T 3117/19 () of 25.5.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T311719.20220525
Datum der Entscheidung: 25 Mai 2022
Aktenzeichen: T 3117/19
Anmeldenummer: 14180541.6
IPC-Klasse: G06F 3/0488
G05B 19/409
G05B 19/4069
G05B 19/18
B23F 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verzahnmaschine mit multitouch-fähigem Display
Name des Anmelders: Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Name des Einsprechenden: Gleason-Pfauter Maschinenfabrik GmbH
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(2)(d)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1567/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruches 1 gemäß dem Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen I-V und VII-XI nicht erfinderisch sei. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI sei nicht klar und nicht erfinderisch.

III. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden insbesondere die folgenden Dokumente betrachtet:

E1 Prospekt "Mitsubishi CNC M70V Series", revised publication, Sept. 2011

E2 Press Release Siemens "Industrial Monitor for Practical Gesture and Multi-touch Operation", März 2013

E8 US 2013/0227473 A1

E9 Siemens: Sinumerik 840D sl Typ lB, Ausrüstungen für Werkzeugmaschinen, Motion Control, Katalog NC 62, Ausgabe 2012

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I bis XI.

V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK äußerte die Kammer ihre vorläufige Auffassung.

Die Kammer teilte die Ansicht der Prüfungsabteilung, dass Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag sowie gemäß den Hilfsanträgen I - V und VII - XI nicht erfinderisch sei (Artikel 56 EPÜ). Hingegen beabsichtigte die Kammer den geänderten Hilfsantrag VI nicht in das Verfahren zuzulassen.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 25. Mai 2022 als Videokonferenz statt.

VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag umfasst die folgenden Merkmale (Nummerierung der Merkmale wie in der angefochtenen Entscheidung):

M1 Verzahnmaschine mit einer Maschinensteuerung sowie wenigstens einem Display zur Anzeige maschinenrelevanter Parameter,

M2 wobei das Display multitouchfähig ist und eine Bedienereingabe zur Steuerung der Verzahnmaschine mittels Multifingergesten über das Display ermöglicht,

dadurch gekennzeichnet, dass

M3 die Displaydarstellung in ein oder mehrere Fenster (20) unterteilt ist,

M3.1 jedes Fenster (20) eine bestimmte Anzahl an maschinenrelevanten Parametern darstellt,

M3.2 und jedes Fenster (20) hinsichtlich der Fenstergröße und Art und/oder Umfang der dargestellten maschinenrelevanten Parameter über das Touchdisplay individuell konfigurierbar ist und

dadurch gekennzeichnet, dass

M4 die Verzahnmaschine Mittel für eine benutzerabhhängige [sic] Displaydarstellung eines oder mehrerer maschinenrelevanter Parameter

M5 und Mittel zur Bedienererkennung und/oder Bedienerverifizierung und/oder Bedienerauthentifizierung aufweist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das folgende Merkmal hinzugefügt wurde:

"wobei durch die Mittel für eine benutzerabhhängige [sic] Displaydarstellung Bedienerprofile generierbar bzw. speicherbar und wiederaufrufbar sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags I dadurch, dass das folgende Merkmal hinzugefügt wurde:

"durch welche individuell gestaltete Bedienoberflächen auf der Verzahnmaschine hinterlegt werden können."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das folgende Merkmal eingefügt wurde:

"wobei ein Fenster eine Achsanzeige darstellt, die für eine konfigurierbare Anzahl der maschienengesteuerten [sic] CNC-Achsen Informationen ausgibt".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags III dadurch, dass das folgende Merkmal eingefügt wurde:

"wobei neben der Auswahl der anzuzeigenden Achsen auch die dargestellten Informationen bezüglich der ausgewählten Achsen variiert werden können, wobei der aktuelle Istwert und der geplante Restweg für die Verzahnbearbeitung ausgegeben werden können".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags III dadurch, dass das folgende Merkmal eingefügt wurde:

"wobei ein Tippen auf eine Kopfleiste des Fensters eine automatische Flippbewegung auslöst, durch welche eine Fensterrückseite mit Auswahlschaltern eingeblendet wird, welche die individuelle Auswahl einzelner Achsen für die Einblendung in der Fenstervorderseite ermöglichen".

Der Wortlaut des Anspruchs 1 der übrigen Hilfsanträge ist für die Entscheidung unerheblich.

Entscheidungsgründe

1. Das Streitpatent betrifft eine eine Verzahnmaschine mit einem Multi-Touch-Screen. Die Eingabe von Steuerbefehlen mittels Multifingergesten erlaubt eine komfortable Bedienung der Verzahnmaschine.

2. Hauptantrag

2.1 Neuheit (Artikel 54(1) EPÜ)

Die Einspruchsabteilung kam in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments E1 hinsichtlich der technischen Merkmale M2/Multi-touch und M5 unterscheide. Daneben wurde offengelassen, ob die Merkmale M3, M3.1, M3.2 und M4 offenbart seien, da diese keinen technischen Beitrag leisteten und daher bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen seien.

Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass Dokument E1 die Merkmalsgruppen M2 bis M5 nicht offenbare.

Die Kammer stimmt dem weitgehend zu, merkt jedoch an dass ein Teilaspekt des Merkmals M3.2 in Dokument E1 offenbart ist.

Die Beschwerdegegnerin ging nicht gesondert auf die Frage der Neuheit gegenüber Dokument E1 ein.

Der Analyse in der angefochtenen Entscheidung weitgehend folgend stellt die Kammer fest, dass Dokument E1 die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 offenbart (die Verweise in Klammern beziehen sich auf dieses Dokument; nicht offenbarte Merkmale sind durchgestrichen):

M1 Verzahnmaschine mit einer Maschinensteuerung (siehe Seite 7, Absatz "Hobbing"), sowie wenigstens einem Display zur Anzeige maschinenrelevanter Parameter (siehe Seite 17, Absatz "Custom screen development"),

M2 wobei das Display [deleted: multi]touchfähig ist und eine Bedienereingabe zur Steuerung der Verzahnmaschine mittels [deleted: Multi]fingergesten über das Display ermöglicht (siehe Seite 17, Figuren im Absatz "Custom screen development" und Seite 20, rechte Spalte),

dadurch gekennzeichnet, dass

M3 [deleted: die Displaydarstellung in ein oder mehrere Fenster (20) unterteilt ist],

M3.1 [deleted: jedes Fenster (20) eine bestimmte Anzahl an maschinenrelevanten Parametern darstellt],

M3.2 und [deleted: jedes Fenster (20) hinsichtlich der Fenstergröße und Art und/oder] Umfang der dargestellten maschinenrelevanten Parameter [deleted: über das Touchdisplay] individuell konfigurierbar ist (siehe Seite 17, Absatz "Custom screen development" bzw. "Screen design tool") und

[deleted: dadurch gekennzeichnet, dass]

M4[deleted: die Verzahnmaschine Mittel für eine benutzerabhhängige Displaydarstellung eines oder mehrerer maschinenrelevanter Parameter]

[deleted: M5][deleted: und Mittel zur Bedienererkennung und/oder Bedienerverifizierung und/oder Bedienerauthentifizierung aufweist.]

Aufgrund dieser Erwägungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 ist.

2.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

2.2.1 In der angefochtenen Entscheidung wurden von der Einspruchsabteilung die Merkmale M3, M3.1, M3.2 und M4 nicht berücksichtigt, da diese keinen technischen Beitrag aufwiesen. Sie trügen lediglich dazu bei, maschinenrelevante Parameter benutzerabhängig nach subjektiven Präferenzen darzustellen und setzten keine geführte Mensch-Maschine-Interaktion um. Infolgedessen könnten diese Merkmale nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit stützen. Das Merkmal M2/Multi-touch könne keine erfinderische Tätigkeit begründen, da multi-touchfähige Displays allgemein bekannt gewesen seien, z.B. bei Mobiltelefonen. Auch die Merkmale der Merkmalsgruppe M5 seien allgemein bekannt gewesen und könnten daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1.

Außerdem kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Offenbarung des Dokuments E8 beruhe, welches - abgesehen von einer Verzahnmaschine - alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare.

2.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Unterschiedsmerkmale die technische Aufgabe lösten, die Bedienbarkeit der Verzahnmaschine zu verbessern. Insbesondere sei Merkmal M2/Multi-touch nicht naheliegend, da sich Displays von Mobiltelefonen nicht im Bereich von Verzahnmaschinen einsetzen ließen. Überdies hätte der Fachmann die Verwendung von Multi-touch Displays nicht in Erwägung gezogen, da bei den in Dokument E1 offenbarten Anwendungsfällen (Tastenfeld) ein solches Display keinen Vorteil gebracht hätte.

Die Merkmale M3 - M4 beträfen nicht die bloße Anzeige, sondern Art und Umfang der dargestellten technischen Informationen ("maschinenrelevante Parameter"), so dass die Grundsätze der Entscheidung T 1567/05 und der entsprechenden Passage der Prüfungs­richtlinien im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien. Bei den maschinenrelevanten Parametern handle es sich nicht um persönliche Präferenzen, da Art und Umfang der dargestellten Parameter an die Nutzerrollen und deren technische Aufgaben angepasst seien. Dadurch würde es dem Nutzer ermöglicht, das technische System richtig zu bedienen. Da die Einstellung der Maschine vom Hersteller vorgenommen würde, werde der von der Einspruchsabteilung angenommene Effekt (Einsparung eines PC beim Nutzer) auch nicht erreicht. Vielmehr bewirkten diese Merkmale, dass der Nutzer Art und Umfang der dargestellten Parameter selbst einstellen könne, was bislang nicht vorgesehen und in Dokument E1 auch nicht offenbart sei. Daher könne es auch nicht eine übliche Maßnahme darstellen, die Konfiguration direkt an der Maschine statt über einen PC vorzunehmen.

Ferner hätte der Fachmann zur Verbesserung einer Verzahnmaschine nicht die Offenbarung des Dokuments E8 in Erwägung gezogen. Dieses beschäftige sich mit dem Problem, die verschiedenen Anzeigen einzelner Komponenten einer Druckstrasse durch eine einheitliche, individualisierte Darstellung zu ersetzen (siehe Absatz [0008] darin). Es sei nicht ersichtlich, wie dieses Konzept im Bereich von Verzahnmaschinen umgesetzt werden könne, da dies Eingriffe in die Steuerung erfordere. Um die Bedienung einer Verzahnmaschine zu verbessern, hätte der Fachmann stattdessen nach einer Offenbarung aus dem Bereich der Werkzeugmaschinen gesucht.

2.2.3 Die Beschwerde­gegnerin argumentierte, dass das Merkmal M2/Multi-touch bereits aus Dokument E2, welches aus dem gleichen technischen Gebiet stamme, bekannt sei. Überdies lege der Anspruch lediglich fest, dass das multi-touchfähige Display "eine Bedienereingabe ... mittels Multifingergesten" erlaube, was der üblichen Verwendung eines Multi-touch Displays entspreche und daher naheliegend sei.

Hinsichtlich der Merkmale M3 - M4 brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die beanspruchte "benutzerabhhängige Displaydarstellung" auch nur individuelle Nutzerpräferenzen umfassen könne, beispielsweise die Fenstergröße. Auch seien die "maschinenrelevanten Parameter" nicht weiter festgelegt, so dass diese auch andere Parameter umfassen könnten als nur interne Zustände der Verzahnmaschine. Insbesondere könne das Merkmal M3.2 lediglich das "Wegschalten" subjektiv nicht erforderlicher Parameter umfassen und daher keine technische Wirkung nach objektiven Maßstäben entfalten. Hinsichtlich des von der Einspruchsabteilung festgestellten technischen Effekts betonte die Beschwerdegegnerin, dass die Ansprüche auf eine Verzahnmaschine gerichtet seien. Diese würde beim Hersteller zusammengebaut und dann unter Verwendung eines PC konfiguriert, so dass der vorgetragene technische Effekt (Einsparen des PC) bereits hier auftrete.

Zur Kombination der Offenbarungen der Dokumente E1 und E8 merkte die Beschwerdegegnerin an, dass Anspruch 1 keine Verknüpfung zwischen der Anzeige und der tatsächlichen Maschinensteuerung enthalte. Der Fachmann könne daher die in Dokument E8 offenbarte Anzeige von Parametern der industriellen Fertigungsmaschinen an die Verzahnmaschine anpassen, ohne dass Änderungen an der Maschinensteuerung erforderlich wären.

2.2.4 Die Kammer stellt fest, dass sich dem Fachmann, ausgehend vom Dokument E1 als nächstliegendem Stand der Technik, die technische Aufgabe stellt, die Bedienbarkeit der Verzahnmaschine zu verbessern. Da der Anspruchswortlaut keine funktionale Verknüpfung der Bedienoberfläche mit der Verzahnmaschine spezifiziert, bieten sich dem Fachmann verschiedenartige Ansatzpunkte für Verbesserungen.

Einerseits waren dem Fachmann hinreichend robuste multi-touchfähige Displays als vielseitige Eingabemöglichkeit allgemein bekannt, beispielsweise aus Dokument E2. Folglich hätte der Fachmann in seinem steten Bestreben, die aus Dokument E1 bekannte Vorrichtung zu verbessern, nach Möglichkeiten gesucht, ein multi-touchfähiges Display in geeigneter Form einzusetzen. Er wäre somit ohne erfinderisches Zutun zum Unterschiedsmerkmal M2/Multi-touch gelangt. Daher kann dieses Unterschiedsmerkmal keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Andererseits stellt die Kammer fest, dass die Merkmale M3, M3.1 und M4 nur die Wiedergabe von Informationen betreffen, was gemäß Artikel 52(2)d) EPÜ nicht als Erfindung angesehen wird. Insbesondere ist die Anzeige maschinenrelevanter Parameter an sich aus Dokument E1 bekannt (siehe die zu Merkmal M1 zitierten Passagen). Die Unterschiedsmerkmale M3, M3.1 und M4 beziehen sich daher lediglich auf die Fensterdarstellung und den Umfang der dargestellten maschinenrelevanten Parameter, abhängig vom Benutzer. Da die Unterschiedsmerkmale M3, M3.1 und M4 folglich nur die Wiedergabe der Informationen gemäß den persönlichen Präferenzen des Nutzers betreffen, bewirken sie keinen technischen Effekt und können somit auch nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen. Insbesondere stellt der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Effekt ("Nutzerrollen") keinen technischen, sondern einen kognitiven Effekt dar. Aufgrund dieser Erwägungen sind die Grundsätze der - von der Beschwerdeführerin zitierten - Entscheidung T 1567/05 im vorliegenden Fall dennoch anwendbar.

Hinsichtlich des Unterschiedsmerkmals M3.2/Touchdisplay hält die Kammer das Argument der Beschwerdegegnerin für überzeugender. Da Anspruch 1 auf die Verzahnmaschine an sich gerichtet ist und keine einschlägige Einschränkung beinhaltet, kann die beanspruchte Konfiguration der Anzeige über das Touchdisplay auch beim Hersteller erfolgen. Somit tritt die technische Wirkung auf, den separaten PC einzusparen. Die objektive technische Aufgabe besteht somit darin, den in Dokument E1 gezeigten separaten PC einzusparen. Dokument E8, welches sich mit allgemeinen Industrieanwendungen befasst, offenbart das Unterschiedsmerkmal M3.2/Touchdisplay: "The expert will understand that the configuration module 80 ... can be arranged and executed on one or more other terminals 31-38", siehe Seite 6, rechte Spalte, Zeilen 1-5. Da dem Fachmann ersichtlich ist, dass dies die objektive Aufgabe löst, würde er dieses Merkmal, sofern es die Umstände erfordern, auch ohne erfinderisches Zutun in der aus Dokument E1 bekannten Verzahnmaschine implementieren. Daher leistet das Unterschiedsmerkmal M3.2/Touchdisplay keinen erfinderischen Beitrag.

Hinsichtlich des Unterschiedsmerkmals M5 ist die Kammer der Auffassung, dass dieses die Aufgabe löst, die Maschine gegen nicht autorisierte Nutzung zu sichern. Die in Merkmal M5 aufgezählten Mittel waren dafür zum Prioritätstag allgemein bekannt und gebräuchlich. Daher können diese keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Da die Unterschiedsmerkmale auf verschiedene technische Aspekte gerichtet sind und unabhängig voneinander implementiert werden können, stellen diese lediglich eine Aneinanderreihung (Juxtaposition) von Merkmalen dar. Insbesondere weisen die Merkmale M4 und M5 auch keine implizite funktionale Verknüpfung auf, da es für die benutzerabhängige Darstellung nicht zwingend erforderlich ist, dass die Maschine den Benutzer selbsttätig erkennt. Es ist somit ausreichend zu zeigen, dass jedes Merkmal naheliegend ist, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Gesamtheit der Merkmale naheliegend ist.

2.2.5 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente E1 und E8 ist.

2.3 Daher ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag I

Der vorliegende Hilfsantrag I ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hilfsantrag I.

Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das hinzugefügte Merkmal aus den Absätzen [0035] und [0046] des Dokuments E8 bekannt sei. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument E8.

Es wurde von Seiten der Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass das gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags hinzugefügte Merkmal in den genannten Passagen des Dokuments E8 offenbart ist. Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente E1 und E8 ist.

Folglich ist Hilfsantrag I nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag II

Der vorliegende Hilfsantrag II ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hilfsantrag II.

Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das hinzugefügte Merkmal aus Absatz [0046] des Dokuments E8 bekannt sei. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument E8.

Es wurde von Seiten der Beschwerde­führerin nicht bestritten, dass das hinzugefügte Merkmal (so wie auch das mit Hilfsantrag I hinzugefügte Merkmal) in den genannten Passagen des Dokuments E8 offenbart ist. Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente E1 und E8 ist.

Folglich ist Hilfsantrag II nicht gewährbar.

5. Hilfsantrag III

Der vorliegende Hilfsantrag III ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hilfsantrag III.

Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das hinzugefügte Merkmal keinen technischen Beitrag leiste. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument E1.

Die Beschwerdeführerin brachte demgegenüber vor, dass das hinzugefügte Merkmal es erlaube, die Anzeige an den jeweiligen Verzahnprozess anzupassen, indem nur jene Achsen angezeigt würden, welche hierfür von besonderer Bedeutung seien. Demgegenüber offenbare Dokument E8 lediglich allgemein, dass die angezeigten Parameter für eine bestimmte Maschine angepasst werden könnten. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht durch die Kombination der Dokumente E1 und E8 nahegelegt.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte hingegen, dass Dokument E1 auf Seite 17 (siehe der am 11. Juli 2019 eingereichte vergrößerte Auszug aus E1) zeige, dass die Displaydarstellung einer Maschine die Werte einzelner Maschinenachsen als wesentliche Parameter umfasse. Andererseits offenbare Dokument E8, dass dem Nutzer ausgewählte Parameter angezeigt würden ("visible ... selected", siehe [0013]), sowie dass diese Parameter sich auf die Fertigung bezögen ("production ... parameters", siehe [0079]). Im Übrigen lege der Anspruchswortlaut nicht fest, wie die Auswahl der darzustellenden Achsen erfolge. Der Gegenstand des Anspruchs 1 umfasse daher jegliche Achskonfigurationen, also auch solche, bei denen wichtige Achsen nicht dargestellt würden. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch gegenüber der Offenbarung der Dokumente E1 und E8.

Die Kammer stellt einerseits fest, dass die Anzeige von achsenbezogenen Informationen aus Dokument E1 bekannt ist ("X", "Y", "Z", siehe Seite 17). Andererseits ist in Dokument E8 - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - offenbart, nur ausgewählte Produktionsparameter anzuzeigen. Dies würde der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens auf die in Dokument E1 offenbarten achsbezogenen Informationen anwenden und so ohne erfinderisches Zutun zum hinzugefügten Merkmal gelangen. Die Kammer ist von den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, da die vorgetragene technische Wirkung nicht über die gesamte Breite des hinzugefügten Merkmals ableitbar ist. Insbesondere schränkt der Wortlaut des Anspruchs 1 die anzuzeigenden Achskonfigurationen nicht näher ein. Daher stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus diesen und den für Anspruch 1 des Hauptantrags genannten Gründen nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente E1 und E8 sowie allgemeinem Fachwissen ist.

Folglich ist Hilfsantrag III nicht gewährbar.

6. Hilfsantrag IV

Der vorliegende Hilfsantrag IV ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hilfsantrag IV.

Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das hinzugefügte Merkmal keinen technischen Beitrag leiste. Im Übrigen sei das hinzugefügte Merkmal aus Dokument E9 (siehe Seite "3/4", Bild oben links) bekannt. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hilfsantrags III nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit [gegenüber dem Dokument E1].

Die Beschwerdeführerin brachte demgegenüber vor, dass es dem Bediener durch das hinzugefügte Merkmal ermöglicht werde, die Anzeige noch genauer an die Verzahnaufgabe und die hierfür relevanten Parameter anzupassen. Die Merkmale "Istwert" und "Restweg" konkretisierten dabei die dargestellten Parameter. Da sich im Stand der Technik kein Hinweis auf die Auswahl genau dieser Parameter finde, könne das hinzugefügte Merkmal - ohne rückschauenden Betrachtung - nicht naheliegend sein.

Die Beschwerdegegnerin bemerkte, dass sich die Parameter "Istwert" und "Restweg" gemäß dem Anspruchswortlaut nicht auf die "dargestellten Informationen bezüglich der ausgewählten Achsen" bezögen, sondern auf die "Verzahnbearbeitung". Auch lasse es die Formulierung "ausgegeben werden können" offen, ob diese Werte tatsächlich ausgegeben würden. Im Übrigen liege die Einbeziehung dieser aus Dokument E9 (siehe Seite "3/4", Bild oben links) bekannten Parameter im Bereich des Fachüblichen. Daher leiste das hinzugefügte Merkmal keinen erfinderischen Beitrag.

Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Begriffe "Istwert" und "Restweg" einer Interpretation bedürfen. Einerseits legt der Anspruchswortlaut fest, dass sich "Istwert" und "Restweg" auf die "Verzahnbearbeitung" beziehen. Andererseits wird aber auch ein Bezug zu den "dargestellten Informationen bezüglich der ausgewählten Achsen" durch die Formulierung "wobei ... Istwert und ... Restweg ... ausgegeben werden können" hergestellt. Da dem Fachmann bekannt ist, dass jeder Achse ein "Istwert" und ein "Restweg" zugeordnet ist, interpretiert er den Wortlaut des hinzugefügten Merkmals dahingehend, dass die zu jeder ausgewählten Achse "dargestellten Informationen" den "Istwert" und "Restweg" bezüglich dieser Achse umfassen. Dieses Fachwissens ist sich der Fachmann aber auch bei der Rezeption der Offenbarung des Dokuments E9 bewusst, welches allgemein bekannte Merkmale der Bedienung von Werkzeugmaschinen zeigt. Dokument E9 offenbart auf Seite "3/4" die Funktionen: "Mitzeichnen der aktuellen Bearbeitung / Echtzeit-Simulation der aktuellen Bearbeitung". Dies interpretiert der Fachmann dahingehend, dass bei einer Maschine mit mehreren Achsen die Anzeige der aktuellen Bearbeitung ("Istwert") je Achse und die Simulation der aktuellen Bearbeitung ("Restweg") je Achse zu verstehen sind. Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 aus diesen und den für Anspruch 1 des Hilfsantrags III genannten Gründen nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Dokumente E1 und E8 sowie dem beispielsweise aus Dokument E9 bekannten allgemeinen Fachwissen.

Folglich ist Hilfsantrag IV nicht gewährbar.

7. Hilfsantrag V

Der vorliegende Hilfsantrag V ist gleich dem in der angefochtenen Entscheidung betrachteten Hilfsantrag V.

Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das hinzugefügte Merkmal eine Auswahl anzuzeigender Maschinenparameter erlaube. Es sei naheliegend, diese Auswahl an der Stelle des betreffenden Fensters anzuzeigen, da so keine anderen Fenster überdeckt würden. Da das hinzugefügte Merkmal keine Synergie mit den übrigen Unterschiedsmerkmalen aufweise, sei Anspruch 1 aus diesen und den bezüglich Hilfsantrag III genannten Gründen nicht erfinderisch gegenüber Dokument E1.

Die Beschwerdeführerin brachte demgegenüber vor, dass das hinzugefügte Merkmal durch Dokument E1 nicht nahegelegt sei, da in Dokument E1 keine Anpassung der Anzeige auf der Verzahnmaschine vorgesehen sei. Zudem offenbare Dokument E8 in den Abbildungen 2a und b sowie in Absatz [0013], dass Datenelemente für die Anzeige ausgewählt werden könnten, indem Elemente von einem Ort an einen anderen bewegt würden. Dies entspreche jedoch nicht der anspruchsgemäßen, einem Fenster zugeordneten Einstellmöglichkeit. Das hinzugefügte Merkmal vereinfache die Bedienung indem es erlaube, direkt von der Achsanzeige zu den Einstellmöglichkeiten zu gelangen. Der zitierte Stand der Technik offenbare das hinzugefügte Merkmal nicht und liefere auch keinen Hinweis darauf. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte demgegenüber, dass aufgrund der übrigen nicht-erfinderischen Merkmale des Anspruchs 1 klar sei, dass dem Bediener eine Änderungs- oder Konfigurationsmöglichkeit zu geben sei. Das Anspruchsmerkmal "Auswahlschalter" stelle lediglich eine sprachliche Wiedergabe eines dafür erforderlichen Merkmals dar. Außerdem würde für die Implementierung der Bedienoberfläche ein Software-Fachmann herangezogen. Für diesen stelle das hinzugefügte Merkmal eine übliche Maßnahme dar, so dass das hinzugefügte Merkmal nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen könne. Im Übrigen sei die Bedeutung der beanspruchten "Flippbewegung" nicht klar.

Die Kammer stellt zunächst fest, dass das hinzugefügte Merkmal eine auf die Verzahnmaschine adaptierte Bedienmöglichkeit je Achse ermöglicht. Das hinzugefügte Merkmal unterscheidet sich vom zitierten Stand der Technik zumindest dahingehend, dass in Reaktion auf ein Tippen auf einen Bereich die Auswahlschalter für die einzelnen Achsen eingeblendet werden. Dies bewirkt den technischen Effekt, dass eine Eingabemöglichkeit für die Auswahl der darzustellenden Achsen angeboten wird. Die sich daraus ergebende objektive technische Aufgabe kann darin gesehen werden, die Bedienung der Verzahnmaschine benutzerfreundlicher zu gestalten beziehungsweise zu vereinfachen. Durch die beanspruchte Lösung wird die Eingabemöglichkeit durch ein Tippen auf die Kopfleiste eingeblendet und so schneller erreicht. Darauf findet sich im zitierten Stand der Technik und insbesondere im Dokument E8 kein Hinweis. Der Fachmann wäre daher ausgehend vom zitierten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Folglich ist Hilfsantrag V gewährbar.

8. Die Beschwerde ist daher begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anweisung, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche des Hilfsantrags V, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, sowie der Beschreibung und der Figuren des erteilten Patents aufrecht zu erhalten.

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