European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T321419.20240307 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 07 März 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 3214/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14182983.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F01N 11/00 F01N 13/14 F01N 3/035 F01N 3/021 F01N 3/10 F01N 13/00 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Abgasbehandlungseinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Purem GmbH Volvo Truck Corporation |
||||||||
Name des Einsprechenden: | Tenneco GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der diese zum Schluss gekommen war, dass das europäische Patent mit der Nummer 2 853 705 unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren in dem damaligen Hilfsantrag 2 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genüge.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerdebegründung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
III. Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten mit der Beschwerdeerwiderung die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
IV. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung informierte die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Beurteilung der Sache.
V. Während der mündlichen Verhandlung reichten die Beschwerdegegnerinnen neue Hilfsanträge 1a bis 1e ein, die vorrangig zu den Hilfsanträgen 1-7 sind. Weiterhin reichten sie Auszüge aus dem Duden zum Begriff ,,mit" ein. Ebenfalls während der mündlichen Verhandlung nahmen die Beschwerdegegnerinnen ihre Anträge auf Verwerfung der Beschwerde als unzulässig sowie auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurück.
VI. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung waren die Anträge somit wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1a bis 1e, eingereicht am 7. März 2024, weiter hilfsweise auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags (entspricht der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehenen Fassung) hat folgenden Wortlaut (unter Verwendung der von den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung):
1 |,,Abgasbehandlungseinrichtung mit |
1.1 |einem Eintrittsrohr zum Einleiten eines Verbrennungsabgases, |
1.2 |einem Austrittsrohr zum Ausleiten des Verbrennungsabgases, |
1.3 |einem einerseits mit dem Eintrittsrohr und andererseits mit dem Austrittsrohr strömungstechnisch verbundenen, im Wesentlichen gasdichten Innengehäuse zum Aufnehmen eines Partikelfilters, |
1.3a |wobei das Partikelfilter mit einem rohrförmigen Mantel ausgestattet ist, |
1.3b |der zumindest ein Partikelfilterelement aufnimmt, |
1.3c |das mittels einer Lagermatte umhüllt und damit im Mantel lagepositioniert ist, |
1.4 |einem in einem strömungstechnisch dem Austrittsrohr zugewandten Verbindungsbereich des Innengehäuses angeordneten Verbindungselement zum mechanischen Verbinden des Partikelfilters mit dem Innengehäuse und|
1.5 |einem stromaufwärts des Partikelfilters in dem Innengehäuse angeordneten Oxidationskatalysator zum Katalysieren einer Oxidationsreaktion des Verbrennungsabgases, |
1.6a (Teil 1)|wenigstens eine |
1.6b |strömungstechnisch zwischen dem Oxidationskatalysator und dem Verbindungselement vorgesehene |
1.6a (Teil 2)|Gegendruckmessstelle zum Messen eines im Betrieb der Abgasbehandlungseinrichtung durch das Partikelfilter ausgeübten Gegendrucks, |
1.7a |wobei die Abgasbehandlungseinrichtung einen Ringraum radial zwischen dem Partikelfilter und dem Innengehäuse aufweist, |
1.7b |der fluidisch mit einem Bereich axial zwischen dem Oxidationskatalysator und dem Partikelfilter verbunden ist, |
1.7c |und die Gegendruckmessstelle an dem Ringraum angeordnet ist, |
1.8 |wobei der Ringraum radial zwischen dem Mantel des Partikelfilters und einer Wand des Innengehäuses gebildet ist, |
1.9 |wobei die Gegendruckmessstelle an einer Öffnung in der den Ringraum begrenzenden Wand des Innengehäuses angeordnet ist, |
2 |so dass die Gegendruckmessstelle den Druck in dem Ringraum messen kann." |
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags in Merkmal 2 wie folgt:
2|,,so dass mit der Gegendruckmessstelle (11, 12, 13, 14) der Druck in dem Ringraum (30) gemessen werden kann."|
IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags in Merkmal 2 wie folgt:
2|,,so dass mittels der Gegendruckmessstelle (11, 12, 13, 14) der Druck in dem Ringraum (30) gemessen werden kann."|
X. Die übrigen Ansprüche und Anträge sind für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Auf ihre Wiedergabe wird daher verzichtet.
XI. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1 |WO 2006/021666 A1 |
E2 |DE 103 24 165 A1 |
E4 |DE 10 2009 014 435 A1 |
E8 |EP 2 633 893 A1 |
E12 |Abbildungen des Ergebnisses einer CFD-Simulation |
ohne Bezeichnung|Auszug aus dem Duden zu Bedeutung und Synonymen des Wortes ,,mit"|
XII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ. Die in Merkmal 2 genannte Gegendruckmessstelle sei eine Stelle und beziehe sich daher auf einen Ort. Ein Ort könne jedoch keinen Druck messen. Die Vertreterin der Beschwerdeführerin habe den Fall erst kürzlich übernommen, so dass der Klarheitseinwand auch noch zu diesem späten Zeitpunkt zugelassen werden solle.
Der rohrförmige Mantel, das Partikelfilterelement und die Lagermatte, wie in den Merkmalen 1.3a, 1.3b und 1.3c definiert, seien nicht als Teil des beanspruchten Gegenstandes zu verstehen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a sei unklar, weil auch das geänderte Merkmal 2 auf mehrere Arten ausgelegt werden könne.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b sei ebenfalls unklar, weil nicht klar sei, wie gemessen werde.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b bringe Änderungen ein, die über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgingen. Es finde sich keine wörtliche Offenbarung für die Präposition ,,mittels".
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von E4 würde der Fachmann von E1 oder E2 dazu angeregt, den in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b beanspruchten Gegenstand zu verwirklichen. Er müsse dabei lediglich das allgemeine, E1 und E2 zugrunde liegende physikalische Prinzip auf E4 übertragen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b sei auch durch die Kombination von E1 mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Dieser Einwand beruhe nicht auf neuen Argumenten. Auch sei E1 von Anbeginn Teil des Einspruchsverfahrens.
XIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerinnen können wie folgt zusammengefasst werden:
Merkmal 2 des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei zwar nicht eindeutig formuliert, das Merkmal 2 könne jedoch ohne Schwierigkeiten so ausgelegt werden, dass es einen Sinn ergebe. Es bedeute, dass ein Druck an der Messstelle gemessen werde und Merkmal 2 verdeutliche nur, dass der Druck im Innenraum gemessen werde. Der Beschwerdeführerin sollte zudem nicht gestattet werden, durch einen Vertreterwechsel neue Einwände einzubringen.
Das Partikelfilterelement sei auch in den Merkmalen 1.5 und 1.8 indirekt mitbeansprucht und daher Teil des beanspruchten Gegenstandes.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a sei klar. Die Präposition ,,mit" in dem geänderten Merkmal 2 sei im Sinne von ,,mittels" auszulegen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b bringe keine Änderungen ein, die über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgingen. Es finde sich eine wörtliche Offenbarung für die Präposition ,,mit", was im vorliegenden Fall im Sinne von ,,mittels" ausgelegt werden müsse.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Kombination aus E4 mit E1 oder E2 führe den Fachmann nicht ohne rückschauende Betrachtungsweise zum beanspruchten Gegenstand. Es gebe keinen Hinweis in E1 oder E2, aus der spezifischen Umsetzung ein allgemeines physikalisches Gesetz zu abstrahieren.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag, Artikel 84 EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt nicht das Erfordernis der Deutlichkeit gemäß Artikel 84 EPÜ. Gemäß dem Verständnis beider Parteien bezieht sich die in Merkmal 1.6a eingeführte ,,Gegendruckmessstelle" auf einen Ort und nicht auf ein strukturelles Merkmal. Dass dieser Ort ,,den Druck in dem Ringraum messen kann" (wie in Merkmal 2 definiert), ist offensichtlich unmöglich. Das Merkmal 2 ist daher nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ.
1.1 Dass mit dem Begriff ,,Gegendruckmessstelle" ein Ort gemeint ist, war nicht nur zwischen den Parteien unstrittig, sondern ergibt sich auch widerspruchsfrei aus dem Streitpatent. Die Formulierung in Merkmal 1.6a (,,eine strömungstechnisch zwischen den Oxidationskatalysator und dem Verbindungselement vorgesehene Gegendruckmessstelle zum Messen eines Gegendrucks") deutet auf einen Ort hin, genauso die Beschreibung der Streitpatentschrift in Absatz [0013], wo angegeben ist, dass das Innengehäuse an der Gegendruckmessstelle eine Öffnung aufweist. Zudem unterscheidet die Beschreibung (vgl. die Absätze [0012] und [0027]) zwischen einem Druckmessgerät und der Gegendruckmessstelle. Die Kammer sieht keinen Grund, dieses Merkmal anders auszulegen.
1.2 Artikel 84 EPÜ stellt keinen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ dar. Die in der Entscheidung G 3/14 der großen Beschwerdekammer aufgestellten Grundsätze schließen die Prüfung der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren aus, wenn die Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen vorhanden war. Das Merkmal 2 wurde jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung dem Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 2 angefügt und entstammt der Beschreibung. Die Unklarheit ist daher durch diese Änderung erstmals entstanden. Sie war nicht Teil der erteilten Ansprüche und ist daher grundsätzlich auch im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren zu prüfen.
1.3 Wie bereits dargelegt, führt das hinzugefügte Merkmal 2 zu einer Unklarheit, denn ein Ort (Messstelle) kann keinen Druck messen. Dies ist erkennbar unmöglich bzw. unsinnig, was ebenfalls zwischen den Parteien unstrittig war.
1.4 Strittig war jedoch, ob der verspätet vorgebrachte Klarheitseinwand im Beschwerdeverfahren Berücksichtigung finden sollte. Der Klarheitseinwand wurde von der Beschwerdeführerin erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, d.h. nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung und auch nach der Zustellung der Kammermitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK erhoben. Der Klarheitseinwand war somit weder Teil des Einspruchsverfahrens, noch wurde er in der Entscheidung der Einspruchsabteilung oder in der Beschwerdebegründung abgehandelt. Die Zulassung des neuen Vorbringens richtet sich daher nach Artikel 13 (2) VOBK und erfordert, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Kammer sieht im vorliegenden Fall außergewöhnliche Umstände, die das Aufgreifen dieses spät vorgebrachten Einwands rechtfertigen, denn von beiden Parteien wurde anerkannt, dass der Anspruchswortlaut nicht eindeutig ist und dass dieser Mangel durch die Änderungen im Einspruchsverfahren herbeigeführt wurde. Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten zwar, dass das Merkmal 2 so auszulegen sei, dass sich dadurch für einen verständigen Fachmann, der den Anspruch verstehen und nicht missverstehen will, ein Sinn ergebe.
Diese Argumentation ändert indes an der fehlenden Eindeutigkeit nichts. Das Erfordernis der Deutlichkeit nach Artikel 84 EPÜ bedeutet vielmehr, dass die Anspruchsmerkmale verständlich und eindeutig sein müssen, ohne dass ein Anspruch erst sinnstiftend ausgelegt werden muss. Die Notwendigkeit der Auslegung des Anspruchsmerkmals entgegen dem Wortsinn belegt demzufolge, dass offensichtlich eine Unklarheit vorliegt.
Diese Unklarheit konnte vorliegend nur durch eine Änderung des Anspruchs beseitigt werden. Für die Frage, ob der neue Klarheitseinwand zugelassen werden sollte, war zu berücksichtigen, dass eine solche Änderung des Anspruchswortlauts im Interesse der Rechtssicherheit und Eindeutigkeit des Gegenstandes, für den Schutz begehrt wird, erfolgen sollte. Auch kann kein legitimes Interesse daran bestehen, einen Anspruch mit einer erst im Einspruchsverfahren eingebrachten Änderung, die offensichtlich und von allen Parteien anerkannt zu einem unklaren Anspruchsmerkmal führt, aufrecht zu erhalten.
Vorsorglich merkt die Kammer an, dass das Argument der Beschwerdeführerin, dass sie den Fall erst kürzlich übernommen habe und das verspätete Vorbringen dieses Einwands daher zu entschuldigen sei, nicht überzeugen kann. Vielmehr übernimmt bei einem Vertreterwechsel nach ständiger Rechtsprechung der neue Vertreter den Fall grundsätzlich in dem Stadium, in dem sich dieser befindet, und der Vertreterwechsel begründet keinen außergewöhnlichen Umstand, der verspätete Einreichungen rechtfertigen könnte (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, V.A.4 n), f)).
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt jedoch darin, dass sich alle Parteien darüber einig sind, dass das Merkmal 2 nicht eindeutig formuliert ist. Strittig war lediglich, ob und gegebenenfalls wie es ausgelegt werden soll.
Die Kammer sieht in dieser Situation außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK und hat ihr Ermessen daher dahingehend ausgeübt, den Einwand der mangelnden Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
1.5 Da das Merkmal 2 des Anspruchs 1, wie oben festgestellt, nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ erfüllt, ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
2. Hilfsantrag 1a
2.1 Zulassung
Hilfsantrag 1a wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung eingereicht. Seine Zulassung richtet sich daher nach Artikel 13 VOBK. Die Einreichung des Hilfsantrags 1a ist zwar als Reaktion auf den erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand unter Artikel 84 EPÜ erfolgt, der Antrag ist jedoch prima facie nicht geeignet, den geltend gemachten Klarheitseinwand zu überwinden, da auch das neu hinzugefügte Merkmal nicht eindeutig ist.
2.2 Artikel 84 EPÜ
In Merkmal 2 des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1a wird definiert, dass ,,mit der Gegendruckmessstelle der Druck in dem Ringraum gemessen werden kann". Die Beschwerdegegnerinnen haben argumentiert, dass die Präposition ,,mit" auch die Bedeutung ,,mittels" habe und der Anspruch somit dahingehend auszulegen sei, dass die Gegendruckmessstelle als Mittel verwendet wird, mit dem der Druck in dem Ringraum gemessen werden kann.
Dies ist jedoch nicht die einzig mögliche Auslegung der Präposition ,,mit". Weitere Auslegungen wie z.B. ,,gemeinsam mit der Gegendruckmessstelle" kommen ebenfalls in Betracht. Damit ist die Formulierung ,,mit der Gegendruckmessstelle" jedoch wiederum nicht eindeutig und erfüllt aus denselben Gründen wie oben für den Hauptantrag ausgeführt nicht das Erfordernis der Deutlichkeit nach Artikel 84 EPÜ.
Der Hilfsantrag 1a ist daher prima facie nicht geeignet, den Klarheitseinwand zu überwinden, sondern führt zu weiteren Klarheitsmängeln, so dass der Antrag prima facie nicht gewährbar ist. Die Kammer hat ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK daher dahingehend ausgeübt, den Hilfsantrag 1a nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
3. Hilfsantrag 1b
3.1 Zulassung
Die Zulassung des erstmals in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1b richtet sich nach Artikel 13 VOBK. Die Kammer hat von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, den Hilfsantrag 1b in das Beschwerdeverfahren zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 13 (2) VOBK), denn die Einreichung des Hilfsantrags 1b ist als Reaktion auf den erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand unter Artikel 84 EPÜ erfolgt und überwindet diesen (Artikel 13 (1) VOBK). Es liegen zudem außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK vor.
3.2 Artikel 84 EPÜ
In Merkmal 2 des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b wird definiert, dass ,,mittels der Gegendruckmessstelle der Druck in dem Ringraum gemessen werden kann". Die weitere oben für die Präposition ,,mit" genannte Auslegungsalternative ist daher ausgeschlossen. Dem ist auch die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.
Die Beschwerdeführerin hat jedoch vorgebracht, dass noch immer unklar sei, wie gemessen werde. Die Kammer erkennt darin jedoch keinen Mangel an Klarheit, insbesondere keinen, der durch eine Änderung hervorgerufen worden wäre. Vielmehr ist das Anspruchsmerkmal 2 in diesem Punkt lediglich unbestimmt. Die Art der Messung wird demnach offen gelassen, ebenso wie dies bereits im erteilten Anspruch 1 der Fall war. Das Merkmal 2 erfüllt somit das Erfordernis der Deutlichkeit nach Artikel 84 EPÜ.
3.3 Die Merkmale 1.3, 1.5 und 1.7a waren bereits Teil des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung. Gemäß der Entscheidung der großen Beschwerdekammer G 3/14 stellen Unklarheiten in den erteilten Ansprüchen keinen Einspruchsgrund dar. Der Sinngehalt unklarer Merkmale in erteilten Ansprüchen ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln.
Das Merkmal 1.3 definiert ein Innengehäuse zum Aufnehmen eines Partikelfilters. Nach gefestigter Rechtsprechung der Kammern ist dies so auszulegen, dass darunter ein Innengehäuse zu verstehen ist, das zum Aufnehmen eines Partikelfilters geeignet ist, ohne dass der Partikelfilter von dem beanspruchten Gegenstand mitumfasst wäre.
In den Merkmalen 1.7a sowie 1.8 wird jedoch auf den Partikelfilter Bezug genommen, um den beanspruchten Gegenstand näher zu definieren. In beiden Merkmalen ist der Ringraum klar als Teil der beanspruchten Abgasbehandlungseinrichtung definiert. Dass dieser Ringraum radial zwischen dem Partikelfilter und dem Innengehäuse bzw. radial zwischen dem Mantel des Partikelfilters und einer Wand des Innengehäuses gebildet ist, ist jedoch ohne das Vorhandensein des Partikelfilters nicht vorstellbar. Es ist daher nicht klar, ob der Partikelfilter Teil des beanspruchten Gegenstandes ist, so dass es einer Auslegung des Anspruchs bedarf.
Im Kontext der weiteren Anspruchsmerkmale ist der Anspruch dahingehend auszulegen, dass der Partikelfilter notwendigerweise Teil der beanspruchten Abgasbehandlungseinrichtung ist, weil andernfalls die Merkmale 1.7a und 1.8 technisch sinnlos wären. Der Partikelfilter sowie auch die weiteren in den Merkmalen 1.3a, 1.3b und 1.3c definierten Merkmale "Mantel" und "Lagermatte" sind daher im Wege der Auslegung als in der Abgasbehandlungseinrichtung mitbeansprucht anzusehen.
3.4 Artikel 123 (2) EPÜ
Durch Hilfsantrag 1b wird das Patent nicht in einer Weise geändert, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht.
3.4.1 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass es in den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine wörtliche Offenbarung für die Formulierung ,,mittels der Gegendruckmessstelle" gebe.
Die Kammer sieht die Bedingung des Artikels 123 (2) EPÜ dennoch als erfüllt an. Eine wörtliche Offenbarung in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ist schließlich nicht zwingend erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr, was der Fachmann der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (sog. "Goldstandard" gemäß G 2/10). Wie auch von den Beschwerdegegnerinnen argumentiert, findet sich auf Seite 5, Zeile 6, der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung wörtlich folgende Aussage:
,,Folglich kann mit der Gegendruckmessstelle der durch den Partikelfilter verursachte Gegendruck gemessen werden" (Unterstreichung durch die Kammer).
Dies ist nach Ansicht der Kammer im technischen Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen an der besagten Beschreibungsstelle so auszulegen, dass die Gegendruckmessstelle verwendet wird, um an diesem Ort den durch den Partikelfilter verursachten Gegendruck zu messen. Dass ,,mittels" der Gegendruckmessstelle der Gegendruck gemessen wird, stellt nach Auffassung der Kammer lediglich eine alternative Formulierung für denselben Sachverhalt dar. Die in diesem Sinn ausgelegte Beschreibungsstelle kann daher als Basis für die im Anspruch 1 vorgenommene Änderung dienen, wobei die Präposition ,,mittels" klarstellt, in welchem Sinne die in der Beschreibung verwendete Präposition ,,mit" aufzufassen ist.
Auch wenn daher die genaue Wortfolge ,,mittels der Gegendruckmessstelle" in der Beschreibung nicht vorkommt, ist deren Sinngehalt eindeutig und unmittelbar aus der Beschreibung in der eingereichten Fassung ableitbar. Das Erfordernis nach Artikel 123 (2) EPÜ ist daher erfüllt.
3.4.2 Artikel 123 (3) EPÜ
Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände unter Artikel 123 (3) EPÜ erhoben. Auch die Kammer sieht keine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Anspruchs 1 durch Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b.
Ausweislich des erteilten Anspruchs 1 ist eine Gegendruckmessstelle "zum Messen ... eines Gegendrucks" vorgesehen. Dies wird die Fachperson im Rahmen einer technisch sinnvollen Auslegung dahingehend auslegen, dass an der vorgesehenen Position die Messung eines Gegendrucks erfolgen kann. Dies steht auch im Einklang mit der Beschreibung des erteilten Patents, die zwischen einem Druckmessgerät und der Gegendruckmessstelle, d.h. der Position, an der die Messung des Gegendrucks erfolgt, unterscheidet (vgl. z.B. Absätze [0012] und [0027] der Beschreibung).
Die in Anspruch 1b vorgenommene Änderung steht im Einklang mit dem so definierten Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 und schränkt diesen lediglich dahingehend ein, dass die Anordnung der Gegendruckmessstelle eine Messung des Drucks in dem Ringraum ermöglicht.
3.4.3 Verschlechterungsverbot
Da lediglich die Einsprechende eine Beschwerde eingelegt hat, darf die vorgenommene Anspruchsänderung die Einsprechende nicht schlechter stellen als die angefochtene Entscheidung (sog. Verschlechterungsverbot/ Verbot der reformatio in peius, näher: G 1/99, Amtsblatt 2001, 381; G 4/93; G 9/92, Amtsblatt 1994, 875).
In der mündlichen Verhandlung wurden die Frage des Verschlechterungsverbots und die dazu in der Entscheidung G 1/99 aufgestellten Grundsätze für die neu eingereichten Hilfsanträge 1a bis e erörtert. Die Beschwerdeführerin hat allerdings für den Hilfsantrag 1b keinen Verstoß gegen die im Zusammenhang mit dem Verschlechterungsverbot entwickelten Grundsätze gerügt, und die Kammer ist der Ansicht, dass die vorgenommene Änderung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b diesen Grundsätzen entspricht. Dabei kann dahinstehen, ob die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b vorgenommene Ersetzung der unklaren Merkmalsformulierung überhaupt eine Schlechterstellung der Beschwerdeführerin bewirkt hat, denn die in der Entscheidung G 1/99 aufgestellten Voraussetzungen, nach denen eine Schlechterstellung der Einsprechenden ausnahmsweise zulässig wäre (siehe Leitsatz in G 1/99), sind vorliegend jedenfalls erfüllt.
Zum einen war die Beseitigung des Klarheitsmangels in dem von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruch 1 durch die Aufnahme weiterer Merkmale im vorliegenden Fall nicht möglich. Auch die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, welche konkreten Merkmale insoweit hätten ergänzt werden können. Zum anderen wurde der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht erweitert (dazu s.o. 3.4.2). Gleiches gilt für den Schutzbereich des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchs 1. Für die Bestimmung des Schutzbereichs ist der für gewährbar erachtete (unklare) Anspruch ebenso auszulegen, wie dies bei einem erteilten Anspruch nach den Artikeln 123 (3), 69 (1) EPÜ erfolgen müsste. Insoweit unterscheidet sich die Bestimmung des Schutzbereichs gemäß Artikel 123 (3) EPÜ von der unter Artikel 84 EPÜ durchgeführten Prüfung, ob das neue Anspruchsmerkmal eindeutig ist (dazu s.o. 1.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe, hätte die Fachperson bei der Auslegung des Merkmals 2 ("so dass die Gegendruckmessstelle den Druck in dem Ringraum messen kann") in dem für gewährbar erachteten Anspruch 1 berücksichtigt, dass eine Messstelle keine Messungen durchführen kann. Sie hätte das neue Merkmal im Kontext der weiteren Merkmale des Anspruchs daher so ausgelegt, dass an der Gegendruckmessstelle aufgrund ihrer im Anspruch definierten räumlichen Anordnung ein Druck im Ringraum gemessen werden kann. Der so definierte Schutzbereich des Anspruchs 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchs entspricht dem Schutzbereich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b (s.o. 3.4.2), so dass insoweit keine Erweiterung des Schutzbereichs - und damit keine Verschlechterung der Position der Beschwerdeführerin - vorliegt.
3.5 Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Angriffe ausgehend von E4
3.6 E4 ist eine frühere Anmeldung einer der beiden Beschwerdegegnerinnen und beschreibt eine Abgasbehandlungseinrichtung mit einem dem Streitpatent ähnlichen Aufbau. Ausweislich Figur 3 der E4 zeigt diese eine Abgasbehandlungseinrichtung mit den Merkmalen 1 bis 1.5, sowie 1.7a, 1.7b und 1.8, was zwischen den Parteien unstrittig war. E4 zeigt jedoch nicht die Merkmale 1.6a und b, 1.7c, 1.9 und 2, da in E4 keinerlei Gegendruckmessstelle zum Messen eines durch den Partikelfilter ausgeübten Gegendrucks beschrieben ist.
3.7 Die Beschwerdeführerin hatte eingewendet, dass das Merkmal 1.6b für sich genommen nicht notwendigerweise ein Unterscheidungsmerkmal darstelle, da es sich lediglich auf einen Ort beziehe, der auch in E4 vorhanden sei.
Sähe man die Gegendruckmessstelle lediglich als einen Ort an, an dem gemessen werden könnte, so wäre ein solcher in E4 an sich unzweifelhaft bereits vorhanden. Die Kammer erkennt in den Merkmalen 1.6a und 1.6b jedoch aus folgenden Gründen einen Unterschied zu E4:
3.8 Die Merkmale 1.6a und 1.6b waren bereits Teil des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung. Gemäß den in G 3/14 aufgestellten Grundsätzen stehen diese Merkmale nicht einer Überprüfung auf das Klarheitserfordernis offen und sind daher auszulegen. Nach dem Verständnis der Kammer bezieht sich die Gegendruckmessstelle im Sinne des Streitpatents auf den Ort, an dem der vom Partikelfilter aufgebaute Gegendruck tatsächlich gemessen wird. Die bloße theoretische Eignung zum Messen des Gegendrucks macht eine beliebige Stelle noch nicht zu einer Gegendruckmessstelle im Sinne des Streitpatents. Zudem ist das rein denklogische Vorhandensein einer Stelle, die sich zum Messen eignet, nicht gleichzusetzen mit einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung einer bestimmten Messposition zum Messen. Eine solche Gegendruckmessstelle, an der tatsächlich die Bestimmung des Drucks durch eine Messung vorgesehen wäre, lässt sich aus E4 jedoch nicht entnehmen.
3.9 Darüber hinaus ist die spezifische Anordnung der Gegendruckmessstelle an einer Öffnung in der den Ringraum begrenzenden Wand des Innengehäuses gemäß den Merkmalen 1.7c und 1.9 sowie dem funktionalen Merkmal 2 aus E4 nicht bekannt.
3.10 Durch diese Unterscheidungsmerkmale wird gewährleistet, dass der durch den Filter aufgebaute Gegendruck fortlaufend gemessen werden kann.
3.11 In Einklang mit der Angabe im Streitpatent ist es daher die objektive technische Aufgabe, eine kontinuierliche Überwachung des durch den Filter auf den Abgasstrom ausgeübten Gegendrucks zu ermöglichen. Dabei stellt sich zwangsläufig auch die von der Beschwerdeführerin formulierte zusätzliche Aufgabe, eine vorteilhafte oder wenigstens geeignete Platzierung für die Messstelle zu finden.
3.12 Die in den Merkmalen 1.6a, 1.6b, 1.7c, 1.9 und 2 angegebene Lösung wird nicht durch E1 nahegelegt.
E1 beschreibt die Messung eines Drucks stromab eines Filterelements, wobei ein Kanal in Form einer Aussparung in der Lagermatte des Filterelements genutzt wird, um den zur Messung genutzten Drucksensor an einer weiter stromauf gelegenen Stelle anordnen zu können. Die Konstruktion der gesamten Abgasbehandlungseinrichtung ist jedoch grundlegend verschieden. Insbesondere umfasst sie kein Innen- und kein Außengehäuse sowie auch kein Filterelement mit einem Mantel. Bei der Übertragung des Grundprinzips einer Druckmessung über einen Ringraum, der eine Anordnung der Druckmessstelle an anderer Stelle erlaubt als jener, an der der Druck bestimmt werden soll, auf die Abgasbehandlungseinrichtung gemäß E4, müsste die spezifische Ausgestaltung aus E1 zuerst abstrahiert werden. Sodann könnten einzelne technische Details in E4 angewendet werden, während andere weggelassen werden müssten. Dazu ist jedoch in E1 kein Hinweis vorhanden, noch wurde ein solcher von der Beschwerdeführerin geltend gemacht. Auch die Kammer erkennt nicht, wodurch die Fachperson dazu angehalten sein könnte, aus dem Vorhandensein eines Kanals in der Lagermatte in E1 zur Messung eines Drucks stromab des Filterelements die Anregung zu nehmen, in E4 den Ringraum zwischen dem Mantel des Partikelfilters und einer Wand des Innengehäuses zur Messung des Gegendrucks stromauf des Filterelements zu verwenden.
3.13 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass der Anspruch 1 lediglich ein Innengehäuse, jedoch kein Außengehäuse definiere. Das Gehäuse 12 mit dem zylindrischen Abschnitt 40 in E1 könne daher ebenfalls als Innengehäuse ausgelegt werden, in welchem der Partikelfilter 20 aufgenommen ist.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Selbst wenn man den zylindrischen Abschnitt 40 des Gehäuses 12 als Innengehäuse auffassen würde, stünde dieses Verständnis noch immer im Widerspruch zu den Merkmalen, dass ein rohrförmiger Mantel des Partikelfilters, in welchem das Partikelfilterelement mittels einer Lagermatte aufgenommen und lagepositioniert ist (Merkmale 1.3b und 1.3c), sowie dass der Ringraum, an dem die Gegendruckmessstelle angeordnet ist (Merkmal 1.7c), radial zwischen diesem Mantel des Partikelfilters und einer Wand des Innengehäuses gebildet ist (Merkmal 1.8). In E1 fehlt ein solcher Mantel und das Filterelement 20 ist stattdessen in dem zylindrischen Abschnitt 40 über eine Filtermatte 60 lagepositioniert.
Die Anordnung und Ausgestaltung der Lagerung sowie eines als Ringraum interpretierbaren Raums sind in E1 und E4 grundsätzlich verschieden, sodass eine einfache Übertragung nicht möglich ist.
3.14 Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus argumentiert, dass jedes Filterelement eine Zementschicht aufweise, welche als Mantel angesehen werden könne.
Auch dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Zum einen sieht die Kammer keinen Anlass dazu, eine nicht gezeigte und nur eventuell vorhandene Zementschicht als ringförmigen Mantel anzusehen. Zum anderen stünde diese Betrachtungsweise im Widerspruch zu den Merkmalen 1.3a, 1.3b und 1.3c. Das Filterelement 20 in E1 wäre dann nicht mittels einer Lagermatte umhüllt und damit in dem als Zementschicht ausgebildeten Mantel lagepositioniert.
Auch dieses Argument der Beschwerdeführerin kann daher die Auffassung der Kammer nicht ändern, dass eine einfache Übertragung von einzelnen technischen Grundprinzipien aus E1 auf E4 nicht ohne Weiteres möglich ist.
3.15 Auch das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass in E1 bereits ein Ringraum vorhanden sei und es daher für den Fachmann ein Leichtes sei, daran die Gegendruckmessstelle wie beansprucht anzuordnen, überzeugt die Kammer nicht. Da in E4 die Möglichkeit einer Druckmessung überhaupt nicht erwähnt ist und in E1 ein Kanal an anderer Stelle zur Druckübertragung genutzt wird, ist es irrelevant, wie einfach es für den Fachmann gewesen wäre, eine ihm unbekannte Lösung anzuwenden. Die Einfachheit der Lösung erschließt sich erst durch die ex post Betrachtung und ist damit kein Hinweis auf ein Naheliegen.
3.16 Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass es ein auch in E2 und E8 angewendetes physikalisches Grundprinzip sei, dass in der Abgasbehandlungseinrichtung des Streitpatents in dem Bereich 34 stromauf des Filterelements der gleiche statische Druck und damit der gleiche Gegendruck herrsche wie in dem Ringraum 40, vermag diese Schlussfolgerung der Kammer nicht zu ändern. Selbst wenn unterstellt wird, dass dem tatsächlich aus physikalischen Gesetzmäßigkeiten so sei, stellt dies keinen Hinweis für die Fachperson dar, an dem Ringraum in E4 eine Gegendruckmessstelle anzuordnen. Ein Nachweis der physikalischen Gesetzmäßigkeiten würde daher nicht zu einer anderen Schlussfolgerung führen. Er ist für die gegenständliche Entscheidung nicht relevant.
Es gab daher für die Kammer auch keinen Grund, die Ergebnisse aus einer CFD-Simulation gemäß Anlage E12 in das Verfahren zuzulassen. Die Kammer hat daher von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, das erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument E12 nicht zuzulassen (Artikel 12(4) 25 (1),(2) VOBK).
3.17 Auch das in der Beschwerdebegründung schriftlich vorgetragene Argument, dass eine Fachperson die Lehre der E1 so verstünde, dass für eine Differenzdruckmessung zwei nahe beieinander liegende Messstellen notwendig seien, kann die Kammer nicht von einem Naheliegen der beanspruchten Lösung überzeugen. Zwei Messstellen sind schon deshalb nicht nötig, weil in einer besonders einfach ausgestalteten Filterüberwachung anstelle des Differenzdrucks auch nur der Absolutdruck stromauf des Filterelements gemessen werden könnte.
3.18 Auch die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung getroffene Annahme, dass wohl davon ausgegangen werden müsse, dass die Fachperson die aus E4 bekannte Architektur der Abgasbehandlungseinrichtung berücksichtigt, mithin soweit unverändert übernommen hätte, ist lediglich eine Vermutung, die durch keine weiteren Argumente gestützt ist. Welche Teile eine Fachperson bei einer Kombination der Lehren zweier Patentschriften aus welcher der beiden beibehält, lässt sich ohne weitere Hinweise im Vorhinein nicht feststellen. Auch diesbezüglich handelt es sich somit um eine ex post Betrachtung, die eine erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen kann.
3.19 Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung auch argumentiert, dass für die Fachperson in E4 als Gegendruckmessstelle gar keine andere Position in Frage komme als jene in dem Ringraum, wodurch automatisch auch die zusätzliche Aufgabe, eine vorteilhafte Position der Messstelle zu finden, gelöst werde. Dies ist ebenfalls eine im Nachhinein aufgestellte unbegründete Behauptung. Es ergeben sich in E4 durchaus andere Stellen, an denen der Gegendruck gemessen werden kann, nicht zuletzt die Stelle in dem Raum stromauf des Filterelements.
3.20 Die Kombination aus E4 mit E1 kann daher den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b nicht nahelegen.
3.21 Die beanspruchte Lösung ist auch durch E2 nicht nahegelegt. Zwar zeigt E2 ein Innengehäuse 10 sowie ein Außengehäuse 11, jedoch ist wiederum das Partikelfilterelement nicht mittels einer Lagermatte in einem rohrförmigen Mantel aufgenommen und darin lagepositioniert. Außerdem wird ein Ringraum, welcher zwischen Innen- und Außengehäuse und damit nicht zwischen einem Mantel des Partikelfilters und einer Wand des Innengehäuses gebildet ist, dazu genutzt, mittels einer Druckmessstelle stromauf des Filterelements den Druck stromab desselben zu messen. Es handelt sich somit wiederum nicht um eine Gegendruckmessstelle, die an einem Ringraum angeordnet ist und mittels welcher der durch den Partikelfilter ausgeübte Gegendruck stromauf des Partikelfilters gemessen werden kann.
Aus denselben Gründen wie für E1 angegeben legt daher die aus E2 bekannte spezifische Gestaltung die Übertragung eines Grundprinzips nicht nahe. Insbesondere entnimmt die Fachperson E1 keinen Hinweis, in E4 den Ringraum zwischen dem Mantel des Partikelfilters und der Wand des Innengehäuses zur Messung des Gegendrucks stromauf des Filterelements zu verwenden.
3.22 Auch die Kombination aus E4 mit E2 kann daher den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b nicht nahelegen.
3.23 Angriff ausgehend von E1 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen
Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags erstmals mit der Beschwerdebegründung einen Einwand aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit den Kenntnissen der Fachperson vorgetragen. Es handelt sich bei diesem Angriff daher um eine Änderung im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK. Es steht im Ermessen der Kammer, solche Änderungen zuzulassen.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass E1 nicht neu im Verfahren sei und im schriftlichen Verfahren zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung ausgehend von E1 vorgetragen wurde, überzeugt die Kammer nicht. Vielmehr wurde der Gegenstand des Anspruchs 1, wie er von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet wurde, von der Beschwerdeführerin ausgehend von E1 schon allein deshalb nicht angegriffen, weil dieser Anspruch erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde und die beschwerdeführende Einsprechende bei dieser Verhandlung nicht zugegen war.
Anders als die Angriffe ausgehend von E4 wurde ein Angriff ausgehend von E1 auch nicht in der angefochtenen Entscheidung abgehandelt. Die Kammer müsste daher erstmals über einen Einwand entscheiden, der gegen den in den Anträgen des Beschwerdeverfahrens definierten Gegenstand gerichtet ist und der auf einer geltend gemachten mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 basiert. Dies steht jedoch im Widerspruch zum Grundprinzip des Beschwerdeverfahrens, in welchem erstinstanzliche Entscheidungen überprüft werden sollen (Artikel 12 (2) VOBK).
Die Kammer hat daher den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 gegenüber dem Hilfsantrag 1b nicht zugelassen (Artikel 12 (4) und (6) VOBK).
3.24 Es ist somit kein zulässiger Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erfolgreich. Ein Naheliegen des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b ist daher nicht nachgewiesen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Der Hilfsantrag 1b ist daher gewährbar.
4. Eine weitere, über die im Einspruchsverfahren gemachten Änderungen hinausgehende Anpassung der Beschreibung ist nicht nötig. Die erforderlichen Anpassungen an den Anspruchsgegenstand wurden bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung durchgeführt. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich auch keinen Einwand vorgebracht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 1b, eingereicht am 7. März 2024,
- Beschreibung Paragraphen 2-7, 9-12, 14-22, 24-26, 30-32 der Patentschrift,
- Beschreibung Paragraphen 1, 8, 13, 23, 27-29, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2019
- Zeichnungen, mit Figuren 1 bis 4.