T 1293/19 () of 14.3.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T129319.20230314
Datum der Entscheidung: 14 März 2023
Aktenzeichen: T 1293/19
Anmeldenummer: 04764463.8
IPC-Klasse: E04H 12/00
E02B 17/00
E02D 27/42
E02B 17/02
F03D 13/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: TURM FÜR EINE WINDENERGIEANLAGE
Name des Anmelders: Siemens Gamesa Renewable Energy Service GmbH
Name des Einsprechenden: Rambøll Danmark A/S
Ørsted Wind Power A/S
Siemens Gamesa Renewable Energy GmbH & Co. KG
EnBW Baltic 2 SCS
RWE Renewables International GmbH
EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Nicht substantiierte Einwände - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 2117/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent 1 658 408 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft einen Turm für eine große Windenergieanlage und ein modulares Turmsystem für einen Turm für eine große Windenergieanlage.

Sechs Einsprüche wurden eingereicht, die sich gegen das Patent im gesamten Umfang richteten und sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ, unzureichender Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ und unzulässiger Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ stützten.

Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hauptantrags nicht neu gegenüber der Offenbarung von H01 und H05 sei, dass der Gegenstand des Anspruchs 32 des damaligen Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung von H01 sei und, dass der während der am 13. bis 14. Dezember 2018 stattgefundenen mündlichen Verhandlung eingereichte damalige Hilfsantrag 1a die Erfordernisse des EPÜ erfülle.

Die Einspruchsabteilung hat somit entschieden, das Patent Nr. 1 658 408 in geändertem Umfang auf Grundlage des damaligen Hilfsantrags 1a aufrechtzuerhalten.

II. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende 1 Beschwerde ein. Nachdem beide Verfahrensbeteiligte sowohl Beschwerdeführerin als auch Beschwerdegegnerin sind, werden sie einfachheitshalber weiter als Patentinhaberin und Einsprechende 1 adressiert.

Die Einsprechenden 4 und 6 hatten jeweils während des Einspruchsverfahrens mit Schreiben vom 30. April 2018 ihren Einspruch zurückgenommen.

Die Einsprechende 3 hat mit Schreiben vom 28. Januar 2020 ebenfalls ihren Einspruch sowie ihre Beschwerde zurückgenommen, nachdem sie eine form- und fristgerechte Beschwerde sowie eine Beschwerdebegründung eingereicht hatte.

Die Einsprechenden 3, 4 und 6 sind somit keine Verfahrenbeteiligten mehr. Die in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden 3 enthaltenen Anträge, Einwände oder Argumente usw. werden daher nicht berücksichtigt.

Die Einsprechende 5 hat mit dem Schreiben vom 29. Mai 2019 ihre Beschwerde zurückgenommen, nachdem sie eine form- und fristgerechte Beschwerde eingelegt, jedoch keine Beschwerdebegründung eingereicht hatte.

Die Einsprechende 2 hat nicht reagiert bzw. nichts vorgebracht.

Die Einsprechenden 2 und 5 sind beide Verfahrensbeteiligte des Beschwerdeverfahrens gemäß Artikel 107, zweiter Satz, EPÜ.

III. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 25. Juli 2022 gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit, wonach das Patent in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes eingereicht als Hauptantrag mit der Beschwerdebegründung aufrechtzuerhalten wäre.

Die Einsprechende 1 hat mit Schreiben vom 29. November 2022 angekündigt, dass sie nicht an der für den 2. März 2023 angesetzten mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

Mit Bescheid vom 4. Januar 2023 forderte die Kammer

die Einsprechenden 2 und 5 auf mitzuteilen, ob sie beabsichtigten, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Verfahrensbeteiligten wurden auch darüber informiert, dass, falls sie mitteilen sollten, nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, eine schriftliche Entscheidung erlassen werden könne, d. h. die angesetzte mündliche Verhandlung würde dementsprechend abgesagt. Das Patent wäre in diesem Fall nach der Aktenlage gemäß dem Hauptantrag der Patentinhaberin aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende 5 (mit Schreiben vom 2. Januar 2023) und die Einsprechende 2 (mit Schreiben vom 16. Januar 2023) bestätigten beide, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würden, ohne dabei weitere Argumente einzureichen.

Die angesetzte mündliche Verhandlung wurde daher abgesagt und die vorliegende Entscheidung schriftlich erlassen.

IV. Anträge

Die Einsprechende 1 beantragte,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragte,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Basis des Hauptantrags oder der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 11. Juli 2019, oder

der Hilfsanträge 2a, 3, 3a, 4, 4a, 5, 5a, 6, 6a, 7, 7a, 8, 8a, 9 und 9a, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.

Der Anspruchsatz des Hauptantrags entspricht dem des in der angefochtenen Entscheidung diskutierten Hauptantrags, mit Ausnahme der Korrektur von Tippfehlern im abhängigen Anspruch 4.

Der Anspruchssatz des Hilfsantrags 2a entspricht dem des im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrags 1a, den die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hatte. Mit diesem Hilfsantrag wird also die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden 1 beantragt.

Die Einsprechenden 2 und 5 haben keine Anträge gestellt bzw. kein Vorbringen eingereicht.

V. Ansprüche

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit der in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 13, angegebenen Merkmalsgliederung (Merkmale M1 bis M10) lautet wie folgt (die Änderungen im Vergleich zu erteiltem Anspruch 1 erscheinen als durchgestrichen für die gestrichenen Merkmale und im Fettdruck für die eingeführten Merkmale).

"M1: Turm (40) für eine große Windenergieanlage

mit einer Turmhöhe von mehr als 80 m und

einer Leistung von über 1,5 MW,

die eine auf dem Turm (40) angeordnete Maschinengondel (30) umfasst,

wobei die Maschinengondel neben der Rotorlagerung einen Generator, ggf. ein Getriebe, ein Windnachführsystem, verschiedene elektrische Komponenten und weitere Hilfssysteme enthält, und

einen an der Maschinengondel um eine im wesentlichen horizontale Achse drehbar gelagerten Rotor (20)

mit mehr als 70 m Rotordurchmesser umfasst, der mindestens ein Rotorblatt (22) aufweist,

M2: mit einem oberen, rohrförmig ausgebildeten

Turmabschnitt (46),

M3: der in einem Übergangsbereich mit einem

unteren, als Gitterturm (42) ausgebildeten

Turmabschnitt (41), verbunden ist,

M4.1: wobei der Gitterturm (42) mindestens drei

Eckstiele (43), [deleted: und]

M4.2: eine Vielzahl von Diagonalstreben (44) und

M4.3: mehrere übereinander angeordnete Schüsse

aufweist,

M4.4: wobei ein Schuss jeweils die Eckstiele (43)

und mindestens eine, diagonal zwischen den

Eckstielen verlaufende Verstrebung (44)

umfasst,

M5: wobei der obere Turmabschnitt (46) mindestens

ein Sechstel des gesamten Turms bildet,

M6: der Querschnitt des unteren Turmabschnitts (41)

unterhalb des Übergangsbereich größer ist als

der Querschnitt des oberen Turmabschnitts (46),

und

M7: dass der Übergangsbereich so ausgebildet ist,

dass eine kraftflußoptimierte Anpassung des

Querschnitts des unteren Turmabschnitts an den

Querschnitt des oberen Turmabschnitts erfolgt,

M8: wobei der Übergangsbereich von einem

Übergangsstück (50) gebildet wird,

das einen unteren Bereich (70) aufweist, der

mit dem unteren Turmabschnitt (41) verbindbar

ist und

M9: einen oberen Bereich (60), der mit dem oberen

Turmabschnitt (46) verbindbar ist, und

M10: wobei die Eckstiele des Gitterturmes als

Hohlprofile ausgeführt sind."

Anspruch 32 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Modulares Turmsystem für einen Turm für eine große Windenergieanlage mit einer Turmhöhe von mehr als 80 m und einer Leistung von über 1,5 MW, bestehend aus einem oberen im wesentlichen rohrförmigen Turmabschnitt (46), der in einem Übergangsbereich mit einem unteren, als Gitterturm (42) ausgebildeten Turmabschnitt (41), verbunden ist, wobei der Gitterturm (42) mindestens drei Eckstiele (43), eine Vielzahl von Diagonalstreben und mehrere übereinander angeordnete Schüsse aufweist, wobei ein Schuss jeweils die Eckstiele (43) und mindestens eine, diagonal zwischen den Eckstielen verlaufende Verstrebung (44) umfasst, wobei der obere Turmabschnitt (46) mindestens ein Sechstel des gesamten Turms bildet, der Querschnitt des unteren Turmabschnitts (41) unterhalb des Übergangsbereich größer ist als der Querschnitt des oberen Turmabschnitts (46), und dass der Übergangsbereich so ausgebildet ist, dass eine kraftflußoptimierte Anpassung des Querschnitts des unteren Turmabschnitts an den Querschnitt des oberen Turmabschnitts erfolgt, wobei der Übergangsbereich von einem Übergangsstück (50) gebildet wird, das einen unteren Bereich (70) aufweist, der mit dem unteren Turmabschnitt (41) verbindbar ist und einen oberen Bereich (60), der mit dem oberen Turmabschnitt (46) verbindbar ist, und wobei die Eckstiele des Gitterturmes als Hohlprofile ausgeführt sind, dadurch gekennzeichnet, dass der untere Turmabschnitt (41) ausgeführt ist als verschiedene, als Gitterturm (42) ausgeführte untere Turmabschnitte, so dass die Turmgesamthöhe durch unterschiedliche Bauhöhen des Gitterturms (42) variabel ausführbar ist."

Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge ist für die vorliegende Entscheidung irrelevant.

VI. In der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren genannt:

H01: A. Mitzlaff et al., "Gründungsstrukturen für

Offshore-Windenergieanlagen, Sonderdruck aus HANSA

11/2002

H02: NASA Technical Translation of Experimental

Aerogenerator Type B.E.S.T., August 1973

H03: DE 101 11 280 A1

H04: JP 2003 206 852 A

H05: R. Gasch et al., "Wind power plants", Solarpraxis

AG, Deutschland, 2002

H06: M. Ferguson, "Structural and Economic Optimisation

of OWEC Support Structure", OWEMES 1997, La

Maddalena, Italien

H07: D. Kerr, "Support Structures for an Offshore Array

of Vertical Axis Wind Turbines - A Design Study",

veröffentlicht in "Wind Engineering, The Official

Journal of the European Wind Energy Association &

the British Wind Energy Association", Band 10, Nr

1, 1986

H08: K. Smith, "WindPACT Turbine Design Scaling Studies

Technical Area 2: Turbine, Rotor, and Blade

Logistics", National Renewable Energy Laboratory,

Golden, Colorado, Vereinigte Staaten von Amerika,

Juni 2001

H09: BE 451 404

H10: "Supplement 1 to Recommended Practice for

Planning, Designing, and Constructing Fixed

Offshore Platforms - Load and Resistance Factor

Design", 2. Auflage, American Petroleum

Institute, 1. April 1997

H11: W. Visser, "The Structural Design of Offshore

Jackets", The Marine Technology Directorate

Limited, London, Großbritannien, 1993

H18a: "Rules and Regulations - Non-

Marine Technology, IV-2", Germanischer Lloyd,

Hamburg, Deutschland, 1. Dezember 1999, Inhalt

H18b: "Design of Steel Structures", Kapitel 5,

Abschnitt 2 von H18a

H18c: "Materials and Manufacturing", Kapitel 6,

Abschnitt 1 von H18a

Die Patentinhaberin hat mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 das folgende Dokument eingereicht:

H01*: HANSA - Schiffahrt - Schiffbau - Hafen - 139.

Jahrgang - 2002 - Nr 11, Seiten 62-70

VII. Das für diese Entscheidung relevante schriftsätzliche Vorbringen der Einsprechenden 1 und der Patentinhaberin ist in den Entscheidungsgründen zusammenfasst.

Entscheidungsgründe

1. Die unten angegebenen Entscheidungsgründe wurden den Verfahrensbeteiligten in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 25. Juli 2022 als vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt. Keine der Verfahrensbeteiligten hat darauf reagiert bzw. weitere Argumente vorgebracht. Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevante Aspekte berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihren vorläufigen, mitgeteilten Feststellungen abzuweichen.

2. Anzuwendendes Recht

Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar.

Im vorliegenden Fall wurden die Beschwerdebegründungen vor dem 1. Januar 2020 und die Erwiderungen darauf fristgerecht eingereicht. Daher ist Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründungen als auch auf die Erwiderungen der Patentinhaberin und der Einsprechenden 1 anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

3. Hauptantrag - Änderungen

3.1 Eine Turmhöhe von mehr als 80 m - angefochtene Entscheidung, Punkte 16 und 17

3.1.1 Laut der Einsprechenden 1 sei Anspruch 1 des Hauptantrags aufgrund der Aufnahme des Merkmals, wonach die Windenergieanlage eine Turmhöhe von mehr als 80 m aufweist, gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert. Sie argumentiert, dass das aufgenommene Merkmal lediglich in Verbindung mit der Diskussion des Standes der Technik im ersten Absatz auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (siehe auch die Veröffentlichung WO 2005/021897 A1) offenbart sei.

3.1.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Der erste Absatz auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung betrifft die Probleme in Bezug auf große Windenergieanlagen mit mehr als 70 m Rotordurchmesser und mehr als 80 m Turmhöhe sowie einer Leistung von über 1,5 Megawatt, die mit Rohrtürmen gebaut werden. Der für diese großen Windenergieanlagen erforderliche Durchmesser ist problematisch hinsichtlich der Transportierbarkeit sowie der Wirtschaftlichkeit.

Auf Seite 3, Absatz 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung ist die Aufgabe der Erfindung wie folgt angegeben: "eine Turmkonstruktion für große Windenergieanlagen zu ersinnen, welche die Nachteile im Stand der Technik [...] beseitigt" (von der Kammer hervorgehoben).

Für die Fachperson geht daraus klar hervor, dass die Erfindung derartige große Windenergieanlagen betrifft, d. h. wie im vorstehenden Absatz 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, jedoch mit einer anderen Turmkonstruktion, siehe den ursprünglichen Anspruch 1.

Es liegt auch keine Zwischenverallgemeinerung vor, da alle drei Eigenschaften einer großen Windenergieanlage des Absatzes 1 auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung in Anspruch 1 angegeben sind, nämlich mehr als 70 m Rotordurchmesser, mehr als 80 m Turmhöhe und eine Leistung von über 1,5 MW.

3.2 Merkmale M4.1 (mindestens drei Eckstiele) und M4.2 (eine Vielzahl von Diagonalstreben) - angefochtene Entscheidung, Punkte 18 und 19

Mit der Beschwerdebegründung verweist die Einsprechende 1 lediglich auf die im Einspruchsverfahren von den anderen Einsprechenden vorgebrachten Argumente. Ein solch pauschaler Verweis ohne Diskussion der in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründe gilt jedoch im Beschwerdeverfahren als nicht substantiierter Einwand, der nicht zu berücksichtigen ist (Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2007) (siehe T 2117/18, Gründe 2.2.1 bis 2.2.15).

3.3 Merkmale M1 (Maschinengondel) und M10 (Eckstiele als Hohlprofile) - angefochtene Entscheidung, Punkte 20 und 21

Mit der Beschwerdebegründung verweist die Einsprechende 1 auch für diese Merkmale wieder lediglich auf die im Einspruchsverfahren von den anderen Einsprechenden vorgebrachten Argumente. Der nicht substantiierte Einwand wird somit ebenfalls nicht berücksichtigt (Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2007).

3.4 Merkmale M4.3 (mehrere übereinander angeordnete Schüsse) und M4.4 (ein Schuss umfasst jeweils die Eckstiele und mindestens eine, diagonal zwischen den Eckstielen verlaufende Verstrebung) - angefochtene Entscheidung, Punkte 22.3 und 23.3

3.4.1 Laut Einsprechender 1 basieren die Merkmale M4.3 und M4.4 des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf Anspruch 30 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, der sich nur auf Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung rückbeziehe.

Die Merkmale M4.3 und M4.4 seien somit ursprünglich nicht in Kombination mit den Merkmalen der anderen abhängigen Ansprüche offenbart. Dies gelte auch für die Offenbarung auf Seite 15 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Die Kombination der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 30 und aller anderen abhängigen Ansprüche, die im jetzigen Hauptantrag eingeschlossen würden, sei in der ursprünglichen Anmeldung daher nicht offenbart.

Deshalb verstoße die Aufnahme der Merkmale M4.3 und M4.4 in Anspruch 1 des Hauptantrags gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

3.4.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Entgegen der Meinung der Einsprechenden 1 erfolgt die Offenbarung der Merkmale M4.3 und M4.4 auf Seite 15, erster Absatz, der ursprünglich eingereichten Beschreibung im Rahmen einer allgemeinen Offenbarung. Diese Passage lautet:

"Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung weist der als Gitterturm ausgebildete untere Turmabschnitt mehrere übereinander angeordnete Schüsse auf, wobei ein Schuss jeweils die Eckstiele und mindestens eine, diagonal zwischen den Eckstielen verlaufende Verstrebung umfasst." (von der Kammer hervorgehoben)

Es ist für die Fachperson eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass die Merkmale M4.3 und M4.4 Teil der Erfindung sind, d. h. mit den anderen Merkmalen der anderen ursprünglichen Ansprüche zu kombinieren sind, insbesondere dann, wenn sich daraus kein technischer Widerspruch ergibt. Ein derartiger Widerspruch wurde von der Einsprechenden 1 nicht behauptet.

3.5 In ihrer Beschwerdeerwiderung, Punkt 5, erhebt die Einsprechende 1 einen Einwand gemäß Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 32 des Hauptantrags. Sie macht geltend, dass in Anspruch 32 des Hauptantrags die in Anspruch 32 des Hilfsantrags 2 eingeführten Merkmale fehlten.

Um welche Merkmale es sich dabei genau handeln soll, bleibt jedoch unklar.

Daneben ist die Kammer der Auffassung, dass der Einwand unsubstantiiert ist, da keine Begründung angegeben wird, aus welchem Grund Anspruch 32 des Hauptantrags diese unspezifizierten Merkmale überhaupt enthalten sollte. Die bloße Referenz auf den ursprünglichen Anspruch 34, der Anspruch 32 des Patents entsprechen und sich u.a. auf den ursprünglichen Anspruch 1 rückbeziehen soll, stellt allein keine schlüssige Begründung dar.

Schließlich ist anzumerken, dass dieser Einwand auch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist.

3.6 Im Lichte der oben angegebenen Gründe vermag die Kammer keinen Fehler in der Begründung und der entsprechenden Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, Punkte 15 bis 24 zu sehen, wonach der Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt.

4. Hauptantrag - Klarheit

4.1 Laut Einsprechender 1 werde der röhrenförmige Teil (47) in der Beschreibung als Turm bezeichnet, während die gesamte Turmkonstruktion umfassend zusätzlich den Gitterturm und das Übergangsstück ebenfalls als Turm bezeichnet werde.

Aus dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 32 des Hauptantrags sei nicht erkennbar, welcher dieser beiden Türme mehr als 80 m hoch sein müsse (Merkmal M1). Somit seien die Ansprüche 1 und 32 unklar.

4.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie von der Patentinhaberin argumentiert, ist Anspruch 1 eindeutig auf einen Turm gerichtet, welcher aus einem unteren Turmabschnitt, einem Übergangsstück und einem oberen Turmabschnitt gebildet ist. Der Begriff "Turmhöhe" bezieht sich auf die Höhe des gesamten Turms und nicht lediglich auf die Höhe eines der Turmabschnitte. Der Wortlaut des Anspruchs 1 ist somit in sich klar, so dass eine Auslegung im Lichte der Beschreibung nicht durchzuführen ist. Das gleiche gilt für Anspruch 32.

Zudem geht aus der Beschreibung klar hervor, dass der Rohrturm (47) Teil des gesamten Turms (40) ist, siehe z. B. Streitpatent, Absätze 72 und 73 in Verbindung mit Figur 2 und Absätze 80 und 81 in Verbindung mit Figur 3. Ein Widerspruch mit Anspruch 1 bzw. 32 ist nicht zu erkennen.

4.3 Die Einsprechende 1 vertritt weiter die Meinung, dass der in den Ansprüchen 1 und 32 enthaltene Begriff "kraftflussoptimiert" zu einer Unklarheit führe (Merkmal M7).

4.4 Dieses Merkmal entzieht sich jedoch der Klarheitsprüfung durch die Kammer.

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, enthalten die entsprechenden Ansprüche 1 und 33 des Patents wie erteilt bereits das Merkmal "kraftflussoptimiert" (siehe Streitpatent, Spalte 16, Zeilen 52-56 für Anspruch 1 und Spalte 21, Zeilen 7-10 für Anspruch 33). Eine Prüfung, ob diesbezüglich die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt sind, ist somit gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14, ABl. EPA 2015, A102, Leitsatz, ausgeschlossen.

Es wird ferner angemerkt, dass dieser Klarheitseinwand nicht einmal Teil der angefochtenen Entscheidung ist.

4.5 Im Lichte der oben angegebenen Gründe vermag die Kammer keinen Fehler in der Begründung und der entsprechenden Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, Punkte 25 bis 27 zu sehen, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ - soweit sie im Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren zu prüfen sind - erfüllt.

5. Hauptantrag - Ausführbarkeit

5.1 Die Einsprechende 1 argumentiert, dass Anspruch 1 einen Turm für eine große Windenergieanlage mit einer Leistung von über 1,5 MW betreffe und eine Reihe spezifischer Merkmale aufliste, die in Bezug auf diesen speziellen Turm vorhanden sein müssten.

Keines dieser Merkmale beziehe sich jedoch darauf, wie der Turm konkret beschaffen sein müsse, um eine 1,5 MW-Windenergieanlage tragen zu können. In der Beschreibung gebe es auch keine Hinweise darauf.

Das Fachwissen der Fachperson sei dazu nicht ausreichend, da es sich bei dem beanspruchten Turm um eine sehr spezielle Turmkonstruktion handele.

Die Fachperson sei somit nicht in der Lage, den beanspruchten Turm zu bauen bzw. auszuführen.

5.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Rohrtürme oder Gittertürme für große Windenergieanlagen mit einer Turmhöhe von mehr als 80 m und einer Leistung von über 1,5 MW und deren Herstellung gehören zum Fachwissen der Fachperson, siehe Streitpatent, z. B. Absätze 1 und 3, sowie Figur 1.

In diesem Sinne liegt, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, der Kern der Erfindung darin, ein Übergangstück gemäß den Merkmalen M7 bis M9 zwischen dem Rohrturm und dem Gitterturm anzuordnen. Das Streitpatent enthält Ausführungsformen, die der Fachperson eine ausreichende Anleitung zur Ausgestaltung eines derartigen Übergangsstücks liefern, siehe z. B. Figuren 2, 3 und 4 sowie die zugehörige Beschreibung.

5.3 Die Einsprechende 1 argumentiert weiter, dass das Streitpatent keine Offenbarung darüber enthalte, wie der Übergangsbereich gestaltet sein müsse, um den Querschnitt des unteren Turmteils kraftflussoptimiert an den Querschnitt des oberen Turmteils anzupassen (Merkmal M7).

Es gebe auf dem technischen Gebiet weder einen Verständniskonsens noch eine Definition für den Begriff "Kraftfluss". Die Größe des "Kraftflusses" könne nicht bestimmt werden, so dass auch dessen Optimierung nicht möglich sei.

Die Fachperson sei somit nicht in der Lage, den beanspruchten Turm hinsichtlich des Merkmals M7 auszuführen.

5.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie schon unter Punkt 5.2 oben diskutiert, enthält das Streitpatent Ausführungsformen, die dem Fachmann eine ausreichende Anleitung zur Ausgestaltung eines Übergangsstücks liefern, welches das Merkmal M7 aufweist, siehe die Figuren 3, 4 und 5 sowie die zugehörige Beschreibung.

Es wird weiter angemerkt, dass Anspruch 1 bzw. 32 keine Quantifizierung oder einen Referenzwert der beanspruchten kraftflußoptimierten Anpassung definiert. Eine Verbesserung des Kraftflusses im Vergleich zu einer Verbindung von Rohrabschnitt und Gitterabschnitt ohne Übergangsstück bzw. vermittels einer Platte, an der der obere und der untere Turmabschnitt befestigt werden (siehe Patent, Absätze [0013] und [0014]), ist jedenfalls bei den Ausführungsformen gegeben, so dass das Merkmal ausführbar ist.

5.5 Im Lichte der oben angegebenen Gründe vermag die Kammer keinen Fehler in der Begründung und der entsprechenden Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, Punkte 28 bis 33 zu sehen, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.

6. Hauptantrag - Neuheit

Die Einsprechende 1 vertritt die Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber jedem der Dokumente H01 bis H09 sei.

In der angefochtenen Entscheidung wird nur die Neuheit gegenüber H01 und H05 abgehandelt, siehe Punkte 34 bis 43.

6.1 Gegenüber H01

6.1.1 H01* wurde von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 als Nachweis für ihre Behauptung eingereicht, dass es Zweifel darüber gebe, wann der Sonderdruck H01 veröffentlicht bzw. der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei.

Es wäre dann allerdings zunächst zu erörtern, ob H01* gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 zuzulassen ist, und gegebenenfalls, ob H01 tatsächlich im November 2002 veröffentlicht wurde.

Im Lichte der unten angegebenen Gründe zur Relevanz von H01 in Bezug auf die Patentierbarkeit der beanspruchten Gegenstände des Hauptantrags erübrigt es sich jedoch, die Zulassung von H01* weiter zu diskutieren.

6.1.2 Unter den Beteiligten ist streitig, ob H01 die Merkmale M3, M7, M8, M9 und M10 offenbart.

Merkmale M3, M7, M8 und M9

Hinsichtlich dieser Merkmale besteht die Frage, ob ein Übergangsbereich mit einem Übergangstück gemäß Anspruch 1 in H01 offenbart ist.

6.1.3 Die Einsprechende 1 sowie die angefochtene Entscheidung, Punkte 36 und 39, verweisen auf Figuren 1 und 2 von H01, um zu begründen, dass ein Übergangsbereich gemäß Merkmalen M3, M7 und M8 dort offenbart sei.

6.1.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Der rechte Teil der Figur 1 von H01 zeigt eine Windenergieanlage mit einer Jacket-Gründungsstruktur, die einen Gitterturm darstellt. Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, handelt es sich dabei nur um eine schematische Zeichnung. Im Text von H01 ist keine technische Lehre in Bezug auf Figur 1 angegeben, insbesondere keine Erläuterung zu der in Figur 1 genannten "Schnittstelle" bzw. der dort gezeichneten horizontalen Linie.

In Figur 2 sind die vier verschiedenen bekannten Grundtypen von Gründungsstrukturen schematisch dargestellt. Entgegen der Meinung der Einsprechenden 1 und der Einspruchsabteilung geben weder Figur 2 noch die zugehörige Beschreibung von H01 Hinweise darauf, wie der Übergangsbereich zwischen der Gründungsstruktur und einem Röhrenturm gestaltet werden soll.

Merkmale M8 und M9 erfordern ein Übergangsstück mit einem oberen und einem unteren Bereich, wobei der obere Bereich mit dem Rohrturm und der untere Bereich mit dem Gitterturm verbindbar ist.

Ein Übergangstück gemäß der Merkmale M7 bis M9 ist weder Figur 2 noch Figur 1 von H01 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Den schematischen Zeichnungen kann nicht entnommen werden, auf welche Weise der Rohrturm mit dem Gitterturm verbunden ist.

In Figur 2 ist im Bereich des Übergangs zwischen dem Gitterturm und dem darauf aufgesetzten Rohrturm ein Querbalken mit einer gewissen Erstreckung in Längsrichtung des Turmes zu erkennen, welcher als "rechteckig" angesehen werden könnte. Diese unter Punkt 39 der angefochtenen Entscheidung identifizierte "rechteckige Platte" könnte jedoch auch eine Verblendung sein, welche eine dahinterliegende Struktur verdecken würde, oder ein Teil des unteren Turmabschnittes, beispielsweise eine Plattform.

Im Lichte der o.a. Gründe offenbart H01 Merkmale M3, M8 und M9 nicht.

Selbst wenn man zu Gunsten der Einsprechenden 1 annähme, dass den Abbildungen eine Platte als Übergangsstück zwischen Jacket-Struktur und Turm zu entnehmen wäre, wäre Merkmal M7 immer noch nicht erfüllt. Zwar ist der Begriff "kraftflussoptimierte Anpassung des Querschnitts des unteren Turmabschnitts an den Querschnitt des oberen Turmabschnitts" auslegungsbedürftig. Ein sprunghafter Übergang der Querschnitte mit entsprechenden Spannungsspitzen, wie er bei einer einfachen Platte, an der der untere und der obere Turmabschnitt befestigt wird, auftritt, fällt jedoch selbst bei breiter Auslegung für den Fachmann nicht unter dieses Merkmal, wie auch die Beschreibung des Patents in den Absätzen [0013] und [0014] explizit bestätigt.

Merkmal M10

6.1.5 Die Einsprechende 1 vertritt die Meinung, dass es zumindest seit 1994 zum Fachwissen gehöre, die Eckstiele von Gitterturmstrukturen (auch als Jacket-Strukturen bezeichnet) für Offshore-Windenergieanlagen sowie andere Anlagen als Hohlprofile auszubilden, da dies optimal sei, um die Wellenlast aus unterschiedlichen Winkeln aufzunehmen und ein Ausknicken usw. zu verhindern. Im Lehrbuch H10 werde dieses Problem im gesamten Dokument immer wieder angesprochen, und z. B. in Abschnitt M.2.3.1 auf Seite 96, im ersten Absatz auf Seite 156, in den Abbildungen auf Seite 58, in der Abbildung auf Seite 150 und in den Figuren auf Seite 176 werde festgestellt, dass die Eckstiele eines Gitterturms aus Hohlprofilen bestehen sollten. Auch das Lehrbuch H11 über die Konstruktion von Gittertürmen komme zu demselben Schluss, siehe z. B. Seiten 59 bis 61 und Seite 75.

Die Fachperson komme somit zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Eckstiele des Gitterturmes in H01 implizit als Hohlprofile ausgebildet sind, selbst wenn Figuren 1 und 2 dies nicht ausdrücklich offenbarten.

Daher sei Merkmal M10 in H01 offenbart, siehe auch angefochtene Entscheidung, Punkt 38.

6.1.6 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, kommt eine implizite Offenbarung eines Merkmals nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Frage, wenn für die Fachperson sofort erkennbar ist, dass nichts anderes als das angebliche implizite Merkmal Teil des offenbarten Gegenstands war.

Dass vorliegend die Ausbildung der Eckstiele des Gitterturmes in H01 als Hohlprofile unvermeidlich ist, d. h. technisch zwingend erforderlich ist und nicht anders gestaltet sein kann, wurde von der Einsprechenden 1 weder nachvollziehbar behauptet geschweige denn nachgewiesen.

6.1.7 Aus den oben genannten Gründen ist Anspruch 1 neu gegenüber H01.

6.2 Gegenüber H05

6.2.1 Die Einsprechende 1 verweist auf Figur 13.9 auf Seite 46 von H05, um zu begründen, dass der Übergangsbereich gemäß Merkmalen M3, M7 und M8 sowie die Eckstiele als Hohlprofile gemäß Merkmal M10 offenbart seien, siehe auch die angefochtene Entscheidung, Punkt 42.

6.2.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.

Wie bei den Figuren 1 und 2 von H01 handelt es sich bei Figur 13.9 von H05 um eine schematische Zeichnung. Im Text von H05 ist auch keine technische Lehre in Bezug auf Figur 13.9 angegeben, insbesondere keine Erläuterung zu einem Übergangstück (Merkmale M3, M7, M8 und M9). Das gleiche gilt für Merkmal M10.

Deshalb ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus den gegenüber H01 gleichen angegebenen Gründen neu gegenüber H05.

6.3 Gegenüber H02 bis H04, H06 bis H09

6.3.1 Das Argument der Einsprechenden 1, dass der aus H02 bekannte Turm für eine Windenergieanlage von 640 kW auch für einen gemäß Merkmal M1 beanspruchten Turm für über 1,5 MW geeignet sei, stellt eine reine Behauptung dar. Schon aus diesem Grund ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neu gegenüber H02.

Ein Übergangstück gemäß Merkmalen M3, M7, M8 und M9 ist auch aus den Figuren 2 bis 4 von H02 nicht ersichtlich. Die Funktion der Plattform wird nicht erklärt.

Das gleiche gilt auch für Merkmal M10.

6.3.2 Die Einsprechende 1 verweist auf Figuren 15 bis 17 und Absätze 16 bis 20 von H03, um zu begründen, dass Merkmale M2 bis M10 offenbart seien.

Wie von der Patentinhaberin zutreffend vorgebracht, offenbaren die zitierten Figuren und Textstellen keinen rohrförmig ausgebildeten oberen Turmabschnitt (vgl. Absatz [0018], [0019]).

Ein Übergangstück gemäß Merkmalen M3, M7, M8 und M9 ist somit auch nicht ersichtlich.

Das gleiche gilt auch für Merkmal M10.

6.3.3 Die Einsprechende 1 verweist auf Figuren 1 bis 4 und Absätze 9 bis 11 von H04, um zu begründen, dass Merkmale M2 bis M10 offenbart seien.

Wie von der Patentinhaberin zutreffend vorgebracht, offenbaren die zitierten Figuren und Textstellen keinen rohrförmig ausgebildeten oberen Turmabschnitt.

Ein Übergangstück gemäß Merkmalen M3, M7, M8 und M9 ist somit ebenfalls nicht ersichtlich.

6.3.4 Hinsichtlich H06 bis H09 verweist die Einsprechende 1 jeweils pauschal auf verschiedene Seiten der Dokumente, und zwar auf die Seiten 236, 239 und 240 für H06, Seiten 53 und 54 für H07, Seite 2 unten bis Seite 10 und Seite 3 untere Mitte bis Seite 13 für H08 und Figur 1 für H09.

Wie aber von der Patentinhaberin zutreffend vorgebracht, sind diese erhobenen Einwände nicht substantiiert, so dass sie gemäß Artikeln 12 (2) und (4) VOBK 2007 nicht berücksichtigt werden.

6.4 Im Lichte der o.a. Gründe ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neu (Artikel 54 (1) EPÜ).

Die Gründe gelten mutatis mutandis auch für Anspruch 32 des Hauptantrags (Artikel 54 (1) EPÜ).

7. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

7.1 Laut Einsprechender 1 beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von einem der Dokumente H01 bis H03 oder H05 bis H09 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit entweder der Lehre des Dokuments H04 oder dem Fachwissen der Fachperson, dargestellt beispielweise durch H18b, H18c, H10 oder H11.

7.2 Die von der Einsprechenden 1 erhobenen Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit basieren auf Merkmal M10 als einzigem Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik.

Wie unter Punkt 6 oben diskutiert, sind jedoch weitere Unterscheidungsmerkmale M3, M7, M8 und M9 vorhanden, insbesondere gegenüber den Offenbarungen von H01, H02, H03 und H05. Gegenüber den anderen Dokumenten H06 bis H09 fehlt eine Substantiierung der Einwände (siehe Punkt 6.3.4 oben).

7.3 Daher sind die vorgebrachten Einwände nicht überzeugend, und eine erfinderische Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist anzuerkennen (Artikel 56 EPÜ).

Gegen Anspruch 32 hat die Einsprechende 1 keine Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben. Jedenfalls gelten die für Anspruch 1 angegebenen Gründe mutatis mutandis auch für Anspruch 32 des Hauptantrags (Artikel 56 EPÜ).

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist also begründet, während die Beschwerde der Einsprechenden 1 ohne Erfolg bleibt.

8. Hilfsanträge

Im Lichte der o.a. Schlussfolgerungen in Bezug auf den Hauptantrag erübrigt es sich, die Hilfsanträge zu erörtern.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 bis 33, eingereicht als Hauptantrag mit der Beschwerdebegründung vom 11. Juli 2019.

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