T 0517/19 () of 13.7.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T051719.20230713
Datum der Entscheidung: 13 Juli 2023
Aktenzeichen: T 0517/19
Anmeldenummer: 09756651.7
IPC-Klasse: A61M 11/04
A61M 15/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: INHALATOR
Name des Anmelders: Batmark Limited
Name des Einsprechenden: JT International S.A.
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1473/19
T 0169/20
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende und die Patentinhaberin legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das europäische Patent Nr. 2358418 auf der Basis des 5. Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

II. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am

13. Juli 2023 statt.

Die Beschwerdeführerin/Einsprechende (im Folgenden "die Einsprechende") beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin (im Folgenden "die Patentinhaberin") beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der 1. bis 7. Hilfsanträge, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin.

III. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet wie folgt:

"Inhalatorkomponente für die intermittierende, inhalations- oder zugsynchrone Bildung eines Dampf-Luft-Gemisches oder/und Kondensationsaerosols, umfassend:

ein Gehäuse (3);

eine im Gehäuse (3) angeordnete Kammer (21);

eine Lufteinlaßöffnung (26) für die Zufuhr von Luft aus der Umgebung in die Kammer (21);

ein elektrisches Heizelement zur Verdampfung einer Portion eines flüssigen Materials (16), wobei der gebildete Dampf sich in der Kammer (21) mit der durch die Lufteinlaßöffnung (26) zugeführten Luft mischt, und sich das Dampf-Luft-Gemisch oder/und Kondensationsaerosol bildet;

und einen Docht mit einer Kapillarstruktur, welcher Docht mit dem Heizelement einen Verbund (22) bildet und das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit dem flüssigen Material (16) versorgt,

dadurch gekennzeichnet, daß der Verbund (22) flächig ausgebildet ist, und zumindest ein beheizter Abschnitt des Verbundes (22) berührungsfrei in der Kammer (21) angeordnet ist, und die Kapillarstruktur des Dochts im besagten Abschnitt wenigstens auf einer Seite (24) des flächigen Verbundes weitgehend freiliegt."

Anspruch 10 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Inhalatorkomponente für die intermittierende, inhalations- oder zugsynchrone Bildung eines Dampf-Luft-Gemisches oder/und Kondensationsaerosols, umfassend:

ein Gehäuse (3);

eine im Gehäuse (3) angeordnete Kammer (21);

eine Lufteinlaßöffnung (26) für die Zufuhr von Luft aus der Umgebung in die Kammer (21);

ein elektrisches Heizelement zur Verdampfung einer Portion eines flüssigen Materials (16), wobei der gebildete Dampf sich in der Kammer (21) mit der durch die Lufteinlaßöffnung (26) zugeführten Luft mischt, und sich das Dampf-Luft-Gemisch oder/und Kondensationsaerosol bildet;

und einen Docht mit einer Kapillarstruktur, welcher Docht mit dem Heizelement einen Verbund (22) bildet und das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit dem flüssigen Material (16) versorgt,

dadurch gekennzeichnet, daß der Verbund (39) linienförmig ausgebildet ist, und zumindest ein beheizter Abschnitt des Verbundes berührungsfrei in der Kammer (21) angeordnet ist, und die Kapillarstruktur des Dochts im besagten Abschnitt weitgehend freiliegt."

IV. Anspruch 9 bzw. Anspruch 10 des 1. bzw. 2 Hilfsantrags entsprechen Anspruch 10 des Hauptantrags.

V. Anspruch 1 des 3. und 4. Hilfsanträge entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags.

VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 weist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags folgende Änderung auf (Hervorhebung seitens der Kammer):

"dadurch gekennzeichnet, daß der Verbund (22) eine Dicke kleiner als 0,6mm aufweist und flächig ausgebildet ist,"

Anspruch 9 des Hilfsantrags 5 weist gegenüber Anspruch 10 des Hauptantrags folgende Änderung auf (Hervorhebung seitens der Kammer):

"dadurch gekennzeichnet, daß der Verbund (39) linienförmig ausgebildet ist und ein Ende des Verbundes (39) in einen Kapillarspalt (41) ragt dessen Strömungswiderstand kleiner ist als der Strömungswiderstand des Dochts, und

zumindest"

VII. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D6 US 4,947,875

D7 US 6,155,268

D21 WO 2007/131449 A1

D21a EP 2022349 A1

D24 "Standard Specifications of Kynol(TM) Activated

Carbon Fiber Products", Kynol Europa GmbH

VIII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Einsprechende lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D6

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Ausführungsform der Figur 4 der D6. D6 offenbare auch das Merkmal, wonach der Docht das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit dem flüssigen Material versorgt.

Auch wenn sich in der D6 die Elektroden 85 und 86 am Rand des Hitzelements 18 befinden würden, würde keine homogene Erhitzung des Heizelements erfolgen, denn die Stromdichte fließe vornehmlich durch das Zentrum des Heizelements.

Nach der inhomogenen Erhitzung und Verdampfung werde die Flüssigkeit erneut eine homogene Verteilung im porösen Heizelement anstreben. Flüssigkeit aus dem äußeren Rand werde sich daher zum Zentrum hinbewegen. Ferner verlange Anspruch 1 nicht, dass die Versorgung des Hitzeelements durch einen kapillaren Vorgang erfolgt.

Es sei auch genügend Flüssigkeit im Heizelement vorhanden, denn 45 myl Flüssigkeit entsprächen bei 6 mm Durchmesser eine Höhe von 1,6 mm. Die Scheibe der D6 könne nicht viel höher sein, denn sonst wäre sie keine Scheibe sondern ein Zylinder.

Hauptantrag - Anspruch 10 - Neuheit gegenüber D21

Der Gegenstand des Anspruchs 10 sei nicht neu gegenüber der D21. In den Figuren 17 und 18 der D21 sei der Heizdraht 83 um eine poröse Komponente 81 gewickelt. Beide Elemente seien in Kontakt und könnten nicht auseinanderfallen. Sie seien daher fest miteinander verbunden und bildeten einen Verbund. Der Begriff "Verbund" in Anspruch 1 sei aufgrund der Beschreibung nicht enger auszulegen. Die Kritik in Absatz [0011] des Streitpatents an einer der D21 ähnlichen Struktur bedeute nicht, dass eine solche Struktur die Neuheit des Anspruchs nicht vorwegnehmen könne.

1. bis 4. Hilfsanträge

Jeder der 1. bis 4. Hilfsanträge enthalte einen der Ansprüche 1 und 10 des Hauptantrags. Diese Hilfsanträge seien daher nicht gewährbar.

5. Hilfsantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der D6 durch das Merkmal, wonach der Verbund "eine Dicke kleiner als 0,6 mm aufweist". Die D6 offenbare die Dicke der Scheibe nicht, diese dürfte aber ca. 2 mm betragen. Die zu lösende Aufgabe sei eine effektivere Verdampfung zu ermöglichen.

Der Fachmann hätte dafür eine höhere Temperatur aufgrund der Lehre in Spalte 6, Zeilen 32 bis 36 der D6 verworfen. Vielmehr hätte er die Verwendung einer dünneren Scheibe in Betracht gezogen, da eine geringere Masse erhitzt werden müsse, um die Verdampfungstemperatur zu erreichen.

Zudem lehre die D6 die Vorteile einer hohen "surface area". Eine dünnere Scheibe bei gleichem Volumen führe zu einer größeren Oberfläche und zu einer stärkeren Verdampfung. Der Fachmann hätte daher eine geringere Dicke und einen größeren Durchmesser verwendet, um das gleiche Flüssigkeitsvolumen aufzunehmen. Eine Dicke kleiner als 0,6 mm habe gemäß Streitpatent keine überraschende Wirkung. Eine solche Dicke sei nicht undenkbar, da geeignete Kynol-Materialien mit dieser Dicke bekannt gewesen seien. Die beanspruchte Dicke sei daher eine bloße Auswahl, die der Fachmann ohne erfinderisches Zutun getroffen hätte. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsantrag - Anspruch 9 - erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 9 sei durch die Kombination der D21 und der D7 nahegelegt.

D21 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Das Unterscheidungsmerkmal könne die von der Einspruchsabteilung festgestellte technische Wirkung nur in Verbindung mit anderen, nicht beanspruchten Merkmalen erzielen. Der Gegenstand des Anspruchs 9 löse daher keine technische Aufgabe.

Die D7 offenbare, dass die Zeitverzögerung zwischen zwei Zügen durch die Verwendung eines Kapillarspalts verringert werden könne. Aufgrund dieser Lehre würde der Fachmann einen Kapillarspalt in der D21 verwenden, um eine bessere Versorgung des Heizelements zu erzielen. Der Verbund der D21 müsse dann in den verwendeten Kapillarspalt hineinragen. Damit würde der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 9 gelangen.

IX. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D6

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber der D6, denn die D6 offenbare nicht das Merkmal, wonach der Docht "das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit dem flüssigen Material (16) versorgt".

Es sei aus der Figur 4 der D6 aufgrund der schematischen Perspektive nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, ob sich die Elektroden 85 und 86 im mittleren Bereich der Kreisscheibe 18 befinden. Die Elektroden 85 und 86 könnten sich auch am Rand befinden. In einem solchen Fall wäre die Erhitzung und die Verdampfung in der Scheibe homogen.

Die Scheibe der D6 sei nicht gesättigt, sondern habe nur wenig Flüssigkeit (45 myl), die möglicherweise nicht in der kompletten Scheibe verteilt sei. Die Scheibe werde auch nicht mit neuer Flüssigkeit versorgt. Jede Flüssigkeitsbewegung innerhalb der Scheibe, um eine Lücke zu füllen, würde also eine neue Lücke erzeugen. Es gebe daher keinen Kapillargradient.

Ferner verlange Anspruch 1, dass das Heizelement mit dem flüssigen Material versorgt wird. Es finde in der D6 jedoch keine Versorgung des Heizelements 18 statt, weil die angebliche Flüssigkeitsbewegung innerhalb des Heizelements 18 stattfinde.

Hauptantrag - Anspruch 10 - Neuheit gegenüber D21

Der Gegenstand des Anspruchs 10 sei neu gegenüber der D21, weil die D21 keinen Verbund im Sinne des Anspruchs 1 offenbare.

Der Begriff "Verbund" in Anspruch 1 bedeute grundsätzlich eine feste Verbindung. Zudem sei die Beschreibung bei der Auslegung der Ansprüche heranzuziehen, um die wahre Bedeutung der Merkmale zu bestimmen (T 1473/19 und T 169/20). Aus den Ausführungsbeispielen des Streitpatents (siehe insbesondere [0041] und [0047]) ergebe sich, dass es um eine strukturelle Verbindung gehe, die mehr als einen bloßen Kontakt erfordere. Ferner bezeichne Absatz [0011] des Streitpatents die in D21 offenbarte Wicklung des Heizdrahts um den Docht als Montage und nicht als Verbund. Der selbe Absatz beschreibe, dass eine solche Montage nachteilig sei und zu einer losen Verbindung der Elemente führe. Eine lose Verbindung könne nicht unter dem Begriff Verbund fallen.

5. Hilfsantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei erfinderisch ausgehend von der D6.

Das Unterscheidungsmerkmal, wonach der Verbund eine Dicke kleiner als 0,6 mm aufweise, löse die Aufgabe, eine effektivere Verdampfung zu ermöglichen.

Die D6 enthalte keinen Hinweis darauf, dass ein dünner Verbund eine effektivere Verdampfung ermögliche. Zudem sei genügend Dicke erforderlich, um die Flüssigkeit im Verbund zu speichern.

5. Hilfsantrag - Anspruch 9 - erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 9 werde durch die Kombination der D21 und der D7 nicht nahegelegt. Der Einwand beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Es bestehe keine Motivation, die D21 mit der D7 zu kombinieren. Die Lehre der beiden Dokumente sei nicht kompatibel und ihre Kombination führe nicht zum Gegenstand des Anspruchs.

Entscheidungsgründe

1. Das Patent

Inhalatoren nutzen elektrische Energie dazu, Arzneimittel und/oder Aromastoffe zu verdampfen. Der erzeugte Dampf und/oder das gebildete Kondensationsaerosol werden dann einem Benutzer zur Inhalation bereitgestellt.

Die beanspruchte Erfindung bezieht sich auf Inhalatoren, welche einen intermittierenden, inhalations- oder zugsynchronen Betrieb erlauben. Dabei wird das flüssige Material nur während eines Zuges oder während einer Inhalation aufgeheizt und verdampft.

Die Inhalatorkomponente gemäß den unabhängigen Ansprüchen 1 und 10 umfassen unter anderem ein Heizelement und einen Docht, welcher mit dem Heizelement einen Verbund bildet und das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit einem flüssigen Material versorgt. Dieser Verbund kann flächig (Anspruch 1) oder linienförmig (Anspruch 10) ausgebildet sein.

2. Hauptantrag

2.1 Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D6

2.1.1 Die Einspruchsabteilung befand, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Ausführungsform der Figur 4 der D6 sei. Die Patentinhaberin hält dem entgegen, dass die D6 das Merkmal, wonach der Docht "das Heizelement nach einer Verdampfung von neuem selbsttätig mit dem flüssigen Material (16) versorgt", nicht offenbart.

2.1.2 In der Ausführungsform der Figur 4 der D6 ist das Heizelement 18 eine kreisförmige Scheibe. Diese kann aus einem Kohlenstoff-Filz bestehen, welches mittels einer Imprägnierung die Aerosol bindende Substanz aufnimmt (siehe Spalte 5, Zeilen 51-55, Spalte 6 Zeilen 5-17 und 28-32, Spalte 10, Zeilen 5-6 sowie Spalte 19, Zeilen 30-42). Das Heizelement 18 der D6 entspricht dem beanspruchten Verbund aus dem Heizelement und aus dem Docht mit einer Kapillarstruktur. Dabei muss es sich nach dem Streitpatent bei Heizelement und Docht nicht um zwei Elemente handeln, vielmehr können beide Funktionen von demselben Element bzw. Verbund ausgeführt werden (siehe Absatz [0047], Zeilen 34-37 und Absatz [0105]).

2.1.3 Die Figur 4 ist ein Teil-Längschnitt (siehe Spalte 5, Zeilen 24-25). Die Figur zeigt, dass sich die Elektroden 85 und 86 zwischen dem Zentrum und dem Rand der Scheibe bzw. des Heizelements 18 befinden. Das Argument der Patentinhaberin, es könne aufgrund der Perspektive nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Elektroden am äußeren Rand der Scheibe 18 befänden, überzeugt nicht, denn am Rand platzierte Elektroden wären in der Schnittdarstellung an der gezeigten Stelle nicht sichtbar. Aber selbst wenn die Elektroden am äußeren Rand angebracht wären, wäre die Stromdichte in der direkten Linie zwischen den Elektroden höher als in den weiter entfernten Bereichen der Scheibe. Dies führt dazu, dass der Bereich der Scheibe unmittelbar zwischen den Elektroden stärker aufgeheizt wird und - zumindest zeitweise - eine höhere Temperatur erreicht. Folglich findet in diesem Bereich eine stärkere Verdampfung der Flüssigkeit statt.

2.1.4 Die D6 offenbart, dass das Heizelement 18 die Flüssigkeit bei der Imprägnierung aufnimmt. Daraus folgt, dass bei einer inhomogenen Verteilung im Heizelement ein Flüssigkeitstransport stattfindet, und zwar von den Bereichen mit mehr Flüssigkeit zu den Bereichen mit weniger Flüssigkeit.

2.1.5 Insbesondere wird in der D6 beschrieben, dass 45 myl Flüssigkeit tropfenweise auf eine kreisförmige Scheibe mit einem Durchmesser von 6 mm aufgetragen wurden (Spalte 19, Zeilen 30-39). Wie von der Einsprechenden vorgebracht, entspricht ein Volumen von 45 myl einer kreisförmigen Scheibe von 6 mm Durchmesser und 1,6 mm Höhe. Die in der D6 nicht angegebene Höhe der Scheibe/Heizelement 18 kann nicht wesentlich größer sein, da es sich sonst nicht um eine Scheibe, sondern um einen Zylinder handeln würde. Dies spricht entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin dafür, dass die Scheibe vollständig oder nahezu vollständig mit Flüssigkeit gesättigt ist.

2.1.6 Folglich führt eine inhomogene Verdampfung der Flüssigkeit in der Scheibe zu einem Flüssigkeitstransport von Bereichen mit geringerer Verdampfung - und damit mehr Restflüssigkeit - zu Bereichen mit stärkerer Verdampfung. Dieser Flüssigkeitstransport hinterlässt keine Lücke oder komplett trockene Bereiche, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, sondern führt nach jeder Verdampfung lediglich zu einer homogeneren Verteilung der Flüssigkeit in der Scheibe.

2.1.7 Die Patentinhaberin macht geltend, dass ein solcher Flüssigkeitstransport weder durch einen kapillaren Vorgang noch zur Versorgung des Heizelements erfolge. Anspruch 1 verlangt zum einen, dass der Docht das Heizelement versorgt und zum anderen, dass beide Elemente einen Verbund bilden. Diese Versorgung des Heizelements kann daher auch innerhalb des Verbunds erfolgen, indem der äußere Bereich der Scheibe nach jedem Zug den zentralen Bereich der Scheibe zwischen den Elektroden mit Flüssigkeit versorgt. Anspruch 1 verlangt sonst nicht, dass das Heizelement durch Kapillarwirkung versorgt wird, daher ist es unerheblich, ob diese Versorgung in der D6 durch Kapillarwirkung erfolgt.

2.1.8 Daraus folgt, dass D6 das strittige Merkmal offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht neu gegenüber der D6.

2.2 Anspruch 10 - Neuheit gegenüber D21

2.2.1 Die D21 offenbart in den Figuren 17 und 18 einen Heizdraht 83, welcher um eine poröse Komponente 81 gewickelt ist. Die poröse Komponente 81 steht mit einem Flüssigkeitsspeicher in Kontakt und absorbiert die dort gespeicherte Flüssigkeit. Zwischen den beiden Enden des Heizdrahtes 83 fließt Strom aus einer Batterie 3, um den Heizdraht 83 zu erhitzen und die Flüssigkeit in der porösen Komponente 81 zu verdampfen (siehe Absätze [0048] und [0055] der D21a, die die Englische Übersetzung nach Art. 153 (4) EPÜ von der PCT Anmeldung D21 ist).

2.2.2 Die Einspruchsabteilung befand, dass der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht neu gegenüber der D21 ist. Strittig im Beschwerdeverfahren ist, ob die D21 dass Merkmal offenbart, wonach der Docht mit dem Heizelement einen Verbund bildet.

2.2.3 Es ist unstreitig, dass ein Verbund eine feste Verbindung bezeichnet. Die Patentinhaberin bezieht sich auf Entscheidungen T 1473/19 und T 169/20 und argumentiert, dass die Beschreibung bei der Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sei. Allerdings können einschränkende Merkmale, die nur in der Beschreibung, nicht aber im Anspruch enthalten sind, nicht in einen Patentanspruch aufgenommen werden (T 1473/19, Gründe 3.16.1, T 169/20, Gründe 1.3.3).

2.2.4 Der Heizdraht 83 ist um die poröse Komponente 81 gewickelt. Die Enden des Heizdrahtes 83 müssen jeweils mit den Polen der Batterie angeschlossen sein, damit die Erhitzung ermöglicht wird (siehe D21a, Absatz [0046], erster Satz). Außerdem sind der Heizdraht 83 und die poröse Komponente 81 innerhalb eines Gehäuses mit den Referenzeichen a/b angebracht (siehe Fig. 1-2 und Absatz [0046]). Der Heizdraht 83 und die poröse Komponente 81 können also konstruktionsbedingt nicht auseinander fallen. Sie sind fest miteinander verbunden und bilden somit einen Verbund.

2.2.5 Die Patentinhaberin macht geltend, dass die Ausführungsbeispiele des Streitpatents eine strukturelle Verbindung zeigten, und verweist auf die Absätze [0041] und [0047]. Im Absatz [0041] wird der Begriff "flächiger Verbund" definiert und die Elemente als "miteinander verbunden" bezeichnet, ohne dass dies näher erläutert wird. Wie bereits ausgeführt, sind die Elemente in der D21 miteinander verbunden. Eine "materielle Verbindung" zwischen den Elementen - wie in der im Absatz [0047] beschriebenen Ausgestaltungsvariante eines flächigen Verbundes - ist dem Wortlaut des Anspruchs 1 nicht zu entnehmen. Absatz [0047] betrifft lediglich eine Ausgestaltungsvariante der Erfindung und umfasst keine Definition des Begriffs "miteinander verbunden". Die in diesem Absatz erwähnte "materielle Verbindung" wird nur mittels einer vorteilhaften aber nicht notwendigen Wärmebehandlung dieser Ausgestaltungsvariante genannt (Seite 8, Zeilen 37-45).^

2.2.6 Die Patentinhaberin macht ferner geltend, dass die Diskussion des Stands der Technik im Absatz [0011] des Streitpatents die Umwicklung eines Dochts von einem Heizdraht als "Montage" und nicht als "Verbund" bezeichne. Der relevante Teil vom Absatz [0011] lautet wie folgt:

Nachteilig bei dieser Konstruktion ist der aufwendige Herstellungsprozeß der Verbindung zwischen dem Heizelement und dem Docht. Der Docht muß vor der Montage mit dem Heizdraht umwickelt werden. [Hervorhebung hinzugefügt]

Der Wortlaut "mit dem Heizdraht" bezieht sich auf die Umwicklung. Der Docht muss gemäß Absatz [0011] mit dem Heizdraht umwickelt werden (Herstellungsprozess der Verbindung), bevor er montiert wird. Die Umwicklung wird also im Absatz [0011] des Streitpatents als Verbindung bezeichnet, nicht als Montage.

2.2.7 Die Patentinhaberin bringt ferner vor, dass Absatz [0011] diese Konstruktion wegen lokaler Ablösungen als nachteilig beschreibe. Die Tatsache, dass eine bestimmte Konstruktion als nachteilig beschrieben wird, bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht unter den Wortlaut des Anspruchs fallen kann. Es gibt daher keinen Grund, wegen des Absatzes [0011] des Streitpatents von der obigen Auslegung des Begriffs "Verbund" in Anspruch 1 abzuweichen.

2.2.8 Folglich offenbart die D21 das strittige Merkmal. Der Gegenstand des Anspruchs 10 ist daher nicht neu gegenüber der D21.

2.3 Der vorgebrachte Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit (Artikel 100(a) EPÜ) steht somit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen.

3. 1. bis 4. Hilfsanträge

Anspruch 9 bzw. Anspruch 10 des 1. bzw. 2 Hilfsantrags entsprechen Anspruch 10 der erteilten Fassung. Anspruch 1 des 3. und 4. Hilfsanträge entspricht Anspruch 1 der erteilten Fassung. Daher enthalten die 1. bis 4. Hilfsanträge jeweils mindestens einen der Ansprüche 1 oder 10 der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag. In Anbetracht der obigen Ausführungen sind diese Anträge ebenfalls nicht gewährbar.

4. 5. Hilfsantrag

4.1 Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D6

4.1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Ausführungsform der Figur 4 der D6 durch das Merkmal, wonach der Verbund "eine Dicke kleiner als 0,6 mm aufweist". Es ist unstrittig, dass die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden kann, eine effektivere Verdampfung der Flüssigkeit zu ermöglichen (siehe Absatz [0044] des Streitpatents).

4.1.2 Die D6 befasst sich nicht mit der Dicke des Heizelements 18. Sie enthält auch keinen Hinweis darauf, dass eine geringere Dicke des Heizelements eine effektivere Verdampfung ermöglicht.

4.1.3 Die D6 stellt fest, dass es von Vorteil ist, wenn das Heizelement eine hohe "surface area" hat, die in m**(2)/g angegeben wird (Spalte 5, Zeilen 51-58). Der Begriff "surface area" in der D6 bezieht sich auf die innere Oberfläche bzw. die spezifische Oberfläche (auf Englisch auch "specific surface area" genannt), die eine Eigenschaft des Materials ist (vgl. D24, 5. Spalte der Tabelle). Diese Materialeigenschaft wird nicht durch die Dimensionen der Kreisscheibe verändert. Der Hinweis auf die Vorteile einer hohen "surface area" gibt also keinen Anreiz, die äußere Oberfläche der Kreisscheibe oder deren Dimensionen zu verändern.

4.1.4 Die Einsprechende macht geltend, dass dünne Kynol-Materialien für die Herstellung von Heizelementen bekannt wären, und dass eine geringere Masse schneller erhitzt werde. Eine bloße Verdünnung des Heizelements, um eine geringere Masse zu erhalten, würde jedoch auch zu einer Verringerung des Volumens führen. Das Heizelement braucht jedoch genügend Volumen, um Flüssigkeit für die in der D6 vorgesehenen Züge zu speichern (siehe Spalte 3, Zeilen 50-52 und Punkt 2.1.5 oben). Die Verwendung eines dünneren Heizelements würde daher eine zusätzliche Vergrößerung des Durchmessers erfordern, um das ursprüngliche Volumen zu erhalten.

4.1.5 Diese mehrfachen Modifikationen des Heizelements der D6 stellen keine bloße Auswahl dar, auf die der Fachmann nur durch die routinemäßige Durchführung von Experimenten kommen würde. Ohne einen entsprechenden Hinweis hierfür würde der Fachmann diese Modifikationen nicht vornehmen. Der Einwand der mangelnder erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der D6 ist daher nicht überzeugend.

4.2 Anspruch 9 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D21

4.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 9 unterscheidet sich von der Ausführungsform der Figuren 17 und 18 der D21 durch das Merkmal, wonach "ein Ende des Verbundes (39) in einen Kapillarspalt (41) ragt, dessen Strömungswiderstand kleiner ist als der Strömungswiderstand des Dochts".

4.2.2 Die Einspruchsabteilung sah die zu lösende Aufgabe darin, den Docht besser mit Flüssigkeit zu versorgen. Die Einsprechende macht geltend, dass in Anspruch 9 nicht spezifiziert sei, dass die Kapillarspalt mit einem Flüssigkeitsbehälter verbunden ist und dass sie den Docht mit Flüssigkeit versorgt. Die technische Wirkung sei somit nicht erreicht und die Aufgabe nicht gelöst.

4.2.3 Selbst wenn die zu lösende Aufgabe lediglich als die Bereitstellung eines alternativen Verbundes angesehen werden sollte, und selbst wenn der Fachmann die Ausführungsform der Figuren 17-18 der D21 durch Hinzufügen eines Kapillarspalts wie in der D7 beschrieben modifiziert hätte, wäre er nicht zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt.

4.2.4 Zum einen lehrt die D7 nicht, dass ein Element, welches einem Docht entspricht, in den Kapillarspalt ragt.

4.2.5 Zum anderen besteht der linienförmig ausgebildete Verbund in der D21 aus dem zentralen, länglichen Abschnitt in den Figuren 17 und 18, wo der Heizdraht 83 die poröse Komponente 81 umwickelt (siehe Seite 11, 2. Absatz der angefochtenen Entscheidung). Die Enden des Verbundes befinden sich also im ringförmigen Abschnitt der porösen Komponente 81. Die Versorgung der porösen Komponente 81 mit Flüssigkeit erfolgt nach der D21 nicht unmittelbar im Verbund sondern im äußeren, ringförmigen Abschnitt der porösen Komponente 81 (siehe Zerstäuber 8 in Kontakt mit dem Flüssigkeitsbehälter 9 in der Figur 1). Somit könnte ein Ende des Verbundes bei dieser Ausführungsform nicht in den Kapillarspalt ragen, sondern allenfalls ein Ende der porösen Komponente 81.

4.2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 9 des Hilfsantrags 5 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.3 Folglich kann das Patent auf der Basis des 5. Hilfsantrags aufrechterhalten werden. Dieser entspricht der mit der angefochtenen Entscheidung aufrechterhaltenen Fassung, so dass keine der Beschwerden Erfolg hat.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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