T 2117/19 (GUT UMFORMBARES STAHLFLACHPRODUKT/ThyssenKrupp) of 11.7.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T211719.20220711
Datum der Entscheidung: 11 Juli 2022
Aktenzeichen: T 2117/19
Anmeldenummer: 10787425.7
IPC-Klasse: B21D 31/00
C21D 1/26
C21D 9/46
C22C 38/06
C22C 38/28
C22C 38/38
C21D 1/76
C21D 8/02
C22C 38/02
C22C 38/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINES GUT UMFORMBAREN STAHLFLACHPRODUKTS
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Steel Europe AG
Name des Einsprechenden: ArcelorMittal
Tata Steel IJmuiden B.V.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Änderung nach Ladung - stichhaltige Gründe (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0608/07
T 1487/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 2 513 346 B1 wegen mangelnder Ausführbarkeit zu widerrufen.

II. Es wird auf folgende Schriften, die bereits Teil des Einspruchsverfahrens waren, Bezug genommen:

A4 |EP 2 474 639 A1 |

A5 |"Internal Oxidation during Intercritical Annealing of CMnSi TRIP Steel", Y. F. Gong et al., ISIJInternational, Vol. 49 (2009), 557-563|

A10|"Heterogene Glühgas/Metall-Reaktionen in der Schmelztauchveredelung höherfester Mehrphasenstähle", M. Norden,Dissertation, Tag der mündlichen Prüfung: 3. Dezember 2010|

A11|DIN EN ISO 3887, März 2003 |

III. Im Beschwerdeverfahren hielt die Beschwerdeführerin die Anspruchssätze des Einspruchsverfahrens (Hauptantrag: erteilte Ansprüche, Hilfsanträge 1 und 2 vom 7. März 2019) aufrecht und reichte zudem das folgende Dokument ein:

A18 "Smithells Metals Reference Book", 6th Ed.,

Butterworths, Seiten 29-9 bis 29-12.

IV. Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) argumentierte u.a., dass A18 nicht zuzulassen, und der beanspruchte Gegenstand nicht ausreichend offenbart sei.

V. Die Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) reichte im Beschwerdeverfahren keine substantiellen Argumente ein.

VI. Der der Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Herstellen eines gut umformbaren Stahlflachprodukts, das einen C-Gehalt von 0,1 - 0,4 Gew.-% aufweist, bei dem das Stahlflachprodukt in einem Durchlaufofen einer Glühbehandlung unterzogen wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Glühbehandlung unter einer Glühatmosphäre durchgeführt wird, die 0,1 - 25 Vol.-% H2, H2O und als Rest N2 sowie technisch bedingt unvermeidbare Verunreinigungen enthält und die einen zwischen -20 °C und +60 °C liegenden Taupunkt aufweist, wobei das Verhältnis H2O/H2 der Glühatmosphäre höchstens gleich 0,957 ist, und dass das Stahlflachprodukt im Zuge der Glühbehandlung auf eine 600 - 1100 °C betragende Haltetemperatur erwärmt wird, bei der es für eine 10 - 360 s dauernde Haltezeit gehalten wird, so dass das nach der Glühbehandlung erhaltene Stahlflachprodukt eine 10 - 200 mym dicke, an seine freie Oberfläche angrenzende duktile Randschicht mit einer Duktilität aufweist, die größer ist als die innenliegende, von der Randschicht bedeckte Kernschicht des Stahlflachprodukts."

Die abhängigen Ansprüche 2-8 beziehen sich auf besondere Ausführungsarten.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Artikel 100 b) EPÜ

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Fachperson wisse, wie man die Dicke der duktilen Randschicht beeinflusse. Beispielsweise führten höhere Temperaturen zu einer dickeren duktilen Randschicht. Zudem sei aus den Beispielen des Streitpatents ersichtlich, dass ein höherer Wasserdampftaupunkt die duktile Randschichtdicke erhöhe. Darüber hinaus könne in offensichtlicher Weise die Glühdauer erhöht werden, um die duktile Randschichtdicke zu erhöhen. Zudem habe die Beschwerdegegnerin für ihre Behauptungen keine Beweise vorgelegt. Im Einspruchsverfahren liege die Beweislast jedoch auf Seiten der Einsprechenden.

b) Zulassung der A18

Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie vor der Einspruchsabteilung erfolglos argumentiert habe, dass die Fachperson wisse, wie man die Entkohlungstiefe einstelle. Die A18 sei ein Handbuch, repräsentiere daher das allgemeine Wissen der Fachperson und zeige u. a. Diagramme, in denen für verschiedene, für den vorliegenden Fall relevante, chemische Reaktionen die Reaktionsbedingungen dargestellt seien, die eine entkohlende Umgebung bewirkten. Es sei offensichtlich, dass eine Grundvoraussetzung für die Entkohlung der Randschicht eines Stahlbleches das Einstellen einer entkohlenden Umgebung sei.

c) Zulassung der Argumentationslinie unter Artikel 100 b) EPÜ, ausgehend von der A10

Die Beschwerdeführerin beantragte die neue, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebrachte Argumentationslinie auf Grundlage der A10 unter Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zuzulassen.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin 1 können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Artikel 100 b) EPÜ

Das Ziel des Patents sei eine duktile Oberflächenschicht einer beanspruchten Dicke zu erzielen. Die Verfahrensparameter führten jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis.

Das Patent gebe keine Anleitung in welche Richtung die Parameter zu ändern seien, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Zum Beispiel verschöben Temperaturänderungen das Reaktionsgeschehen auf nicht vorhersehbare Weise.

Auch erhöhe sich mit steigender Temperatur zwar das Diffusionsvermögen des Kohlenstoffs, andererseits wirkten bei höheren Temperaturen entstehende Reaktionsprodukte diffusionshemmend.

Auch Änderungen der Zusammensetzung der Glühatmosphäre wirkten sich auf nicht vorhersehbare Weise auf die duktile Randschicht aus. Zudem umfasse der Anspruch auch hochlegierte Stähle die Legierungselemente enthielten, die eine Entkohlung erschwerten oder gar verhinderten.

Dass das gewünschte Ergebnis nicht erreichbar sei, werde durch die Beispiele der A4 offenbar. Wie aus Tabelle 7 ersichtlich sei, führe die überwiegende Anzahl von Versuchen nicht zu einer entkohlten Randschichtdicke im beanspruchten Bereich, obwohl die Verfahrensparameter in den beanspruchten Bereich fielen.

Analoges gelte im Hinblick auf die Beispiele der A5.

Darüber hinaus gebe es in der A11 verschiedene Kriterien um die Entkohlungstiefe und damit die Dicke der duktilen Randschicht zu bestimmen. Die Fig. 3 des Streitpatents zeige, dass sie nicht, wie von der Einspruchsabteilung angenommen, der Tiefe d4 entspreche, die in der Figur auf der Seite 5 der A11, dargestellt sei.

b) Zulassung der A18

Die Beschwerdegegnerin 1 beantragte das neue Dokument A18 nicht zuzulassen, weil es zu spät vorgelegt wurde und zum Sachverhalt nichts beitrage.

Der Einwand unter Artikel 83 EPÜ sei bereits im Einspruchsschriftsatz genannt worden. Insbesondere sei bereits darin argumentiert worden, dass das zu erreichende Ergebnis nicht notwendigerweise durch die beanspruchten Verfahrensschritte erreicht werde. Das sei im Übrigen auch von der Beschwerdeführerin bestätigt worden. Insbesondere argumentierte die Beschwerdeführerin lediglich, dass die Fachperson genau wisse, welchen Einfluss die im Anspruch genannten Verfahrensparameter auf die Entkohlungstiefe haben.

Zudem sei Anspruch 1 nicht auf die Entkohlungstiefe der Randschicht gerichtet, sondern auf seine Duktilität. Daher sei A18 auch nicht einschlägig. Darüber hinaus zeige die A18 nicht, welchen Einfluss die Parameter des Anspruchs 1 auf die Entkohlungstiefe haben, geschweige denn, ihr kombinierter Einfluss auf die Entkohlungstiefe.

c) Zulassung der Argumentationslinie unter Artikel 100 b) EPÜ, ausgehend von der A10

Die Beschwerdegegnerin 1 argumentierte, dass in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung die Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 a) EPÜ i. V. m. Artikel 54(1) und (2) EPÜ gemeinsam diskutiert worden seien und dabei die A10 genannt worden sei. Daher sei die A10 weder überraschend für die Beschwerdeführerin noch sei die Argumentationslinie neu.

IX. Anträge:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung eines Patents auf Grundlage der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht am 7. März 2019 im schriftlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der A18

1.1 Die Zulassung der A18 bemisst sich im vorliegenden Fall nach Artikel 12(4) VOBK 2007. Nach Artikel 12(4) VOBK 2007 (siehe auch Artikel 25(2) VOBK 2020) hat die Kammer die Befugnis Beweismittel nicht zuzulassen, wenn sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

1.2 Die Beschwerdeführerin musste angesichts der angefochtenen Entscheidung davon ausgehen, dass die Einspruchsabteilung ihrem Vortrag, dass die Fachperson wisse, wie man die beanspruchte Entkohlungstiefe erzielt, nicht gefolgt ist. Die A18 wurde von der Beschwerdeführerin insbesondere als Beleg für das allgemeine Fachwissen vorgelegt.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beschwerde­führerin Beweise vorbringt, um ihre bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachte Argumentation bezüglich der allgemeinen Kenntnisse der Fachperson zu stützen.

1.3 Das Einreichen der A18 ist daher eine legitime Reaktion auf die angefochtene Entscheidung und daher im Verfahren zu berücksichtigen.

2. Zulassung der Argumentationslinie unter Artikel 100 b) EPÜ, ausgehend von der A10

2.1 Die Beschwerdegegnerin 1 trug im Beschwerdeverfahren erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eine Argumentation unter Artikel 100 b) EPÜ unter Heranziehung der A10 vor, was eine Änderung des Beschwerdevorbringens darstellt.

2.2 Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens grundsätzlich unberücksichtigt, außer wenn stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt worden sind, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

2.3 Außergewöhnliche Umstände sind weder geltend gemacht worden, noch sind diese ersichtlich. Die Beschwerdeerwiderung enthielt keine Argumentationslinie, die auf die A10 Bezug nahm.

2.4 Die Beschwerdegegnerin 1 argumentierte mit Blick auf das Einspruchsverfahren, dass die A10 bereits diskutiert wurde.

Ungeachtet dessen, dass weder das Protokoll der mündlichen Verhandlung noch die angefochtene Entscheidung eine Argumentationslinie enthalten, die A10 zitiert, ist für die Beurteilung von Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten unter Artikel 13(2) VOKB 2020 im vorliegenden Fall die Beschwerdeerwiderung, die das vollständige Beschwerdevorbringen enthalten muss, heranzuziehen.

2.5 Daher wird das neue Vorbringen unter Artikel 100 b) EPÜ unter Heranziehung der A10 nicht ins Verfahren zugelassen.

3. Artikel 100 b) EPÜ, ausreichende Offenbarung

3.1 Die Glühatmosphäre enthält dem Anspruch 1 zufolge 0,1 - 25 Vol.% Wasserstoff, Wasserdampf, und Stickstoff. Zudem wird ein Bereich für die Wasserdampfkonzentration und ein Bereich für das Verhältnis von Wasserdampf zu Wasserstoff definiert. Daher können die Konzentrationen von Wasserstoff und Wasserdampf zwar in weiten Bereichen variieren, sind aber nicht unabhängig voneinander. Darüber hinaus werden Bereiche für die Haltedauer und Haltetemperatur angegeben.

Die offenbarten Ausführungsformen sind in diesen Bereichen enthalten.

3.2 In der Beschreibung des Streitpatents sind die der Entkohlung zugrundeliegenden chemischen Reaktionen angegeben, insbesondere auch die heterogenen Reaktionen mit Kohlenstoff. Diese stellen daher eine Anleitung dar, geeignete Modifikationen der Glühbedingungen zu erhalten, um alternative Stähle behandeln können.

Das Patent gibt unbestritten eine Ausführungsform an.

Davon ausgehend kann die Fachperson ohne weiteres, ohne unzumutbaren Aufwand, weitere Ausführungsformen entwickeln, indem ein oder mehrere Parameter in sinnvollen Grenzen verändert werden. Das betrifft auch die Legierungszusammensetzung, denn auch diese ist im Beispiel angegeben.

Selbst wenn es sich bei der oben skizzierten Vorgehensweise herausstellen sollte, dass einzelne Kombinationen von Parametern nicht zum gewünschten Ergebnis führen, würde sich die Fachperson nicht der Möglichkeit beraubt sehen, die Erfindung wie vorgesehen zu nutzen.

Beweise die zeigen, dass es nicht möglich sei, im wesentlichen über den gesamten Bereich der beanspruchten Parameter die Erfindung auszuführen, liegen nicht vor. Im Einspruchsverfahren liegt die Beweislast für eine angeblich unzureichende Offenbarung aber bei den Einsprechenden.

3.3 Es ist zwar richtig, wie die Beschwerdegegnerin 1 ausführt, dass die Entkohlungstiefe und die Duktilität zwei verschiedene Eigenschaften eines Stahlbleches sind. Allerdings sind diese bei einem Stahlblech sehr eng miteinander verbunden. Es liegen keine Beweise dafür vor, dass eine Entkohlung nicht unmittelbar einen Anstieg der Duktilität zur Folge hat.

3.4 Tatsächlich zeigen, wie die Beschwerdegegnerin 1 geltend macht, fast alle Beispiele der A4 eine entkohlte Randschichtdicke unterhalb des beanspruchten Bereichs. Die Dicke der entkohlten Randschicht der Beispiele der Tabelle 7 ist aber das Resultat der in A4 beschriebenen Erfindung. Daher ist aus ihnen nicht ersichtlich, dass eine dickere entkohlte Randschicht, wie beansprucht, nicht erreicht werden konnte.

Insbesondere zeigt die Tabelle 7 einzelne Bespiele, wie M31, in denen die im Streitpatent beanspruchte Dicke der entkohlten Randschicht erreicht wurde. Zudem bewegen sich die in der Tabelle 7 angegebenen Glühtemperaturen am unteren Ende des beanspruchten Temperaturbereichs. Darüber hinaus ist eine Haltezeit in den Beispielen der Tabelle 7 nicht angegeben.

Es ist auch nicht ersichtlich, noch von der Beschwerdegegnerin gezeigt, dass ausgehend von den Beispielen der A4, bei Verwendung einer Glühtemperatur und/oder einer Haltezeit, die am oberen Ende der beanspruchten Bereiche liegen, die beanspruchten duktilen Randschichtdicken trotzdem nicht erreicht werden können.

Die Beispiele der A4 sind daher nicht geeignet, zu zeigen, dass das Streitpatent nicht ausführbar sei.

3.5 Auch in der A5 bleibt die Glühtemperatur und die Haltezeit deutlich unter den beanspruchten oberen Bereichsgrenzen, so dass analog zu den Beispielen der A4, die Beispiele der A5 nicht geeignet sind, die Ausführbarkeit infrage zu stellen.

3.6 Es ist unbestritten, dass die Entkohlungstiefe bestimmt werden kann. Dass es für die Tiefenbestimmung unterschiedliche Kriterien gibt, steht der Ausführbarkeit nicht entgegen. Die Figur 3 des Streitpatents stellt ein gemessenes Beispiel des Kohlenstoffgehalts in der Randschicht dar. Es zeigt, dass sich die Entkohlungstiefe im wesentlichen von der Oberfläche bis zu dem Punkt erstreckt, an dem der Kohlenstoffgehalt dem des unbeeinflussten Kerns des Stahlblechs entspricht (siehe Absatz [0037] des Streitpatents). Selbst wenn eine Messung der Randschichtdicke zu leicht unterschiedlichen Werten führt, ist weder gezeigt, noch ersichtlich, dass sich die Unsicherheit auf mehr als nur die Bereichsgrenzen erstreckt. Um eine unzureichende Offenbarung zu bejahen, genügt es nicht zu zeigen, dass ein Mangel an Klarheit an den Bereichsgrenzen existiert, sondern es muss gezeigt werden, dass die Fachperson sich der Möglichkeit beraubt sieht, die Erfindung wie vorgesehen zu nutzen (T 608/07, Punkt 2.5.2).

3.7 Die Anforderungen an Artikel 100 b) EPÜ sind daher erfüllt.

4. Zurückverweisung, Artikel 111(2) EPÜ

Wenn, wie im vorliegenden Fall, der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der einzige in der angefochtenen Entscheidung abgehandelte Einspruchsgrund darstellt und die weitergehenden Einwände unter dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise behandelt wurden, so liegt nichts vor, was die Kammer über die Einwände unter Artikel 100 b) EPÜ hinaus auf seine Richtigkeit hin beurteilen könnte. Es ist jedoch, wie nunmehr in Artikel 12(2) VOBK 2020 ausdrücklich niedergelegt, vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Dem widerspräche es, über Einspruchsgründe, die nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren, im Beschwerdeverfahren erstmals abschließend und keiner weiteren inhaltlichen Überprüfung zugänglich zu entscheiden (siehe z.B. T 1487/18, Gründe 4).

4.1 Deshalb liegen besondere Gründe im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020 vor, die eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung rechtfertigen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

- Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren

Entscheidung zurückverwiesen.

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