T 2076/19 () of 30.11.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T207619.20221130
Datum der Entscheidung: 30 November 2022
Aktenzeichen: T 2076/19
Anmeldenummer: 15003114.4
IPC-Klasse: F16D 65/14
F16D 65/00
F16D 65/18
F16D 121/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SCHEIBENBREMSE
Name des Anmelders: Wabco Radbremsen GmbH
Name des Einsprechenden: Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.

II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdeerwiderung vom 20. Januar 2020 eingereichten Hilfsantrags.

V. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag (erteilte Fassung) lautet wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern sowie Unterstreichung hinzugefügt):

"[a] Scheibenbremse, insbesondere für Nutzfahrzeuge, mit

einer Bremswelle (32) und

einem Druckstück (24) und/oder einer Druckspindeleinrichtung (26) und

[b] einem eine Einbauöffnung (28) zum Einbauen der Bremswelle aufweisenden Bremssattel (10),

wobei die Bremswelle derart auf den Bremssattel

abgestimmt ist, daß sie zum Zuspannen der Bremse

dienen kann,

dadurch gekennzeichnet, daß

[c] der Bremssattel und die Bremswelle jeweils eine Codierung aufweisen, die einen Einbau der Bremswelle

durch die Einbauöffnung nur dann erlaubt, wenn die

beiden Codierungen zueinander passen,

[d] die Einbauöffnung (28) eine erste Abmessung (BS1)

in einer ersten Richtung und eine zweite Abmessung

(HS2) in einer quer zu der ersten Richtung liegenden

zweiten Richtung hat und die Bremswelle (32) in der

ersten Richtung eine erste Abmessung (BW2) und

in der zweiten Richtung eine zweite Abmessung

(HW1) hat,

zu der Codierung gehört, daß die erste Abmessung

(BW2) der Bremswelle kleiner als die erste Abmessung

(BS1) der Einbauöffnung und die zweite Abmessung

(HW1) der Bremswelle kleiner als die zweite

Abmessung (HS2) der Einbauöffnung sind, und

[e] eine Einrichtung zur Begrenzung der ersten

und/oder der zweiten Abmessung der Einbauöffnung

und eine Einrichtung (12, 14, 16, 18, 20, 22)

zur Abstützung/Führung eines Druckstücks (24) zumindest

teilweise zusammenfallen, so daß die Einrichtung

zur Begrenzung der ersten und/oder der zweiten Abmessung der Einbauöffnung zum Abstützen/

Führen des Druckstücks dient,

dadurch gekennzeichnet, daß

[f] eine die Bremswelle (32) in Kombination mit dem Druckstück (24) und/oder mit der Druckspindel­einrichtung (26) aufweisende vormontierte Einheit nicht durch die Einführöffnung (28) paßt."

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Aufnahme des Merkmals [g] des erteilten Anspruchs 5 wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern sowie Unterstreichung hinzugefügt):

"dadurch gekennzeichnet, daß

[g] die Bremswelle (32) nur in einer vorbestimmten Drehstellung durch die Einführöffnung (28) paßt, nach Passieren der Einführöffnung im Inneren des Bremssattels (10) jedoch für die Zwecke des Zuspannens der Bremse verdrehbar ist."

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltung Bezug genommen:

E9: DE 102 19 148 C1

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammen­fassen:

Hauptantrag - Neuheit

Die E9 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags, sodass dessen Gegenstand nicht neu gegenüber der Offenbarung der E9 sei.

Hilfsantrag - Zulässigkeit

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags enthalte mehrmals die Worte "dadurch gekennzeichnet, dass", weshalb er formal unzulässig sei, da nicht klar zum Ausdruck gebracht werde, welche Merkmale des Anspruchs als "kennzeichnend" anzusehen sind.

Hilfsantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [g] sei kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der E9, da bei der Scheibenbremse der E9 die Bremswelle 7 nicht in jeder Drehstellung durch die Einführöffnung passe.

Hilfsantrag - Ausführbarkeit

Da das Merkmal [f] undeutlich formuliert sei, erlaube es keine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik. Ferner wisse der Fachmann nicht, was unter den Begriff "Vormontage" fällt und aus wie vielen Bauteilen die "vormontierte Einheit" besteht. Das Streitpatent offenbare daher die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammen­fassen:

Hauptantrag - Neuheit

Die in der E9 offenbarte Scheibenbremse erfülle nicht das Merkmal [f]. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei daher neu gegenüber der Offenbarung der E9.

Hilfsantrag - Zulässigkeit

Der Anspruch 1 habe bereits in der erteilten Fassung die Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" mehrmals enthalten.

Hilfsantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [g] sei in der E9 nicht offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags sei daher neu gegenüber der Offenbarung der E9. Der Fachmann habe auch keine Veranlassung gehabt, die in der E9 offenbarte Scheibenbremse derart weiterzubilden, dass die Bremswelle nur in einer vorbestimmten Drehstellung durch die Einführöffnung passt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags beruhe daher auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag - Ausführbarkeit

Die Erfindung sei im Streitpatent ausreichend deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, auch wenn das Patent keine Einzelheiten dazu enthalte, wie die "vormontierte Einheit" aussieht und wie die Vormontage vonstattengeht.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Die Entgegenhaltung E9 offenbart in den Figuren 1 bis 3 unstreitig eine Scheibenbremse gemäß den Merkmalen [a] bis [e] des Anspruchs 1 des Hauptantrags, d. h. eine (Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf E9)

[a] Scheibenbremse mit einer Bremswelle (7) und einem Druckstück (8) und/oder einer Druckspindeleinrichtung (11) und

[b] einem eine Einbauöffnung (Figuren 1 und 2: die Öffnung links im Bremssattel 1) zum Einbauen der Bremswelle aufweisenden Bremssattel (1), wobei die Bremswelle (7) derart auf den Bremssattel (1) abgestimmt ist, dass sie zum Zuspannen der Bremse dienen kann (implizit), wobei

[c] der Bremssattel (1) und die Bremswelle (7) jeweils eine Codierung aufweisen, die einen Einbau der Bremswelle (7) durch die Einbauöffnung nur dann erlaubt, wenn die beiden Codierungen zueinander passen,

[d] die Einbauöffnung eine erste Abmessung in einer ersten Richtung und eine zweite Abmessung in einer quer zu der ersten Richtung liegenden zweiten Richtung hat und die Bremswelle (7) in der ersten Richtung eine erste Abmessung und in der zweiten Richtung eine zweite Abmessung hat,

zu der Codierung gehört, dass die erste Abmessung der Bremswelle kleiner als die erste Abmessung der Einbauöffnung und die zweite Abmessung der Bremswelle kleiner als die zweite Abmessung der Einbauöffnung sind (implizit), und

[e] eine Einrichtung zur Begrenzung der ersten

und/oder der zweiten Abmessung der Einbauöffnung

und eine Einrichtung (Lagerungen 9) zur Abstützung/Führung eines Druckstücks (8) zumindest teilweise zusammenfallen, so dass die Einrichtung zur Begrenzung der ersten und/oder der zweiten Abmessung der Einbauöffnung zum Abstützen/Führen des Druckstücks dient.

1.2 Das Merkmal [f] des Anspruchs 1 bestimmt, dass eine "vormontierte Einheit" - aufweisend die Bremswelle in Kombination mit dem Druckstück und/oder mit der Druckspindel­einrichtung - nicht durch die Einführ­öffnung passen soll. Das Merkmal ist also negativ formuliert und charakterisiert die beanspruchte Vorrichtung mithilfe eines Konstrukts, das selbst kein Teil dieser Vorrichtung ist. Da die "vormontierte Einheit" anspruchsgemäß nicht durch die Einführ­öffnung passen darf, kann sie auch nicht in der beanspruchten Scheibenbremse vorliegen. Das Merkmal ist deshalb dahingehend auszulegen, dass wenn man die Bremswelle mit dem Druckstück und/oder mit der Druckspindel­einrichtung zu einer "vormontierten Einheit" zusammen­fasst, diese dann nicht durch die Einführ­öffnung passen darf.

1.3 Der Anspruch lässt dabei offen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich die Bremswelle in Kombination mit dem Druckstück und/oder mit der Druckspindel­einrichtung in einem "vormontierten" Zustand befinden. Der Begriff "vormontiert" selbst gibt hierüber keinen Aufschluss, da bereits das Konzept von "montiert" vielfältig ist und selbst auf dem Gebiet der Scheibenbremsen verschiedenste Maßnahmen wie beispielsweise aneinanderlegen, ineinanderstecken, verschrauben, verhaken etc. umfasst. So spricht beispielsweise das Streitpatent in Absatz [0043] davon, dass im eingebauten, d. h. montierten, Zustand die Bremswelle gegenüber dem Druckstück gleit- bzw. drehgelagert ist, die beiden Elemente also aneinander anliegen. Der Begriff "vormontiert" ist demgegenüber noch breiter, da er lediglich die Vorstufe der beispielhaft genannten Maßnahmen bezeichnet.

Selbst wenn man die Beschreibung des Streitpatents zur Auslegung heranzieht, gibt es dort keine Definition des Begriffs "vormontiert". Zwar wird dieser mehrfach verwendet (siehe die Absätze [0014] bis [0016], [0018], [0030] und [0040]), aber nicht erläutert. Lediglich der Absatz [0040] enthält ein paar zusätzliche Angaben. Er thematisiert die in Figur 5 gezeigte Drehwinkel­stellung der Bremswelle 32 und stellt fest, dass in der gezeigten Stellung die Bremswelle 32 "nicht in Kontakt mit dem Druckstück 24 sein bzw. mit dem Druckstück keine vormontierte Einheit bilden" kann. Der Absatz spricht also von einer "vormontierten Einheit", wenn die Bremswelle mit dem Druckstück "in Kontakt" ist.

1.4 Die Beschwerdegegnerin machte geltend, das Attribut "vormontiert" erfordere, dass die beteiligten Elemente eine funktionierende Stellung zueinander innehaben, und dass daraus eine Herstellungs­vereinfachung resultiert.

Diese Kriterien ergeben sich aber weder aus dem vorstehend erläuterten Begriffsverständnis von "vormontiert", noch aus dem restlichen Anspruchs­wortlaut oder der Beschreibung des Streitpatents. Im Übrigen machte die Beschwerdegegnerin selbst geltend, eine Einheit aus einer Bremswelle und einem Druckstück, die mittels eines Kabelbinders miteinander verbunden sind, erfülle das Kriterium "vormontiert". Eine funktionierende Stellung innerhalb der fertigen Scheibenbremse hätten diese Elemente aber erst inne, nachdem der Kabelbinder entfernt wurde.

1.5 Das Merkmal [f] des Anspruchs 1 ist daher breit auszulegen. Eine "vormontierte Einheit" ist im vorliegenden Fall schon dann gegeben, wenn die Bremswelle mit dem Druckstück und/oder mit der Druckspindel­einrichtung in Kontakt ist. Dabei bleibt offen, wie diese Elemente relativ zueinander positioniert sind, und ob sie relativ zueinander fixiert oder beweglich sind. Das Merkmal [f] ist also bereits erfüllt, wenn eine im Stand der Technik offenbarte Scheibenbremse eine Bremswelle sowie ein Druckstück und/oder eine Druckspindel­einrichtung aufweist, die miteinander in Kontakt stehend eine Konfiguration einnehmen können, welche nicht durch die Einführöffnung im Bremssattel passt. Dies schließt Konfigurationen ein, bei denen die Elemente der vormontierten Einheit - beispielsweise mittels eines Kabelbinders - relativ zueinander fixiert sind.

1.6 Die in der E9 offenbarte Scheibenbremse umfasst, wie oben festgestellt (siehe Punkt 1.1), eine Bremswelle 7 und ein Druckstück 8 (E9, Figuren 1 bis 3). Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten können diese beiden Elemente zu einer "vormontierten Einheit" im Sinne des Merkmals [f] zusammengefasst werden, indem die Bremswelle 7 an dem Druckstück 8 mittels eines Kabelbinders fixiert wird, wobei die Bremswelle 7 derart orientiert ist, dass der Bremshebel auf einer 3-Uhr-Stellung (bezogen auf Figur 1 der E9) steht, sich also entlang der Zuspannachse 5.1 (siehe Figur 3) vom Druckstück 8 weg erstreckt.

1.7 Beim Einführen dieser "vormontierten Einheit" durch die Einführöffnung links im Bremssattel 1 der E9 stößt der sich horizontal erstreckende Bremshebel 6 an die rechte Wand des Bremssattels 1, wo sich auch die Stützfläche 10 befindet, an (Richtungsangaben beziehen sich auf die Figur 1 der E9). Im Ergebnis passt damit die "vormontierte Einheit" nicht durch die Einführ­öffnung.

1.8 Die Beschwerdegegnerin machte geltend, ein Einführen einer solchen "vormontierten Einheit" durch die Einführöffnung im Bremssattel 1 der E9 sei möglich, wenn der Bremshebel 6 nach dem Passieren der Einführöffnung von seiner 3-Uhr-Stellung nach oben in eine 12-Uhr-Stellung geschwenkt wird.

Dieses Argument setzt jedoch voraus, dass in der "vormontierten Einheit" im Sinne des Merkmals [f] die Bremswelle 7 gegenüber dem Druckstück 8 die besagte Schwenkbewegung um die Wellenachse ausführen kann. Legt man indes für die Neuheitsprüfung eine "vormontierte Einheit" gemäß obiger Ausgestaltung zugrunde, bei der diese Schwenk­bewegung nicht möglich ist, da sie beispielsweise durch den Kabelbinder verhindert wird, gelingt das Einführen unstreitig nicht.

1.9 Die E9 offenbart also eine Bremswelle 7 und ein Druckstück 8, welche als eine "vormontierte Einheit"

im Sinne des Anspruchs nicht durch die Einführöffnung passen. Damit nimmt die E9 auch das Merkmal [f] des Anspruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorweg.

1.10 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu gegenüber der Offenbarung der E9.

2. Hilfsantrag - formale Zulässigkeit

2.1 Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag enthält ein zusätzliches Merkmal [g], wonach

[g] die Bremswelle nur in einer vorbestimmten Drehstellung durch die Einführöffnung passt, nach Passieren der Einführöffnung im Inneren des Bremssattels jedoch für die Zwecke des Zuspannens der Bremse verdrehbar ist.

2.2 Dieses zusätzliche Merkmal wird in Anspruch 1 des Hilfsantrags mit einem "dadurch gekennzeichnet, dass" eingeleitet. Im Ergebnis enthält der Anspruch 1 des Hilfsantrags damit insgesamt dreimal die Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" (siehe oben Punkt V.).

2.3 Die Beschwerdeführerin beanstandete, der Hilfsantrag sei deshalb formal unzulässig. Es sei nicht klar zum Ausdruck gebracht, welche Merkmale des Anspruchs als "kennzeichnend" anzusehen sind.

2.4 Hierzu ist festzustellen, dass bereits im erteilten Anspruch 5, wenn man ihn vollständig ausformuliert, die Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" dreimal enthalten waren. Soweit man daher in der dreimaligen Verwendung dieser Worte einen Klarheitsmangel im Sinne des Artikels 84 EPÜ erkennen wollte, wäre dieser einer Überprüfung nicht zugänglich (G 3/14).

2.5 Der Einwand der formalen Unzulässigkeit des Hilfsantrags hat daher keinen Erfolg.

3. Hilfsantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1 Das zusätzlich in den Anspruch aufgenommene Merkmal [g] bestimmt unter anderem, dass die Bremswelle nur in einer vorbestimmten Drehstellung durch die Einführ-öffnung passt.

3.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, bei der Scheibenbremse der E9 passe die Bremswelle 7 nicht in jeder Drehstellung durch die Einführöffnung. Daher nehme die E9 das Merkmal [g] neuheitsschädlich vorweg.

3.3 In der Tat sind für die Scheibenbremse der E9 vielfältige Drehstellungen der Bremswelle 7 denkbar, bei denen sie nicht durch die Einführöffnung passt. Das Anspruchsmerkmal fordert jedoch mehr als das. Aufgrund des Adverbs "nur" genügt es nicht, dass die Bremswelle in manchen Drehstellungen passt und in anderen nicht. Vielmehr muss die Scheibenbremse anspruchsgemäß dergestalt sein, dass die Bremswelle in keiner Drehstellung - außer einer bestimmten - durch die Einführöffnung passt. Der Anspruch schließt also Scheibenbremsen aus, bei denen die Bremswelle in mehr als einer Drehstellung durch die Einführöffnung geführt werden kann.

3.4 Für die Scheibenbremse der E9 ist nicht ausdrücklich offenbart, wie viel Spiel die Bremswelle 7 in der Einführöffnung hat. Jedoch zeigen die schematischen Abbildungen der Figuren 1 und 2 einen relativ großen vertikalen Abstand der beiden Führungen 9 zueinander, verglichen mit dem Durchmesser der Bremswelle 7 und des Bremshebels 6. Daher ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Bremswelle 7 in mehreren verschiedenen Drehstellungen durch die Einführöffnung eingeführt werden kann, beispielsweise mit dem Bremshebel 6 in einer 1-Uhr-Stellung oder in einer 2-Uhr-Stellung. Die E9 enthält daher keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals [g].

3.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags ist folglich neu gegenüber der Offenbarung der E9.

3.6 Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, woher der Fachmann die Veranlassung erhalten könnte, die in der E9 offenbarte Scheibenbremse derart weiterzubilden, dass die Bremswelle nur in einer vorbestimmten Drehstellung durch die Einführöffnung passt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags beruht daher auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Hilfsantrag - Ausführbarkeit

4.1 Die Beschwerdeführerin beanstandete mangelnde Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung in Bezug auf das Merkmal [f]. Da es undeutlich formuliert sei, erlaube es keine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik. Ferner wisse der Fachmann nicht, was unter den Begriff "Vormontage" fällt und aus wie vielen Bauteilen die "vormontierte Einheit" besteht.

4.2 Die Beschwerdeführerin machte damit sinngemäß geltend, dass der Anspruch aufgrund der genannten Undeutlichkeit sehr breit sei, wobei die Ausführbarkeit nicht über die gesamte Breite gegeben sei. Die Beschwerdeführerin legte allerdings nicht dar, welche unter den Anspruch fallenden Ausführungsformen der Fachmann nicht ausführen kann.

4.3 Für die Ausführbarkeit ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob der Fachmann in der Lage ist, eine Scheibenbremse zu erhalten, bei der die Bremswelle zwar einzeln durch die Einbauöffnung im Bremssattel passt, nicht aber als "vormontierte Einheit" mit dem Druckstück und/oder der Druckspindel­einrichtung. Eine "vormontierte Einheit" ist im vorliegenden Fall schon dann gegeben, wenn die Bremswelle mit dem Druckstück und/oder mit der Druckspindel­einrichtung in Kontakt ist (siehe oben Punkt 1.5). Somit ist die Ausführbarkeit im vorliegenden Fall lediglich eine Frage der jeweiligen Dimensionierung der Bauteile und stellt den Fachmann vor keine Aufgabe, für deren Lösung er erfinderisch tätig werden müsste.

4.4 Das Streitpatent offenbart die Erfindung daher so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Basis des mit Schreiben vom 20. Januar 2020 eingereichten Hilfsantrags und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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