T 2669/19 () of 29.6.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T266919.20230629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2023
Aktenzeichen: T 2669/19
Anmeldenummer: 11785321.8
IPC-Klasse: G07C 9/00
B60R 25/00
E05B 65/00
E05F 15/00
B60R 25/20
B60R 25/01
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SENSOREINHEIT ZUM BERÜHRUNGSLOSEN BETÄTIGEN EINER FAHRZEUGTÜR
Name des Anmelders: Brose Fahrzeugteile GmbH & Co.
Kommanditgesellschaft, Bamberg
Name des Einsprechenden: Huf Hülsbeck & Fürst GmbH & Co. KG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Patentanspruch - Klarheit nach Änderung (nicht zu prüfen)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 2633502 in geänderter Fassung gemäß dem damaligen ersten Hilfsantrag aufrechterhalten worden ist.

Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang und gestützt auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Folgende Dokumente wurden u.a. im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:

D2: DE 10 2008 063 366 A1

D3: WO 2012 052210 A1

E1: WO 2011 092341 A1.

III. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. die Auffassung, dass

- der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehe,

- der Anspruch 1 gemäß dem damaligen ersten Hilfsantrag klar sei (Artikel 84 EPÜ), und

- der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem damaligen ersten Hilfsantrag neu gegenüber den Druckschriften E1 und D3 (Artikel 54 (1) i.V.m. Artikel 54 (3) EPÜ) sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Druckschrift D2 beruhe (Artikel 56 EPÜ).

IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 29. Juni 2023 statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 11, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 27. März 2020, aufrechtzuerhalten.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

V. Die Ansprüche 1, 5, 8 und 9 gemäß Hauptantrag lauten wie folgt - wobei die von der Einspruchsabteilung und den Beteiligten verwendete Merkmalsgliederung 1. bis 1.7 der Merkmale des Anspruchs 1 durch die Kammer in eckigen Klammern hinzugefügt wurde:

"1. [1.] Sensoreinheit (2) zum berührungslosen Betätigen einer Fahrzeugtür (3) eines Fahrzeugs (1), [1.1] mit einem ersten Näherungssensor (20) und einem zweiten Näherungssensor (22), wobei

- [1.2 + 1.2.1] jeder der beiden Näherungssensoren (20, 22) ein sich im Wesentlichen in einer Y-Richtung (9) erstreckendes, längliches Detektionsfeld (21, 23) aufweist,

- [1.3 + 1.3.1] das Detektionsfeld (21) des ersten Näherungssensors (20) das Detektionsfeld (23) des zweiten Näherungssensors (22) in Y-Richtung (9) zumindest einseitig um einen Überstand (A) überragt, [1.3.2] wobei der Überstand (A) mindestens 5% und maximal 33% der Länge des ersten Näherungssensors (22) in Y-Richtung (9) beträgt, und

- [1.4] das Detektionsfeld (21) des ersten Näherungssensors (20) oberhalb des Detektionsfelds (23) des zweiten Näherungssensors (22) angeordnet ist,

und [1.5] mit einer Steuereinheit (24) zur Auswertung von Signalen (S1, S2) der Näherungssensoren (20, 22) und zur Ausgabe eines die Betätigung der Fahrzeugtür (3) veranlassenden Auslösesignals (Sa), [1.6] wobei die Steuereinheit (24) dazu ausgebildet ist, mindestens einen Zeitversatz (T1, T2) zwischen den jeweiligen Signalen (S1, S2) der beiden Näherungssensoren (20, 22) zu detektieren, und [1.7] das Auslösesignal (Sa) dann auszugeben, wenn der oder jeder detektierte Zeitversatz (T1, T2) ein vorgegebenes Auslösekriterium erfüllt."

"5. Sensoreinheit (2) nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Steuereinheit (24) dazu ausgebildet ist,

- einen ersten Zeitversatz (T1) zwischen den steigenden Flanken der jeweiligen Signale (S1, S2) der Näherungssensoren (20, 22) und einen zweiten Zeitversatz (T2) zwischen den fallenden Flanken der jeweiligen Signale (S1, S2) der Näherungssensoren (20, 22) zu detektieren,

- den ersten und zweiten Zeitversatz (T1, T2) mit jeweils zugeordneten Schwellwerten zu vergleichen, und

- das Auslösesignal (Sa) nur dann auszugeben, wenn die Steuereinheit (24) weder für den ersten Zeitversatz (T1) noch für den zweiten Zeitversatz (T2) eine Schwellwertüberschreitung feststellt."

"8. Verfahren für eine berührungslose Betätigung einer Fahrzeugtür (3) mittels einer Sensoreinheit (2) nach einem der Ansprüche 1 bis 6, bei welchem mindestens ein Zeitversatz (T1, T2) zwischen jeweiligen Signalen (S1, S2) der beiden Näherungssensoren (20, 22) detektiert wird, und bei welchem ein die Betätigung der Fahrzeugtür (3) veranlassendes Auslösesignal (Sa) dann ausgegeben wird, wenn der oder jeder detektierte Zeitversatz (T1, T2) ein vorgegebenes Auslösekriterium erfüllt."

"9. Verfahren nach Anspruch 8, bei welchem

- ein erster Zeitversatz (T1) zwischen den steigenden Flanken der jeweiligen Signale (S1, S2) der Näherungssensoren (20, 22) und ein zweiter Zeitversatz (T2) zwischen den fallenden Flanken der jeweiligen Signale (S1, S2) der Näherungssensoren (20,22) detektiert wird,

- der erste und zweite Zeitversatz (T, T2) mit jeweils zugeordneten Schwellwerten verglichen wird, und

- das Auslösesignal (Sa) nur dann ausgegeben wird, wenn weder für den ersten Zeitversatz (T1) noch für den zweiten Zeitversatz (T2) eine Schwellwertüberschreitung festgestellt wird."

Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6, die sich auf bevorzugte Ausführungen der Sensoreinheit gemäß Anspruch 1 richten, und den Anspruch 7, der sich auf ein Fahrzeug mit der Sensoreinheit nach dem Anspruch 1 richtet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag (der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende erste Hilfsantrag) - Artikel 123 (2) EPÜ

2.1 In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand der erteilten abhängigen Ansprüche 5 und 9 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100 c) EPÜ). Die Beschwerdeführerin hat diesen Einwand in Bezug auf die Merkmale der (unveränderten) abhängigen Ansprüche 5 und 9 gemäß dem geltenden Hauptantrag, wonach "die Steuereinheit (24) dazu ausgebildet ist [...] das Auslösesignal (Sa) nur dann auszugeben, wenn ..." bzw. "das Auslösesignal (Sa) nur dann ausgegeben wird, wenn ...", aufrechterhalten (Artikel 123 (2) EPÜ).

2.2 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass das entsprechende Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung in Bezug auf den damaligen ersten Hilfsantrag und geltenden Hauptantrag nicht mehr verfolgt worden sei.

Nach Auffassung der Kammer ist der Niederschrift über die erstinstanzliche mündliche Verhandlung (vgl. Nr. 2.1 bis 2.4) aber nicht zu entnehmen, dass dieser Einwand in Bezug auf den damaligen ersten Hilfsantrag von der Beschwerdeführerin nicht weiter verfolgt wurde. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (vgl. Nr. 5.2) heißt es zwar, dass im Rahmen der Diskussion des damaligen ersten Hilfsantrags und "[a]uf Nachfrage der Vorsitzenden [...] der Einsprechende keine Einwände unter R. 80 EPÜ oder Art. 123(2), Art. 123(3) EPÜ" vorgebracht hatte. Dies betrifft in seinem Kontext aus Sicht der Kammer aber nur die im Anspruch 1 gemäß dem damaligen ersten Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen, und nicht den zuvor in Bezug auf die erteilten abhängigen Ansprüche 5 und 9 diskutierten Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ.

Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin diesen Einwand in Bezug auf den geltenden Hauptantrag während des erstinstanzlichen Verfahrens nicht fallengelassen hat, sodass der Einwand im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.

2.3 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass in dem abhängigen Anspruch 5 in der ursprünglich eingereichten Fassung das Auslösesignal "dann auszugeben [sei], wenn der oder jeder detektierte Zeitversatz [...] ein vorgegebenes Auslösekriterium" erfülle. Der Ausdruck "dann auszugeben" sei mehrdeutig, weil er als "genau dann, wenn" oder als "nur dann, wenn" verstanden werden könne. Der Passage der Beschreibung auf Seite 10, vorletzter und letzter Absatz, sei aber zu entnehmen, dass eine Ausgabe des Auslösesignals genau dann erfolge, wenn die Bedingung erfüllt werde, sodass die Bedingung eine hinreichende Bedingung darstelle. Der abhängige Anspruch 5 gemäß Hauptantrag ("[...] nur dann auszugeben, wenn [...]") verknüpfe die Signalauslösung jedoch mit einer lediglich notwendigen Bedingung. Außerdem sei die Ausführungsform auf Seite 11, Zeilen 17 bis 23, der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine weitere Ausführungsform des Verfahrens gemäß Anspruch 5, sondern eine alternative Erfindung, in der ein weiteres Auslösekriterium geprüft werde. Das Gleiche gelte für den abhängigen Anspruch 9 gemäß Hauptantrag.

2.3.1 Die Kammer weist darauf hin, dass die in den abhängigen Ansprüchen 5 und 9 definierte Auslösebedingung aufgrund des Ausdrucks "nur dann auszugeben, wenn" eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung darstellt, und dass die abhängigen Ansprüche 5 und 9 auf der Ausführungsform auf Seite 10, letzter Absatz, bis Seite 11, letzter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldung basieren. Während die entsprechende, in der genannten Ausführungsform definierte Auslösebedingung von der Beschwerdeführerin als eine notwendige und auch hinreichende Bedingung (d.h. als "dann und nur dann, wenn") ausgelegt wird, wird sie von der Beschwerdegegnerin als eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Bedingung (d.h. als "nur dann, wenn") ausgelegt.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die in der genannten Ausführungsform definierte Auslösebedingung nicht nur eine notwendige Bedingung (vgl. Seite 11, Zeilen 1 bis 3: "Wird dieses Auslösekriterium nicht erfüllt [...], gibt die Steuereinheit 24 das Auslösesignal Sa nicht aus."), sondern in ihrem Kontext auch eine hinreichende Bedingung darstellt (vgl. Seite 10, letzter Absatz: "Sofern die Steuereinheit 24 weder den Zeitversatz T1 noch für den Zeitversatz T2 eine Schwellwertüberschreitung feststellt, gibt sie ein Auslösesignal [...] aus"). Die Frage, ob die abhängigen Ansprüche 5 und 8 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 123 (2) EPÜ), hängt aber - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - nicht nur von der genannten Ausführungsform, sondern auch von dem gesamten Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung ab, wobei Ausdrücke wie "Sofern", "dann", usw. nicht nur sprachlich, sondern auch kontextbezogen auszulegen sind. In der allgemeinen Beschreibung der Erfindung in der ursprünglich eingereichten Anmeldung wird die in der genannten Ausführungsform angesprochene Auslösebedingung nur als eine notwendige - d.h. nicht unbedingt als eine hinreichende - Bedingung dargestellt (vgl. Seite 5, letzter Absatz: "[...] die Steuereinheit das Auslösesignal nur dann auslöst, wenn ..."). Dies wird dadurch bestätigt, dass die in der auf Seite 11, letzter Absatz, Zeilen 1 bis 7, der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarte Ausführungsform das Auslösesignal dann, und nur dann, auslöst, wenn noch eine zusätzliche Auslösebedingung erfüllt wird (vgl. Seite 11, Zeilen 21 bis 23: "[...] gibt die Steuereinheit 24 das Auslösesignal Sa hierbei nur dann aus, wenn zusätzlich die [auf Seite 11, Zeilen 17 bis 21 definierte] Zeitspanne T3 den zugehörigen Schwellwert unterschreitet."). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin stellt diese Ausführungsform keine alternative Erfindung, sondern eine besondere Ausführungsform der ursprünglich offenbarten Erfindung dar (vgl. Seite 11, Zeilen 17 bis 23: "Für eine weiter verbesserte Erkennung [...] erfasst die Steuereinheit 24 in optionaler Gestaltung zusätzlich die Zeitspanne T3 [...]. Im Rahmen eines verfeinerten Auslösekriteriums gibt die Steuereinheit 24 das Auslösesignal Sa hierbei nur dann aus, wenn zusätzlich die Zeitspanne T3 den zugehörigen Schwellwert unterschreitet.").

Der zuständige Fachmann wird daher verstehen, dass die Ausführungsform auf Seite 10, letzter Absatz, bis Seite 11, letzter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldung isoliert betrachtet zwar eine notwendige und hinreichende Auslösebedingung offenbart, aber dass angesichts der Gesamtoffenbarung der Anmeldung noch zusätzliche Auslösebedingungen in Betracht gezogen werden können, sodass die erwähnte Auslösebedingung - wie in den abhängigen Ansprüchen 5 und 9 gemäß Hauptantrag definiert, siehe "nur dann auszugeben, wenn ..." bzw. "nur dann ausgegeben wird, wenn ..." - auch als eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Bedingung verwendet werden kann.

Somit gehen die abhängigen Ansprüche 5 und 9, soweit sie eine Verallgemeinerung der Ausführungsform auf Seite 10, letzter Absatz, bis Seite 11, letzter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldung darstellen, aus Sicht der Kammer unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor.

2.3.2 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die abhängigen Ansprüche 5 und 9 des Hauptantrags nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 123 (2) EPÜ).

3. Hauptantrag - Artikel 84 EPÜ

3.1 In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass das im Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal, wonach "der Überstand (A) mindestens 5% und maximal 33% der Länge des ersten Näherungssensors (22) in Y-Richtung (9) beträgt", in Bezug auf das weitere Merkmal des Anspruchs, wonach "zumindest einseitig um einen Überstand (A) überragt", klar sei (Artikel 84 EPÜ).

Die Beschwerdeführerin hat den Einwand mangelnder Klarheit aufrechterhalten und im Wesentlichen vorgetragen, dass es aus der Formulierung des Anspruchs 1 nicht klar hervorgehe, ob der Wert "mindestens 5% und maximal 33% der Länge", insbesondere der Wert "maximal 33% der Länge", sich auf den Gesamtüberstand oder auf den Überstand jeweils auf einer Seite des Detektionsfelds des ersten Näherungssensors beziehe.

Die Beschwerdegegnerin hat unter Verweis auf die Entscheidung G 3/14 (ABl. EPA, 2015, A102) geltend gemacht, dass sowohl der Begriff "Überstand" als auch eine Bereichsgrenze für den Überstand bereits im erteilten Anspruch 1 und in dem erteilten abhängigen Anspruch 3 enthalten seien, sodass die von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitsproblematik im erteilten Patent bereits vorhanden sei. Jedenfalls entnehme der Fachmann bereits aus dem Anspruchswortlaut die Bedeutung der angesprochenen Merkmale.

3.2 In der Entscheidung G 3/14 (vgl. Entscheidungsformel) wurde ausgeführt, dass "[b]ei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, [...] die Ansprüche des Patents nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden [können], sofern - und dann auch nur soweit - diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt".

Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin erhobenen Klarheitsmangels weist die Kammer darauf hin, dass sowohl der Überstand als auch der Längenbereich des Überstands bereits im erteilten Anspruch 1 ("das Detektionsfeld (21) des ersten Näherungssensors (20) das Detektionsfeld (23) des zweiten Näherungssensors (22) in Y-Richtung (9) zumindest einseitig um einen Überstand (A) überragt") und in dem erteilten abhängigen Anspruch 3 ("der Überstand (A) mindestens 5% [...] der Länge des ersten Näherungssensors (22) in Y-Richtung (9) beträgt") definiert worden sind. Daher ist eine denkbare Unklarheit betreffend die Frage, ob bei einer Sensoreinheit, in der das Detektionsfeld des ersten Näherungssensors das Detektionsfeld des zweiten Näherungssensors in Y-Richtung beidseitig überragt, die Länge bzw. der Längenbereich des Überstands sich auf den Gesamtüberstand oder auf den Überstand jeweils auf einer Seite bezieht, bereits in den erteilten Ansprüchen vorhanden. Insbesondere basiert der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zwar auf einer Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit der im erteilten abhängigen Anspruch 3 definierten Untergrenze des Längenbereichs des Überstands ("mindestens 5%") und mit der aus der Beschreibung entnommenen Obergrenze des Längenbereichs des Überstands ("maximal 33%"). Der von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitseinwand betreffend die Obergrenze ergibt sich aber nicht erst durch Aufnahme der Obergrenze des Längenbereichs aus der Beschreibung.

Die Beschwerdeführerin hat in dieser Hinsicht im Wesentlichen vorgetragen, dass mit dem aus der Beschreibung entnommenen beanspruchten Merkmal, wonach "zumindest einseitig [...] (ein) Überstand (A) [...] (von) maximal 33%" vorliege, nicht nur ein bestehender Klarheitsmangel offengelegt sei. Vielmehr bestehe darüber hinausgehend die Unklarheit darin, dass ein Maximum des Überstands des ersten Näherungssensors in anderer Weise von der Länge des zweiten Näherungssensors abhängig sei, als es das Minimum des Überstands sei. Während bei dem Minimum des Überstands z.B. sowohl ein einseitiger Überstand von 5% als auch ein jeweils einseitiger Überstand von 5% das beanspruchte Merkmal erfülle, setze nur das beanspruchte Merkmal betreffend das Maximum eine Abhängigkeit von der Länge des zweiten Näherungssensors voraus, die bei der Bereitstellung eines Überstands als solchem und bei der Bereitstellung eines Überstands mit dem beanspruchten Minimalwert von 5% nicht beachtet werden müsse. Die Unklarheit betreffend die beanspruchte Obergrenze sei daher unabhängig von der Unklarheit betreffend die beanspruchte Untergrenze.

Dieser Argumentation kann die Kammer aber nicht folgen. Die Frage, ob z.B. bei einem Überstand von 33% auf einem Ende und einem Überstand von 33% auf dem anderen Ende des ersten Näherungssensors die beanspruchte Bedingung erfüllt wird, stellt sich bereits in analoger Weise bei dem erteilten abhängigen Anspruch 3, z.B. bei der Frage, ob bei einem Überstand von 2.5% auf einem Ende und einem Überstand von 2.5% auf dem anderen Ende des ersten Näherungssensors die beanspruchte Bedingung erfüllt wird. Außerdem ergeben sich alle diese Fragen unmittelbar aus der oben gestellten grundsätzlichen Frage, ob bei einer Sensoreinheit, in der das Detektionsfeld des ersten Näherungssensors das Detektionsfeld des zweiten Näherungssensors in Y-Richtung beidseitig überragt, die beanspruchte Länge bzw. der beanspruchte Längenbereich des Überstands sich auf den Gesamtüberstand oder auf den Überstand jeweils auf einer Seite bezieht. Somit stellt die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unklarheit betreffend die Obergrenze nur eine unmittelbare Folge dieser grundsätzlichen Frage und nicht eine neue, davon unabhängige Frage dar. Die Kammer weist in dieser Hinsicht darauf hin, dass die Entscheidung G 3/14 sich u.a. auf Klarheitsmängel bezieht, die vor einer Änderung nicht bestanden, sodass die Änderung das erstmalige Auftreten des Klarheitsmangels bewirkt (Nr. 27 der Entscheidungsgründe), und dass ein weitergehender Ansatz in dieser Hinsicht (Nr. 27 und 28 der Entscheidungsgründe) in dieser Entscheidung ausdrücklich abgelehnt wurde (Nr. 29 und 87 der Entscheidungsgründe).

3.3 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand der mangelnden Klarheit (Artikel 84 EPÜ) im Einklang mit der Entscheidung G 3/14 nicht geprüft werden kann.

4. Hauptantrag - Neuheit

4.1 Anspruch 1 - Neuheit gegenüber der Druckschrift D3

4.1.1 Die Druckschrift D3 stellt Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ dar. In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass die Sensoreinheit des Anspruchs 1 sich von der Sensoreinheit der Druckschrift D3 durch das Merkmal 1.4 unterscheide.

Die Beschwerdeführerin hat dieser Auffassung widersprochen und geltend gemacht, dass das Merkmal 1.4 in der Druckschrift D3 offenbart sei.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass die beanspruchte Sensoreinheit sich von der Sensoreinheit der Druckschrift D3 nicht nur durch das Merkmal 1.4, sondern auch durch die Merkmale 1.6 und 1.7 unterscheide.

4.1.2 Die Druckschrift D3 offenbart eine kapazitive Sensoranordnung zur Erfassung von Bewegungsgesten an einem Kraftfahrzeug mit zwei parallelen Sensorelektroden mit unterschiedlichen Längenabmessungen (Zusammenfassung und Fig. 1A, 1B und 2). Die Druckschrift offenbart

- die Überwachung, ob die längere oder die kürzere Elektrode als erste auf eine Zustandsänderung anspricht, wobei ein Auslösekommando nur dann generiert wird, wenn die kürzere Elektrode zuerst eine Zustandsänderung detektiert (Seite 5, Zeilen 12 bis 15, Seite 5, Zeile 33, bis Seite 6, Zeile 6, und Seite 10, Zeilen 28 bis 30) sowie

- die Auswertung der Signale, insbesondere der Signalstärke und der Signalfolge, der beiden Elektroden (Seite 5, Zeilen 10 bis 12, und Seite 10, Zeilen 28 bis 35).

Die Druckschrift D3 setzt voraus, dass eine Signalfolge bestehend aus einem ersten Signal von einer der beiden Elektroden und aus einem nachfolgenden zweiten Signal von der anderen Elektrode detektiert wird, wobei die Signalfolge implizit einen Zeitverlauf zwischen beiden Signalen aufweist. Unter der Annahme, dass die Detektion der Signalfolge einer Detektion dieses Zeitversatzes als solchem im Sinne des Anspruchs 1 (Merkmal 1.6) gleichkommt, ist eine Auswertung des Zeitversatzes hinsichtlich der Erfüllung eines vorgegebenen Auslösekriteriums (Merkmal 1.7) der Druckschrift D3 aus Sicht der Kammer - und entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - weder unmittelbar noch eindeutig entnehmbar. Insbesondere kann die in der Druckschrift E3 offenbarte Überwachung, ob das erste Signal von der längeren oder von der kürzeren Elektrode generiert wird, zwar - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung ausgeführt - durch eine Auswertung des Zeitversatzes zwischen den Signalen der längeren und der kürzeren Elektrode durchgeführt werden. Eine solche Überwachung kann aber - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - auch durch andere Methoden geschehen, z.B. durch eine unmittelbare Detektion, ob das erste detektierte Signal von der längeren oder von der kürzeren Elektrode generiert wird, d.h. ohne dass dabei bestimmt wird, ob der Zeitversatz zwischen den Signalen ein vorgegebenes Kriterium erfüllt. Anspruch 1 lässt - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - zwar offen, wie der Zeitversatz bestimmt bzw. gemessen wird und welches Auslösekriterium verwendet wird. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass die bloße Überwachung, ob das erste Signal von der längeren oder von der kürzeren Elektrode generiert wird, nicht mit einer Überwachung, ob der Zeitversatz zwischen den Signalen als solcher ein vorgegebenes Kriterium erfüllt, gleichgestellt werden kann.

Aus diesem Grund ist die Kammer der Auffassung, dass zumindest das Merkmal 1.7 der Druckschrift D3 nicht unmittelbar und eindeutig entnehmbar ist - wobei dahingestellt bleiben kann, ob die weiteren Merkmale 1.4 und 1.6 des Anspruchs 1 in der Druckschrift D3 offenbart sind.

4.1.3 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift D3 ist (Artikel 54 (1) i.V.m. 54 (3) EPÜ).

4.2 Anspruch 1 - Neuheit gegenüber der Druckschrift E1

4.2.1 Die Druckschrift E1 stellt Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ dar. Die Einspruchsabteilung hat die Auffassung vertreten, dass die Sensoreinheit des Anspruchs 1 sich von der Sensoreinheit der Druckschrift E1 nur durch das Merkmal 1.3.2 unterscheide.

Die Beschwerdeführerin hat dieser Auffassung widersprochen und im Wesentlichen geltend gemacht, dass es sich bei dem Merkmal 1.3.2 nicht um ein technisches Merkmal handelt, dass das Merkmal nicht neu sei und dass es sich jedenfalls um eine naheliegende Auswahl aus einem engen Bereich handele.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass die beanspruchte Sensoreinheit sich von der Sensoreinheit der Druckschrift E1 nicht nur durch das Merkmal 1.3.2, sondern auch durch das Merkmal 1.3.1 (insbesondere durch den Teil des Merkmals "[...] um einen Überstand (A) überragt") und die Merkmale 1.6 und 1.7 unterscheide.

4.2.2 Die Druckschrift E1 offenbart eine Sensoranordnung zur Erfassung von Bewegungsgesten an einem Kraftfahrzeug mit zwei Sensoren (Sensoren 11 und 12), die sich in einer Richtung parallel zueinander erstrecken (Fig. 1a, 1b, 2 und 3 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung). Die Fig. 3 zeigt die Anordnung der Sensoren 11 und 12 innerhalb des hinteren Stoßfängers eines Fahrzeugs (Seite 11, zweiter Absatz), und das Vorbringen der Beschwerdeführerin setzt voraus, dass in der Anordnung der Fig. 3 das Detektionsfeld des Sensors 11 das Detektionsfeld des Sensors 12 um einen Überstand überragt.

Die Kammer bemerkt, dass Fig. 3 der Druckschrift E1 zwar die Sensoranordnung "in einer Draufsicht" zeigt (Seite 11, zweiter Absatz) und dass der untere Sensor in der Fig. 3 zwar kleiner als der obere Sensor aussieht. Die Darstellung der Fig. 3 zeigt aber - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - nur eine schematische Draufsicht der Sensoren 11 und 12 innerhalb eines hinteren Stoßfängers eines Fahrzeugs aus einer nicht eindeutig erkennbaren und unter Umständen verzerrenden Perspektive. Aus Sicht der Kammer würde der einschlägige Fachmann aus der rein schematischen Darstellung der Fig. 3 der Druckschrift E1 allein - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht und entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht unmittelbar und eindeutig herleiten, dass der Sensor 11 den Sensor 12 um einen Überstand überragt. Insbesondere ist eine Auslegung der schematischen Darstellung der Fig. 3 mit zwei Sensoren unterschiedlicher Länge weder durch die übrige Offenbarung der Druckschrift E1 (siehe z.B. die Passage auf Seite 11, zweiter Absatz: "[...] sich die Sensoren 11 und 12 etwa über die gesamte Breite des Stoßfängers 16 hinweg erstrecken können", die sich auf der Darstellung der Fig. 3 bezieht, und die in der Fig. 1b dargestellte Sensoranordnung mit zwei Sensoren 11 und 12 gleicher Länge) noch durch irgendeine technische Bedeutung eines solchen Längenunterschiedes im technischen Kontext der Druckschrift E1 gestützt.

Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass das beanspruchte Merkmal, wonach das Detektionsfeld des ersten Näherungssensors das Detektionsfeld des zweiten Näherungssensors in einer Richtung "zumindest einseitig um einen Überstand (A) überragt" (Merkmale 1.3 und 1.3.1) der Druckschrift E1 - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin - nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" EPA, zehnte Auflage 2022, I.C.4.6, erster und sechster Absätze).

4.2.3 Außerdem ist die Kammer der Auffassung, dass, selbst unter der Annahme, dass der Fachmann die Merkmale 1.3 und 1.3.1 aus der Fig. 3 Druckschrift E1 unmittelbar und eindeutig herleiten würde, das Merkmal 1.3.2 der Druckschrift E1 - wie von der Einspruchsabteilung entschieden - nicht entnehmbar ist. Die Kammer weist in dieser Hinsicht auf Folgendes hin:

- Aus der rein schematischen Darstellung der Fig. 3 der Druckschrift lässt sich kein spezifischer Wert der Länge eines solchen Überstands ableiten, so dass die Fig. 3 allein den im Merkmal 1.3.2 angegebenen Längenbereich 5 bis 33% nicht vorwegnimmt (vgl. Rechtsprechung, I.C.4.6, zweiter, dritter und sechster Absatz).

- Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach es sich bei dem Merkmal 1.3.2 nicht um ein technisches Merkmal handele, weil kein erkennbarer technischer Effekt mit dem Merkmal verknüpft sei, ist aus Sicht der Kammer auch nicht überzeugend. Das Merkmal 1.3.2 definiert den Längenbereich des im Anspruch 1 definierten Überstandes, und der Überstand stellt eines der wesentlichen technischen Merkmale der beanspruchten Sensoreinheit dar, sodass das Merkmal 1.3.2 seiner Natur nach ein strukturelles technisches Merkmal der beanspruchten Sensoreinheit darstellt - und zwar unabhängig davon, ob dieses Merkmal einen und ggf. welchen konkreten technischen Effekt bewirkt. Denn diese Frage betrifft ihrer Natur nach die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und nicht der Neuheit.

- Den weiteren Argumenten der Beschwerdegegnerin basierend auf den Kriterien für Auswahlerfindungen kann die Kammer ebenso wenig folgen. Die beiden ersten Voraussetzungen, die an Auswahlerfindungen gestellt werden (d.h., dass der ausgewählte Teilbereich in Bezug auf den größeren bekannten Bereich eng sein muss und er genügend Abstand von dem bekannten Bereich haben muss) erfordern, dass der bekannte Bereich eine konkrete Größe bzw. eine konkrete Ober- bzw. Untergrenze aufweist. In der Fig. 3 der Druckschrift E1 wird aber - wenn überhaupt - ein Überstand mit einer nicht klar und eindeutig definierten Länge offenbart. Der Druckschrift E1 ist daher kein Bereich - geschweige denn ein konkreter Bereich - für die Länge des Überstands zu entnehmen, mit dem der beanspruchte Bereich verglichen werden könnte. Daher sind bereits aus diesen Gründen die Kriterien für eine Auswahlerfindung im vorliegenden Fall nicht anwendbar und stellt der beanspruchte Bereich keine Auswahl dar, sondern vielmehr die Definition bzw. Konkretisierung eines in der Druckschrift E1 nicht thematisierten Bereichs. Außerdem betreffen die Argumente der Beschwerdeführerin im Wesentlichen die dritte Voraussetzung (d.h., dass der ausgewählte Bereich kein willkürlich gewählter Ausschnitt aus dem bekannten Bereich sein darf, sondern eine gezielte Auswahl sein muss, der zu einer neuen Erfindung führt). Diese Voraussetzung ist aber nicht als allgemein gültig anerkannt (vgl. Rechtsprechung, I.C.6.3.1, zweiter, vierter und fünfter Absatz), und die Kammer erkennt sie ebenfalls nicht an.

- Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, wonach es sich bei dem Merkmal 1.3.2, selbst wenn es technisch wäre, um eine naheliegende Auswahl aus einem engen Bereich handeln würde, kann nicht berücksichtigt werden, weil es sich bei dem Argument nicht um die Frage der Neuheit, sondern um die Frage der erfinderischen Tätigkeit handelt, und die Druckschrift E1 Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ darstellt und sie bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit daher nicht in Betracht gezogen werden kann (Artikel 56 EPÜ, zweiter Absatz).

4.2.4 Die Kammer ist nach alledem der Auffassung, dass die Sensoreinheit gemäß Anspruch 1 sich von der Sensoreinheit der Druckschrift E1 zumindest durch die Merkmale 1.3, 1.3.1 und 1.3.2 unterscheidet.

4.2.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift E1 ist (Artikel 54 (1) i.V.m. Artikel 54 (3) EPÜ).

4.3 Anspruch 1 - Neuheit gegenüber der Druckschrift D2

4.3.1 Die Offenbarung der Druckschrift D2 ist der Offenbarung der Druckschrift E1 sehr ähnlich. Insbesondere ist die Fig. 3 der Druckschrift D2 identisch mit der Fig. 3 der Druckschrift E1, und die Druckschrift D2 offenbart ebenfalls, dass "[...] sich die Kapazitätssensoren 11 und 12 etwa über der gesamten Breite des Stoßfängers 16 hinweg erstrecken können" (Absatz [0034]).

Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer haben die Beteiligten erklärt, dass aufgrund der Ähnlichkeit der Offenbarung der Druckschriften D2 und E1 ihre jeweiligen Vorbringen in Bezug auf der Druckschrift E1 auch in Bezug auf die Druckschrift D2 gelten.

Die oben unter Nr. 4.2.2 bis 4.2.4 dargestellten Überlegungen der Kammer hinsichtlich der Frage der Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift E1 gelten nach alledem auch hinsichtlich der Frage der Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D2.

4.3.2 Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die Sensoreinheit gemäß Anspruch 1 sich von der Sensoreinheit der Druckschrift D2 zumindest durch die Merkmale 1.3, 1.3.1 und 1.3.2 unterscheidet und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift D2 ist (Artikel 54(1) i.V.m. Artikel 54 (2) EPÜ).

4.4 Ansprüche 2 bis 9 - Neuheit gegenüber den Druckschriften E1, D2 und D3

Anspruch 8 ist auf ein "Verfahren für eine berührungslose Betätigung einer Fahrzeugtür (3) mittels einer Sensoreinheit (2) nach einem der Ansprüche 1 bis 6, bei welchem [...]" gerichtet, sodass die Verwendung der Sensoreinheit gemäß Anspruch 1 Bestandteil des Verfahrens ist. Anspruch 7 richtet sich auf ein Fahrzeug mit der Sensoreinheit nach dem Anspruch 1. Somit sind der Gegenstand der Ansprüche 7 und 8 und der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 6 und 9 ebenfalls neu gegenüber einer jeden der Druckschriften E1, D2 und D3 (Artikel 52 (1) EPÜ).

5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - Druckschrift D2 als nächstkommender Stand der Technik

5.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Druckschrift D2 als nächstkommendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

5.2 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung in Bezug auf das Unterscheidungsmerkmal, wonach das Detektionsfeld des ersten Näherungssensors das Detektionsfeld des zweiten Näherungssensors in einer Richtung "zumindest einseitig um einen Überstand (A) überragt" (Merkmale 1.3 und 1.3.1, siehe Nr. 4.3.2 oben), vorgebracht, dass der Fachmann aus der Fig. 3 der Druckschrift D2 herleiten würde, dass der Sensor 11 den Sensor 12 seitlich überragen könne. Der Fachmann würde daher in Betracht ziehen, eine solche Anordnung auszuprobieren. In Bezug auf das Merkmal 1.3.2 hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass in der Patentschrift allenfalls eine verbesserte Erkennung für den Minimalüberstand von 5% behauptet werde und dass die obere Grenze von 33% eine willkürlich gewählte Grenze darstelle. Außerdem könne der Wert 5% nur als naheliegend angesehen werden, weil ein gewisser Mindestüberstand bereits aus technischen Gründen unvermeidbar sei.

5.2.1 Den Argumenten der Beschwerdeführerin kann die Kammer nicht folgen. Wie oben unter Nr. 4.2.2 in Bezug auf Fig. 3 der Druckschrift E1 bereits ausgeführt, sieht der Sensor 12 der in der identischen Fig. 3 der Druckschrift D2 (vgl. Nr. 4.3.1 oben) dargestellten Sensoranordnung zwar kleiner als der Sensor 11 aus, der Fachmann würde aber weder der schematischen Darstellung der Fig. 3 allein noch dem Gesamtinhalt der Druckschrift D2 unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass der Sensor 11 den Sensor 12 um einen Überstand überragt. Außerdem ist der Druckschrift D2 - ähnlich wie bei der Druckschrift E1, siehe Nr. 4.2.2 oben, zweiter Absatz, i.V.m. Nr. 4.3.1 - nicht entnehmbar, dass irgendeinem Unterschied in der Länge der Sensoren eine technische Bedeutung zugeschrieben werden könnte. In diesem technischen Kontext hätte der Fachmann keine Veranlassung, eine Sensoranordnung mit zwei Sensoren unterschiedlicher Länge in Betracht zu ziehen, geschweige denn, ohne jegliche konkrete Erwartung eines technischen Vorteils eine solche Sensoranordnung zu implementieren und auszuprobieren.

Und selbst unter der Annahme, dass ein solcher Überstand der Druckschrift D2 unmittelbar und eindeutig entnehmbar wäre, würde die beanspruchte Länge des Überstands im Bereich von 5 bis 33% (Merkmal 1.3.2) im Vergleich mit der Sensoreinheit der Druckschrift D2 - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - zu einer verbesserten Auswertung der von den beiden Näherungssensoren erzeugten Signale und somit zu einer präziseren Erkennung von verschiedenartigen Bewegungen - insbesondere von in Y-Richtung verlaufenden und von in einer orthogonalen Richtung verlaufenden Bewegungen -, führen, insbesondere hinsichtlich der Art der den Signalverlauf hervorrufenden Bewegung (Patentschrift, Absätze [0011] und [0013]; siehe auch Fig. 3 und 4 i.V.m. den Absätzen [0029] bis [[0035]), und zwar bei allen Werten der Länge des Überstands innerhalb des beanspruchten Bereichs 5 bis 33%. Daher kann der beanspruchte Bereich der Länge des Überstands - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht als technisch willkürlich angesehen werden. Außerdem ergibt sich aus der Druckschrift D2 - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht - kein Hinweis, dass eine solche Länge des Überstands bei der Erkennung von Bewegungen nutzbar sein könnte. Dasselbe gilt - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt - für die übrigen verfügbaren Entgegenhaltungen.

5.3 Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die Sensoreinheit gemäß dem Anspruch 1 bereits aufgrund der Merkmale 1.3, 1.3.1 und 1.3.2 auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Druckschrift D2 als nächstkommendem Stand der Technik beruht (Artikel 56 EPÜ). Gleiches gilt für den Gegenstand der Ansprüche 2 bis 9 (vgl. Nr. 4.4 oben).

6. Angesichts der oben aufgeführten Überlegungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem geltenden Hauptantrag - wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt - nach Artikel 101 (3) a) EPÜ aufrechterhalten werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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