T 1698/19 () of 15.2.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T169819.20230215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2023
Aktenzeichen: T 1698/19
Anmeldenummer: 07725132.0
IPC-Klasse: G01D 21/02
F04D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EINRICHTUNG ZUR MESSWERTÜBERTRAGUNG
Name des Anmelders: KSB SE & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Grundfos Holding A/S
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein)
Klarheit (erster Hilfsantrag: nein)
Zulassung von nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereichter Anspruchssatz (zweiter Hilfsantrag: nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 0989/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin 2) richteten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen gemäß dem damaligen Hilfsantrag 2 das europäische Patent Nr. 2024712 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang und gestützt u.a. auf den Einspruchsgrund fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.

Folgende Dokumente wurden u.a. im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:

E1: DE 39 20 185 A1

E2: "IEEE Standard for A Smart Transducer Interface for Sensors and Actuators - Mixed-Mode Communication Protocols and Transducer Electronic Data Sheet (TEDS) Formats", IEEE Standards 1451.4, IEEE Instrumentation and Measurement Society, 15. Dezember 2004; Deckblatt, Titelseite, und Seiten 1 bis 4 und 15 bis 18

E3: US 2004/0103723 A1.

III. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ), und dass das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere die des Artikels 84 EPÜ, erfülle.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, die als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung zu der Sache mit.

V. Zu der Mitteilung der Beschwerdekammer haben die Patentinhaberin mit Schreiben vom 19. Dezember 2022 und die Einsprechende mit Schreiben vom 19. Januar 2023 Stellung genommen.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Februar 2023 statt.

Während der mündlichen Verhandlung reichte die Patentinhaberin Ansprüche gemäß einem neuen Hilfsantrag 2a ein.

Die Patentinhaberin beantragte als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 11. Januar 2019. Als ersten Hilfsantrag beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden und als zweiten Hilfsantrag beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 2a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2023.

Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (Merkmalskennzeichnung "M1" in eckigen Klammern durch die Kammer hinzugefügt):

"Einrichtung zur Messwertübertragung mit einem aus miniaturisierten Bauelementen bestehenden, an einer Kreiselpumpenanordnung mit Pumpe und Antriebsmotor angeordneten Sensormodul und einer Auswerteeinheit, wobei das Sensormodul Anschlüsse für verschiedene Sensoren aufweist, das Sensormodul mit ein oder mehreren Sensoren, die Betriebszustände der Kreiselpumpenanordnung mit Pumpe und Antriebsmotor als Messwerte erfassen, verbindbar ist und wobei das Sensormodul einen Anschluss zur Energieversorgung aufweist und die Messwerte verarbeitet, dadurch gekennzeichnet, dass das Sensormodul als ein Signaltransmitter (1) mit standardisiertem Ausgangssignal (10) ausgeführt ist, dass die Auswerteeinheit (2) einen Mikrorechner (3) aufweist, in das Sensormodul integriert ist und mit einer Anzeige (4) ausgeführt ist und dass die Auswerteeinheit (2) die Messwerte verarbeitet und auf der Anzeige (4) Messwerte und/oder berechnete Größen anzeigt, dass der Signaltransmitter (1) eine Speichervorrichtung (17) mit technologischen Daten der Pumpe (22) und/oder des Antriebsmotors (23) aufweist, wobei der Mikrorechner (3) mit Hilfe der Messwerte und der gespeicherten Daten Betriebsdaten und Betriebszustände der Kreiselpumpenanordnung (21) berechnet und auswertet, und dass das Sensormodul die Sensoren (7, 8) durch Identifikationsmittel bestimmt,

[M1] die innerhalb des Signaltransmitters (1) angeordnet sind und mittels im Signaltransmitter (1) gespeicherter Daten eine definierte Zuordnung von Sensor (7, 8) und Sensormessbereich durchführen."

Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass Merkmal M1 durch folgendes Merkmal M2 ersetzt wurde:

[M2] "wobei die mit dem Sensormodul verbundenen Sensoren (7, 8) nach Sensortyp und Messbereich durch in der Speichervorrichtung (17) gespeicherte Daten identifizierbar sind, wobei ein Sensor (7, 8) aus einem Vergleich von dessen Messwert mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe bestimmt ist.".

Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag dadurch, dass Merkmal M2 durch folgendes Merkmal M3 ersetzt wurde (Änderungen gegenüber des Merkmals M2 unterstrichen):

[M3] "wobei die mit dem Sensormodul verbundenen Sensoren (7, 8) nach Sensortyp und Messbereich durch die in der Speichervorrichtung (17) gespeicherten Daten identifizierbar sind, wobei ein Sensor (7, 8) aus einem Vergleich von dessen Messwert mit den gespeicherten technologischen Daten der Pumpe bestimmt ist."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin und die Beschwerde der Einsprechenden sind zulässig.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) - Druckschrift E1 als nächstkommender Stand der Technik

2.1 Die Ansprüche gemäß Hauptantrag entsprechen den Ansprüchen gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass die Einrichtung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sich von der Einrichtung der Druckschrift E1 (Zusammenfassung und Fig. 1 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung, insbesondere Spalte 1, Zeile 55, bis Spalte 2, Zeile 2, und Spalte 3, Zeile 46, bis Spalte 4, Zeile 8) durch folgende Merkmale unterscheide:

- Merkmal A: das Sensormodul bestimmt die Sensoren durch Identifikationsmittel,

- Merkmal B: der Signaltransmitter hat ein standardisiertes Ausgangssignal, und

- Merkmal M1: die Identifikationsmittel "innerhalb des Signaltransmitters (1) angeordnet sind und mittels im Signaltransmitter (1) gespeicherter Daten eine definierte Zuordnung von Sensor (7, 8) und Sensormessbereich durchführen",

und dass die beanspruchte Einrichtung unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens und der Druckschriften E2 und E3 naheliegend sei (Artikel 56 EPÜ).

2.2 Unterscheidungsmerkmale

Die Einsprechende hat geltend gemacht, dass die Merkmale A und B - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - in der Druckschrift E1 bereits offenbart seien.

2.2.1 Hinsichtlich des Merkmals A hat die Einsprechende vorgetragen, dass der Fachmann die in Fig. 1 der Druckschrift E1 dargestellten getrennten Eingangsleitungen des Differenzdruckmesssensors 3 und der Temperatursensoren 4 und 5 als dedizierte Eingangsleitungen für die verschiedenen Sensoren verstehen würde. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass die Steckverbindungen der Sensoren 3, 4 und 5 identisch sein könnten, da sie von unterschiedlichen Typen seien und in gänzlich anderen Messbereichen und Spannungen arbeiten. Somit offenbare die Druckschrift E1 Identifikationsmittel im Sinne des Anspruchs 1.

Die Kammer weist daraufhin, dass aus der Offenbarung der Druckschrift E1 - wie von der Patentinhaberin geltend gemacht - keine Identifizierung der Sensoren durch das Sensormodul unmittelbar und eindeutig herleitbar ist. Das Argument der Einsprechenden, wonach die Annahme, dass die Steckverbindungen der verschiedenen Sensoren eine identische Steckerform hätten, nicht realistisch sei, ist nicht überzeugend und geht jedenfalls über die Beurteilung der Frage der Neuheit hinaus. Daher ist das Merkmal A in der Druckschrift E1 nicht offenbart.

2.2.2 Hinsichtlich des Merkmals B hat die Einsprechende vorgetragen, dass der Fachmann in der Passage der Druckschrift E1, wonach "[d]ie Anzeige [...] erfolgt [...] über eine bekannte analoge oder digitale Schnittstelle" (Spalte 1, Zeilen 45 bis 48), ein standardisiertes Ausgangsignal mitlesen würde.

Die Kammer ist aber der Auffassung, dass die in der Druckschrift E1 erwähnte "bekannte analoge oder digitale Schnittstelle" - wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung vertreten - nicht zwangsläufig ein standardisiertes Ausgangssignal voraussetzt.

2.2.3 Somit ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegentand des Anspruchs 1 sich von der Einrichtung der Druckschrift E1 durch die Merkmale A, B und M1 unterscheidet.

2.3 Objektive technische Aufgabe

Das Merkmal B einerseits und die Merkmale A und M1 andererseits lösen - wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt - unterschiedliche technische Aufgaben, sodass sie unter Heranziehung der entsprechenden objektiven technischen Teilaufgaben zu bewerten sind.

2.3.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die durch das Merkmal B gelöste technische Teilaufgabe darin liege, eine zuverlässige Datenübertragung bei Verwendung beliebiger Sensoren zu externen Einheiten zu ermöglichen. Aus Sicht der Kammer ist aber der Ausdruck "bei Verwendung beliebiger Sensoren" - wie von der Patentinhaberin geltend gemacht - in der von der Einspruchsabteilung formulierten objektiven technischen Teilaufgabe zu streichen, weil die beanspruchte Vorrichtung nicht auf deren Verwendung mit beliebigen Sensoren beschränkt ist, und weil das Merkmal B sich nur auf das Ausgangssignal des Sensormoduls bezieht.

Die durch das Merkmal B gelöste technische Teilaufgabe liegt somit darin, eine zuverlässige Datenübertragung zu externen Einheiten zu ermöglichen.

2.3.2 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die durch die Merkmale A und M1 gelöste technische Teilaufgabe darin zu sehen sei, die unterschiedlichen Sensoren, welche von Pumpe zu Pumpe auch unterschiedlich sein können, zu erkennen und zu identifizieren, um Fehlfunktionen zu reduzieren und menschliche Fehler durch den Betreiber zu verringern bzw. auszuschließen.

Die beanspruchte Einrichtung umfasst aber Ausführungsformen, bei denen ein bestimmter Satz von Sensoren - wie dies z.B. in der Druckschrift E1 der Fall ist, vgl. das Differenzdruckmessgerät 3, der interne Temperaturfühler 4, der externe Temperaturfühler 5, und die Detektoren der Drehzahlen "n" und des Stroms "I" (Fig. 1 i.V.m. Spalte 3, Zeilen 38 bis 43 und Zeilen 57 bis 63, und Spalte 3, Zeilen 46 bis 55) - verwendet wird, wobei die Sensoren an ein Sensormodul zu verbinden sind und von diesem erkannt bzw. identifiziert werden, ohne dass dabei andere Sensoren - insbesondere Sensoren, welche von Pumpe zu Pumpe unterschiedlich sein können - zum Einsatz kommen. Daher ist die von der Einspruchsabteilung formulierte objektive technische Teilaufgabe für eine objektive Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aus Sicht der Kammer nicht geeignet.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die objektive technische Teilaufgabe, die im technischen Kontext der Druckschrift E1 durch die Merkmale A und M1 gelöst wird, darin besteht, das Sensormodul mit den unterschiedlichen Sensoren zu verwenden, ohne dass dabei - z.B. bei Vertauschungen von Steckplätzen durch den Betreiber (vgl. Patentschrift, Spalte 7, Zeilen 50 und 51) - Fehlfunktionen des Sensormoduls auftreten.

2.4 Erfinderische Tätigkeit

2.4.1 Hinsichtlich Merkmal B ist anzumerken, dass das beanspruchte standardisierte Ausgangssignal des Signaltransmitters - entgegen der von der Patentinhaberin vertretenen Auffassung - nicht auf eine Datenübertragung zwischen dem Signaltransmitter und der Kreiselpumpenanordnung - geschweige denn der Pumpe unterschiedlicher Hersteller - oder auf eine innere modulare Architektur der ganzen Anordnung beschränkt ist, weil das beanspruchte Ausgangssignal des Signaltransmitters auch nur das Ausgangssignal des Sensormoduls bzw. der ganzen Anordnung zur Übertragung von Daten an ein externes Gerät darstellen kann (siehe z.B. Patentschrift, Spalte 5, Zeilen 15 bis 18, Spalte 7, Zeilen 38 bis 41, Spalte 8, Zeilen 36 bis 38, und Spalte 9, Zeilen 29 bis 32).

In ihrer Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung auf das allgemeine Fachwissen bezüglich der Übertragung von standardisierten Signalen und auf die Druckschrift E2, in der eine Datenübertragung mit Hilfe von anzuwendenden Standards in vielen Varianten im Bereich der Sensorik thematisiert wird. Die Kammer ist der Ansicht, dass - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung dargelegt - es zum für das Patent relevanten Zeitpunkt fachüblich war, das Ausgangsignal des Signaltransmitters des Sensormoduls der Druckschrift E1 (Schnittstelle 7, siehe Fig. 1) zwecks Auswertung durch externe Geräte (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 45 bis 48 und Zeilen 55 bis 60, und Spalte 4, Zeilen 1 bis 7) als standardisiertes Ausgangssignal und damit zuverlässig zu übertragen.

Die Kammer ist daher der Auffassung, das Merkmal B naheliegend ist.

2.4.2 Die Druckschrift E3 offenbart einen Sensor mit einer integrierten Identifikationseinheit 6 (Zusammenfassung und Fig. 2), die sensorspezifischen Daten, insbesondere Messbereich und Empfindlichkeit, auf Nachfrage an eine Abfrage- bzw. Auswerteeinheit übermittelt (Absätze [0016] und [0017]). Außerdem setzt die in der Druckschrift E3 offenbarte Abfrage- bzw. Auswerteeinheit entsprechende Daten (z.B., wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung dargelegt, ein gespeichertes Programm oder dergleichen) voraus, die es ermöglichen, die sensorspezifischen Daten der Sensoren abzufragen und sie bei der Auswertung der entsprechenden Messwerte zu verwenden (Absätze [0016] und [0017]), was eine Zuordnung von Sensor und Sensormessbereich darstellt. Daraus folgt, dass die Abfrage- bzw. Auswerteeinheit der Druckschrift E3 - wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung auch dargelegt - Identifikationsmittel im Sinne des Merkmals A beinhaltet und gespeicherte Daten im Sinne des Merkmals M1 aufweist.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann, der mit der oben unter Nr. 2.3.2 formulierten technischen Teilaufgabe befasst ist, die Kombination der Druckschrift E1 mit der Lehre der Druckschrift E3 in Betracht gezogen hätte und er das Sensormodul der Druckschrift E1 mit einer Abfrage- bzw. Auswerteeinheit nach der Druckschrift E3, und damit mit Identifikationsmittel und den entsprechenden gespeicherten Daten, ausgestatten hätte, die es ermöglichen, sensorspezifische Daten in einer Identifikationseinheit des Sensors abzufragen und somit eine definierte Zuordnung von Sensor und Sensormessbereich durchzuführen.

Die Patentinhaberin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Sensoreinheit und die Sensoren der Druckschrift E1 ein zusammengehöriges proprietäres System darstellen und dass der Gedanke einer modularen Lösung bzw. einer Vermittlung zwischen Pumpen und Auswerteeinheit unterschiedlicher Hersteller in der Druckschrift E1 nicht vorgesehen sei, sodass es für den Fachmann keine Veranlassung für eine Abwandlung der Druckschrift E1 bestand. Außerdem stelle die Druckschrift E3 auf eine bauliche Lösung ab, wie aus einem Sensor neben dem Messsignal auch Zusatzinformationen separat ausgelesen werden können. Von einer Zuordnung bzw. Identifikation des Sensors sei in der Druckschrift E3 nicht die Rede.

Diesen Argumenten vermag die Kammer nicht zu folgen. Die Druckschrift E1 offenbart bereits eine modulare Struktur für das Sensormodul (Spalte 2, Zeilen 13 bis 16, und Zeilen 48 bis 53, und Ansprüche 3 und 4) und die Verwendung des Sensormoduls mit einem bestimmten Satz an unterschiedlichen Sensoren stellt bereits eine Veranlassung dar, das Sensormodul der Druckschrift E1 zu modifizieren, um die objektive technische Teilaufgabe zu lösen (vgl. Nr. 2.3.2 oben). Außerdem stellt die Lehre der Druckschrift E3 eine Veranlassung dar, das Sensormodul der Druckschrift E1 mit der Abfrage- bzw. Auswerteeinheit nach der Druckschrift E3 zu versehen. Es ist auch anzumerken, dass die beanspruchte Erfindung nicht auf eine modulare Ausgestaltung des Sensormoduls oder auf dessen Verwendung mit Pumpen bzw. Sensoren unterschiedlicher Hersteller beschränkt ist, weil Anspruch 1 Ausführungsformen umfasst, bei denen das Sensormodul - wie dies in der Druckschrift E1 der Fall ist - mit einer bestimmten Pumpe und einem bestimmten Satz von Sensoren verwendet wird (vgl. Nr. 2.3.2 oben, zweiter Absatz). Darüber hinaus stellen die abgefragten sensorspezifischen Daten der Druckschrift E3 nicht nur Zusatzinformationen zu dem Messsignal dar, sondern auch Daten, die - wie von der Einsprechenden geltend gemacht - eine Identifizierung des Sensors im Sinne der beanspruchten Erfindung (vgl. Patentschrift, Spalte 8, Zeilen 7 bis 12) ermöglichen, siehe Druckschrift E3, Absätze [0004] bis [0006] i.V.m. Absatz [0017].

Die Kammer ist daher der Auffassung, das auch die Merkmale A und M1 naheliegend sind.

2.5 Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

3. Erster Hilfsantrag - Klarheit

3.1 Die Ansprüche gemäß dem ersten Hilfsantrag entsprechen den Ansprüchen gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 2, d.h. der Hilfsantrag, der in der angefochtenen Entscheidung als gewährbar erachtet wurde. In Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag wurde das Merkmal M1 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch das Merkmal M2 ersetzt, d.h. durch das Merkmal "wobei die mit dem Sensormodul verbundenen Sensoren (7, 8) nach Sensortyp und Messbereich durch in der Speichervorrichtung (17) gespeicherte Daten identifizierbar sind, wobei ein Sensor (7, 8) aus einem Vergleich von dessen Messwert mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe bestimmt ist", welches aus der Beschreibung in den Anspruch 1 aufgenommen wurde.

In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 wurde darauf hingewiesen, dass die Erörterung der Frage der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ Fragen aufzuwerfen schien, die die Klarheit des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag (Artikel 84 EPÜ) in Frage stellen könnten (Nr. 4.2.2 der Mitteilung). Dabei wurde ausdrücklich auf eine Passage der Mitteilung (Nr. 4.3.2 der Mitteilung, letzter Absatz) hingewiesen, in der in Bezug auf das Merkmal M2 des Anspruchs 1 die Frage aufgeworfen wurde, "ob die beanspruchte Identifizierung der Sensoren ausschließlich durch den beanspruchten Vergleich der Messwerte mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe erfolgt, oder ob der Anspruch - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vorgebracht (Entscheidungsgründe, Nr. 14.6.1) - das Heranziehen weiterer Informationen, insbesondere weiterer in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten (vgl. Patentschrift, Absatz [0010]), für eine eindeutige Identifizierung der Sensoren zulässt."

3.2 Diese von der Kammer aufgeworfene Klarheitsproblematik hat die Einsprechende in ihrem Schreiben vom 19. Januar 2023 angesprochen und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer weiter erläutert. Insbesondere wurde von der Einsprechenden vorgetragen, dass es im Merkmal M2 des Anspruchs 1 unklar sei,

- wie die Sensoren zu identifizieren seien, insbesondere ob das Merkmal "ein Sensor (7, 8) aus einem Vergleich von dessen Messwert mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe bestimmt ist" als eine Beschränkung oder - wie im Absatz [0013] der Beschreibung angedeutet zu sein scheine - nur als ein Beispiel des Merkmals "die mit dem Sensormodul verbundenen Sensoren (7, 8) nach Sensortyp und Messbereich durch in der Speichervorrichtung (17) gespeicherte Daten identifizierbar sind" zu verstehen sei, und

- ob die gespeicherten technologischen Daten der Pumpe identisch mit den in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten des Merkmals M2 sind oder sie nur ein Teil dieser Daten darstellen.

Somit sei unklar, ob die Sensoren durch den Vergleich der Messwerte der Sensoren mit den gespeicherten technologischen Daten der Pumpe völlig identifiziert werden oder nicht.

3.2.1 Die Patentinhaberin hat während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Klarheitseinwand der Einsprechenden hinsichtlich der gespeicherten und technologischen Daten weder in der Beschwerdebegründung noch in der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden zu finden sei. Außerdem sei das Vorbringen der Einsprechenden mit der von der Kammer aufgeworfenen Klarheitsproblematik nicht deckungsgleich, und dieses Vorbringen stelle eine ganz neue Argumentationslinie und einen neuen Einwand dar, die als verspätet anzusehen seien und nach der Verfahrensordnung (VOBK 2020) nicht zu berücksichtigen seien.

Die Kammer stimmt der Patentinhaberin insoweit zu, dass das Vorbringen der Einsprechenden mit der erwähnten Passage in der Mitteilung der Kammer nicht deckungsgleich ist. Das Vorbringen der Einsprechenden beinhaltet aber eine Stellungnahme der Einsprechenden zu der in der Mitteilung der Kammer angesprochenen Klarheitsproblematik und daher eine Präzisierung bzw. Ergänzung dieser Problematik. Allerdings findet sich in diesem Vorbringen - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - keine neue Argumentationslinie bzw. kein neuer Einwand. Es wurden von der Einsprechenden lediglich Argumente hinsichtlich der in der Mitteilung bereits aufgeworfenen Klarheitsproblematik und des dabei klar identifizierbaren Einwands der mangelnden Klarheit vorgebracht. Daher ist das Vorbringen der Einsprechenden aus Sicht der Kammer weder als verspätet noch als neuer Einwand anzusehen.

3.2.2 Die Patentinhaberin hat auch geltend gemacht, dass Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag "eine Speichervorrichtung (17) mit technologischen Daten der Pumpe" erfordere, "wobei der Mikrorechner (3) mit Hilfe der Messwerte und der gespeicherten Daten Betriebsdaten und Betriebszustände [...] berechnet", und dass diese Merkmale in dem erteilten Anspruch 1 bereits enthalten seien. Die im Merkmal M2 angesprochenen gespeicherten technologischen Daten der Pumpe seien daher nicht unter Artikel 84 EPÜ zu beanstanden und der angebliche Klarheitsmangel sei auch nicht durch eine Änderung des erteilten Patentanspruchs 1 entstanden.

Die Kammer weist aber daraufhin, dass die angesprochene Klarheitsproblematik des Merkmals M2 nicht auf die gespeicherten technologischen Daten der Pumpe als solche, sondern auf den Zusammenhang zwischen dem ersten Teilmerkmal des Merkmals M2 "wobei die mit dem Sensormodul verbundenen Sensoren (7, 8) nach Sensortyp und Messbereich durch in der Speichervorrichtung (17) gespeicherte Daten identifizierbar sind" und dem zweiten Teilmerkmal "wobei ein Sensor (7, 8) aus einem Vergleich von dessen Messwert mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe bestimmt ist" - insbesondere, wie von der Einsprechenden präzisiert, auf den Zusammenhang zwischen den in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten und den gespeicherten technologischen Daten der Pumpe - gerichtet ist, und dass diese Teilmerkmale aus der Beschreibung in den Anspruch 1 übernommen wurden (vgl. Absatz [0013] der Patentschrift). Somit können diese beide Teilmerkmale und ihre Kombination, d. h. Merkmal M2, auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden (vgl. Entscheidung G 3/14, ABl. EPA 2015, 102, Entscheidungsformel).

3.2.3 Hinsichtlich des Einwands der mangelnden Klarheit hat die Patentinhaberin ausgeführt, dass es im Anspruch 1 klar sei, dass das zweite Teilmerkmal des Merkmals M2 keine Alternative, sondern eine Konkretisierung des ersten Teilmerkmals darstelle.

Diesem Argument vermag die Kammer nicht zu folgen, weil die von der Patentinhaberin vertretene Auslegung des Merkmals M2 sich nicht direkt aus dem tatsächlichen Wortlaut des Merkmals M2 ergibt und aus diesem Wortlaut - wie oben unten Nr. 3.1 und 3.2 dargelegt - andere Auslegungen dieses Merkmals für den Fachmann entnehmbar sind. Daraus folgt, dass Anspruch 1 nicht klar ist, u.a. weil - wie von der Kammer in ihrer Mitteilung ausgeführt, vgl. Nr. 3.1 oben - der Anspruch offen lässt, ob die beanspruchte Identifizierung der Sensoren ausschließlich durch den beanspruchten Vergleich der Messwerte mit gespeicherten technologischen Daten der Pumpe erfolgt, oder ob der Anspruch das Heranziehen weiterer Informationen, insbesondere weiterer in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten, für eine eindeutige Identifizierung der Sensoren zulässt.

3.3 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ ist.

4. Zweiter Hilfsantrag - Zulassung - Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020

4.1 Die Ansprüche gemäß dem zweiten Hilfsantrag wurden von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag dadurch, dass das Merkmal M2 durch das Merkmal M3 (vgl. Nr. VII oben) ersetzt wurde, wobei das Merkmal M3 sich von dem Merkmal M2 durch die Einführung des bestimmten Artikels "die" vor dem Ausdruck "in der Speichervorrichtung (17) gespeicherte[n] Daten" und des bestimmten Artikels "den" vor dem Ausdruck "gespeicherten technologischen Daten der Pumpe" unterscheidet.

Der zweite Hilfsantrag stellt daher eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Patentinhaberin im Sinne von Artikel 13 VOBK 2020 dar und die Zulassung dieses Antrags in das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach den Vorschriften des Artikels 13 (2) VOBK 2020.

4.1.1 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Bei der Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 können aber auch die Kriterien von Artikel 13 (1) VOBK 2020 herangezogen werden (siehe z.B. die Entscheidung T 989/15, Entscheidungsgründe, Nr. 16.2). Eines dieser Kriterien bezieht sich im Falle von Änderungen des Patents auf die Frage, ob die Pateninhaberin aufgezeigt hat, dass die betreffenden Änderungen prima facie die im Beschwerdeverfahren bereits aufgeworfenen Fragen ausräumen.

4.1.2 Die Patentinhaberin hat geltend gemacht, dass der Klarheitseinwand in Bezug auf Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag in der Mitteilung der Kammer nur angedeutet worden sei und dass sie daher mit diesem Einwand erst durch das nachfolgende Vorbringen der Einsprechenden konfrontiert worden sei. Außerdem werde Anspruch 1 durch die Einführung der bestimmten Artikel "die" und "den" dahingehend klargestellt, dass es sich bei den "gespeicherten Daten" und den "gespeicherten technologischen Daten der Pumpe" des Merkmals M3 um dieselben Daten handele, sodass der Klarheitseinwand ausgeräumt werde.

Die Einsprechende sprach sich gegen eine Zulassung des zweiten Hilfsantrags aus und machte geltend, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, die es rechtfertigen würden, den neuen Hilfsantrag erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einzureichen. Außerdem bleibe im Merkmal M3 des geänderten Anspruchs 1, insbesondere aufgrund des Merkmals "eine Speichervorrichtung (17) mit technologischen Daten der Pumpe (22) und/oder des Antriebsmotors (23)", völlig unklar, ob es sich bei den "in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten" und den "gespeicherten technologischen Daten der Pumpe" des Merkmals M3 um verschiedene Daten handele und welcher Zusammenhang zwischen den zwei "wobei"-Untermerkmalen des Merkmals M3 bestehe.

Die Kammer weist darauf hin, dass die Änderungen gemäß dem Anspruch 1 einen Versuch darstellen, den oben unter Nr. 3 erörterten Klarheitseinwand auszuräumen. Dieser Klarheitswand wurde erstmals in der Mitteilung der Kammer erhoben und die Einsprechende hat in ihrem Schreiben vom 19. Januar 2023 dazu Stellung genommen und dann in der mündlichen Verhandlung noch weitere ergänzende Argumente vorgebracht. Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich dabei um außergewöhnliche Umstände handeln könnte, welche die Zulassung bzw. Berücksichtigung der Änderungen im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 rechtfertigen könnten.

Allerdings stellt die Einführung der bestimmten Artikel "die" und "den" in dem Merkmal M3 eine Bezugnahme der in Merkmal M3 erwähnten "gespeicherten Daten" und "gespeicherten technologischen Daten der Pumpe" auf die zuvor im Anspruch 1 erwähnten gespeicherten "technologischen Daten der Pumpe (22) und/oder des Antriebsmotors (23)" und "gespeicherten Daten" zwar her, aber die vorgenommene Änderung ist nicht ausreichend, um klarzustellen, ob es sich bei der in Merkmal M3 erwähnten "gespeicherten Daten" und "gespeicherten technologischen Daten der Pumpe" um dieselben Daten handelt, geschweige denn um klarzustellen, ob die beanspruchte Identifizierung der Sensoren ausschließlich durch den beanspruchten Vergleich der Messwerte mit den gespeicherten technologischen Daten der Pumpe erfolgt, oder ob der Anspruch das Heranziehen weiterer Informationen, insbesondere weiterer in der Speichervorrichtung gespeicherten Daten, für eine eindeutige Identifizierung der Sensoren zulässt. Somit wird der oben unter Nr. 3 in Bezug auf den Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag erörterte Klarheitseinwand durch den geänderten Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag prima facie nicht ausgeräumt.

4.2 Aufgrund der obigen Erwägungen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 und unter Heranziehung der Kriterien nach Artikel 13 (1) VOBK 2020, den zweiten Hilfsantrag nicht zu berücksichtigen.

5. Da kein gewährbarer Antrag der Patentinhaberin vorliegt, ist das Streitpatent zu widerrufen (Artikel 101 (3) b) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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