European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T108019.20210602 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 02 Juni 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1080/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04011308.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B05B 7/00 B05B 13/06 B05B 12/00 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Hohlraumkonservierung und Vorzerstäuber | ||||||||
Name des Anmelders: | Dürr Systems AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | EFTEC Engineering GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Spät eingereichte Beweismittel - Ermessensfehler in erster Instanz (nein) Beschwerdeentscheidung - reformatio in peius |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die auf den 11. Februar 2019 datierte Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. EP 1 477 231 in geänderter Fassung (gemäß Hilfsantrag 1) aufrechterhalten wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 (c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag (Patent wie erteilt) nicht neu war, der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 0 aufgrund mangelnder erfinderischen Tätigkeit nicht gewährbar war und der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genügte.
IV. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf folgenden schriftlichen Stand der Technik:
D1: DE 39 10 179 C;
D3: DE 100 42 325 A;
D6: EP 0 913 203 A;
D7: EP 0 763 385 A;
D8: EP 0 686 430 A;
D11: DE 696 19 439 T2;
D12: Auszug Römpp Chemie Lexikon: Lacke, Seiten 2424-2425; Pulverbeschichtung, Seite 3681 ; Zerstäubern/Zerstäuber, Seite 5123.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerdebegründung
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte mit der Beschwerdeerwiderung
die Zurückweisung der Beschwerde
und
die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
hilfsweise,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Hilfsanträge 0, 1, 1A, 2, 2A, 3, 3A, 4A, die während des Einspruchsverfahrens zur Entscheidung der Einspruchsabteilung gestellt wurden.
VI. Mit einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin erwiderten darauf jeweils mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020 und mit Schriftsatz vom 23. Juli 2020.
Mit ihrer auf den 21. August 2020 datierten Mitteilung nahm die Kammer dazu Stellung und bestätigte ihre vorläufige negative Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde.
Die Reaktion der Beschwerdeführerin auf diese zweite Mitteilung der Kammer ist im Schriftsatz vom 30. April 2021 und die der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 21. Mai 2021 enthalten.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 2. Juni 2021 statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Die Schlussanträge entsprachen unverändert den bereits schriftlich gestellten Anträgen. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
"Vorrichtung zur Hohlraumkonservierung, insbesondere bei KFZ-Karosserieteilen, mit
a) einer Konservierungsmittelleitung (2) zur Zuführung eines Konservierungsmittels,
b) einer Transportmittelleitung (13) zur Zuführung eines Transportmittels und
c) einem Vorzerstäuber (14, 14') zur Zerstäubung des Konservierungsmittels in dem Transportmittel, wobei der Vorzerstäuber (14, 14') eingangsseitig an die Konservierungsmittelleitung (2) und an die Transportmittelleitung (13) angeschlossen ist,
dadurch gekennzeichnet,
d) dass der Zerstäubungsgrad des Vorzerstäubers (14, 14') und damit die Tröpfchengröße des Konservierungsmittels einstellbar ist,
e) dass eine erste Steuerleitung (12) vorgesehen ist, durch die der Zerstäubungsgrad des Vorzerstäubers (14, 14') einstellbar ist, wobei der Vorzerstäuber (14, 14') eingangsseitig mit der ersten Steuerleitung (12) verbunden ist,
f) dass die erste Steuerleitung (12) und die Transportmittelleitung (13) aus einer gemeinsamen Druckleitung (5) abzweigen."
Entscheidungsgründe
1. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
1.1 Streichung des ursprünglich eingereichten Absatzes [0015] der Beschreibung
1.1.1 Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass in dem erteilten Patent der in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Bezug wird hier auf die Offenlegungsschrift EP 1 477 231 A) enthaltene Absatz [0015] der Beschreibung gestrichen wurde, was zu einer unzulässigen Änderung führe.
Grund dafür sei, dass die Formulierung "bei dieser Variante" in Absatz [0016] der Offenlegungsschrift ursprünglich nur auf die Variante gemäß Absatz [0015] der Offenlegungsschrift bezogen gewesen sei, wobei nach der strittigen Änderung in der Patentschrift diese Formulierung sich auf die Variante gemäß Absatz [0014] der Offenlegungsschrift beziehe.
Der gestrichene Absatz [0015] beschreibe eine Ausführungsform, bei der die Einstellung des Zerstäubungsgrades des Vorzerstäubers durch ein separates Bauteil erfolge, das vor oder nach dem Vorzerstäuber angeordnet sein könne.
Aufgrund der Streichung dieses Absatzes ergebe sich ein neuer Gegenstand, der in den ursprünglichen Beschreibung nicht vorhanden gewesen sei.
Die geänderte Beschreibung enthalte somit einen ursprünglich nicht offenbarten Vorzerstäuber ohne Transportmittelleitung, mit nur einer Steuerleitung und einer Konservierungsmittelleitung, bei dem über die Steuerleitung die Steuerung des Zerstaubungsgrad des abgegebenen Konservierungsmittels einstellbar sei.
Die in der Begründung der angefochtenen Entscheidung enthaltene Aussage, dass der Gegenstand der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 diesem Gegenstand entspreche, d. h. dem der aus den Absätzen [0015] und [0016] des Streitpatents (d.h. nach den bestrittenen Änderungen) zu entnehmen sei, sei nicht korrekt.
Grund dafür sei, dass, eine Steuerleitung, die in dem Vorzerstäuber mündet (siehe den ursprünglichen Anspruch 2), eindeutig als ein "Eingang" zu betrachten sei.
Dies bewirke, dass, während der Vorzerstäuber nach den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 eingangsseitig eine Konservierungsmittelleitung, eine Transportmitteleitung und zusätzlich noch eine Steuerleitung, d.h. drei Eingänge, aufweise, der Vorzerstäuber gemäß den Absätzen [0015] und [0016] des Streitpatents eindeutig über lediglich zwei Eingänge verfüge.
Die Kammer kann sich dieser Begründung nicht anschließen.
Artikel 123 (2) EPÜ verlangt, dass die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden dürfen, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
Die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, welche die Basis für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 bilden, offenbaren eine Vorrichtung zur Hohlraumkonservierung mit einem Vorzerstäuber, der eingangsseitig an eine Konservierungsmittelleitung und an eine Transportmittelleitung angeschlossen ist (ursprünglicher Anspruch 1) und zusätzlich (ursprünglicher Anspruch 2) mit einer Steuerleitung verbunden ist, durch die der Zerstäubungsgrad des Vorzerstäubers einstellbar ist.
Dieser Gegenstand entspricht dem Gegenstand, der aus den Absätzen [0015] und [0016] des Streitpatents (d.h. nach den bestrittenen Änderungen) zu entnehmen ist, nämlich, dass die Steuerleitung zur Einstellung des Zerstäubungsgrades dient und direkt in den Vorzerstäuber mündet, und dass der Vorzerstäuber zusätzlich zwei Eingänge (Konservierungsmittelleitung und Transportmittelleitung), und einen Ausgang aufweist.
Grund dafür ist, dass die Absätze [0015] und [0016] der Beschreibung des Streitpatents sich explizit ("Gemäß der Erfindung..." im Absatz [0015] und "Entscheidend für die Funktion der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist bei dieser Variante lediglich..."im Absatz [0016]) auf die Erfindung bzw. die erfindungsgemäße Vorrichtung beziehen, so wie sie in den vorangestellten, auf Anspruch 1 des Streitpatents bezogenen Absätzen [0011] und [0012] angegeben ist. Eine solche Vorrichtung weist somit alle Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 auf und enthält keinen Gegenstand, welcher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
1.2 Ersetzen des Begriffs "Steuerungsgrad" durch den Begriff "Zerstäubungsgrad"
1.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert weiterhin, dass auch die Ersetzung des Wortes "Steuerungsgrad" im Absatz [0016] der veröffentlichte Anmeldung durch das Wort "Zerstäubungsgrad" im Absatz [0016] des Streitpatents eine unzulässige Erweiterung bewirke, weil diese Begriffe unterschiedliche Bedeutungen aufwiesen. Durch diese Ersetzung werden neue, ursprünglich nicht offenbarte technische Informationen eingeführt.
1.2.2 Dieser Argumentation der Beschwerdeführerin kann sich die Kammer nicht anschließen.
Grund dafür ist, dass die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 bereits eine Vorrichtung zur Hohlraumkonservierung mit einem Vorzerstäuber offenbaren, bei der über eine Steuerleitung der Zerstäubungsgrad des Vorzerstäubers einstellbar ist. Der sich auf die erfindungsgemäße Vorrichtung bezogene Absatz [0016], welcher sich dem in dem ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 offenbarten Begriff "Zerstäubungsgrad" bedient, kann daher keinen Gegenstand enthalten, welcher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
1.3 Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind daher erfüllt.
2. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) - Neuheit
2.1 D6
2.1.1 Das Merkmal, wonach die Tröpfchengröße des Konservierungsmittels einstellbar ist, wurde in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 6.2) als Unterschied gegenüber D6 angesehen.
2.1.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass dieses Merkmal in D6 offenbart sei, weil bei D6 auch Pulverlacke unterschiedlich fein zerstäubt werden könnten, so dass, wenn die Vorrichtung aus D6 mit einem flüssigen Konservierungsmittel betrieben werde, sich auch eine Einstellbarkeit der Tröpfchengröße ergebe.
Die Beschwerdeführerin argumentiert weiterhin, dass, weil die beiden Vorzerstäuber aus dem Streitpatent und aus D6 identisch aufgebaut seien, auch bei der Vorrichtung gemäß D6 die Eignung vorhanden sein müsse, die Tröpfchengröße bei Verwendung eines flüssigen Konservierungsmittels einstellen zu können.
2.1.3 Die Kammer folgt diesem Ansatz nicht.
D6 offenbart, dass das Massenverhältnis, mit dem das Pulver in der Luft zerstäubt wird, durch die Steuerleitung gesteuert wird. D6 enthält aber keinen Hinweis, dass die Größe der zerstäubten Pulverpartikel oder Pulverpartikelaggregate ebenfalls durch die Steuerleitung einstellbar ist.
Selbst wenn tatsächlich der Vorzerstäuber gemäß D6 die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aufgelisteten strukturellen Merkmale aufweisen sollte, bleibt dennoch die Eignung und Funktion der beiden Vorrichtungen grundsätzlich unterschiedlich, weil die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 zur Hohlraumkonservierung mit flüssigen Konservierungsmitteln geeignet ist, wobei die Möglichkeit eines Betreibens der Vorrichtung gemäß D6 mit flüssigem Konserviermittel in D6 überhaupt nicht angesprochen ist.
Dabei wird in D6, anders als bei dem Streitpatent, gemäß dem das Konservierungsmittel mit Druck (siehe die Absätze [0031] und [0032]) beaufschlagt ist und dadurch in den Vorzerstäuber kommt, das Konservierungsmittel durch Unterdruck in den Vorzerstäuber gesaugt.
Selbst wenn es nicht auszuschließen wäre, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, dass die Vorrichtung gemäß D6 unter geeigneten Bedingungen in der Lage wäre, zur Hohlraumkonservierung verwendet zu werden, enthält diese Schrift keine Informationen darüber, wie diese "geeigneten Bedingungen" zu realisieren wären, insbesondere weil bei D6 Pulver, und kein flüssiges Konservierungsmittel, durch Unterdruck angesaugt wird.
Die Beschwerdeführerin hat weiterhin behauptet, aber nicht überzeugend dargetan, dass der Unterdruck, der bei dem Rohr 46 zum Ansaugen von Pulver aus dem Pulverbehälter 48 der D6 dient, auch für das Ansaugen einer korrekten Menge eines flüssigen Konservierungsmittels geeignet wäre. Diese Behauptung ist durch keinen diesbezüglichen Hinweis in der D6 belegt.
Die Kammer ist daher nicht überzeugt, dass D6 eine Vorrichtung offenbart, die zur Hohlraumkonservierung mit einem flüssigen, Tröpfchen bildenden Konservierungsmittel geeignet ist. D6 kann somit die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht in Frage stellen.
2.2 D3
2.2.1 Die Beschwerdeführerin begründet die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber D3 mit dem Argument, dass Anspruch 1 so zu interpretieren sei, dass die Steuerleitung und die Transportmittelleitung nicht zwingend als zwei getrennte, und somit unterschiedliche Leitungen ausgeführt sein müssten.
Weil eine Identität dieser Leitungen durch den Wortlaut des Anspruchs nicht ausgeschlossen werde, sei D3, bei der die erste Steuerleitung 8 auch als Transportmittelleitung diene, so dass beide Leitungen aus einer gemeinsamen Druckleitung stammten bzw. abzweigten, und beide über ein und denselben Eingang im Vorzerstäuber mündeten, neuheitsschädlich.
2.2.2 Die Kammer ist von der o.g. Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugt. Die Kammer folgt vielmehr diesbezüglich der Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Identität von Steuerleitung und Transportmittelleitung durch das im Anspruch 1 verwendete Verb "abzweigen" ausgeschlossen wird.
2.2.3 Die Beschwerdeführerin hat weiterhin vorgetragen, dass in D3 eine Abzweigung im Sinne des Anspruchs 1 durch die Transportmittelleitung 8 und eine weitere Leitung 8a, die ebenfalls als Steuerleitung diene, weil diese mit dem Regelement 10 verbunden sei (Absatz [0025]), offenbart sei, wobei die Steuerleitung 8a mit der gemeinsamen Druckquelle 5 durch das Element 17 verbunden sei.
2.2.4 Die Kammer ist auch von diesem Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugt. Grund dafür ist, dass das Element 17 eine Steuerstange und keine Leitung ist, so dass die abzweigende Leitung 8a nicht mit der Druckquelle 5 der Leitung 8 verbunden ist, sondern lediglich nur mit dem rechten Teil des Regelements 10.
2.2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist daher neu gegenüber D3, weil D3 keine (separate) Steuerleitung zur Einstellung des Zerstäubungsgrads offenbart, so dass zumindest das Merkmal des Anspruchs 1, dass die Steuerleitung und die Transportmittelleitung aus einer gemeinsamer Druckleitung abzweigen, in D3 nicht offenbart ist.
2.2.6 Angesichts der o.g. Schlussfolgerung der Kammer braucht die Zulassung des auf D3 basierenden Neuheitsangriffs des Beschwerdeführerin in das Verfahren vorliegend nicht abgehandelt werden.
2.3 Aus den o.g. Grund ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
3. D11 - Zulassung in das Verfahren
3.1 Mit besonderem Hinweis auf die angefochtene Entscheidung, Punkt 2.3, ersten Satz, macht die Beschwerdeführerin geltend, dass D11 ohne Prüfung deren prima facie Relevanz unberücksichtigt geblieben sei.
Mit Hinweis auf Seite 7, Zeilen 4 bis 6 der D11, argumentiert sie weiterhin, dass D11 eine Lehre enthalte (dass die Gase zur Zerstäubung und zur Vorzerstäubung aus der selben Quelle stammen), welche eindeutig für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit von prima facie Relevanz sei.
Diese Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung solle daher gemäß der Beschwerdeführerin revidiert werden, und D11 solle in das Verfahren zugelassen werden.
3.2 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (9. Auflage 2019, IV.C.4.5.2) sollte eine Beschwerdekammer eine Ermessensentscheidung nur revidieren, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass diese Entscheidung nach den falschen Grundsätzen oder ohne Berücksichtigung der richtigen Grundsätze oder auf unzumutbare Weise getroffen wurde.
Es ist normalerweise nicht Aufgabe einer Beschwerdekammer, alle Tatsachen und Umstände des Falles so zu prüfen, als befände sie sich an der Stelle der Einspruchsabteilung, um zu entscheiden, ob sie in gleicher Weise von diesem Ermessen Gebrauch gemacht hätte oder nicht.
3.3 Die Beschwerdeführerin hat nicht überzeugend dargetan, dass die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, D11 nicht zuzulassen, ohne Prüfung des Inhalts, bzw. der prima facie Relevanz dieser Schrift getroffen wurde. Grund dafür ist, dass in der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkte 2.1 bis 2.3) das Kriterium angewendet wurde, dass Dokumente, die sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents nicht befassen, nicht prima facie relevant, bzw. nicht relevanter als der sich schon im Verfahren befindende Stand der Technik sein können.
Weil die mangelnde prima facie Relevanz, die in diesem Fall das anzuwendende Kriterium war, in der angefochtenen Entscheidung begründet wurde, ist die Kammer überzeugt, dass die Einspruchsabteilung sich weder auf falsche Kriterien, noch auf unangemessene oder willkürliche Erwägungen gestützt hat, so dass kein Anlass vorhanden ist, die Ermessensentscheidung, D11 nicht zuzulassen, zu revidieren.
Die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass D11 sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents nicht befasst, betrachtet die Kammer auch als korrekt, weil D11 die Zerstäubung von Brennstoffen (Seite 1, Zeilen 10-17) betrifft.
Die Einspruchsabteilung hielt es korrekterweise für fernliegend, die in D11 aufgelisteten Vorteile direkt, d.h. prima facie, auf die Vorrichtung zur Hohlraumkonservierung gemäß D1 zu übertragen, da D11 sich mit der Beschichtungstechnik überhaupt nicht befasst.
Die Kammer betrachtet somit die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung auch als inhaltlich korrekt, und sieht somit keinen Grund, abweichend davon D11 in das Verfahren zuzulassen.
4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die Beschwerdeführerin hat unter Punkt 4.4 der Beschwerdebegründung die in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 6.3) enthaltene begründete Feststellung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 bestritten.
Dabei hat sie geltend gemacht, dass D3 sowohl die Einstellbarkeit der Tröpfchengröße (von Spalte 4, Zeile 68 bis Spalte 5, Zeile 4) als auch eine gemeinsame Druckleitung offenbare, und dass D7 und D8 das gleiche technische Gebiet der D1 beträfen und somit mit D1 kombinierbar seien.
4.2 Die Kammer hat unter den Punkten 5.2.1 und 5.2.2 ihrer Mitteilung vom 14. Februar 2020 die Gründe, warum sie von diesen Einwand nicht überzeugt war, wie folgt angegeben:
"Nach der vorläufigen Kammerauffassung stellt die Lehre von D3 die erfinderische Tätigkeit nicht infrage, weil D3 keine (separate) Steuerleitung zur Einstellung des Zerstäubungsgrads offenbart. Das Merkmal, dass die Steuerleitung und die Transportmittelleitung aus einer gemeinsamer Druckleitung abzweigen, ist nämlich in D3 nicht offenbart (siehe Punkt G.4 der Beschwerdeerwiderung).
Die Vorrichtung gemäß D3 weist nämlich eine Gasleitung auf (Gaszuführung 8), durch die der Zerstäubungsgrad des Vorzerstäubers (9) einstellbar ist. Dabei dient diese Leitung gleichzeitig als Transportmittelleitung und Steuerleitung."
"Die Kombination von D1 mit D7 oder mit D8 stellt die erfinderische Tätigkeit auch nicht in Frage, weil in D1 das Konservierungsmittel eine Flüssigkeit ist, die unter Druck steht (Spalte 2, Zeilen 27-36), während die in D7 und D8 gezeigten Vorrichtungen eine Steuerleitung aufweisen die mittels Unterdrucks den Zerstaubungsgrad eines Pulvers beeinflussen."
Diese vorläufige Feststellung der Kammer wurde von der Beschwerdeführerin weder kommentiert noch während des Beschwerdeverfahrens schriftlich bestritten.
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin explizit allein auf ihr schriftliches Vorbringen hingewiesen und keinen weiteren Vortrag gehalten.
4.3 Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen.
4.4 Die Beschwerdeführerin hat somit die Unkorrektheit der begründeten Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit nicht überzeugend dargetan.
5. Hauptantrag und Hilfsantrag 0 - Zulässigkeit
5.1 Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat
die Zurückweisung der Beschwerde beantragt
und die Aufrechterhaltung des Patents u.a. in erteilter Fassung (Hauptantrag) und gemäß Hilfsantrag 0.
Die Kammer hat unter Punkt 2 ihrer Mitteilung vom 14. Februar 2020 die Gründe angegeben, warum sie den Hauptantrag (Patent wie erteilt) und Hilfsantrag 0, die in der angefochtenen Entscheidung bereits negativ beschieden wurden (siehe die Punkte 4.3 und 5.5), als unzulässig erachtete, wie folgt angegeben.
"Im Einspruchs-Beschwerdeverfahren findet das Verbot der "reformatio in peius" mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen Anwendung.
Im vorliegendem Fall bewirkt dies für die Einsprechende als alleinige Beschwerdeführerin, dass sie sich am Ende des Verfahrens nicht einer "besseren" (d.h. breiteren) Fassung des Streitpatents gegenübersehen sollte, als derjenigen, die die Einspruchsabteilung für patentfähig erachtet hatte, wenn sie dagegen nicht Beschwerde erhoben hätte.
Dies bedeutet, dass die Patentinhaberin als (bloße) Beschwerdegegnerin primär darauf eingeschränkt ist, das Patent in der mit der angefochtenen Entscheidung bestätigten Fassung zu verteidigen und die Zurückweisung der Beschwerde des Einsprechenden zu beantragen (G 9/92 und G 4/93, ABl. EPA 1994, 875, Leitsatz 2).
Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beschwerdegegnerin nicht die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder in der Fassung gemäß dem Hilfsantrag 0 beantragen kann, weil diese im Vergleich zur aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 1) jeweils einen weniger beschränkten Schutzumfang aufweisen.
Dass der Schmutzumfang breiter als beim Hilfsantrag 1 ist, ergibt sich aus der Abwesenheit, sowohl im Anspruch 1 des Hauptantrags als auch im Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 der im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgesehenen Einschränkung, dass die Tröpfchengröße des Konservierungsmittels einstellbar ist.
Die Beschwerdegegnerin bezieht sich auf T 637/96 sowie auf T 602/99 und argumentiert, dass die Stattgabe des Hauptantrags keine "reformatio in peius" bewirke, weil die aufrechterhaltene Anspruchsfassung nur eine Klarstellung, ohne weitere technische Einschränkungen gegenüber der erteilten Fassung darstelle, insbesondere weil der Begriff "Einstellung des Zerstäubungsgrads" in der erteilten Fassung bereits die Verwendung von flüssigen Konservierungsmittel und somit eine Eignung zur Einstellung der Tröpfchengröße impliziere.
Die Kammer kann dies nicht gelten lassen, weil es weder belegt noch sonst eindeutig ist, dass der Begriff "Zerstäubungsgrad" eines nicht näher definierten Konservierungsmittels ausschließlich durch die durch Zerstäubung erhaltene Tröpfchengröße definiert wird, weil "Zerstäuben" (siehe D12) eine Feinstverteilung von Festkörpern oder Flüssigkeiten als Dispersion in einem Transportmittel (gasförmig) zu produzieren bedeutet.
Weil eine Zerstäubung von Festkörpern, d.h. ohne Tröpfchenbildung, für den Fachmann vorstellbar und möglich ist, sieht die Kammer keinen Grund, warum der Begriff "Zerstäubungsgrad" technisch nur Sinn in Verbindung mit flüssigen Konservierungsmittel machen sollte.
Gerade diese fehlende technische Eindeutigkeit des fraglichen und lediglich klarzustellenden Begriffes unterscheidet den vorliegenden Fall von den den zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten.
Eine "reformatio in peius" sei außerdem nicht generell ausgeschlossen, so die Beschwerdegegnerin, sondern gemäß der Rechtsprechung (T 239/96) wegen des Fehlens einer Anschlussbeschwerde möglich.
Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass die vorliegende Umstände eine solche Ausnahme zum Verschlechterungsverbot rechtfertigen.
Zum einen verfängt das Argument der Beschwerdegegnerin schon deshalb nicht, weil sie ohne weiteres selbst Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hätte einlegen können. Die allein von der Einsprechenden angefochtene Entscheidung erging nämlich gerade auch zum Patent in der erteilten und zum Hilfsantrag 0, den die Beschwerdegegnerin nun ohne eigene Beschwerde erneut ins das Beschwerdeverfahren einführen möchte. Soweit die Einspruchsabteilung dem Einspruchsgrund mangelnder Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Artikel 100 a) und 54 EPÜ) stattgab (Nr. 4 der Gründe der angefochtenen Entscheidung) und den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 0 für nicht erfinderisch beurteilte (Nr. 5 der Gründe der angefochtenen Entscheidung), war die Patentinhaberin und nunmehrige Beschwerdegegnerin im Sinne von Artikel 107, Satz 1 EPÜ beschwert und damit beschwerdeberechtigt. Dass sie dennoch keine Beschwerde einlegte, ist allein ihrer Sphäre zuzuordnen und kann nach Ablauf der Beschwerdefrist nach Artikel 108, Satz 1 EPÜ nicht mehr geheilt oder korrigiert werden.
Zum anderen hat die Große Beschwerdekammer entschieden (G 1/99, ABl. EPA 2001, 381), dass eine Durchbrechung des Verschlechterungsverbots ausnahmsweise zugunsten des nicht Beschwerde führenden Patentinhabers erlaubt sein könnte, um einen im Beschwerdeverfahren vom allein Beschwerde führenden Einsprechenden oder von der Beschwerdekammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müsste.
Die Kammer merkt an, dass die Beschwerdeführerin keine unzulässige Änderung in den Ansprüchen der aufrechterhaltene Fassung (Hilfsantrag 1) bemängelt hat, und dass keine ersichtlich ist.
Weil die in G 1/99 diskutierten Umstände sich grundsätzlich von den vorliegenden Umständen unterscheiden und im Hinblick auf die eigenverantwortliche Entscheidung der Beschwerdegegnerin, trotz Beschwer keine Beschwerde gegen die auch für sie teilweise nachteilige Entscheidung der Einspruchsabteilung einzulegen, sieht die Kammer keinen Grund, von dem Prinzip des Verbots der "reformatio in peius" abzuweichen und den Hauptantrag, bzw. den Hilfsantrag 0 ins Verfahren zuzulassen."
5.2 Diese vorläufige Feststellung der Kammer wurde von der Beschwerdegegnerin weder kommentiert noch schriftlich bestritten.
Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin diesbezüglich auf ihr schriftliches Vorbringen hingewiesen.
5.3 Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf die Frage der Zulässigkeit des Hauptantrags und des Hilfsantrags 0 berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen.
5.4 Der Hauptantrag und der Hilfsantrag 0 der Beschwerdegegnerin werden nicht in das Verfahren zugelassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.