13-18). Im Beispiel 1 wird ein Verfahren offenbart, bei dem ein PESU-Polymer mit einer berechneten Polydispersität von 1.99 aus einem PESU-Polymer mit einer berechneten Polydispersität von 3,98 durch aufeinanderfolgende Fällungen vorbereitet wird (siehe A4, Spalte 5, Zeilen 25-26 und Zeilen 47-49). Dabei wird der niedermolekulare Polymeranteil abgetrennt. Außerdem, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin umfasst die Lehre von A4 nicht nur PESU-Polymere sondern auch PSU-Polymere (siehe A4, Spalte 4, Zeilen 3-15 and Spalte 8, Zeilen 19-27).

Dem Argument v) der Beschwerdeführerin würde die Kammer zustimmen, wenn der Fachmann tatsächlich die gesamte Lehre von A4 anwenden müsste (d.h. nach Anspruch 1 von A4 ein PSU-Polymer mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht (Mn) von mindestens 59 000 g/mol zu Verfügung stellen müsste). Jedoch, im vorliegenden Fall besteht die zu lösende Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines alternativen PSU-Polymers ausgehend von den Produkten von A5. Wie bereits erwähnt, ist aus A4 bekannt, wie die Polydispersität von Polysulfonpolymeren schrittweise reduziert werden kann. In Beispiel 1 von A4 werden 4 aufeinanderfolgende Fällungen gebraucht, um die Polydispersität von 4 auf 2 zu reduzieren. Angenommen, die Polydipersität von Ultrason® S3010 oder Ultrason® S6010 läge geringfügig über 4 (wie von der Beschwerdeführerin angedeutet), würde der Fachmann nur so viele Fällungen vornehmen, wie erforderlich sind, um die Polydispersität unter 4 zu senken. Dafür muss der Fachmann, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht die gesamte Lehre von A4 brauchen und anwenden.

Dass das Verfahren von A4 möglicherweise unwirtschaftlich sei, spielt hierbei keine Rolle. Was zählt, ist vielmehr die Tatsache, dass A4 dem Fachmann eine Methode zu Verfügung stellt, um die Polydispersität eines PSU-Polymers zu verringern.

2.4.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Fachmann, der ein alternatives PSU-Polymer mit einer Polydispersität im Bereich von 2 bis 4 (gemessen mittels GPC gegen engverteiltes PMMA als Standard und Dimethylacetamid), wie in A5 selbst für einige Produkte erwähnt, bereitstellen wollte, mindestens eine Methode in A4 vorgefunden hätte, um ein solches PSU-Polymer bereitzustellen. Die Kammer ist somit der Auffassung, dass die in Anspruch 3 vorgeschlagene Lösung nicht erfinderisch gegenüber A5 in Verbindung mit A4 ist.

3. Hilfsanträge 1 bis 4 - Zulassung

3.1 Die Beschwerdegegnerin beantragt, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge nicht zum Verfahren zugelassen werden. Nach den Bestimmungen der VOBK 2020 ist die Zulassung der Hilfsanträge nach Artikel 12 Absätze (4) bis (6) (6) VOBK 2020 zu beurteilen.

3.2 Die eingereichten Hilfsanträge unterscheiden sich von dem Hauptantrag dadurch, dass der Gegenstand des Anspruchs 3 weiter präzisiert wurde (siehe Punkt X. dieser Entscheidung). Diese Hilfsanträge sind darauf gerichtet, den Einwand der Einspruchsabteilung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit zu überwinden.

3.3 Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht angeführt habe, warum diese Hilfsanträge eingereicht wurden. Außerdem hätten besagte Hilfsanträge bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht werden können.

3.4 Hierzu schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin an.

3.4.1 Zuerst, entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin, wurde unter Punkt III der Beschwerdebegründung erläutert, warum die Hilfsanträge eingereicht worden sind.

3.4.2 Außerdem, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, stellt das Einreichen der Hilfsanträge eine legitime Reaktion auf den Einwand unter Artikel 56 EPÜ gegen Anspruch 3 des Hauptantrags dar, welcher zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Einsprechenden erhoben wurde (siehe Punkt II.2.6.1 der Entscheidungsgründe). Dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt.

3.5 Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihr Ermessen nach Artikel 12 Absätze (4) bis (6) VOBK 2020 dahingehend auszuüben, die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht zum Verfahren zuzulassen.

4. Hilfsanträge 1 bis 4 - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Der Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 3 des Hauptantrags dadurch, dass

"das Polyarylenethersulfon-Polymer ein gewichtsmittleres Molekulargewichts (sic) (Mw) im Bereich von 15 000 bis 120 000 g/mol aufweist, gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard"

Der Anspruch 3 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags dadurch, dass das Mw im Bereich von 18 000 bis 100 000 g/mol liegt.

4.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass das neue Merkmal von Anspruch 3 des 1. und 2. Hilfsantrags kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber A5 darstelle. Der Gegenstand von Anspruch 3 sei daher aus den im Zusammenhang mit dem Hauptantrag genannten Gründen nicht erfinderisch.

4.3 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass es nicht gezeigt worden sei, dass die Lehre von A4 zu anspruchsgemäßen PSU-Polymeren führen könne. A4 sei darauf gerichtet, Polysulfonpolymere mit hohen mittleren Molekulargewichten zur Verfügung zu stellen (siehe A4, Anspruch 1). Dabei werden insbesondere die Polymerketten mit einem Molekulargewicht unter 50 000 g/mol abgetrennt. Exemplarisch wird in Beispiel 1 von A4 ein PESU-Polymer mit einem gewichtsmittleren Molekulargewicht von 183 000 g/mol hergestellt. Würde der Fachmann dennoch die Lehre von A4 auf die Produkte Ultrason® S3010 und Ultrason® S6010 gemäß Dokument A5 anwenden, läge das Mw des PSU-Polymers über der im vorliegenden Anspruch 3 festgelegten Obergrenze von 120 000 g/mol (bzw. 100 000 g/mol).

4.4 Es wird von den Parteien nicht bestritten, dass das neue Merkmal von Anspruch 3 des 1. und 2. Hilfsantrags kein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber A5 darstellt. Es wurde auch kein weiteres Argument in Bezug auf die Anwesenheit einer technischen Wirkung vorgetragen. Die Kammer hat daher keinen Grund, die Schlussfolgerungen bezüglich des Unterscheidungsmerkmals und des zu lösenden Problems im Zusammenhang mit dem Hauptantrag zu revidieren (siehe Punkte 2.2 und 2.3 dieser Entscheidung).

4.5 Es ist jedoch zwischen den Parteien umstritten, ob die Lehre von A4 zu anspruchsgemäßen PSU-Polymeren führen kann. Hierzu ist die Kammer der Ansicht, dass die Argumente bezüglich des Hauptantrags in ähnlicher Weise für den 1. und 2. Hilfsantrag gelten.

4.6 Wie bereits erläutert (siehe Punkt 2.4.3 dieser Entscheidung), ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann nicht die ganze Lehre von A4 anwenden würde, sondern nur so viele Fällungen vornehmen würde, um die Polydispersität in einem neuen Bereich zu bringen (hier zwischen 2 und 4). Die Polydisdersität der Produkte Ultrason® S3010 oder Ultrason® S6010 (gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard) ist nicht bekannt. Unter der Annahme, dass die Polydispersität etwas über 4 liegt (wie von der Beschwerdeführerin angedeutet), wären nur wenige Fällungen erforderlich, um die Polydispersität in diesen neuen Bereich zu bringen.

4.7 Das Mw der Produkte Ultrason® S3010 oder Ultrason® S6010 (gemessen mittels Gelpermeationschromatographie mit Dimethylacetamid als Lösungsmittel und gegen engverteiltes Polymethylmethacylat als Standard) ist ebenfall nicht bekannt. A5 offenbart, dass das Mw von Ultrason® S3010 52 000 g/mol beträgt (allerdings kommt eine andere Messmethode zum Einsatz). Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass das Mw gemessen nach dem in Anspruch 3 definierten Methode ca. 60 000 g/mol betragen würde (siehe A22, Vergleichsbeispiel V15). Selbst wenn, zugunsten der Beschwerdeführerin, der Wert von 60 000 g/mol angenommen wird, ist für die Kammer nicht glaubhaft, dass, bei den vorgenannten wenigen Fällungen, das Molekulargewicht der Produkte Ultrason® S3010 so steigen würde, dass das Mw über der im vorliegenden Anspruch 3 festgelegten Obergrenze (120 000 g/mol bzw. 100 000 g/mol) liegen würde. Mit anderen Worten, der Fachmann, der die Polydispersität der PSU-Polymere von A5 geringfügig verringern möchte, hätte dabei auch das Mw dieser Polymere geringfügig erhöht.

4.8 Der Gegenstand von Anspruch 3 des ersten und zweiten Hilfsantrags ist deshalb nicht erfinderisch gegenüber A5 in Verbindung mit A4.

5. Dritter und vierter Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

Weder im schriftlichen Verfahren, noch während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurden von den Parteien zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 3 des 3. und 4. Hilfsantrags weitergehende Argumente als für den 1. und 2. Hilfsantrag vorgebracht. Insbesondere wurde von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt, dass die in Anspruch 3 dieser Hilfsanträge vorgenommenen Änderungen ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber A5 darstellen würden. Daher müssen diese Hilfsanträge das Schicksal des 1. und 2. Hilfsantrags teilen, sodass der Gegenstand des Anspruchs 3 des 3. und 4. Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ausgehend von A5 in Kombination mit A4.

6. Da die Anträge der Beschwerdeführerin den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht genügen, ist die Behandlung weiterer Punkte nicht erforderlich und die Beschwerde ist zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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