T 2476/19 () of 21.11.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T247619.20221121
Datum der Entscheidung: 21 November 2022
Aktenzeichen: T 2476/19
Anmeldenummer: 14173929.2
IPC-Klasse: B29C 49/64
B29C 49/78
B29C 49/68
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Heizeinrichtung und Heizverfahren für Blasmaschine sowie Blasmaschine
Name des Anmelders: Krones AG
Name des Einsprechenden: Sidel Participations S.A.S.
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention R 103(4)(a)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Rücknahme der Beschwerde
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/89
G 0011/91
G 0001/05
G 0002/10
T 1883/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin sowie die Einsprechende legten form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher festgestellt wurde, dass unter Berücksichtung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 2 799 210 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die sämtlichen Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ, mangelnder Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ und unzulässiger Änderungen nach Artikel 100 c) EPÜ.

III. Mit einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 27. Mai 2022 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach voraussichtlich die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen und die Beschwerde der Einsprechenden erfolgreich sein dürfte.

IV. Die Patentinhaberin reagierte auf diese Mitteilung inhaltlich mit Schriftsatz vom 21. September 2022 und legte dabei zusätzliche Hilfsanträge 11 bis 15 vor.

V. Am 21. November 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Im Laufe der Verhandlung nahm die Patentinhaberin ihre Beschwerde zurück. Zu den Einzelheiten des Verlaufs wird auf das Protokoll verwiesen.

VI. Die Einsprechende beantragte zuletzt

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents

Nr. 2 799 210.

VII. Die Patentinhaberin beantragte zuletzt

die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 1, d.h. in der von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des EPÜ genügend angesehenen geänderten Fassung,

weiter hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem mit Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 10.

VIII. Anspruch 1 gemäß aufrechterhaltener Fassung lautet:

"Heizeinrichtung (40) für eine Blasmaschine (1), mit

mindestens einem Heizelement (4110) zur Abstrahlung von Heizstrahlung zum Heizen von Vorformlingen (3; 3A; 3B),

einem Bodenreflektor (4113), der relativ zu einem gegenüber dem Heizelement (4110) angeordneten Gegenreflektor (4111) bewegbar ist, zur Reflexion von von dem Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung der Vorformlinge (3; 3A; 3B),

wobei das mindestens eine Heizelement (4110) und Reflektoren (4111,4112, 4113), die zur Reflexion von von dem mindestens einen Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung der Vorformlinge (3; 3A; 3B) dienen, Begrenzungen einer Heizgasse der Heizeinrichtung (40) bilden,

einer Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) zur Bestimmung der Geometrie eines von der Heizeinrichtung (40) zu heizenden Vorformlings (3; 3A; 3B), und

einer Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90),

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass das mindestens eine Heizelement (4110) und/oder mindestens eines der Reflektoren (4111,4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt wird,

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass eine Verstellung mindestens zwei der Begrenzungen ihrer Heizgasse über eine gemeinsame Antriebseinrichtung (54; 55; 56) oder zwei Antriebseinrichtungen (54; 55; 56) automatisch erfolgt."

IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 10 (Änderungen markiert gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1) lautet:

"Heizeinrichtung (40) für eine Blasmaschine (1), mit

mindestens einem Heizelement (4110) zur Abstrahlung von Heizstrahlung zum Heizen von Vorformlingen (3; 3A; 3B),

einem Bodenreflektor (4113), der relativ zu einem gegenüber dem Heizelement (4110) angeordneten Gegenreflektor (4111) bewegbar ist, zur Reflexion von von dem Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung der Vorformlinge (3; 3A; 3B),

wobei das mindestens eine Heizelement (4110) und Reflektoren (4111, 4112, 4113), die zur Reflexion von von dem mindestens einen Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung der Vorformlinge (3; 3A; 3B) dienen, Begrenzungen einer Heizgasse der Heizeinrichtung (40) bilden,

einer Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) zur Bestimmung der Geometrie eines von der Heizeinrichtung (40) zu heizenden Vorformlings (3; 3A; 3B), und

einer Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90),

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass das mindestens eine Heizelement (4110) und[deleted: /oder] mindestens einer[deleted: s] der Reflektoren (4111, 4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt werden[deleted: wird], oder dass mindestens einer der Reflektoren (4111, 4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt wird,

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass eine Verstellung mindestens zwei der Begrenzungen ihrer Heizgasse über eine gemeinsame Antriebseinrichtung (54; 55; 56) oder zwei Antriebseinrichtungen (54; 55; 56) automatisch erfolgt."

X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensrechtliche Aspekte

1.1 Aufgrund der Rücknahme der Beschwerde durch die Patentinhaberin verbleibt die Einsprechende einzige Beschwerdeführerin in dieser Sache.

1.2 Da die Patentinhaberin ihre Beschwerde vor Verkündung der Entscheidung zurückgenommen hat, ist gemäß Regel 103 (4) (a) EPÜ die von ihr entrichtete Beschwerdegebühr zu 25% zurückzuerstatten.

Hilfsantrag 1 - Patent in aufrechterhaltener Fassung

2. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 100 c), 123 (2) und 76 (1) EPÜ)

2.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich gegenüber Anspruch 1 in der ursprünglichen Fassung unter anderen dadurch, dass das Merkmal 1.4-alt einer

"Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111)"

durch das Merkmal 1.4a, nämlich

"einer Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90),

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass das mindestens eine Heizelement (4110) und/oder mindestens eines der Reflektoren (4111,4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt wird"

ersetzt wurde.

2.2 Gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/05, Punkt 5.3. der Entscheidungsgründe, hat der Anmelder grundsätzlich das Recht, Ansprüche zu ändern und sie auf Gegenstände zu erstrecken, die von den Ansprüchen in der ursprünglichen Fassung nicht umfasst waren. Entgegen der Einwendung der Einsprechenden auf Seite 3, vorletzter Absatz, bis Seite 4, Absatz 1, ihrer Beschwerdeerwiderung führt damit die Tatsache, dass ein Anspruch möglicherweise breiter als der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 sei, für sich genommen noch zu keinem Verstoß gegen die Vorschriften des EPÜ. Maßgeblich sind die Artikel 123 (2) und 76 (1) EPÜ, die erfordern, dass der Gegenstand einer Teilanmeldung bzw. Anmeldung nicht über den Inhalt der früheren (Stamm-)Anmeldung hinausgeht.

2.3 Fraglich ist daher allein, ob die Fachperson den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 der Gesamtheit der Unterlagen in ihrer ursprünglichen eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann ("Goldstandard", vgl. G 3/89, G 11/91, G 2/10 der Großen Beschwerdekammer). Es ist folglich zu prüfen, ob die gesamte Offenbarung der (Stamm-)Anmeldung eine Basis für den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 liefert.

2.4 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthält durch die vorgenommenen Änderungen das Merkmal, dass die Heizeinrichtung derart ausgestaltet ist, dass das mindestens eine Heizelement und/oder mindestens eines (sic!) der Reflektoren in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung verstellt wird. Diese Formulierung des Anspruchs schließt jedoch aufgrund der "oder"-Alternative eine frei erfolgende Verstellbarkeit eines Heizelements in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung mit ein. Weitere Formulierungen, die diese frei erfolgende Verstellbarkeit des Heizelements beschränkten, enthält der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 dabei nicht.

2.5 Die Einspruchsabteilung verwies in der angefochtenen Entscheidung, wie auch zuletzt die Patentinhaberin, zur Offenbarung des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf die Absätze [0075] und [0076] der Veröffentlichungsschrift der Patentanmeldung (A1-Schrift), die den Absätzen [0077] und [0078] des Streitpatents, bzw. den Absätzen auf Seite 19, Zeilen 28 bis 35, und Seite 20, Zeilen 6 bis 16, der ursprünglich eingereichten Anmeldung entsprechen (vgl. Punkt 3.2.2 der Entscheidungsgründe). Die Patentinhaberin vertiefte dieses Vorbringen im Beschwerdeverfahren durch die Verweise auf die Offenbarungsstellen der Absätze [0050] und [0103] der A1-Schrift, die den Absätzen [0052] und [0105] des Streitpatents, bzw. den Absätzen auf Seite 13, Zeile 24, bis Seite 14, Zeile 7, und Seite 25, Zeilen 18 bis 21, der ursprünglich eingereichten Anmeldung entsprechen (vgl. Tabelle auf Seite 4 bis Seite 6 der Beschwerdebegründung).

2.6 Durch die ausdrückliche Offenbarung auf Seite 20, Zeilen 6 bis 16, der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Hervorhebungen durch die Kammer):

"Es ist ebenfalls daran gedacht, wie bei dem ersten Ausführungsbeispiel, die Geometrie eines Vorformlings 3 bzw. 3A, 3B vor dem ersten Heizmodul 411 zu erfassen, das Messergebnis der Steuereinrichtung 60 ( Fig. 6 und Fig. 7 ) zuzuführen und auf Basis dieses Messergebnisses mindestens eine Begrenzung, bevorzugt zwei, besonders bevorzugt drei Begrenzungen automatisch zu verstellen. Diese Verstellung erfolgt analog zu der Verstellung, die beim ersten Ausführungsbeispiel in Bezug auf den Bodenreflektor 4113 ausführlich beschrieben ist. Das heißt, dass insbesondere durch die in der Speichereinrichtung 70 ( Fig. 6 und Fig. 7 ) hinterlegten Vorformlingdaten, wie z.B. die Geometrie eines Vorformlings 3 bzw. 3A, 3B, eine automatische und optimale Einstellung im Hinblick auf den Energieverbrauch der Heizstrahler 4110 bzw. Reflektoren 4111 bis 4114 gewährleistet werden kann."

geht die Fachperson zwar von einem inhaltlichen Zusammenhang der Ausgestaltung nach dem fünften Ausführungsbeispiel mit der Ausgestaltung der Heizeinrichtung des ersten Ausführungsbeispiels aus; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich einer Umsetzung einer automatischen Einstellung einer Stellung einzelner Begrenzungen.

2.7 Der Offenbarung auf Seite 19, Zeilen 28 bis 35, der ursprünglich eingereichten Anmeldung, entnimmt die Fachperson jedoch, dass die Heizstrahler 4110 notwendigerweise mit dem Rückenreflektor 4112 funktional verbunden sind, so dass die Heizstrahler 4110 nach Überzeugung der Kammer immer gemeinsam mit dem Rückenreflektor 4112 eine Begrenzung der Heizgasse bilden. Entsprechend kann die Fachperson dieser Offenbarung unmittelbar und eindeutig auch nur eine gemeinsame Verstellbarkeit der Heizstrahler 4110 mit dem Rückenreflektor 4112 entnehmen, nicht jedoch eine gleichfalls von dem Wortlaut des Anspruchs 1 umfasste Variante, dass ein Heizstrahler frei gegenüber dem Rückenreflektor verstellbar wäre.

2.8 Dieses Verständnis wird auch durch die Darstellung der Figur 11 der früheren Anmeldung, auf die sich die von der Patentinhaberin aufgeführten Offenbarungsstellen, die im Zusammenhang mit dem fünften Ausführungsbeispiel stehen, und die Darstellungen der Figuren 8, 9 und 17 der früheren Anmeldung gestützt, auf die sich die Patentinhaberin in ihrem Beschwerdeerwiderung auf Seite 6, Absatz 2, bis Seite 7, erster Teilabsatz, bezieht. Das Heizelement 4115, auf das die Patentinhaberin in Zusammenhang mit den Figuren 8 und 9 verweist, steht zwar nicht in einem engen funktionalen Verhältnis mit den Rückenreflektor 4112, dafür aber mit dem Bodenreflektor 4113. So lehrt die Offenbarung der Seite 17, Zeilen 29 bis 33 der ursprünglichen Offenbarung, bzw. Absatz [0065] der A1-Schrift, ausdrücklich:

"Auch hier ist zwischen Bodenreflektor 4113 und Boden B des Vorformlings 3A oder 3B ein vorbestimmter Abstand BM eingestellt, der hinsichtlich Ausnutzung der Heizstrahlung des Heizelements 4110 und 4115 optimal eingestellt ist. Bei diesem Ausführungsbeispiel ist zusätzlich zu der Höhenverstellung des Bodenreflektors 4113, die analog zum ersten Ausführungsbeispiel erfolgt, auch das Heizelement 4115 mitzuverstellen."

2.9 Eine Ausführung einer Heizeinrichtung im Sinne der "oder-Alternative" in Merkmal 1.4a, also einer frei erfolgenden Verstellbarkeit mindestens eines Heizelements in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung, konnte die Fachperson den angeführten Offenbarungsstellen in der früheren Anmeldung damit nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen.

2.10 Dem steht auch nicht die in Punkt 3.2.2 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellung der Einspruchsabteilung entgegen, wonach neben den Absätzen [0075] und [0076] der A1-Schrift auf Absatz [0058] der A1-Schrift verwiesen ist, in dem ein funktionaler Bezug zwischen der Bodenreflektor-Erfassungseinrichtung 80, der Vorformlinglänge-Erfassungseinrichtung 90 und der Steuereinrichtung 70 als Bestimmungseinrichtung und der Einstellvorrichtung 50 offenbart ist.

2.11 Aus der Offenbarung des Absatzes [0058] ergibt sich jedenfalls nicht, dass ein einzelnes Heizelement unabhängig von einem Rückenreflektor oder einem Bodenreflektor verstellbar wäre. Für die Fachperson ist der ursprünglichen Offenbarung vielmehr allein die Lehre zu entnehmen, dass ein Heizelement immer zusammen mit einem bestimmten Reflektor, nämlich je nach Ausgestaltung entweder notwendigerweise mit einem Rückenreflektor oder notwendigerweise mit einem Bodenreflektor, verstellbar ist, so dass sich vor dem Hintergrund der in Punkt 2.7 dieser Entscheidung getroffenen Feststellung auch an dieser Offenbarungsstelle keine ausreichende Stütze für das Merkmal 1.4a des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 im Sinne der Artikel 123 (2) bzw. 76 (1) EPÜ findet.

2.12 Die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Zulässigkeit der Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sind daher fehlerhaft und die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben.

3. Hilfsantrag 10

3.1 Die Einsprechende wandte sich gegen eine Zulassung des Hilfsantrags 10 ins Verfahren, da dieser bereits mit Erhebung der Beschwerde der Patentinhaberin hätte erfolgen sollen (vgl. Schriftsatz datiert auf den 18. November 2020, Seite 2, letzter Absatz) und erhob weiter den Einwand, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 10 auf einer unzulässigen Erweiterung entgegen der Erfordernisse des Artikels 123 (2) bzw. 76 (1) EPÜ beruhe, weil er eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung aufweise.

3.2 Die Frage der Zulassung des Hilfsantrags 10 in das Verfahren ist dabei nicht entscheidungserheblich, da dieser jedenfalls nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) bzw. 76 (1) EPÜ genügt.

3.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass er statt des Merkmals 1.4a das Merkmal 1.4' enthält, nämlich

"einer Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90),

wobei die Heizeinrichtung (40) derart ausgestaltet ist, dass das mindestens eine Heizelement (4110) und mindestens einer der Reflektoren (4111, 4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt werden, oder dass mindestens einer der Reflektoren (4111,4112, 4113) in Abhängigkeit von der Bestimmung der Bestimmungseinrichtung (60, 70; 60, 70, 80; 60, 70, 90; 60, 70, 80, 90) verstellt wird".

3.4 Das Merkmal 1.4' umfasst jedoch in seinem Wortlaut eine Ausgestaltung, in der ein einzelnes Heizelement unabhängig von einem Rückenreflektor oder einem Bodenreflektor verstellbar, bspw. zusammen mit dem Gegenreflektor verstellbar wäre. Vor dem Hintergrund der Erwägungen in den Punkten 2.7 bis 2.11 dieser Entscheidung sind die Erfordernisse des Artikels 123 (2) bzw. 76 (1) EPÜ folglich nicht erfüllt.

3.5 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 10 genügt somit nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) bzw. 76 (1) EPÜ .

4. Da weder Hilfsantrag 1 noch Hilfsantrag 10 den Erfordernissen des EPÜ genügen und keine weiteren Anträge vorlagen, ist das Patent folglich zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die von der Patentinhaberin gezahlte Beschwerdegebühr wird in Höhe von 25% zurückgezahlt.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Das europäische Patent Nr. 2 799 210 wird widerrufen.

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