European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T259619.20220704 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Juli 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2596/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 13182658.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01D 78/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Heuwerbungsmaschine | ||||||||
Name des Anmelders: | CLAAS Saulgau GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Maschinenfabrik Bernard Krone GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit des Einspruchs - Substantiierung des Einspruchs (ja) Erfinderische Tätigkeit - (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens - Beschwerdevorbringen ist auf Einwände gerichtet die Entscheidung zugrunde liegen (nein) Änderung des Vorbringens - Voraussetzungen des Art. 12 (2) VOBK 2020 erfüllt (nein) Änderung des Vorbringens - Änderung zugelassen (nein) Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein) Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 705 744 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgende Entgegenhaltung zitiert:
D1: EP 1 013 159 A2
III. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
IV. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt die Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, weiter hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrages, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 13. Januar 2022 als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 4. Juli 2022 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (erteilte Fassung)
"Heuwerbungsmaschine (1) mit wenigstens zwei um aufrechte Kreiselachsen (14) umlaufend angetriebene Rechkreisel (2), welche Zinkenarme (15) aufweisende Rechzinken (16) aufnehmen, wobei die Rechkreisel (2) mit Tast- und Stützrädern (17) in ihrer Arbeitsstellung (18) am Boden abstützbar sind, wobei die Rechkreisel (2) an einem Maschinengestell (3) mittels Auslegerarmen (9) um etwa horizontal verlaufende Achsen von Klappgelenken (10) an diesen angelenkt, mittels hydraulischer Stellantriebe (12, 13) von einer bodennahen Arbeitsstellung (18) in eine bodenfernere Vorgewendestellung (19) oder Transportstellung (20) und umgekehrt überführbar sind, wobei das Maschinengestell (3) ein Fahrgestell (5) mit wenigstens zwei Stützrädern (6) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Heuwerbungsmaschine (1) eine geräteseitige Steuereinheit (21) aufweist, welche über einen Eingangskanal (37) ein von der Rückwärtsfahrt (R) des Traktors (8) und/oder der Heuwerbungsmaschine (1) abhängig generiertes Eingangssignal (Y1,Y2,Y3) aufnehmen und verarbeiten kann, wobei das Eingangssignal (Y1,Y2,Y3) über eine logische Verknüpfung innerhalb der geräteseitigen Steuereinheit (21) einen Steuerbefehl als Ausgangssignal (X1,X2,X3) für wenigstens einen Aktor (22) auslöst, welcher die Rechkreisel (2) von einer bodennahen Arbeitsstellung (18) in eine bodenferne Vorgewendestellung (19) oder Transportstellung (20) überführt."
Hilfsantrag (während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht)
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Durchstreichung hervorgehoben):
"welche über einen Eingangskanal (37) ein von der Rückwärtsfahrt (R) [deleted: des Traktors (8) und/oder] der Heuwerbungsmaschine (1) abhängig generiertes Eingangssignal (Y1,Y2,Y3) aufnehmen und verarbeiten kann",
und wobei das folgende Merkmal (erteilter Anspruch 8) am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
"die Heuwerbungsmaschine (1) wenigstens einen Fahrtrichtungssensor (28) aufweist, welcher abhängig von der Fahrtrichtung Vorwärts- (V) oder Rückwärtsfahrt (R) unterschiedliche Ausgangssignale (X1,X2) als Eingangssignale (Y1,Y2) für die geräteseitige Steuereinheit (21) generiert."
VII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Einspruch sei zulässig. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags werde ausgehend von D1 nahegelegt. Der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellte Hilfsantrag sei nicht zum Verfahren zuzulassen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Einspruch sei nicht zulässig. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellte Hilfsantrag sei zum Verfahren zuzulassen, da außergewöhnliche Umstände vorlägen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Heuwerbungsmaschine mit wenigstens zwei Rechkreiseln (2), die an einem Maschinengestell (3) mittels Auslegerarmen (9) angelenkt sind, siehe die Figuren 1 bis 3 der Patent-schrift. Die Heuwerbungsmaschine wird von einem Traktor gezogen, wobei ihre Rechkreisel das am Boden liegende stängelige Erntegut in der Fläche aufnehmen und daraus Schwade bilden. Die Schwade können anschließend von einer nachfolgenden Erntemaschine mit einem Pick up aufgesammelt werden. Um bereits am Boden abgelegte Schwade bei einem erneuten Überfahren mit der Heuwerbungsmaschine nicht wieder zu zerstören, müssen die Rechkreisel angehoben werden. Dazu sind die Auslegerarme der Heuwerbungsmaschine mittels hydraulischer Stellantriebe (12, 13) von einer bodennahen Arbeitsstellung in eine bodenfernere Vorgewendestellung oder Transportstellung überführbar. Um auch beim Rückwärtsfahren die Schwade bei einer erneuten Überfahrt nicht zu zerstören, besitzt die geräteseitige Steuereinheit (21) der Heuwerbungs-maschine einen Eingangskanal (37). Dieser kann ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors und/oder der Heuwerbungsmaschine abhängig generiertes Eingangssignal aufnehmen und verarbeiten, so dass das Signal einen Steuerbefehl für einen Aktor (22) zum Überführen der Rechkreisel in die bodenferne Vorgewendestellung oder Transportstellung auslöst.
3. Zulässigkeit des Einspruchs
3.1 Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Zulässigkeit des Einspruchs unter Verweis auf die Regel 76 (2) (c) EPÜ mit dem Argument, dass zum Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit kein hinreichend substantiierter Vortrag vorliege. Dabei bemängelt sie insbesondere, dass in der Einspruchsschrift keine Textpassagen in der D1 für die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 genannt seien, und dass auch nicht angegeben sei, wo die behaupteten "9 von 10 Merkmalen" des Patentanspruchs 1 in D1 offenbart seien.
3.2 Die Zulässigkeit des Einspruchs ist als unverzichtbare verfahrensrechtliche Voraussetzung in jedem Verfahrens-stadium, und damit auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Im Hinblick auf die Erfordernisse der Regel 76 (2) (c) EPÜ ist ein Einspruch insgesamt zulässig, sobald zur Stützung mindestens eines Einspruchsgrundes Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden. Damit soll sichergestellt werden, dass der Standpunkt der Einsprechenden in der Einspruchsschrift so deutlich dargelegt wird, dass sowohl der Patentinhaber als auch die Einspruchs-abteilung wissen, worum es bei dem Einspruch geht. Das schließt allerdings nicht aus, dass dem Patentinhaber ein gewisser Interpretationsaufwand abverlangt wird (RdBK, 9. Auflage 2019, IV.C.2).
3.3 Die Kammer hat bereits in ihrer Mitteilung, Abschnitte 2.3 und 2.4, die Auffassung vertreten, dass der Einspruch zulässig sei, und dass der Verweis auf "bereits 9 von 10 Merkmalen" einen Einwand betreffe, der bereits vor der Einspruchsabteilung hätte erhoben werden können. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2.3 Im vorliegenden Fall ist mangelnde erfinderische Tätigkeit der einzige erhobene Einspruchsgrund. Anhand der angegriffenen Entscheidung gewinnt die Kammer den Eindruck, dass sich sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Patentinhaberin dazu eine Meinung bilden konnten. Zudem werden die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 bereits in der Patentschrift als in D1 offenbart genannt, siehe den Absatz 0001. Darüber hinaus ist die Kammer der vorläufigen Meinung, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Heuwerbungsmaschinen die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 der Figur 1 der D1 entnehmen kann, wenn er die Bezugszeichenliste aus Absatz 0021 des Dokuments heranzieht. Daher scheint der Einspruch zulässig zu sein.
2.4 Die Kammer versteht den weiteren Einwand der Patentinhaberin wegen des Verweises auf "bereits 9 von 10 Merkmalen" in dem Sinne, dass in der Einspruchs-schrift keine Belegstellen für die Merkmale 7, 9 und 10 des Kennzeichens von Anspruch 1 angegeben seien. Dieser Einwand scheint nicht vor der Einspruchsabteilung erhoben worden zu sein, siehe den Absatz 1 der Entscheidungsgründe und Absatz 2.3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung. Eine Korrektur der Niederschrift scheint nicht bei der Einspruchsabteilung beantragt worden zu sein. Daher scheint dieser Einwand eine Änderung darzustellen, deren Zulassung im Ermessen der Kammer steht, Artikel 12(4) VOBK 2020. Die Kammer ist geneigt, diesen Einwand nicht zuzulassen, da er bereits vor der Einspruchsabteilung hätte erhoben werden können."
3.4 Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Da in der Einspruchsschrift zur Stützung des Einspruchsgrundes mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 (a) i.V.m. 56 EPÜ Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, ist der Einspruch zulässig.
4. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Die angefochtene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 ausgehend vom Dokument D1, siehe Absatz 3 der Entscheidungsgründe. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet diesen von der Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin geteilten Befund der Entscheidung.
4.1 Auch die Kammer hält das Dokument D1 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da es in den Figuren 1 und 2 einen von einem Trägerfahrzeug 8 gezogenen Vierkreiselschwader offenbart. Die vier Rechkreisel 2 dieses Schwaders sind am Maschinengestell 5 als ein in Fahrtrichtung vorderes Paar sowie ein nachgeordnetes hinteres Paar angeordnet. Um einen am Boden liegenden Schwad nicht erneut zu überfahren, ist jeder Rechkreisel an einem Auslegearm 3 angeordnet und kann durch seinen hydraulischen Hubzylinder 9 von einer unteren Arbeitsstellung in eine obere Transportstellung verschwenkt werden. Das Verschwenken erfolgt laut Absatz 0014 des Dokuments paarweise gestaffelt, indem bei Annäherung an einen Schwad zuerst das in Fahrtrichtung vordere Paar und danach das hintere Paar Rechkreisel automatisch angehoben wird. Zur Aktivierung dieser Automatik muss die Bedienperson des Fahrzeugs ein Eingangssignal X1 auslösen, das von einer am Vierkreiselschwader angeordneten Steuereinrichtung 11 verarbeitet wird. Bei der Signalverarbeitung des Eingangssignals X1 wird ein erstes Ausgangssignal Y1 erzeugt. Dieses Ausgangssignal liegt am ersten Ausgang 13 der Steuereinrichtung 11 an und steuert mittels eines implizit vorhandenen hydraulischen Ventils, also eines Aktors im Sinne von Anspruch 1, die Hubzylinder 9 des in Fahrtrichtung vorderen ersten Rechkreiselpaars zum Anheben von deren Auslegerarmen an. Das in Fahrtrichtung hintere zweite Rechkreiselpaar wird mit einer zeitlichen Verzögerung angehoben, da es erst später denselben Schwad erreicht wie das vordere Rechkreiselpaar. Dazu erzeugt ein Sensor 19 an einem Laufrad 6 des Schwaders Zählimpulse W1. Aus diesen Zählimpulsen und aus der ebenfalls gemessenen Zeit errechnet die Steuereinrichtung 11 einen Stellwert W und vergleicht ihn mit einem voreinstellbaren, konstanten Schwellwert S als Maß für den Abstand zwischen dem vorderen und dem hinteren Rechkreiselpaar. Erreicht das Stellsignal W nun die Größe des Abstands zwischen den Rechkreiselpaaren, erzeugt die Steuereinrichtung 11 ein zweites Ausgangssignal Y2, das an ihrem zweiten Ausgang 14 anliegt, und womit anhand eines Aktors in Gestalt desselben oder eines weiteren hydraulischen Ventils die Hubzylinder 9 des hinteren zweiten Rechkreiselpaars zum Anheben von deren Auslegerarmen angesteuert werden. Auf diese Weise wird auch das nachgeordnete zweite Rechkreiselpaar automatisch vor Erreichen des am Boden liegenden Schwades angehoben.
4.2 Zur Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes müssen daher nun die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 ermittelt werden. Die Beschwerdegegnerin vertrat dazu die Ansicht, dass D1 kein von der Rückwärtsfahrt des Traktors und/oder der Heuwerbungsmaschine abhängig generiertes Eingangssignal offenbare, und dass aus diesem Dokument auch nicht hervorgehe, dass ein dort wohl implizit vorhandener Aktor zur Ansteuerung der hydraulischen Hubzylinder alle an der Heuwerbungs-maschine vorhandenen Rechkreisel von der bodennahen in die bodenferne Stellung überführe.
4.3 Im Hinblick auf die Erzeugung des Eingangssignals für die geräteseitige Steuereinheit enthält das Merkmal "ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors und/oder der Heuwerbungsmaschine abhängig generiertes Eingangs-signal" drei Alternativen. Die Kammer legt die erste Alternative, also ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors generiertes Eingangssignal, wegen der
"und/oder"-Formulierung in dem Sinne aus, dass die Heuwerbungsmaschine dabei nicht an der Signalerzeugung beteiligt ist. Mithin enthält die Heuwerbungsmaschine bei der ersten Alternative keine weiteren Vorrichtungen wie Sensoren oder eigene Signalerzeugungseinrichtungen. Das diesbezügliche Argument der Beschwerdegegnerin, wonach die Schaltkreise in der geräteseitigen Steuereinheit dennoch speziell ausgestaltet seien, überzeugt die Kammer nicht. Anspruch 1 des Hauptantrags enthält kein Merkmal, das auf eine solche Ausgestaltung der Steuereinheit mit speziellen Schaltkreisen oder auf eine bestimmte Form des übertragenen Signals gerichtet ist. Daher muss eine geräteseitige Steuereinheit in der ersten Alternative lediglich dazu in der Lage sein, ein beliebiges am Traktor erzeugtes Signal zu verarbeiten. Das ist bereits in D1 der Fall, wo laut Absatz 14 des Dokuments die Meß- und Steuereinrichtung 11 das nicht näher spezifizierte Eingangssignal X1 zu einem ersten Ausgangssignal Y1 verarbeitet.
Der Verweis der Beschwerdegegnerin auf die Rückwärtsfahrt als unterschiedliche Ursache des Signals führt zu keiner anderen Sichtweise. In D1 wird das Signal zum Anheben der Rechkreisel zwar unbestritten während der Vorwärtsfahrt des Vierkreiselschwaders erzeugt, siehe die Richtung des Vektors FR in Figur 1. Jedoch ist Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf eine Kombination aus Traktor und Heuwerbungsmaschine oder auf ein Verfahren zu deren Verwendung während einer Rückwärtsfahrt gerichtet. Für die alleine beanspruchte Heuwerbungsmaschine ergibt sich dagegen aus der Signalerzeugung während der Rückwärtsfahrt eines möglichen Zugfahrzeugs keine strukturelle Einschränkung. Daher ist das Merkmal "ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors abhängig generiertes Eingangssignal" im Sinne einer Eignung der geräteseitigen Steuereinheit zur Verarbeitung eines am Traktor erzeugten Signals auszulegen. Das ist bereits in D1 der Fall, wo laut Absatz 14 des Dokuments das Eingangssignal X1 von der Bedienperson des Trägerfahrzeugs 8 an dessen Steuergerät 10 ausgelöst wird.
Daher bildet ein "von der Rückwärtsfahrt des Traktors abhängig generiertes Eingangssignal" kein Unterscheidungsmerkmal im Sinne des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes gegenüber dem in D1 offenbarten Vierkreisschwader.
4.4 Im Hinblick auf die Wirkung des Aktors, welcher die Rechkreisel von einer bodennahen Arbeitsstellung in eine bodenferne Vorgewendestellung oder Transportstellung überführt, vertrat die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass damit alle an der Heuwerbungsmaschine vorhandenen Rechkreisel angehoben werden müssen. Dagegen könne ein einziger Aktor in D1 nicht alle vier Rechkreisel anheben. Stattdessen werde dort das vordere Rechkreiselpaar mit dem ersten Ausgangssignal Y1 über den ersten Ausgang 13 der Steuereinheit 11 zeitlich vor dem hinteren Rechkreiselpaar angehoben, wofür erst nach Erreichen eines Schwellwerts das zweite Ausgangssignal Y2 über den zweiten Ausgang 14 ausgegeben werden müsse. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zwar darin zu, dass die vier Rechkreisel der D1 wegen der beiden Ausgänge 13 und 14 an der dortigen geräteseitigen Steuereinheit 11 nicht durch denselben Aktor von einer bodennahen in eine bodenferne Stellung überführt werden. Dieser Unterschied ist jedoch für die Suche nach Unterscheidungsmerkmalen gegenüber D1 nicht relevant. Das letztgenannte Merkmal in Anspruch 1 des Hauptantrags - wonach der Aktor die Rechkreisel überführt - ist nämlich im Zusammenhang mit dem ersten Merkmal - wonach die Heuwerbungsmaschine wenigstens zwei Rechkreisel aufweist - zu verstehen. Nach ständiger Praxis des Europäischen Patentamts umfasst das erste Merkmal eine Heuwerbungsmaschine mit mindestens zwei Rechkreiseln, so dass das letzte Merkmal lediglich verlangt, dass mindestens diese zwei Rechkreisel vom Aktor von einer bodennahen Arbeitsstellung in eine bodenferne Vorgewendestellung überführt werden müssen. Das ist unbestritten in D1 der Fall, wo die beiden in Fahrtrichtung vorderen Rechkreisel mittels des Ausgangssignals Y1 angehoben werden.
Daher bildet ein Aktor, "welcher die Rechkreisel von einer bodennahen Arbeitsstellung in eine bodenferne Vorgewendestellung oder Transportstellung überführt", kein Unterscheidungsmerkmal im Sinne des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes gegenüber dem in D1 offenbarten Vierkreisschwader.
4.5 Mangels Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Offenbarung der D1 lässt sich keine objektive technische Aufgabe formulieren. Aus Gründen der Logik beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags darum nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 100(a) i.V.m. 56 EPÜ.
5. Hilfsantrag - Zulassung
5.1 Die Vorlage des Hilfsantrags erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Die Beschwerde-gegnerin-Patentinhaberin hat in diesem Hilfsantrag die ersten beiden Alternativen des Merkmals "ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors und/oder der Heuwerbungs-maschine abhängig generiertes Eingangssignal" aus dem unabhängigen Anspruch 1 des bereits der Einspruchs-abteilung vorgelegten und mit der Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden erneut gestellten Hilfsantrag gestrichen. Die Beschwerdegegnerin rechtfertigt die verspätete Vorlage dieses Hilfsantrags mit dem Argument, dass die Kammer bzw. die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung einen Widerspruch zwischen der ersten Alternative "ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors abhängig generiertes Eingangssignal" und dem gegenüber dem Hauptantrag zusätzlich aus dem erteilten Anspruch 8 aufgenommenen Merkmal "die Heuwerbungsmaschine (1) wenigstens einen Fahrtrichtungssensor (28) aufweist, welcher abhängig von der Fahrtrichtung Vorwärts- (V) oder Rückwärtsfahrt (R) unterschiedliche Ausgangssignale (X1,X2) als Eingangssignale (Y1,Y2) für die geräteseitige Steuereinheit (21) generiert" gesehen habe, welcher sich möglicherweise auf die Beurteilung der ausreichenden Offenbarung der Erfindung bzw. der erfinderischen Tätigkeit auswirke.
5.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Kammer vermag keine überraschende Wendung des Falles zu erkennen. In ihrer Einschätzung, dass möglicherweise ein Widerspruch zwischen der ersten Alternative "ein von der Rückwärtsfahrt des Traktors abhängig generiertes Eingangssignal" und dem aus dem erteilten Anspruch 8 aufgenommenen Merkmal bestehe, ist die Kammer zwar einem Argument der Beschwerdeführerin gefolgt, dass diese erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen hat. Das ist jedoch eine Folge der Art und Weise, wie die Beschwerdegegnerin den Hilfsantrag eingereicht hat. Mit ihrer Erwiderung vom 4. April 2020 hat sie nämlich einen Hilfsantrag ohne jegliche Begründung gestellt (Seite 1 der Erwiderung: "... wird hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, gemäß Hilfsantrag vom 15.03-2019, beantragt"). Daraufhin hat die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung auf die fehlende Begründung hingewiesen (Absatz 4: "Eine Begründung, welche möglichen Einwänden der Hilfsantrag abhelfen soll, fehlt indessen völlig."). Selbst auf diese mehr als viereinhalb Monate vor der mündlichen Verhandlung erlassene Mitteilung hat die Beschwerdegegnerin nicht reagiert, obwohl ausreichend Zeit gewesen wäre. Hinsichtlich des Zeitpunkts für die Begründung teilt die Kammer ausdrücklich nicht die während der mündlichen Verhandlung vertretene Sichtweise der Beschwerde-gegnerin, wonach die mündliche Verhandlung den Rahmen für die Abgabe einer Begründung bilde. Da der Hilfsantrag nicht der angefochtene Entscheidung zugrundelag, stellt dessen Einreichung mit der Erwiderung auf die Beschwerde eine Änderung des Patents dar, für die nach Artikel 12(4) VOBK 2020 bereits bei Einreichung die Gründe anzuführen waren, warum mit der Änderung die erhobenen Einwände ausgeräumt werden.
5.3 Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Argument der Beschwerdeführerin-Einsprechenden anschließt, ist weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses. Den Umstand, dass die Beschwerdeführerin dieses Argument erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen hat, hat sich die Beschwerdegegnerin selbst zuzuschreiben. Hätte sie vorher eine Begründung für die Änderung abgegeben, wäre das Argument womöglich früher präsentiert worden.
5.4 In ihrer Abwägung, den während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag zuzulassen, hatte die Kammer mithin eine Reihe von für diesen Fall spezifischen Umständen zu berücksichtigen. Namentlich war dies die Tatsache, daß der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hilfsantrag im Beschwerdeverfahren nicht begründet worden war und die Kammer zu diesem Antrag aus diesem Grunde auch in ihrem Ladungsbescheid nicht Stellung genommen hatte. Obgleich auf diesen Umstand hingewiesen, ergänzte die Beschwerdegegnerin ihren Sachvortrag bis zur mündlichen Verhandlung nicht. Der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hilfsantrag enthielt nun ebenso wie der Hauptantrag das jedenfalls in einer Alternative beanspruchte Merkmal "von der Rückwärtsfahrt des Traktors abhängig generiertes Eingangssignal", dem die Kammer bei einem auf eine Heuwerbungsmaschine gerichteten Anspruch keine technische Wirkung zuerkennen konnte (siehe oben). Auch eine im Hilfsantrag vorgenommene weitere Ausgestaltung dieses Signals war daher nicht geeignet, der von der Kammer für den Hauptantrag festgestellten mangelnden erfinderischen Tätigkeit abzuhelfen. Die Beschwerdegegnerin zog diesen Antrag daher in der mündlichen Verhandlung zurück und ersetzte ihn durch einen, bei dem die Alternative "Traktor" nicht mehr enthalten war.
5.5 Es ist das gute Recht einer jeden Partei, sich ihren Sachvortrag für die mündliche Verhandlung vorzubehalten. Die Beschwerdegegnerin hat dies vorliegend für die Begründung des ursprünglich eingereichten Hilfsantrages so gehalten. Stellt sich allerdings im Zuge dieser Diskussion heraus, daß dem Antrag kein Erfolg beschieden sein würde, so sind die Möglichkeiten, diesem Ergebnis durch die Vorlage eines weiteren Antrages dann Grenzen gesetzt, wenn die Antragstellerin es selbst zu verantworten hat, daß Mängel des als nicht gewährbar befundenen Antrages erst in der mündlichen Verhandlung hervortreten. In diesem Verfahrensstadium ist eine Partei deshalb grundsätzlich darauf beschränkt, ihre Anträge telle quelle zu verteidigen.
5.6 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage des Hilfsantrags zu rechtfertigen wäre. Daher entscheidet die Kammer, diesen Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
6. Somit bestätigt die Kammer den Befund in der angefochtenen Entscheidung, wonach der Einspruch zulässig ist. Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung gelangt die Kammer jedoch zum Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 100(a) i.V.m. 56 EPÜ. Der Hilfsantrag wurde nicht zum Verfahren zugelassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.