T 2142/19 () of 17.3.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T214219.20220317
Datum der Entscheidung: 17 März 2022
Aktenzeichen: T 2142/19
Anmeldenummer: 13180802.4
IPC-Klasse: B27N 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Leichte Holzwerkstoffplatte, und Verfahren zur Herstellung
Name des Anmelders: Xylo Technologies AG
Name des Einsprechenden: (01) Fritz Egger GmbH & Co. OG
(02) BASF SE
(03) IKEA Industry AB
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - Doppelpatentierung kein Einspruchsgrund
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0936/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende 01 (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 2 666 604 zurückgewiesen wurden.

II. Die insgesamt drei Einsprüche richteten sich gegen das Patent im gesamten Umfang. Die Einsprechende 01 stützte sich auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ sowie auf den Grund der Doppelpatentierung. Die Einsprechenden 02 und 03 als weitere Verfahrenbeteiligte stützen sich auf sämtliche Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) bis 100 b) EPÜ, sowie für die Einsprechende 03 zusätzlich auf den Grund der Doppelpatentierung.

III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 25. Mai 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sein dürfte.

IV. Die Beschwerdeführerin reagierte inhaltlich auf die Mitteilung der Kammer mit Schriftsatz datiert auf den 12. November 2021.

V. Am 17. März 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Einsprechenden 02 und 03 statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 666 604 im vollen Umfang.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte in der Sache zuletzt

die Beschwerde zurückzuweisen und

das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag),

hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,

das Patent gemäß einem der im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten.

VIII. Die Einsprechende 02 und die Einsprechende 03 als weitere Verfahrensbeteiligte stellten keine Anträge.

IX. In dieser Entscheidung werden die folgenden Dokumente erwähnt:

D3: WO 2007/031166 A1,

D4: DD 237134 A1,

D6: Ingenieurschule für Holztechnik Dresden

(Hrsg.), Taschenbuch der Holztechnologie, 2.

verbesserte Auflage 1970, VEB Fachbuchverlag

Leipzig, Seiten 114 bis 117 und 138 bis 199,

D13: H.J. Deppe, K. Ernst, Taschenbuch der

Spannplattentechnik, 4. überarbeite und

erweitere Auflage 2000, DRW Verlag

Weinbrenner GmbH & Co., Seiten IV bis IX,

Seiten 20 bis 57, Seiten 90 bis 93, Seiten 151

bis 179, Seiten 210 bis 233, Seiten 354 bis

359, Seiten 446 bis 447,

D14: M. Dunky, P. Niemz, Holzwerkstoffe und Leime,

Technologie und Einflussfaktoren,

Springerverlag, Veröffentlichungsdatum 2002,

Seiten VII - XXIV, Seiten 18 bis 22,

43, 104 bis 112, 662 bis 670, 807 bis 817

und 885 bis 902,

sowie das von der Beschwerdeführerin erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Dokument (in Fortsetzung der Zählung der Einspruchsabteilung)

D54: "Physik des Holzes und der Holzwerkstoffe",

Peter Niemz, DRW-Verlag, 1993,

Seiten 172 -176.

X. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Leichte, einlagig aufgebaute Holzwerkstoffplatte aus miteinander verleimten Spänen bzw. Holzpartikeln,

dadurch gekennzeichnet, dass

diese eine Rohdichte von unter 500 kg/m3 aufweist,

diese aus einer Mischung aus Schlag- und Schneidspänen besteht und

der Anteil der Schlagspäne zwischen 5 und 30 % und

der Anteil der Schneidspäne zwischen 70 und 95 % vom Holzanteil der Platte beträgt,

die Länge der Späne im Durchschnitt bei unter 40 mm liegt."

XI. Der unabhängige Anspruch 14 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer leichten, einlagigen Holzwerkstoffplatte

nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 13,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Späne in einem Trommelmischer beleimt und

mit mindestens einem Streukopf gestreut und

anschließend unter Druck und Temperatur zur Holzwerkstoffplatte verpresst werden."

XII. Angesichts der ausgesprochenen Entscheidung erübrigt sich eine Wiedergabe der Hilfsanträge 1 bis 6.

XIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensaspekte

Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

2. Doppelpatentierung

2.1 Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einwand der unzulässigen Doppelpatentierung (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 3, Absatz 2) entspricht keinem der in Artikel 100 EPÜ abschließend aufgezählten, als Grundlage für einen Einspruch in Frage kommenden Einspruchsgründen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, II.F.5.3 mit Hinweis auf T 936/04).

2.2 Die Einspruchsabteilung stellte aus diesem Grund in Punkt 16 der angefochtenen Entscheidung fest, dass eine Doppelpatentierung im Einspruchsverfahren einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

2.3 Da die Beschwerdeführerin auch nach einem entsprechenden Hinweis der Kammer in Punkt 9. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung Argumente vorgebracht hat, weshalb ihr Einwand der Doppelpatentierung im Einspruchsverfahren berücksichtigt werden sollte und die Kammer keine Grundlage für eine Berücksichtigung dieses Einwands zu erkennen vermag, ist der im Beschwerdeverfahren erneut erhobene Einwand der Doppelpatentierung nicht geeignet, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung darzulegen.

3. Zulassung des Dokuments D54 in das Verfahren

3.1 Die Beschwerdeführerin legte mit der Beschwerdebegründung erstmalig das Dokument D54 vor und erklärte, dass das Dokument D54 im Rahmen einer Recherche als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung ermittelt wurde und es prima facie relevant sei. Weiterhin sei das Dokument D54 relativ kurz und das verspätete Vorlegen führe zu keiner Verzögerung im Beschwerdeverfahren (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 2).

3.2 Dem gegenüber rügte die Beschwerdegegnerin das verspätete Vorlegen des Dokuments D54, weil dieses bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgelegt werden können (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seiten 1 und 2, übergreifender Absatz).

3.3 Auch die Kammer erkennt in dem Vortrag der Beschwerdeführerin keine rechtfertigenden Gründe, weshalb jene daran gehindert gewesen sein sollte, dass Dokument D54 nicht bereits im Verlauf des Einspruchsverfahren einzureichen.

3.4 Zunächst ist die Kammer bereits nicht von der Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt, dass ihr eine außergewöhnliche Interpretation von zu verbessernden Eigenschaften der leichten, einlagigen Spannplatte gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel in Dokument D3 erst mit der angefochtenen Entscheidung mitgeteilt wurde, und die Beschwerdeführerin nicht veranlasst gewesen sei, vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren weitere Dokument zum Stand der Technik zu recherchieren und einzureichen (vgl. Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 12. November 2021, Seite 10, Absätze 1 bis 3). Die Beschwerdegegnerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurecht darauf verwiesen, dass eine verbesserte Kombination von Biegefestigkeit, Querzugsfestigkeit und Rohdichte aufgrund der patentgemäßen Zusammensetzung der Schlag- und Schneidspäne gemäß der Absätze [0007] und [0008] der Patentschrift den in im Rahmen der originären Aufgabe dargelegten technischen Effekt dargestellt, so dass nach Überzeugung der Kammer bereits deshalb die von der Einspruchsabteilung angeblich außergewöhnliche Interpretation für die Beschwerdeführerin objektiv nicht überraschend gewesen sein konnte oder für die Beschwerdeführerin erst mit der Bekanntgabe der Entscheidungsgründe eine Veranlassung zur Durchführung einer weiteren Recherche gegeben war.

3.5 Weiterhin schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass das Dokument D54 nicht prima facie relevant bzw. nicht relevanter als der bereits im Verfahren vorgelegte Stand der Technik für die Frage der erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 1 und 14 ist, weil das Dokument D54 keine Ausführungen zu Spangemischen enthält, wie sie aber dem Gegenstand des Streitpatents zugrunde liegen. Dies gesteht die Beschwerdeführerin letztlich auch auf Seite 10, letzter Teilabsatz, erster Satz, ihres Schriftsatzes vom 12. November 2021 ein, indem sie die Lehre des Dokuments D54 allein durch einen pauschalen, d.h. nicht belegten Verweis auf die Kenntnisse des Fachmanns auf Spangemische erstreckt.

3.6 Mangels rechtfertigender Gründe für das verspätete Vorbringen des Dokuments D54 übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend aus, das erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegte Dokument D54 und folglich auch alle auf diesem Dokument basierenden Einwände nicht im Verfahren zu berücksichtigen.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Die Beschwerdeführerin bemängelte die in Punkt 26.1 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags gegenüber dem Dokument D3, und gibt an, dass Fachkenntnisse über den Einfluss der Spanart und Spanform auf die Festigkeitseigenschaften von Spanplatten zum Fachwissen des Fachmanns gehören. Einem Fachmann, dem sich ausgehend von dem ersten Ausführungsbeispiel des Dokuments D3 die Aufgabe stelle, eine leichte Spanplatte dahingehend zu verbessern, dass diese bei einer geringen Rohdichte eine höhere Biegefestigkeit aufweise, würde den Anteil der Schneidspäne deutlich erhöhen und den Anteil der Schlagspäne entsprechend deutlich verringern (vgl. Beschwerdebegründung, Kapitel 2.1.4.1, Seite 6, Absatz 1 bis Seite 7, Absatz 2).

4.2 Die Kammer kann dieser Argumentation aus den folgenden Gründen nicht folgen.

4.3 Selbst wenn man annimmt, dass es dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents bekannt gewesen wäre, zur Herstellung von Spanplatten, bei denen eine hohe Biegefestigkeit gefordert wird, Schneidspäne mit einem großen Schlankheitsgrad und bei der Herstellung von Spanplatten, bei denen eine hohe Querzugfestigkeit gefordert wird, eher Schlagspäne einzusetzen, wie es die Beschwerdeführerin unter Verweis auf das Dokument D14 vorträgt (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 6, Absatz 3 bis Absatz 5), so wird damit jedoch nicht hinreichend dargelegt, weshalb sich diese Erkenntnis auch auf Spangemische übertragen ließe und sich damit tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den Anteilen von Schneid- und Schlagspänen und der Verbesserung bzw. einer kontrollierten Änderung der mechanischen Eigenschaften von Spangemischen ergäbe. Auch die von der Beschwerdeführerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Verweise auf das Dokument D13, insbesondere Seite 157, und das Dokument D6 sind unabhängig von der Frage einer Zulassung ins Verfahren dieses Vortrags nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht geeignet darzulegen, dass sich die Lehre aus Dokument D3 auch auf Spangemische übertragen ließe, denn sie Erwähnen zwar die Nutzung von Spangemischen, in Dokument D6 auch in Zusammenhang mit einschichtigen Spanplatten, lehren aber keine kontrollierte Änderung der mechanischen Eigenschaften von Spangemischen.

4.4 Die Kammer stimmt daher der Einspruchsabteilung zu, dass sich in dem Dokument D3 und aus dem Fachwissen, zumindest soweit es durch das Dokument D14 oder auch aus dem Inhalt der Dokumente D13 oder D6 wiedergegeben wird, keinerlei Hinweise finden, dass eine Variation der Spanmischung im Sinne der patentgemäßen Zusammensetzung der Schlag- und Schneidspäne auch zu einer verbesserten Kombination von Biegefestigkeit, Querzugfestigkeit und Rohdichte führt.

4.5 Unabhängig von der Frage der Zulassung des Dokuments D54 trifft diese Feststellung der Einspruchsabteilung aus Sicht der Kammer ebenfalls in analoger Weise für das von der Beschwerdeführerin auf Seite 7, Absatz 4, bis Seite 8, Absatz 3, der Beschwerdebegründung diskutierte mögliche Problem der Vermeidung der Kriechverformung einer Spanplatte zu, denn das Dokument D54 enthält, wie bereits in Punkt 3.5 festgestellt, keine Ausführungen zu Spangemischen.

4.6 Im Ergebnis gelingt es der Beschwerdeführerin damit nicht, in überzeugender Weise darzulegen, weshalb der Fachmann, in der Erwartung die von Beschwerdeführerin vorausgesetzte Aufgabe zu lösen, die Lehre des Dokuments D3 angesichts des Stands der Technik bzw. seines Fachwissens so abgewandelt hätte, dass er zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 des Streitpatents gelangt wäre.

4.7 Die Kammer hatte in Punkt 11.7 ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 Bedenken hinsichtlich einer Zulassung der weiteren Argumentationslinie der Beschwerdeführerin geäußert, dass der Fachmann das Dokument D4 herangezogen hätte, um ausgehend von dem Dokument D3 und vor dem Hintergrund seines Fachwissens eine geeignete Spanmischung zu erhalten (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 4 bis Seite, 9, Absatz 1), weil diese Argumentationslinie von der Beschwerdeführerin erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgetragen wurde, ohne das rechtfertigende Gründe dafür aufgezeigt wurden, weshalb sie nicht bereits vor der Einspruchsabteilung vorgetragen werden konnte.

4.8 Dabei ist es nach erneuter Befassung mit der Frage der Zulassung dieser Argumentationslinie aus Sicht der Kammer zunächst unerheblich, dass das Dokument D4 bereits Gegenstand der Diskussion des Einspruchsverfahrens war und auch im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit erörtert wurde, so dass sich insofern auch nicht der rechtliche Rahmen verändert haben mag, wie die Beschwerdeführerin vorträgt. In der angefochtenen Entscheidung wird das Dokument D4 in Zusammenschau mit dem Dokument D3 und unabhängig davon in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen diskutiert (vgl. Punkte 26.2 und 26.3 der Entscheidungsgründe), die Erörterung der erfinderischen Tätigkeit erfolgt aber ausschließlich ausgehend von dem Dokument D4 als nächstliegenden Stand der Technik.

4.9 Die nunmehr vorgelegte Argumentationslinie, deren Erörterung der erfinderischen Tätigkeit von Dokument D3 als nächstliegenden Stand der Technik ausgeht, stellt hingegen einen neuen tatsachenbezogenen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit dar und eine mögliche Zulassung dieses Einwands unterliegt daher Artikel 12 (4) VOBK 2007.

4.10 Die Beschwerdeführerin hat am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, in Kenntnis des Inhalts des Dokuments D4 und ihres übrigen Vortrags zur erfinderischen Tätigkeit, ausdrücklich angegeben, nicht vortragen zu wollen (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Punkt 5). Dadurch hat die Beschwerdeführerin, auch wenn sich die Patentinhaberin rügelos - jedoch inhaltlich nur in kursorischer Weise - auf den neuen Einwand eingelassen haben mag (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 9, letzter Teilabsatz, bis Seite 11, Absatz 1), im Ergebnis verhindert, dass die Einspruchsabteilung über diesen Einwand eine Entscheidung treffen und die Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren dazu Stellung nehmen konnte. Dies widerspricht dem vorangingen Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (vgl. Artikel 12 (2) VOBK 2020).

4.11 Die Kammer übt daher das ihr aus Artikel 12 (4) VOBK 2007 gegebene Ermessen dahingehend aus, die auf Dokument D3 als nächstliegenden Stand der Technik in Kombination mit der Lehre des Dokuments D4 und dem allgemeinen Fachwissen beruhende Argumentationslinie nicht im Verfahren zu berücksichtigen.

4.12 Im Ergebnis gelingt es der Beschwerdeführerin deshalb nicht, in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 1 und 14 gemäß Hauptantrag darzulegen.

5. Schlussfolgerungen

Der im Beschwerdeverfahren erneut erhobene Einwand der Doppelpatentierung entspricht keinem der in Artikel 100 EPÜ abschließend aufgezählten Einspruchsgründen und ist nicht geeignet, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung darzulegen.

Das erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegte Dokument D54 und alle auf diesem Dokument basierenden Einwände werden im Verfahren nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstandes ausgehend von der Lehre des Dokuments D3 in Kombination mit der Lehre des Dokuments D4 und dem allgemeinen Fachwissen.

Der Beschwerdeführerin gelingt es nicht, in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags darzulegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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