T 1058/19 () of 28.4.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T105819.20220428
Datum der Entscheidung: 28 April 2022
Aktenzeichen: T 1058/19
Anmeldenummer: 10167962.9
IPC-Klasse: B60S 3/04
B08B 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Reinigung von Fahrzeugrädern
Name des Anmelders: WashTec Holding GmbH
Name des Einsprechenden: Alfred Kärcher SE & Co. KG
Istobal, S.A.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1311/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 287 053 wurde mit der am 1. Februar 2019 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Patentinhaberin und von den Einsprechenden 1 und 2 form- und fristgerecht gemäß Artikel 108 EPÜ Beschwerde eingelegt.

II. Folgende Dokumente werden in dieser Entscheidung zitiert:

EP-A (hiermit wird im Folgenden die veröffentlichte Patentanmeldung EP 2 287 053 A2 bezeichnet);

EP-B (hiermit wird im Folgenden das veröffentlichte Streitpatent bezeichnet);

E1 (DE 78 23 879 U1);

E2 (JP 62-192968 U, sowie Englische Übersetzung E2a).

III. Es fand am 28. April 2022 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem Hauptantrag (eingereicht mit Schreiben vom 30. September 2016), oder hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge I, Ia, II, IIa, III bis VII oder VIII , wobei die Hilfsanträge I bis VI am 11. Juni 2019 (mit der Beschwerdebegründung) und die Hilfsanträge Ia, IIa, VII und VIII am 28. Oktober 2019 (mit der Beschwerdeerwiderung) eingereicht wurden. Hilfsantrag VI entspricht der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung und ist somit gleichbedeutend mit der Zurückweisung der Beschwerden der Beschwerdeführerinnen II und III.

Die Beschwerdeführerinnen II und III (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents. Die Beschwerdeführerin III war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten, wie mit Schreiben vom 28. März 2022 angekündigt, in welchem auf die bereits im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge verwiesen wurde.

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung zur Reinigung von Fahrzeugrädern, die einen um eine Zentralachse (2) drehbaren und durch einen Antriebsmotor (1) rotatorisch angetriebenen Drehkörper (3) mit stirnseitig angeordneten Reinigungselementen (10), welche eine äußere Bürste umfassen, enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Drehkörper (3) mindestens einen mit weiteren Reinigungselementen (11), die eine innere Bürste bilden, bestückten Drehteller (8) enthält, der durch die Drehung des Drehkörpers (3) nicht nur um die Zentralachse (2), sondern über ein Getriebe (25, 26) auch um seine eigene Längsachse (9) gedreht wird, so dass die äußere Bürste eine Rotation um die Zentralachse (2) ausführt und die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen."

V. Die Einsprechenden (Beschwerdeführerinnen II und III) führten aus, dass die Erfindung nicht so klar und vollständig offenbart sei, dass der Fachmann sie ausführen könnte, insbesondere aus den folgenden Gründen:

- die Merkmale (c1) ("[wobei] der [Drehteller (8)] durch die Drehung des Drehkörpers (3) nicht nur um die Zentralachse (2), sondern über ein Getriebe (25, 26) auch um seine eigene Längsachse (9) gedreht wird,"), c2 ("so dass die äußere Bürste eine Rotation um die Zentralachse (2) ausführt und") und c3 ("die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse (2) als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen") des Anspruchs 1 des Hauptantrags umfassten offensichtlich alle Drehungen der Drehteller um die Zentralachse sowie um ihre eigene Längsachse, und weiterhin auch alle Drehungen der inneren Bürsten um beliebige Achsen, die durch die jeweiligen "Mittelpunkte" der inneren Bürsten selbst verlaufen, sowie gleichzeitig alle Drehungen (bedingt durch die Drehung der Drehteller) um die Zentralachse (insbesondere auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten). Es sei für den Fachmann aus der Offenbarung von EP-B nicht ersichtlich, wie dies alles zu bewerkstelligen sei. Damit sei die Ausführbarkeit des Anspruchsgegenstands nicht in seiner vollen beanspruchten Breite gegeben;

- es sei für den Fachmann nicht ersichtlich, wie sich aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und aus der Offenbarung der Streitpatentschrift (im Folgenden als EP-B benannt) die Lösung der gestellten Aufgabe ergebe, nämlich "eine verbesserte Überdeckung der zu reinigenden Flächen und damit eine verbesserte Reinigungswirkung" (siehe EP-B, Absatz [0005],[0003]) zu erzielen. Insbesondere könne nach der Lehre von Anspruch 1 der Drehkörper Bereiche mit Reinigungselementen überdecken, die im Abstand zu denjenigen der Innenbürste stehen könnten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe EP-A) hinaus, insbesondere aus den folgenden Gründen:

- Merkmal (a3) ([Reinigungselemente,] "welche eine äußere Bürste umfassen,") definiere in Verbindung mit Merkmal (a2) ([Vorrichtung,] "die einen um eine Zentralachse (2) drehbaren und durch einen Antriebsmotor (1) rotatorisch angetriebenen Drehkörper (3) mit stirnseitig angeordneten Reinigungselementen (10) [enthält]") eine "äussere Bürste" (siehe EP-A, [0006]), wobei jedoch die "Hauptbürste" (siehe EP-A, [0006]), definiert durch den "eine Hauptbürste bildenden (mit Reinigungselementen in Art einer Felgenwaschbürste bestückten) Drehkörper" (siehe EP-A, [0005]) und auch innenliegende Bürsten beinhaltend (siehe EP-A, Figur 5, Bezugszeichen 10, Absatz [0013]), weggelassen und nicht im Anspruchsgegenstand aufgenommen sei;

- Merkmal (b2) ("[wobei] die [weiteren Reinigungselemente] eine innere Bürste bilden") (siehe EP-A, [0005], [0006]) beinhalte eine "innere Bürste" die in dieser Form nicht in EP-A offenbart sei, da EP-A lediglich offenbare, dass "die Reinigungselemente.. direkt oder auch über separate Trägerelemente an der Stirnplatte 6 bzw. den Drehscheiben 8 befestigt" seien (siehe EP-A, Absatz [0013]);

- die Merkmalsgruppe (c1) ("[wobei] der [Drehteller (8)] durch die Drehung des Drehkörpers nicht nur um die Zentralachse (2), sondern über ein Getriebe (25,26) auch um seine eigene Längsachse (9) gedreht wird"), (c2) ("so dass die äußere Bürste eine Rotation um die Zentralachse (2) ausführt und") und (c3) ("die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse (2) als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen") enthalte keine "mechanische Kopplung der Bürsten" (siehe EP-A, [0006]), die damit weggelassen und im Anspruchsgegenstand nicht aufgenommen sei. Die "mechanische Kopplung der Bürsten" sei hingegen unmittelbar und untrennbar mit diesen Merkmalen verbunden, da die erfindungsgemäße Rotationsbewegung der Drehteller und der inneren Bürsten sich gerade aus der mechanischen Kopplung der inneren Bürsten untereinander ergebe;

- Merkmal (c3), wonach "die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen", stehe nicht im Einklang mit mehreren anderen Offenbarungsstellen in EP-A, wie z.B. gemäß Absatz [0005] (EP-A), wonach die "Innenbürsten...sich... um ihre eigene Achse drehen", und gemäß Merkmal (c1) (sowie gemäß Absätzen [0005], [0013], [0017] und [0018] (in EP-A)), wonach sich der Drehteller samt Innenbürste um seine eigene "Längsachse" drehe. Damit lasse sich dieses Merkmal, insbesondere der Wortlaut betreffend "eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt", nicht aus dem zu berücksichtigenden und zu betrachtenden Gesamtoffenbarungsgehalt von EP-A klar und unmissverständlich ableiten oder entnehmen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfülle nicht das Erfordernis der Klarheit, insbesondere aus den folgenden Gründen:

- die Merkmale (a3), (b2), (b1) ("dass der Drehkörper (3) mindestens einen mit weiteren Reinigungselementen (11), bestückten Drehteller (8) enthält") seien unklar, da nicht ersichtlich sei, wie die Reinigungselemente sowohl eine (äußere) Bürste umfassen als auch eine (innere) Bürste bilden könnten. Es sei nicht klar, ob die Reinigungselemente nur ein Bauelement und damit ein Bestandteil der Bürste seien, oder ob sie die Bürste selbst bildeten, oder sogar ein die Bürste umfassendes und beinhaltendes größeres Teil. Insgesamt sei also nicht klar, wie die Bürste zusammengesetzt sei;

- die Merkmale (c3), (b1),(c1) seien unklar, da insbesondere nicht ersichtlich sei, wie eine Ausführungsform mit nur einer Bürste und mehreren Drehtellern oder mit mehreren Bürsten und nur einem Drehteller aussehen könne und auszulegen sei. Zudem sei auch für den Fachmann nicht ersichtlich, wie eine Drehung "um ihren eigenen Mittelpunkt" (der Bürste(n)) und gleichzeitig eine "Drehung...auch um seine eigene Längsachse" (des Drehtellers) überhaupt möglich und durch die Offenbarung in der Beschreibung gestützt sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er für den von E1 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E2 naheliegend sei. Die strittigen Merkmale (c1), (c2) und (c3) seien aus E1 bekannt (siehe insbesondere Figuren I und II; Beschreibung Seiten 1-3), da der Anspruch 1 nicht ausschließe, dass die "Zentralachse" mit der "Längsachse" des Drehteller zusammenfallen könne, die ihrerseits ebenfalls durch den Mittelpunkt der inneren Bürste verlaufen könne. Damit seien die beanspruchten Drehachsen und Drehbewegungen aus E1 bekannt.

Zudem seien diese Merkmale (selbst in der Annahme, dass die besagten Drehachsen nicht identisch seien) jedenfalls für den Fachmann im Hinblick auf das fachmännische Können nicht erfinderisch.

Folglich, da das Merkmal (b1) ("dass der Drehkörper (3) mindestens einen mit weiteren Reinigungselementen (11) bestückten Drehteller (8) enthält") in Übereinstimmung mit der Auffassung der Einspruchsabteilung gemäß der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf E2 als für den Fachmann naheliegend anzusehen sei und in Verbindung mit dem Merkmal (c3) keine Kombinationswirkung entfalte, könne insgesamt der beanspruchte Anspruchsgegenstand keine erfinderische Tätigkeit aufweisen.

VI. Die Patentinhaberin legte dar, dass die Erfindung aus den folgenden Gründen hinreichend klar und vollständig offenbart sei, so dass sie für den Fachmann ausführbar sei:

- es sei ausreichend, dass das Streitpatent (EP-B) in den Absätzen [0013] bis [0017] und in den Figuren zumindest ein Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbare, welches klar zeige, dass sich die innere(n) Bürste(n) um ihren jeweiligen Mittelpunkt sowie um die Zentralachse drehen, wobei sich gleichzeitig die Drehteller um ihre Längsachse und um die Zentralachse drehen;

- eine verbesserte Überdeckung der zu reinigenden Fläche sei weder als Erfindungsaufgabe genannt, noch als technischer Effekt im Anspruch 1 enthalten. Folglich müsse dieser technische Effekt nicht zwingend durch den Anspruchsgegenstand erreicht werden (siehe auch T 206/13; T 2001/12).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe EP-A) hinaus, insbesondere aus den folgenden Gründen:

- das Merkmal (a3) sei ursprünglich in EP-A offenbart, da die in Absatz [0006] genannte "äußere Bürste" mit der in Absatz [0005] genannten Hauptbürste gleichzusetzen sei, die aus den mit Reinigungselementen bestückten Drehkörper bestehe;

- das Merkmal (b2) gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (EP-A) hinaus, da Absatz [0006] in EP-A "Drehteller mit Innenbürsten" oder mit "anderen Reinigungselementen" definiere. Daraus folge, dass die "innere Bürste" durch die Reinigungselemente auf dem Drehteller gebildet werde;

- die Merkmale (c1), (c2) und (c3) gingen nicht über den Inhalt von EP-A hinaus, da eine "mechanische Kopplung" bereits durch das "Getriebe" im Merkmal (c1) implizit beansprucht sei. Zudem verlange der Wortlaut der genannten Merkmalsgruppe gerade, dass das Getriebe gerade auf eine Art und Weise funktioniere (siehe Wortlaut "so dass"), aus der sich notwendig und zwingend die beanspruchte Drehbewegung ergebe. Damit sei die Aufnahme in Anspruch 1 des die "mechanische Kopplung der Bürsten" betreffenden Merkmals aus der Beschreibung (EP-A, [0006]) nicht notwendig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfülle das Erfordernis der Klarheit, insbesondere aus den folgenden Gründen:

- das Merkmal (a3) schließe nicht aus, dass die äußere Bürste auch Reinigungselemente 10 umfasse, die eine innenliegende Bürste bildeten;

- das Merkmal (b2) sei klar definiert, da auch Absatz [0006] in EP-A offenbare, dass die Innenbürste (d.h. innere Bürste) aus dem mit Reinigungselementen bestückten Drehteller bestehe;

- die Merkmale (c1), (c2) und (c3) seien klar, da im Falle des Vorhandenseins von mehreren "inneren Bürsten" sowie mehreren Drehtellern diese Merkmale so auszulegen seien, dass jeweils eine Bürste auf einem Drehteller angeordnet sei und damit auch der Mittelpunkt der "inneren Bürste" auf der besagten "Längsachse" des Drehtellers liegen müsse.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den Fachmann im Hinblick auf E1 und E2 nicht naheliegend. Insbesondere definiere das Merkmal (c3) eindeutig zwei unterschiedliche Drehbewegungen der Innenbürste, nämlich eine Drehbewegung um eine durch ihren Mittelpunkt verlaufende Drehachse, und eine um die Zentralachse. Diese unterschiedlichen Drehbewegungen seien in E1 und E2 weder offenbart noch nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ ist unbegründet, weil die Erfindung im Streitpatent hinreichend klar und vollständig offenbart ist, so dass der Fachmann in der Lage ist, die Erfindung auszuführen. Dies ergibt sich aus den folgenden Gründen:

- der Meinung der Einsprechenden kann in dem Punkt gefolgt werden, dass der Anspruchswortlaut unzweifelhaft sehr breit gefasst ist, da z.B. die geometrische Lage der Drehachse der inneren Bürste bei der Drehbewegung um ihren eigenen "Mittelpunkt" und die geometrische Lage der "Längsachse" (als Drehachse des Drehtellers) im Anspruch 1 beliebig sein können und nicht spezifiziert sind. Gleichwohl würde der Fachmann unter Hinzunahme der Beschreibung und der Figuren 1 bis 5 des Streitpatents (EP-B) unmittelbar einsehen und verstehen, dass es im gesamten Streitpatent grundsätzlich ausschließlich nur um Ausführungsbeispiele geht, bei denen die "Längsachse" (als Drehachse) und die Drehachse der Drehbewegung um den "Mittelpunkt" nicht nur zueinander parallel sind, sondern auch zusammenfallen und identisch sind.

Folglich würde sich für den Fachmann die Frage der Umsetzung und Realisierung von anderen, möglicherweise durch den Anspruch 1 umfassten Ausführungsformen gar nicht stellen, da solche Ausführungsformen für den Fachmann offensichtlich nicht beansprucht sind und nicht in Frage kommen können.

Speziell zum Einwand betreffend die Ausführbarkeit einer Vorrichtung, die sich mit unterschiedlichen Drehgeschwindigkeiten drehende Drehteller umfasst (siehe EP-B, Absatz [0009]) wird festgestellt, dass es in diesem Absatz lediglich um die Drehzahl (oder Drehgeschwindigkeit) um die eigene "Längsachse" der Drehteller geht und (entgegen der Auffassung der Einsprechenden) nicht um die Drehzahl um die "Zentralachse". Der Hinweis noch im selben Absatz, dass dies mittels Drehteller unterschiedlicher Durchmesser zu bewerkstelligen und ausführbar sei, ist einerseits nachvollziehbar; er wurde von den Einsprechenden zudem nicht angegriffen und nicht mit Argumenten, sowie ggfs. Beweismitteln widerlegt. Zu einer Verlagerung der grundsätzlich bei der Einsprechenden liegenden Beweislast auf die Patentinhaberin ist es diesbezüglich daher nicht gekommen;

- es wird festgestellt, dass die Frage, ob etwaige im Streitpatent erwähnte (aber im Anspruch 1 nicht explizit verlangte) technische Effekte oder angebliche Vorteile einer mechanischen bzw. physikalischen Vorrichtung sich implizit aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 ergeben oder nicht, prinzipiell mit der Frage der Ausführbarkeit und Umsetzbarkeit dieses Gegenstands in keiner Relation steht, vgl. T 1311/15, Gründe 5.2. Dies gilt, weil es bei der Frage der Ausführbarkeit besagter Vorrichtungen lediglich darum geht, ob der Fachmann (mit seinem Fachwissen) im Hinblick auf die beanspruchten gegenständlichen technischen Merkmalen (gegebenenfalls unter Hinzunahme der Beschreibung und Figuren) in der Lage ist, die beanspruchte Vorrichtung zu konstruieren, d.h. die beanspruchten technischen Merkmale umzusetzen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der technische Effekt betreffend "eine verbesserte Überdeckung der zu reinigenden Fläche" nicht einmal als Erfindungsaufgabe genannt ist.

Tatsächlich wird im Absatz [0004] von EP-B als Aufgabe angesehen, "eine verbesserte Reinigung der Fahrzeugräder zu ermöglichen", was durch die zusätzliche Drehung der inneren Bürsten um ihren Mittelpunkt offensichtlich auch zumindest lokal bewerkstelligt wird. Folglich implizieren die technischen Merkmale des Anspruchs 1 für sich bereits einen technischen Effekt, der zur Lösung der gestellten Aufgabe führt oder zumindest beiträgt (entgegen der Auffassung der Einsprechenden). Damit ergibt der beanspruchte Gegenstand für den Fachmann auch einen technisch sinnvollen Effekt (im Sinne der Lösung der gestellten Aufgabe) und wäre, selbst wenn dies für die Frage der Ausführbarkeit angesichts der oben zitierten festen Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine Rolle spielt, auch in dieser Hinsicht (d.h. im Sinne der Einsprechenden) "ausführbar".

Dass auch "eine verbesserte Überdeckung der zu reinigenden Flächen" (EP-A, Absatz [0006]) zur Lösung der gestellten Aufgabe zusätzlich beiträgt, ist offensichtlich richtig und unstreitig, muss aber aus den gegenständlichen technischen Merkmalen des Anspruchs 1 nicht direkt und unmittelbar ableitbar sein, da dieser technische Effekt wie ausgeführt nicht vom Wortlaut des Anspruchs 1 explizit und zwingend gefordert wird.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe EP-A) hinaus (Artikel 123(2) EPÜ), insbesondere aus den folgenden Gründen:

- das Merkmal (a3) ("[Reinigungselemente], welche eine äußere Bürste umfassen,") definiert in Verbindung mit dem (unstrittig ursprünglich offenbarten) Merkmal (a2) ("[Vorrichtung] die einen um eine Zentralachse (2) drehbaren und durch einen Antriebsmotor (1) rotatorisch angetriebenen Drehkörper (3) mit stirnseitig angeordneten Reinigungselementen (10) [enthält]") eine "äußere Bürste", die gemäß diesen Merkmalen notwendig und zwingend ein Teil des mit Reinigungselementen bestückten Drehkörpers darstellt, wobei der mit stirnseitig angeordneten Reinigungselementen bestückte Drehkörper (siehe Merkmal (a2)) gemäß Absatz [0005] (siehe EP-A) als "Hauptbürste" anzusehen ist (siehe in Absatz [0005]: "mit Reinigungselementen in Art einer Felgenwaschbürste bestückte Drehkörper"; "...eine Hauptbürste bildenden Drehkörper°). Folglich ist zumindest implizit im Merkmal (a2) die "Hauptbürste" schon enthalten, und damit ergibt sich aus der Kombination der Merkmale (a2) und (a3) keine unzulässige Erweiterung des ursprünglich eingereichten Gegenstands. Die "äußere Bürste" ist wortwörtlich im Absatz [0006] (EP-A) offenbart, und es ergibt sich auch aus diesem Absatz (in Übereinstimmung mit den Merkmalen (a2) und (a3) und mit Absatz [0005], siehe oben), dass die "äußere Bürste" notwendig und zwingend einen äußeren Bereich des mit Reinigungselementen bestückten Drehtellers darstellt. Somit ist das Merkmal (a3) in EP-A ursprünglich offenbart;

- das Merkmal (b2) ("[wobei] die [weiteren Reinigungselemente] eine innere Bürste bilden") ist ursprünglich in Absatz [0006] (EP-A) offenbart, da dort zu entnehmen ist, dass "innerhalb des Drehkörpers eine.. oder mehrere Drehteller mit Innenbürsten oder anderen Reinigungselementen angeordnet sein" können. Damit wird nämlich die innere Bürste, im Einklang mit Merkmal (b2), mit den "weiteren", auf dem Drehteller angeordneten Reinigungselementen gleichgesetzt;

- die Merkmale (c1), (c2) und (c3) besagen insgesamt, dass durch das "Getriebe" eine Rotation des Drehtellers sowohl um die Zentralachse als auch um seine eigene Längsachse bewirkt wird (siehe Merkmal (c1)), nämlich so, "dass die äußere Bürste eine Rotation um die Zentralachse (2) ausführt und die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen" (siehe Merkmale (c2) und (c3)). Eine "mechanische Kopplung" ist in diesen Merkmalen bereits inhärent enthalten, da sich eindeutig aus der mechanischen Natur der implizierten Bauteile (und der gesamten Vorrichtung) insgesamt ein mechanisches "Getriebe" ergibt, womit das Weglassen der "mechanischen Kopplung" keine unzulässige Verallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung zur Folge hat. Die Merkmale (c2) und (c3) sind folglich unmittelbar in Absatz [0006] (EP-A) offenbart;

- Merkmal (c3), wonach "die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen", beinhaltet keine unzulässige Erweiterung des Offenbarungsgehalt von EP-A. Der Fachmann würde nämlich den strittigen Wortlaut ("Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt") im Lichte der Gesamtoffenbarung von EP-A betrachten und verstehen. Somit würde der Fachmann (entgegen der Auffassung der Einsprechenden) aus den vorhergehend genannten Gründen (siehe obige Ausführungen zur Ausführbarkeit unter Punkt 2) zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die durch ihren Mittelpunkt verlaufende Drehachse der inneren Bürste notwendig und zwingend mit der Längsachse des Drehtellers zusammenfallen muss. Hiermit stellt dieses Merkmal, im Lichte der Gesamtoffenbarung von EP-A, keine unzulässige Erweiterung des in EP-A ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstands dar.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ), insbesondere aus den folgenden Gründen:

- die Merkmale (a3) ("[Reinigungselemente,] welche eine äußere Bürste umfassen,"), (b2) ("[wobei] die [weiteren Reinigungselemente] eine innere Bürste bilden") und (b1) ("dass der Drehkörper (3) mindestens einen mit weiteren Reinigungselementen (11), bestückten Drehteller (8) enthält") sind für den Fachmann hinreichend klar. Insbesondere würde der Fachmann aus Merkmal (b1) und (b2) entnehmen, dass die "innere Bürste" aus den auf dem Drehteller angeordneten "weiteren Reinigungselementen" besteht. In ähnlicher Weise würde der Fachmann aus dem Merkmal (a3) - in Verbindung mit (a2) - entnehmen, dass die auf dem Drehkörper angeordneten Reinigungselemente die "äußere Bürste" darstellen. Dabei würde der Fachmann aus diesen Merkmalen ableiten, dass die Reinigungselemente entweder durch ein gemeinsames Bauteil zusammengehalten werden oder direkt auf dem Drehteller bzw. dem Drehkörper selbst angebracht sind und so Bürsten bilden können;

- die Merkmale (c3) ("die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8) sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse (2) als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen"), (b1),(c1) sind für den Fachmann hinreichend klar definiert. Der Fachmann würde insbesondere Merkmal (c3) (in Verbindung mit den Merkmalen (b1) und (c1)) nur so verstehen, dass bei mehreren Drehtellern und inneren Bürsten, notwendig und zwingend jeweils nur eine innere Bürste auf einem Drehteller angeordnet sein kann und dass die Drehachse der Drehbewegung um den Mittelpunkt der jeweiligen inneren Bürste mit der Längsachse des jeweiligen Drehtellers zusammenfällt. Der Fachmann würde nämlich, genauso wie bei der Frage der Ausführbarkeit (siehe oben) feststellen, dass grundsätzlich keine Ausführungsformen in EP-A offenbart sind, die mehrere innere Bürsten auf einem Drehteller aufweisen und dass nur die besagte Alternative (d.h. mit jeweils nur einer inneren Bürste auf einem Drehteller) des Merkmals (c3) durch die Beschreibung gemäss den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ gestützt ist. Insgesamt würde also für den Fachmann hinreichend klar sein, welcher Gegenstand durch den Anspruch 1 geschützt werden soll, wobei aus der Sicht des Fachmanns die durch die behauptete sprachlich unpräzise Formulierung des Merkmals (c3) sich ergebenden Ambiguitäten durch Hinzunahme der Beschreibung eindeutig ausgeräumt werden können. Unter deren Beachtung wird ein Fachmann mit dem Willen, das Patent zu verstehen und ohne Wunsch, es misszuverstehen, zu dem Ergebnis kommen, dass die Formulierung "und die innere Bürste oder Bürsten des Drehtellers (8) oder der Drehteller (8)" sinnvollerweise nicht als vier Ausführungsvarianten, sondern nur als zwei Alternativen im Sinne von "und die innere Bürste des Drehtellers (8) oder inneren Bürsten der Drehteller (8)" mit jeweils einer Bürste pro Drehteller zu lesen ist.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist für einen von E1 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E2 nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

Der angefochtenen Entscheidung (siehe Seite 13) ist insoweit Recht zu geben, dass für den von E1 ausgehenden Fachmann das Merkmal (b1) ("dass der Drehkörper (3) mindestens einen mit weiteren Reinigungselementen (11), bestückten Drehteller (8) enthält") im Hinblick auf E2 als naheliegend erscheint.

Im Unterschied zur angefochtenen Entscheidung können jedoch die Merkmale (c1), (c2) und (c3) nicht als aus E1 bekannt und auch nicht als im Hinblick auf E2 naheliegend angesehen werden. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut von Merkmal (c3), dass die innere Bürsten der Drehteller sowohl eine Drehbewegung um die Zentralachse als auch eine Drehung um ihren eigenen Mittelpunkt ausführen, d.h. es müssen laut Merkmal (c3) zumindest zwei unterschiedliche Drehbewegungen der inneren Bürste gegeben sein. Bei einem Zusammenfallen der Achsen würde sich für diese Bürste nur eine einzige Drehbewegung ergeben. Damit ist ausgeschlossen, dass die "Zentralachse" mit der "Längsachse" des Drehtellers und mit der Drehachse durch den Mittelpunkt der inneren Bürste identisch sein kann, wie in E1 gezeigt.

Die Unterscheidungsmerkmale (c1), (c2) und (c3) werden auch durch E2 nicht offenbart oder nahegelegt, da dieses Dokument ebenfalls nur eine Drehachse offenbart. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Fachmann im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen und auf die gestellte Aufgabe, nämlich einen verbesserten Reinigungseffekt zu erzielen, in naheliegender Weise zu diesen Merkmalen gelangen sollte, da sich weder aus E1 noch aus E2 hierfür eine Veranlassung oder eine Anregung ergibt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung

zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der

Basis des Hauptantrags, bestehend aus den Ansprüche 1-12

wie eingereicht mit Schreiben vom 30. September 2016,

sowie der Beschreibung Spalten 1-4 und der Figuren 1-5

des Patents wie erteilt, aufrechtzuerhalten.

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